Urteil des VG Braunschweig vom 18.02.2013

VG Braunschweig: einheit, berufliche tätigkeit, beförderung, übertragung, unternehmen, verfügung, gerichtsakte, wahrscheinlichkeit, beschränkung, beurlaubung

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Zu einer unzulässigen Verknüpfung des
Beurteilungsverfahrens mit dem Auswahlverfahren
1. Stellenausschreibungen können in ihrem Adressatenkreis nur durch
Verfassungsnormen begrenzt werden.
2. Ein mit dem Beurteilungsverfahren dergestalt verbundenes
Auswahlverfahren, dass die Beurteilungsnote nach der Anzahl der zu
besetzenden Stellen vergeben wird, ist rechtswidrig.
3. Zur Zuständigkeit der Beurteilung beurlaubter Beamter.
VG Osnabrück 3. Kammer, Beschluss vom 18.02.2013, 3 B 36/12
Art 33 Abs 2 GG
Tenor
Der Antragsgegnerin wird in dem Wege einer einstweiligen Anordnung nach §
123 Abs. 1 Satz 1 VwGO untersagt, in dem Rahmen der Beförderungsrunde
2012 nach der Beförderungsliste der Telekom Deutschland GmbH
Beförderungen nach der Besoldungsgruppe A 9 BBesO auszusprechen, bis
über den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers unter Beachtung
der Rechtsauffassung der Kammer erneut entschieden worden ist.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens des vorläufigen
Rechtsschutzes zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auf 980.039,99 € festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller ist Technischer Fernmeldehauptsekretär der
Besoldungsgruppe A 8 BBesO. Seit 2006 ist er privaten Tochterorganisationen
der Deutschen Telekom zugewiesen. Derzeit ist er noch bis zum 30. Juni 2017
unter Wegfall der Besoldung für eine Tätigkeit bei der T-Systems International
GmbH beurlaubt.
Im Juni 2012 leitete die Antragsgegnerin Beförderungsmaßnahmen
laufbahnübergreifend ein.
Diese „Beförderungsaktion 2012“ gestaltete die Antragsgegnerin wie folgt:
Zunächst erstellte sie eine Liste der bundesweiten Organisationen, denen
Beamte zugewiesen wurden oder bei denen Beamte beschäftigt sind.
Auf diese 41 Einheiten (Blatt 42 der Gerichtsakte) wurden die von dem
Bundesministerium der Finanzen für das Jahr 2012 bewilligten rund 2.700
Beförderungsplanstellen prozentual auf die Beamten nach ihren jeweiligen
Besoldungsgruppen verteilt, und dann die Beförderungsplanstellen den
genannten 41 Betrieben zugewiesen.
Da die Betriebe jedoch einen höchst unterschiedlichen Bestand an Beamtinnen
und Beamten aufweisen, wurden auch kleinen Organisationseinheiten
Beförderungsplanstellen zugewiesen, um einen sogenannten
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„Minderheitenschutz“ in jedem Betrieb zu gewährleisten.
Für die Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 9 bedeutete dieses
Vorgehen ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen (Blatt 15 Beiakte A)
enthaltenen Planstellenverteilung, dass die Beförderungswahrscheinlichkeit
höchst unterschiedlich ist: Bei 16.531 Beamten der zu befördernden
Besoldungsgruppe A 8 und 629 vom Bundesfinanzministerium bewilligten
Planstellen der Besoldungsgruppe A 9 besteht abstrakt eine Wahrscheinlichkeit
für jeden 26. Beamten auf Beförderung (1 : 26); dies entspricht einer Quote der
Beförderungen von 3,7 vom Hundert der Beamten dieser Besoldungsgruppe.
Auf die einzelnen Einheiten verteilt ergibt sich demgegenüber aufgrund des
sogenannten „Minderheitenschutzes“ eine hiervon stark abweichende
Beförderungswahrscheinlichkeit: So ist etwa bei der Organisationseinheit „CW.“
und dort vorhandenen 37 Beamten der Besoldungsgruppe A 8 und einer
Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 die Beförderungswahrscheinlichkeit 1 : 37,
bei der Einheit „CX.“ weitere“ und dort gelisteten 63 Beamten der
Besoldungsgruppe A 8 und zwei zu verteilenden Planstellen der
Besoldungsgruppe A 9 die Beförderungswahrscheinlichkeit 1 : 31. Bei der
Einheit „CY.“ und dort vorhandenen sechs Beamten der Besoldungsgruppe A 8
BBesO und einer Planstelle zur Beförderung zur Besoldungsgruppe A 9 ist die
Wahrscheinlichkeit 1 : 6, bei der Organisationseinheit „CZ.“ und dort
vorhandenen zwei Beamten der Besoldungsgruppe A 8 und einer Planstelle
nach A 9 BBesO ist die Wahrscheinlichkeit 1 : 2, ebenso bei der Einheit „DA.“,
und bei der Organisationseinheit „DB.“ und einem Beamten der
Besoldungsgruppe A 8 und einer Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 ist die
Beförderungswahrscheinlichkeit 1 : 1, mithin 100 vom Hundert.
