Urteil des VG Braunschweig vom 19.03.2013

VG Braunschweig: einheit, beförderung, beitrag, konzern, zahl, billigkeit, ernennung, beurlaubung, niedersachsen, vervielfältigung

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Beförderung
Zum Beförderungsauswahlverfahren Telekom 2012.
VG Stade 3. Kammer, Beschluss vom 19.03.2013, 3 B 963/13
§ 50 Abs 2 S 2 BLV
Gründe
Der Antrag hat Erfolg. Der Antragsteller, ebenso wie der Beigeladene
Technischer Oberamtsrat (BesGr. A 13) bei der Antragsgegnerin, hat glaubhaft
gemacht, dass sein allein in Betracht kommender Anspruch auf eine verfahrens-
und ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung verletzt ist und der Sicherung
bedarf (§ 123 Abs. 1 S.1, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Zulässigkeitsbedenken auch im Hinblick auf das mit demselben Beigeladenen
vor dem VG Darmstadt anhängig gewesene Verfahren (1 L 1649/12.DA;
stattgebender Beschluss vom 28.02.2013) bestehen nicht mehr, da nach der
ergänzenden Klarstellung durch die Antragsgegnerin feststeht, dass eine
Rangreihenfolge, der Antragsteller mithin mit allen in einer derartigen Liste vor
ihm Stehenden (vgl. die von der Antragsgegnerin vorgelegte
„Beförderungspotentialliste“) konkurrieren müsste, nach der Beförderungspraxis
der Antragsgegnerin nicht besteht.
Der Antrag ist auch begründet. Die Eilbedürftigkeit und damit der erforderliche
Anordnungsgrund liegt vor, denn im Falle einer Ernennung eines ausgewählten
Beamten erledigt sich das Begehren eines Antragstellers, den
ausgeschriebenen Dienstposten und die damit verbundene Planstelle zu
erhalten (vgl. hierzu etwa Nds. OVG, Beschluss vom 04.05.2010, AZ 5 M 46/10).
Diese Grundsätze gelten trotz der Beurlaubung und der Tätigkeit des
Antragstellers und des Beigeladenen für zivilrechtliche Gesellschaften hier
ebenso, weil diese Zusammenhänge an deren Beamtenstatus nichts ändern
(vgl. § 4 Abs. 4. S. 5 PostPersRG). Diese Erwägungen gelten auch, soweit es
hier „lediglich“ um eine Zulage geht, weil die Gewährung der Amtszulage nach
Anlage IX zum BBesG (vgl. BBesG Anlage I Besoldungsgruppe A 13 Amtl. Anm.
11) nach Leistungsgrundsätzen erfolgt ist. Die Eilbedürftigkeit für das
vorliegende Verfahren ergibt sich daraus, dass dem Antragsteller unter dem
19.11.2012 die angegriffene Auswahlentscheidung mitgeteilt worden ist und die
Antragsgegnerin nach seinem unwidersprochenen Vortrag ab der 2.
Dezemberwoche mit der Übersendung der Beförderungsurkunden für die
Beförderungsrunde 2012 begonnen hat.
Dem Antragsteller steht auch ein Anordnungsanspruch zur Seite, denn die hier
getroffene Entscheidung verletzt ihn in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch.
Eine Auswahlentscheidung ist auf der Grundlage der Bewertung der Eignung,
Befähigung und fachlichen Leistung der Bewerber zu treffen (Art. 33 Abs. 2 GG,
§ 9 BeamtStG) und unterliegt einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle
dahingehend, ob die Verwaltung den anzuwendenden Rechtsbegriff oder den
gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie
von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige
Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen
Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien
verstoßen hat. Erweist sich anhand dieses Maßstabes die
Auswahlentscheidung als fehlerhaft und lässt sich nicht ausschließen, dass der
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Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung des Antragsgegners
ausgewählt werden wird, hat der Antrag auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes Erfolg.
