Urteil des VG Braunschweig vom 23.01.2014

VG Braunschweig: hund, aufschiebende wirkung, grundstück, auflage, öffentliche sicherheit, vollziehung, zwinger, unterbringung, zwangsgeld, rechtswidrigkeit

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Auflagen zur Erlaubnis für das Halten eines
gefährlichen Hundes
Zur - hier verneinten - Rechtmäßigkeit von Auflagen, mit denen der
Hundehalter verpflichtet wird, seinen Hund außerhalb des Halteranwesens
innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und im Außenbereich
bei Vorliegen besonderer Umweltreize anzuleinen und durch bestimmte
bauliche Maßnahmen auf seinem Grundstück u.a. sicherzustellen, dass der
Hund sich dort befugterweise aufhaltenden Personen nicht gefährlich
werden kann.
VG Osnabrück 6. Kammer, Beschluss vom 23.01.2014, 6 B 88/13
§ 14 Abs 3 HundHaltG ND 2011, § 10 Abs 4 HundHaltG ND 2011, § 37 Abs 1 VwVfG
Gründe
I.
Mit Bescheid vom 01.08.2013 stellte der Antragsgegner gemäß § 7 Abs. 1
NHundG die Gefährlichkeit des Hundes des Antragstellers - eines damals ca.
drei Jahre alten Parson-Russel-Terriers namens „E.“ - fest. Zur Begründung
führte er aus, dass der Hund am 10.02.2013 auf einem in der Nähe des
Grundstücks des Antragstellers gelegenen Parkplatz ein Tretroller fahrendes
Mädchen unvermittelt attackiert und in den linken Fuß gebissen habe; die
dadurch verursachte Bisswunde habe ärztlich behandelt werden müssen.
Aufgrund dieses nicht arttypischen Verhaltens sei davon auszugehen, dass
der Hund des Antragstellers über eine besonders niedrige Reizschwelle und
eine geringe Angriffshemmung verfüge. Dies rechtfertige den Verdacht, dass
von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehe, so dass
dessen Gefährlichkeit festzustellen sei. Gegen diesen Bescheid hat der
Antragsteller fristgerecht Klage erhoben (6 A 128/13), über die noch nicht
entschieden ist; seinen anschließend gestellten Antrag auf Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes lehnte die Kammer mit Beschluss vom 10.10.2013
(6 B 68/13), auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ab. In dem
daraufhin vom Antragsteller zunächst anhängig gemachten
Beschwerdeverfahren (11 ME 283/13) erklärten die Beteiligten den
Rechtsstreit mit Blick auf den nachfolgend geschilderten Sachverhalt in der
Hauptsache für erledigt.
Am 06.08.2013 beantragte der Antragsteller eine Erlaubnis zum Halten seines
Hundes gemäß § 9 NHundG und legte anschließend u.a. ein am 17.09.2013
von einem Herrn F. - offenbar Mitinhaber der Hundeschule „G.“ in H. -
verfasstes „Gutachten über die Gefährlichkeit eines Hundes“ vor, das auf
einem von ihm am gleichen Tag mit dem Hund des Antragstellers
durchgeführten Wesenstest „nach § 11 Abs. 1 des Gefahrhundegesetzes
und § 1 der Verordnung über den Wesenstest nach dem Gefahrhundegesetz“
beruhte und in dem zusammenfassend die Sozialverträglichkeit des Hundes
bescheinigt wurde; wegen der Einzelheiten wird auf dieses Gutachten Bezug
genommen. – Im Hinblick darauf erteilte der Antragsgegner dem Antragsteller
mit Bescheid vom 27.11.2013 die beantragte Haltungserlaubnis. Diese
Erlaubnis wurde unter Hinweis auf § 10 Abs. 4 NHundG mit einem Widerrufs-
und Auflagenvorbehalt (Ziff. II. und III.) sowie unter Ziff. I. mit folgenden
Auflagen versehen:
„1. Ihr Hund E. ist außerhalb des Halteranwesens, innerhalb der im
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Zusammenhang bebauten Ortsteile, an einer reißfesten Leine von
höchstens zwei Meter Länge mit schlupfsicherem Halsband zu führen.
Die Leinenlänge ist so zu bemessen, dass Sie jederzeit eine Kontrolle
und Einwirkung auf das Tier haben. Freier Auslauf ist nur außerhalb der
im Zusammenhang bebauten Ortsteile mit der Ausnahme zulässig, dass
in Bereichen, wo Umweltreize den Hund zu sehr verleiten könnten und
Sie keine Einwirkungsmöglichkeiten haben, der Hund ebenfalls an der
Leine zu führen ist.