Der Antragsteller selbst wird bei der Organisationseinheit DC. geführt, der
bundesweit 2.615 Beamte der Besoldungsgruppe A 8 BBesO zugeordnet und
der 98 Planstellen der Besoldungsgruppe A 9 BBesO zugewiesen wurden; dies
entspricht einer Beförderungswahrscheinlichkeit von 1 : 27.
Das System ist so ausgestattet, dass die einzelnen Einheiten nicht auf die
Planstellen der anderen Einheit zugreifen und sich auf diese bewerben
beziehungsweise bei diesen berücksichtigt werden können. Beamte einer
Einheit können folglich selbst bei einer besseren Eignung nicht beanspruchen,
dass sie aufgrund der Planstellen einer anderen Einheit befördert werden.
Sodann erstellte die Antragsgegnerin für alle zu einer Beförderung in Betracht
kommenden Beamten dienstliche Beurteilungen, und änderte das
zugrundeliegende Beurteilungsverfahren entsprechend dahingehend ab, dass
das Beurteilungssystem eine fünfstufige Skala mit den Bewertungen
- „erfüllt die Anforderungen nicht“ (S),
- „erfüllt die Anforderungen teilweise“ (R),
- „erfüllt die Anforderungen im vollen Umfang“ (Q),
- „übertrifft die Anforderungen“ (P),
- „übertrifft die Anforderungen in besonderem Umfang“ (O)
enthielt.
Hiernach wurden alle Beamten in der jeweiligen Dienststelle
(Organisationseinheit in dem Sinne der Stellenverteilung) in eine Rangliste
gebracht.
Sodann wurde die dienstliche Beurteilung nach der so erstellten Rangliste
vorgenommen, so dass genau so viele Beamte das Beurteilungsergebnis
„übertrifft die Anforderungen in besonderem Umfang“ (O) erhielten, wie nach
dem oben skizzierten System auf die Organisationseinheit Planstellen entfielen.
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Die Antragsgegnerin wählte dieses System, um bei unterstelltem gleichen
Beurteilungsergebnis zu verhindern, dass Dienstvorgesetzte gezwungen wären,
die Beurteilungen inhaltlich weiter auszudifferenzieren, und um so der
Beförderungsaktion 2012 als Massenverfahren mit diesem zugrunde zu
legenden ungefähr 40.000 Beurteilungen gerecht zu werden; eine isolierte
Beurteilung mit anschließender Ausschärfung bei gleicher Endnote sei nicht
mehr mit vertretbarem Organisations- und Personalaufwand zu bewerkstelligen
und schade letztlich auch dem Bestenausleseprinzip, weil
Konkurrenzstreitigkeiten geradezu herausgefordert würden.
Der Antragsteller wurde durch dienstliche Beurteilung vom 31. August 2012 für
den Beurteilungszeitraum 1. September 2011 bis 31. Mai 2012 mit dem
Gesamturteil „erfüllt die Anforderungen im vollen Umfang“ beurteilt, wobei in der
Beurteilung auf ihren Seiten 1 und 5 eine Schwerbehinderung des Antragstellers
verneint wurde. Die Beurteilung erstellte mit dem Gruppenleiter DD. ein
Mitarbeiter des privaten Unternehmens, bei dem der Antragsteller privatrechtlich
tätig war.
Die Vorbeurteilung des Antragstellers für den Beurteilungszeitraum 1. Juni 2010
bis 31. Mai 2011 lautet demgegenüber auf die Gesamtbeurteilung „übertrifft die
Anforderungen“ und weist den Antragsteller als Schwerbehinderten aus.
Gegen die Beurteilung vom 31. August 2012 hat der Antragsteller durch
Schreiben vom 21. November 2012 Widerspruch erhoben (Blatt 25 der
Gerichtsakte), der - soweit ersichtlich - noch nicht beschieden wurde.