Das Beförderungsverfahren bei der Antragsgegnerin gestaltet sich nach ihrer
Darstellung in der Antragserwiderung im Grundsatz wie folgt:
Das Bundesministerium der Finanzen hat der Deutschen Telekom AG (DTAG)
für 2012 ca. 2700 Beförderungsplanstellen genehmigt. Die Planstellenverteilung
erfolgt prozentual der jeweiligen Beamten pro Besoldungsgruppe; pro
Besoldungsgruppe erfolgt weiterhin eine quotierte Zuweisung von
Beförderungsplanstellen auf die 41 verschiedenen Betriebe/Einheiten, die zur
DTAG gehören bzw. in denen beurlaubte Beamte der DTAG beschäftigt sind.
Der Zugriff einer Einheit auf die Planstellen einer anderen Einheit ist
ausgeschlossen.
Bei der Ausbringung und Bewirtschaftung besetzbarer Beförderungsstellen wird
aufgrund einer Entscheidung der DTAG eine Korrespondenz zwischen der Zahl
der mit der jeweils besten Gesamtnote beurteilten Beamten und der Zahl der
jeweils für eine Besetzung freigegebenen Stellen angestrebt. Das bedeutet,
dass die Obergrenze für die Erteilung der Bestbeurteilungen mit der Anzahl der
zugewiesenen Planstellen korrespondiert, mit anderen Worten lediglich so viele
Beurteilungen mit der Bestnote erteilt werden, wie im jeweiligen Bereich
Beförderungsplanstellen vorhanden sind.
Es kann dahinstehen, ob sich das so gestufte Verfahren bereits auf seiner
ersten Stufe, nämlich bei der Verteilung der Beförderungsstellen auf die
unterschiedlichen Betriebe/Einheiten als fehlerhaft erweist. Zwar mag einiges
dafür sprechen, dass die Zuweisung der Planstellen im weiten verwaltungs- und
organisationspolitischen Ermessen des Dienstherrn steht, auch wenn sie einer
an Eignung und Leistung orientierten Auswahlentscheidung vorausgehen (so
Nds. OVG, Beschluss vom 17.09.2012, 5 ME 121/12; juris). Zutreffend ist
allerdings ebenso, dass diese Vorgehensweise jedenfalls einheitenübergreifend
dazu führen kann, dass in einer Einheit leistungsschwächere Beamte befördert
werden, weil dort (noch) Beförderungsplanstellen zur Verfügung stehen,
während im Vergleich leistungsstärkere Beamte in einer anderen Einheit
mangels entsprechender Planstellen nicht zum Zuge kommen (vgl. im Einzelnen
hierzu VG Darmstadt, Beschluss vom 15.02.2013, 1 L 1653/12.DA; juris sowie
im Beschluss vom 28.02.2013, 1 L 1649/12.DA); dementsprechend wäre (ein)
maßgebendes Kriterium für eine Beförderung nicht der Leistungsgrundsatz,
sondern letztlich die Größe der jeweiligen Einheit.
Jedenfalls erweist sich die getroffene Entscheidung in ihrer zweiten Stufe als
fehlerhaft. Hierzu hat das VG Göttingen (mit Beschluss vom 08.02.2013, 1 B
288/12; juris) ausgeführt:
„Die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin ist bereits deshalb rechtswidrig,
weil sie die beiden separaten, d.h. an sich nacheinander abzuwickelnden und
voneinander unabhängigen Verfahrensschritte der Beurteilung und
anschließenden Beförderungsauswahl in unzulässiger Weise miteinander
vermengt hat. Da nur die mit der Spitzennote beurteilten Beamten befördert
werden und alle übrigen Konkurrenten von einer Beförderung ausgeschlossen
sind, wird bereits auf der Ebene der dienstlichen Beurteilung die
Auswahlentscheidung durch einen insoweit unzuständigen Vorgesetzten
faktisch vorweg genommen. Dies verstößt gegen den Grundsatz der
Chancengleichheit und gegen den Leistungsgrundsatz (s. VG Minden,
Beschluss vom 14.01.2013 – 10 L 745/12 –; VG Arnsberg, Beschluss vom
13.12.2012 – 13 L 908/12 –; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 17.01.2013 –
12 L 1612/12 –).“
Diesen Erwägungen, die, soweit ersichtlich, von der einhelligen Rechtsprechung
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geteilt werden (vgl. über die zitierten Entscheidungen hinaus VG Stuttgart,
Beschluss vom 07.02.2013, 8 K 3954/12, VG Bayreuth, Beschluss vom
05.02.2013, B 5 S 12.1014, VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 17.01.2013, 12
L 1475/12; jeweils juris sowie die oben zitierten Entscheidungen des VG
Darmstadt), schließt sich die Kammer an, so dass dem vorliegenden Antrag
allein aufgrund eines strukturellen Fehlers des Beurteilungs-/Auswahlverfahrens
zu entsprechen war. Anzumerken ist ergänzend, dass die Antragsgegnerin § 50
Abs. 2 BLV - auf diese Vorschrift beruft sie sich zur Begründung ihrer
Auffassung, die Festsetzung niedrigerer Richtwerte bei der Bildung von Quoten
für die Notenvergabe im Rahmen der Beurteilungen sei zulässig - offensichtlich
missversteht, denn die Vorschrift eröffnet gerade zur Wahrung des
Leistungsgrundsatzes die Möglichkeit, „im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit“
(§ 50 Abs. 2 S. 2 BLV) die Sollwerte der Quoten auch zu überschreiten.