2. Durch ausbruchsichere Unterbringung Ihres Hundes (z.B. Zwinger,
Zaun o.ä.) ist zu gewährleisten, dass Ihr Hund sicher verwahrt wird, d.h.
weder das Grundstück unbeaufsichtigt verlassen werden kann, noch auf
dem Grundstück, auf dem der Hund gehalten wird, befugt sich
aufhaltende Personen oder Tieren gefährlich werden kann.“
Hinsichtlich dieser beiden Auflagen ordnete der Antragsgegner zugleich die
sofortige Vollziehung an und drohte dem Antragsteller für den Fall der
Nichtbefolgung ein Zwangsgeld in Höhe von 150 € je Auflage an.
Der Antragsteller hat auch hiergegen Klage erhoben (6 A 207/13) und die
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Er macht geltend, dass es
für den angeordneten Leinenzwang keine Rechtsgrundlage gebe, weil sich
dieser bereits unmittelbar aus dem Gesetz ergebe; für eine deklaratorische
Feststellung gebe es keinen Grund. Abgesehen davon habe sein Hund den
zwischenzeitlich von sachkundigen Personen durchgeführten Wesenstest, in
dem ihm u.a. ein freundliches Wesen bescheinigt worden sei,
einschränkungslos positiv und gut bestanden, so dass der Leinenzwang
gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 NHundG aufgehoben werden müsse. Dies habe der
Antragsgegner jedoch nicht getan; stattdessen versuche er nunmehr in
unzulässiger Weise, die Bedeutung des Wesenstests herunterzuspielen.
Darüber hinaus sei der dem gesamten Verfahren zugrunde liegende
Sachverhalt nach wie vor ungeklärt. Vielmehr nehme man apodiktisch an,
dass sein Hund das betroffene Kind grundlos angegriffen habe, ohne auf
seinen Vortrag im Verfahren 6 B 68/13, wonach das Kind seinen Hund in der
Vergangenheit mehrfach vorsätzlich gereizt habe, einzugehen und die
Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass sein Hund auch am Vorfallstag
lediglich auf solche Reizung reagiert bzw. sich verteidigt habe. Unter diesen
Umständen sei der angeordnete Leinenzwang, der für Hund und Halter einen
erheblichen Eingriff bedeute, zum einen unverhältnismäßig, zum anderen,
soweit er grundsätzlich innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile
und ausnahmsweise bei bestimmten Umweltreizen auch außerhalb solcher
Ortsteile gelten solle, zu unbestimmt. Die Forderung, seinen Hund in
bestimmter Weise ausbruchsicher unterzubringen, sei ebenfalls
unverhältnismäßig, weil damit von ihm letztlich verlangt werde, sein
Grundstück zweifach, nämlich durch eine äußere Umzäunung des
Grundstücks und die Errichtung eines Zwingers innerhalb des so umfriedeten
Grundstücks, zu sichern. Dafür gebe es keinen Anlass, zumal es bislang noch
nie vorgekommen sei, dass sein Hund sein Grundstück unbeaufsichtigt
verlassen oder einen Grundstücksbesucher angegriffen habe. Als Folge der
Rechtswidrigkeit dieser beiden Auflagen sei auch die darauf bezogene
Zwangsgeldandrohung aufzuheben. Warum der Antragsgegner darüber
hinaus einen - bereits gesetzlich vorgesehenen - Widerrufs- und
Auflagenvorbehalt in die Erlaubnis aufgenommen habe, sei ebenfalls nicht
erkennbar; das ihm insoweit eingeräumte Ermessen habe der Antragsgegner
jedenfalls nicht betätigt. Außerdem sei der Widerrufsvorbehalt unverständlich,
weil dort die Begriffe „Widerruf“ und „Rücknahme“ gleichsinnig verwendet
würden. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegner
widersprüchlich handele, weil er entgegen der in seinem Schriftsatz vom
27.09.2013 im Verfahren 6 B 68/13 enthaltenen Zusicherung den Bescheid
über die Feststellung der Gefährlichkeit seines Hundes trotz des inzwischen
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vorliegenden positiven Wesenstests bislang nicht aufgehoben und trotz
entsprechender Aufforderung vom 30.11.2013 nicht einmal nachträglich von
dem Leinenzwang abgesehen habe.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die im Bescheid des
Antragsgegners vom 27.11.2013 unter Ziff. I. 1. und 2. enthaltenen
Auflagen, die Zwangsgeldandrohung (Ziff. I. 4.), den
Widerrufsvorbehalt (Ziff. II.) und den Auflagenvorbehalt (Ziff. III.)
wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Auffassung, dass der angeordnete Leinenzwang ungeachtet der
grundsätzlich bereits kraft Gesetzes bestehenden Verpflichtung rechtmäßig
sei. Insoweit habe er von der ihm eingeräumten Befugnis, den Leinenzwang
unter Berücksichtigung des Wesenstests ganz oder teilweise aufzuheben,
dahingehend Gebrauch gemacht, dass er den Leinenzwang lediglich für im
Zusammenhang bebaute Ortsteile angeordnet und es dem Antragsteller im
Übrigen gestattet habe, seinen Hund „frei laufen zu lassen“. Eine
Ermessensreduzierung auf Null liege insoweit nicht vor, zumal es nicht
unüblich sei, Hunde in bebauten Gebieten nur angeleint auszuführen und das
Anleinen weder einen besonderen Aufwand erfordere noch von einem Hund
als besonders störend empfunden werde. Die angeordnete Leinenlänge sei
ebenfalls angemessen. Gleiches gelte für die weitere Auflage, für eine
ausbruchsichere Unterbringung des Hundes zu sorgen. Insoweit habe der
Antragsteller die Wahl, ob er sein gesamtes Grundstück einfriede, auf dem
Grundstück einen Zwinger errichte oder seinen Hund auf dem Grundstück an
einer entsprechenden „Laufleine“ halte. Dass eine dauerhafte Einzäunung des
Grundstücks nicht unverhältnismäßig sei, sei in der Rechtsprechung auch
bereits anerkannt worden. Das angedrohte Zwangsgeld sei dem Grunde und
der Höhe nach ebenfalls angemessen.
II.
Der Antrag ist unzulässig, soweit der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz
auch gegen den in Ziff. II. und III. des Bescheides des Antragsgegners vom
27.11.2013 aufgenommenen Widerrufs- und Auflagenvorbehalt begehrt. Denn
insoweit hat der Antragsteller weder die sofortige Vollziehung angeordnet noch
sind diese Vorbehalte kraft Gesetzes sofort vollziehbar; demgemäß besteht für
die Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes auch bei Annahme eines
entsprechenden Regelungscharakters kein Rechtsschutzbedürfnis.
Im Übrigen hat der Antrag weitgehend Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer
Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt, dessen sofortige Vollziehung
die Behörde - wie hier hinsichtlich der Auflagen unter Ziff. I. 1. und 2. des
Bescheides - gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat oder der -
wie hier hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung (§ 64 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG)
- kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, wiederherstellen bzw. anordnen. Bei
dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen
Vollziehung einerseits und das Interesse des Betroffenen an der Aussetzung
der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur rechtskräftigen
Entscheidung über dessen Rechtmäßigkeit andererseits gegeneinander
abzuwägen, wobei insbesondere auch die bereits überschaubaren
Erfolgsaussichten des im Hauptsacheverfahren eingelegten Rechtsbehelfs zu
berücksichtigen sind. Diese Interessenabwägung fällt überwiegend zugunsten
des Antragstellers aus, weil bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen
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summarischen Prüfung in dem tenorierten Umfang ernsthafte Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der angegriffenen Auflagen und der daran anknüpfenden
Zwangsgeldandrohung bestehen.
Soweit es den angeordneten Leinenzwang betrifft, folgt dies - anders als der
Antragsteller meint - allerdings noch nicht daraus, dass es hierfür keine
rechtliche Grundlage bzw. kein rechtliches Bedürfnis gebe. Es trifft zwar zu,
dass ein Hundehalter bereits kraft Gesetzes (§ 14 Abs. 3 Satz 1 NHundG)
verpflichtet ist, einen gefährlichen Hund außerhalb ausbruchsicherer
Grundstücke anzuleinen, wobei es im Übrigen ungeachtet der vorliegenden
Entscheidung verbleibt. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass die zuständige
Behörde eine solche normativ begründete Verpflichtung im Einzelfall dem
Betroffenen gegenüber durch einen gesetzeswiederholenden Verwaltungsakt
konkretisiert, um den Umfang der Verpflichtung inhaltlich näher zu bestimmen
und die Voraussetzungen für eine etwaige Vollstreckung dieser Verpflichtung
zu schaffen (vgl. dazu BVerwG, U. v. 23.02.1979 - VII C 31.76 -, juris = VRS
57, 76; Nds. OVG, B. v. 17.08.1995 - 8 M 2926/95 -, juris = NVwZ-RR 1996,
261; Bayr. VGH, B. v. 18.12.1999 - 7 ZS 98.1660 u.a. -, juris = DVBl. 1999,
624). Demgemäß bestehen gegen die Zulässigkeit einer derartigen
gesetzeswiederholenden Verfügung auch im vorliegenden Fall keine
Bedenken, zumal sich der Antragsgegner dabei ohnehin nicht auf eine bloße
Wiederholung des Gesetzeswortlauts beschränkt, sondern den nach § 14 Abs.