Durch Schreiben vom 12. November 2012 teilte die Antragsgegnerin dem
Antragsteller mit, dass er bei der Beförderungsrunde 2012 nicht berücksichtigt
werde, da die Anzahl der genehmigten Beförderungsplanstellen nur ausreiche,
um die Beamtinnen und Beamten des Betriebes des Antragstellers zu befördern,
die mit „übertrifft die Anforderungen in besonderem Umfang (O)“ beurteilt worden
seien.
Hiergegen hat der Antragsteller unter dem 10. Dezember 2012 Widerspruch
erhoben und am gleichen Tage um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
nachgesucht.
Er ist der Ansicht, dass es an einem ordnungsgemäßen Auswahlverfahren
insoweit fehle, als die Antragsgegnerin sämtliche Beamten beurteilt habe und
hierbei die Bestnote „O“ nur so oft vergeben habe, wie auch
Beförderungsplanstellen bei den jeweiligen Organisationseinheiten zur
Verfügung gestanden hätten. Insoweit widerspreche es jeglicher
Lebenserfahrung, dass im Jahre 2012 von ca. 50.000 Beamtinnen und Beamten
exakt so viele bzw. so wenige eine Bestleistung erbracht hätten, wie der
Telekom Beförderungsplanstellen zugewiesen worden seien. Die Beurteilungen
seien daher nicht nachvollziehbar, da die Note von dem Vorhandensein einer
Beförderungsplanstelle abhängig gemacht worden sei. Insoweit sei die gesamte
Beurteilungspraxis ausschließlich darauf ausgerichtet gewesen, simpel und
ohne großen Personal- und Sachaufwand eine
Beförderungsauswahlentscheidung zu treffen, die vor Gericht Bestand hätte.
Damit sei die Anzahl der Beförderungsplanstellen und nicht das Kriterium der
Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG ausschlaggebend. Im Übrigen habe die
Antragsgegnerin auf die Erstbeurteiler durch ein Rundschreiben dahingehend
eingewirkt, Spitzenbewertungen in Beurteilungen nur nach einer
entsprechenden Freigabemail zu erteilen.
Der Antragsteller beantragt,
der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung
aufgegeben, zumindest eine der ihr zugewiesenen
Beförderungsplanstellen der Wertigkeit A 9 BBesO so lange nicht mit
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einer anderen Bewerberin bzw. einem anderen Bewerber zu besetzen,
bis über den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers
rechtskräftig entschieden ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er verteidigt das skizzierte Beurteilungs- und Auswahlsystem und trägt insoweit
vor, dass es rechtlich zulässig sei, zwischen Ausbringung und Bewirtschaftung
besetzbarer Beförderungsstellen und den jeweils mit der besten Gesamtnote
beurteilten Beamten eine Kongruenz herzustellen. Die sei de facto eine
Obergrenze für die Bestbeurteilung. Auf die Beurteiler sei nicht unzulässig
eingewirkt worden. Es sei ihr Organisationskalkül, dass die höchstrichterliche
Rechtsprechung eine vorrangige Orientierung an den Gesamturteilen in den
aktuellen Beurteilungen der Bewerber nicht in Frage stelle (so ausdrücklich Blatt
47 der Gerichtsakte). Einer Feinausschärfung bei einem Bewerbervergleich
bedürfe es nicht, da die fraglichen Bewerber vorliegend nicht als im
Wesentlichen gleich geeignet seien. Die für den Antragsteller zugrunde gelegte
dienstliche Beurteilung sei in der Sache nicht zu beanstanden.
Die Kammer hat die - sämtlich gleich mit der Notenstufe „O“ beurteilten -
Beamten, die bei der Organisationseinheit DC., der der Antragsteller angehört,
geführt werden, gemäß § 65 Abs. 2 VwGO beigeladen. Diese haben sich nicht
an dem Verfahren beteiligt.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten und den Einzelheiten des
Auswahlverfahrens wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze sowie die Gerichts- und die Verwaltungsakte verwiesen.
II.
Die Kammer versteht das Antragsbegehren gemäß § 88 VwGO als gegen die
Besetzung der Planstellen mit sämtlichen ausgewählten Bewerbern, die der
Organisationseinheit DC., der auch der Antragsteller angehört, gerichtet an. Die
Formulierung in dem wörtlich gestellten Antrag „zumindest eine der ihr
zugewiesenen Beförderungsplanstellen“ nicht zu besetzen, lässt offen, welche
konkrete Stellenbesetzung der Antragsteller vorläufig verhindert wissen möchte.