Dessen ungeachtet gilt, dass auch die Beurteilung des Antragstellers vom
24.08.2012 - Beurteilungs- und Personalvorgänge betreffend den Beigeladenen
hat die Antragsgegnerin nicht vorgelegt - für einen Leistungsvergleich
ungeeignet ist.
Offen bleiben kann, ob dies bereits deswegen der Fall ist, weil die Beurteilung,
die mit der (drittbesten) Gesamtnote „Erfüllt die Anforderungen in vollem Umfang“
abschließt, im Wege der fiktiven Fortschreibung erstellt wurde. Auszugehen ist
davon, dass die Beschäftigungsgesellschaft des Antragstellers 2008 an einen
französischen Konzern verkauft wurde, so dass für den Antragsteller nach ihrer
Ziffer 1 Absatz 1 letzter Gliederungspunkt die „Richtlinie für die Beurteilung von
Beamtinnen und Beamten bei der Deutschen Telekom im Einsatz außerhalb
des inländischen Konzerns“ vom 04.05.2012 (Beurteilungsrichtlinie) Anwendung
findet. Ziffer 3 Abs. 2 Beurteilungsrichtlinie sieht vor, dass zur Vorbereitung der
Beurteilung durch den Vorgesetzten bei der DTAG ein Beurteilungsbeitrag bzw.
eine Stellungnahme angefordert wird, wobei aus Ziffer 3 Abs. 2 S. 2
Beurteilungsrichtlinie folgt, dass in den Fällen, in denen von der außerhalb des
Konzern gelegenen Beschäftigungsstelle keine Aussage getroffen werden kann,
eine fiktive Fortschreibung der bisherigen Beurteilung erfolgt. Diese
Voraussetzungen, die insoweit sinnvoll sein mögen, als die DTAG auf
konzernfremde Gesellschaften keine Einflussmöglichkeiten im Sinne der
Vorlage des Beurteilungsbeitrages hat, liegen hier jedoch nicht vor, denn unter
dem 05.07.2012 ist für den Antragsteller für den maßgeblichen
Beurteilungszeitraum von Fr. E. ausdrücklich ein Beurteilungsbeitrag erstellt
worden. Dass dennoch eine fiktive Fortschreibung gefertigt wurde, begründet
die Antragsgegnerin (Antragserwiderung vom 19.12.2012, S. 9) damit, dass es
bei Beschäftigungen außerhalb des Konzerns „an den dienstrechtlichen
Grunderfordernissen und an einer Erkenntnisbasis, die als Grundlage für eine
Beurteilung in Frage käme“, fehle. Demgegenüber geht allerdings die
Beurteilungsrichtlinie genau davon, nämlich vom Vorliegen einer
Erkenntnisbasis für die Beurteilung, aus. Zudem sieht auch § 6 Abs. 2 S. 1
PostLV (BGBl. I 2012, S. 90ff.) eine fiktive Beurteilungsfortschreibung (nur) dann
vor, wenn eine zur Vorbereitung der Beurteilung geeignete Stellungnahme nicht
innerhalb eines angemessenen Zeitraums erlangt werden kann, was hier nicht
der Fall war.