3 Satz 1 NHundG außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke generell
geltenden Leinenzwang - möglicherweise schon im Rahmen einer aus Sicht
des Antragstellers noch ausstehenden Entscheidung nach § 14 Abs. 3 Satz 2
NHundG - näher modifiziert hat.
In der Sache selbst wird sich die konkrete Ausgestaltung des Leinenzwangs -
mit Ausnahme der nicht zu beanstandenden Regelungen über die
Verwendung vom Leine und Halsband (Satz 1, Halbsatz 2 und Satz 2 der
Auflage Ziff. I. 1.) - jedoch aller Voraussicht nach als rechtswidrig erweisen,
weil sie zum einen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage nicht
hinreichend Rechnung trägt und zum anderen inhaltlich zu unbestimmt ist. Mit
der in Satz 1 dieser Auflage getroffenen Grundregelung wird dem Antragsteller
aufgegeben, seinen Hund „außerhalb des Halteranwesens“ innerhalb der im
Zusammenhang bebauten Ortsteile an einer Leine zu führen. Damit geht diese
Auflage insofern über die gesetzliche Regelung des § 14 Abs. 3 Satz 1
NHundG hinaus, als diese einen Leinenzwang lediglich „außerhalb
ausbruchsicherer Grundstücke“ vorsieht. „Ausbruchsicheres Grundstück“
muss aber nicht zwingend nur das Grundstück des Hundehalters, sondern
kann auch ein anderes Grundstück (z.B. das Privatgrundstück eines Dritten,
das Gelände einer Hundeschule bzw. Hundepension o.ä.) sein, auf dem sich
der Hund ggf. - etwa während urlaubs- oder krankheitsbedingter
Abwesenheiten seines Halters - vorübergehend aufhält. Durch die verengende
Bezugnahme auf das „Halteranwesen“ wird dem Antragsteller mithin die
gesetzlich bestehende Möglichkeit genommen, seinen Hund bei Bedarf auf
anderen ausbruchsicheren Grundstücken ohne Leine laufen zu lassen, ohne
dass der angegriffenen Auflage hierfür ein sachlicher Grund zu entnehmen
wäre. Darüber hinaus ist diese Regelung inhaltlich nicht hinreichend bestimmt
(§ 37 Abs. 1 VwVfG), soweit sie einen Leinenzwang „innerhalb der im
Zusammenhang bebauten Ortsteile“ anordnet. Insoweit weist der Antragsteller
zu Recht darauf hin, dass die Subsumtion der im Einzelfall konkret
vorliegenden örtlichen Gegebenheiten unter diesen Rechtsbegriff selbst in der
verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung seit jeher eine Reihe von - mitunter
schwierigen - Abgrenzungsfragen aufwirft. Von daher kann von einem
juristischen Laien wie dem Antragsteller nicht erwartet werden, dass er
erkennt, wo ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil beginnt bzw. endet und
auf welchen konkreten räumlichen Bereich sich der angeordnete Leinenzwang
im Zweifelsfall erstreckt. Inhaltlich zu unbestimmt ist ferner die in Satz 2 der
Auflage Ziff. I. 1. enthaltene - offenbar aus dem Gutachten über den
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Wesenstest übernommene - Regelung, wonach der Antragsteller seinen Hund
auch außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile anzuleinen hat, wenn
„Umweltreize den Hund zu sehr verleiten könnten“ und der Antragsteller keine
Einwirkungsmöglichkeiten mehr habe. Auch insoweit bleibt völlig offen und ist
für den Antragsteller nicht erkennbar, welche „Umweltreize“ im Einzelfall
konkret gegeben sein müssen, um eine Anleinpflicht auch im Außenbereich zu
begründen.
Durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen darüber hinaus gegen die - im
Ausgangspunkt allerdings zu Recht auf § 10 Abs. 4 Satz 1 NHundG gestützte -
Auflage bezüglich der ausbruchsicheren Unterbringung des Hundes (Ziff. I. 2.
des angefochtenen Bescheides). Diese resultieren zunächst wiederum
daraus, dass mit der Forderung nach bestimmten baulichen Maßnahmen
(Zwinger, Zaun o.ä.) allein auf das Grundstück des Antragstellers abgestellt
wird, ohne mögliche Aufenthalte des Hundes auf anderen (ausbruchsicheren)
Grundstücken in den Blick zu nehmen. Darüber hinaus berücksichtigt diese
Auflage, soweit damit auch Gefährdungen sich befugt auf dem Grundstück des
Antragstellers aufhaltender Personen vermieden werden sollen (letzter
Halbsatz), nicht, dass derartigen Gefahren nicht nur durch - ggf.
kostenaufwendige - bauliche Maßnahmen, sondern auch auf einfachere
Weise, nämlich dadurch begegnet werden kann, dass der Leinenzwang auch
auf dem Grundstück des Antragstellers praktiziert wird, soweit sich Dritte dort
berechtigterweise aufhalten. Dass dem Antragsteller - wie der Antragsgegner
in seiner Antragserwiderung vorgetragen hat - diese Möglichkeit ohne weiteres
offenstehen soll, lässt sich dem Wortlaut der streitigen Auflage nicht
entnehmen. Schließlich erweist sich auch diese Auflage als zu unbestimmt,
soweit dem Antragsteller aufgegeben wird, dafür Sorge zu tragen, dass sein
Hund Personen, die sich befugt auf seinem Grundstück aufhalten, „nicht
gefährlich werden kann“. Denn die Frage, ob eine konkrete Situation
„gefährlich“ ist oder nicht, ist in einer Weise von den subjektiven
Einschätzungen der ggf. betroffenen Personen abhängig, dass sie objektiv
vielfach kaum zu beantworten sein wird, so dass die Forderung nach einer
Vermeidung „gefährlicher“ Situationen letztlich auch nicht vollstreckbar wäre.
Aus der mutmaßlichen (weitgehenden) Rechtswidrigkeit der vorgenannten
Auflagen folgt zugleich, dass auch die darauf bezogene
Zwangsgeldandrohung (Ziff. I. 4. des angefochtenen Bescheides) aufzuheben
sein wird. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Antragsgegner offenbar
bestrebt war, dem Antragsteller mit diesen Auflagen - insbesondere der
Lockerung des Leinenzwangs - in gewisser Weise „entgegenzukommen“ und
die rechtlichen Folgen der Gefährlichkeitsfeststellung abzumildern. Dies ändert
aber nichts daran, dass eine Behörde, auch wenn sie - ohne dass dies
rechtlich unbedingt geboten ist - einen solchen Weg beschreitet, Regelungen
treffen muss, die von der zugrunde liegenden Ermächtigungsgrundlage
gedeckt sind und einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben.
Im Übrigen weist die Kammer - obwohl nicht mehr entscheidungserheblich - für
den weiteren Fortgang des Verfahrens vorsorglich auf Folgendes hin: Der
Einwand des Antragstellers, der Antragsgegner verhalte sich widersprüchlich,
weil er entgegen seiner vorherigen, im gerichtlichen Verfahren 6 B 68/13
abgegebenen „Zusicherung“ den Bescheid über die Feststellung der
Gefährlichkeit seines Hundes trotz des inzwischen vorliegenden positiven
Wesenstests bislang nicht aufgehoben habe, ist nicht begründet. In der
Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts (vgl. B. v. 25.01.2013 - 11
PA 294/12 -, juris, m.w.N.), der die Kammer folgt, ist bereits seit längerem
geklärt, dass der zu Recht angenommene Verdacht der Gefährlichkeit eines
Hundes nicht nachträglich dadurch in Frage gestellt wird, dass sich in einem
später durchgeführten Wesenstest keine Hinweise für eine gesteigerte
Aggressivität des Hundes ergeben haben; demgemäß führt ein positiver
Wesenstest nicht dazu, dass der Bescheid über die Gefährlichkeitsfeststellung
nachträglich aufzuheben wäre. Auch die vom Antragsteller (möglicherweise)
vertretene Auffassung, ein positiver Wesenstest müsse regelmäßig zumindest
zu einer nachträglichen Aufhebung des Leinenzwangs gemäß § 14 Abs. 3
Satz 2 NHundG führen, trifft so nicht zu. Denn die gesetzlichen Regelungen
setzen einen positiven Wesenstest für die Erteilung einer Haltungserlaubnis
voraus, sehen aber dennoch auch nach Erteilung einer solchen Erlaubnis
grundsätzlich einen Leinenzwang vor. Demgemäß ist bei der diesbezüglichen,
im Ermessen der Behörde stehenden Entscheidung nicht nur das Ergebnis
des Wesenstests, sondern auch das bisherige aktenkundige Verhalten des
Hundes (insbesondere anlässlich des zugrunde liegenden Beißvorfalls) zu
berücksichtigen und zu würdigen.