Abschließend zu entscheiden ist jedoch auch diese Frage (vgl. zur Abweichung
von Beurteilungsrichtlinien durch ständige Verwaltungspraxis Nds. OVG,
Beschluss vom 08.09.2011, 5 ME 234/11 sowie Beschluss vom 01.10.2008, 5
LA 64/06; jeweils juris) nicht. Jedenfalls fehlt es der Beurteilung bereits an einer
zumindest eingeschränkt vorhandenen Nachvollziehbarkeit (vgl. Nds. OVG,
Beschluss vom 12.04.2011, 5 LA 50/10 m.w.N.) für den Beamten selbst und für
Dritte, denn die Beurteilung enthält lediglich die oben erwähnte Gesamtnote und
darüber hinaus keinerlei Begründung (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-
Württemberg, Urteil vom 25.09.2012, 4 S 660/11; juris), was auch im Falle einer
Fortschreibung durch Darstellung der insoweit maßgeblichen Kriterien
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erforderlich ist (vgl. hierzu auch Ziffer 2 Abs. 4 S. 2 Beurteilungsrichtlinie).
Damit fehlt es gleichzeitig an einer Auseinandersetzung mit dem
Beurteilungsbeitrag, der allein deswegen in die Beurteilung einfließen muss, weil
nicht erkennbar ist, auf welche Tatsachengrundlage sich die Beurteiler (=
Vorgesetzter bei der DTAG, vgl. Ziffer 3 Abs. 2 Beurteilungsrichtlinie, nicht etwa
ein Vorgesetzter der Beschäftigungsstelle) ohne diesen Beitrag stützen sollten.
Die inhaltliche Erläuterung der Beurteilung ist auch deswegen geboten, weil
Abweichungen von Beurteilungsbeiträgen nachvollziehbar zu begründen sind
(hierzu BVerwG, Urteil vom 26.09.2012, 2 A 2/10; juris). (Erhebliche)
Abweichungen liegen hier vor, denn bei identischen Einzelmerkmalen der
Leistungsbeschreibung und identischen Bewertungsstufen im
Beurteilungsbeitrag einerseits und in der eigentlichen Beurteilung andererseits
wird im Beitrag 4-mal die beste und einmal die zweitbeste Wertung vergeben,
die Beurteilung selbst schließt, wie erwähnt, lediglich mit der drittbesten
Wertungsstufe ab. Schließlich, und auch dies als Erwägung ebenfalls
selbständig tragend, ist eine Begründung der Beurteilung allein deswegen
erforderlich, weil der Antragsteller in der Vorbeurteilung für den Zeitraum Juni
2010 bis Mai 2011 eine Bewertung mit der Bestnote erhalten hatte. Eine
Plausibilisierung (vgl. dazu auch Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.12.2012, 1 A 7/11; juris) im Sinne der
Erläuterung dieses Notensprungs enthält die Beurteilung ebenfalls nicht.
Auf die mangels Vorlage der entsprechenden Unterlagen nicht zu klärende
Frage, ob auch die Beurteilung des Beigeladenen an entsprechenden Fehlern
leidet, kam es nicht mehr an. Aufgrund der dargestellten strukturellen Mängel
des Verfahrens, der Mängel in der Beurteilung des Antragstellers und
insbesondere aufgrund des Ergebnisses der vorliegenden Stellungnahme der
Beschäftigungsgesellschaft ist nicht auszuschließen, dass der Antragsteller bei
einer erneuten Entscheidung ausgewählt werden wird.
Aus diesen Gründen war dem Antrag stattzugeben. Die Kostenentscheidung
folgt aus
§ 154 Abs. 1, 3 VwGO, weil auch der Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt
hat. Seine außergerichtlichen Kosten waren nicht für erstattungsfähig zu
erklären, weil dies aus Gründen der Billigkeit nicht geboten war (vgl. § 162 Abs.
3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 5 Satz 2 i.V.m.
Satz 1 Nr. 1 GKG. Der Streitwert beträgt die Hälfte desjenigen Betrages, der in
einem Hauptsacheverfahren zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des
erstinstanzlichen Verfahrens maßgeblich wäre. Er beläuft sich mithin auf 1/2 x
6,5 x 4.484,78 Euro (Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 13 BBesO)
zuzügl. der Amtszulage von 256,77 Euro = 15.410,04 Euro.