Da sämtliche ausgewählte Beförderungsbewerber, die bei der
Organisationseinheit DC., der der Antragsteller angehört, geführt werden, exakt
gleich beurteilt wurden, und somit keine Rangliste im eigentlichen Sinne besteht,
und da die Antragsgegnerin von sich aus nicht zugesagt hat, eine Stelle für den
Antragsteller für den Fall seines Obsiegens in dem Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes freizuhalten, die in dem Falle eines Erfolgs des
Rechtsschutzgesuchs gegebenenfalls seiner Organisationseinheit zugewiesen
werden würde, war das Rechtsschutzgesuch als gegen sämtliche
Auswahlentscheidungen gerichtet anzusehen.
Der zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache (§ 123 Abs. 2 Satz
1 VwGO) auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige
Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht,
dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden
könnte (sog. Sicherungsanordnung). Für den Erlass einstweiliger Anordnungen
gilt nach § 123 Abs. 3 VwGO § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)
entsprechend, d. h., der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsgrund als
auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.
1. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Dem
Antragsteller droht ohne diese Entscheidung der Kammer ein
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Rechtsverlust, weil er in dem Falle der Beförderung der beigeladenen
Konkurrenten in einem nachträglichen Hauptsacheverfahren keinen
Rechtsschutz gegen die Auswahlentscheidung mehr erlangen kann.
2. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft
gemacht.
Ein Anordnungsanspruch besteht in Fällen der Konkurrenz von Bewerbern
um die Übertragung eines höherwertigen Amtes bzw. Dienstpostens dann,
wenn es nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand überwiegend
wahrscheinlich ist, dass die von dem Dienstherrn in dem
Besetzungsverfahren getroffene Auswahlentscheidung zu Lasten des
jeweiligen Antragstellers rechtsfehlerhaft ist, weil dessen aus Art. 33 Abs. 2
GG folgender Bewerbungsverfahrensanspruch keine hinreichende
Beachtung gefunden hat. Hinzutreten muss, dass die Auswahl des
betreffenden Bewerbers in einem weiteren - rechtmäßigen -
Auswahlverfahren zumindest möglich erscheint, wozu es ausreicht, dass
die Aussichten, ausgewählt zu werden, (mindestens) "offen" sind
(Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.
November 2011, - 5 ME 319/11 -, NVwZ-RR 2012, 77 - 78).
Denn die von der Antragsgegnerin zugunsten der Beigeladenen
getroffenen Auswahlentscheidungen sind aller Voraussicht nach
rechtswidrig und verletzten den Antragsteller in seinem subjektiven
öffentlichen Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG. Das von der Antragsgegnerin
praktizierte Auswahlverfahren leidet an den Fehlern einer nicht von ihrem
Organisationsermessens gedeckten Aufteilung und Zuteilung der ihr zur
Verfügung stehenden Planstellen auf die einzelnen Organisationseinheiten
und der hiermit untrennbar verbundenen Beschränkung des
Bewerberkreises auf die Angehörigen der jeweiligen Organisationseinheit
(lit. a.), an einem fehlerhaften Beurteilungssystem als Grundlage der
getroffenen Auswahlentscheidungen (lit. b.) sowie an einer Fehlerhaftigkeit
der konkret für den Antragsteller erstellten Beurteilung (lit. c.), die - jeweils
begründungsalternativ und somit selbständig tragend - den Erlass einer
einstweiligen Anordnung erfordern.
a. Die von der Antragsgegnerin als Grundlage ihres Auswahlverfahrens
vorgenommene Aufteilung der ihr zugewiesenen Beförderungsstellen
auf die bundesweit bestehenden Organisationseinheiten verstößt
gegen Art. 33 Abs. 2 GG.
Zwar ist der Antragsgegnerin zuzugestehen, dass Behörden
grundsätzlich ein weitgespanntes organisatorisches Ermessen, wie sie
die ihr zur Verfügung gestellten Planstellen bewirtschaften,
einzuräumen ist. Behörden steht es grundsätzlich frei, ob sie die
Planstellen überhaupt besetzen und ob und gegebenenfalls welchen
Organisationseinheiten sie diese Planstellen zuweisen.
Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass als Ausfluss
dieses Organisationsermessens die Planstellen auf bestimmte,
abgegrenzte Personenkreise aufgeteilt werden könnten mit der Folge,
dass der Anwendungsbereich des Bestenauslesegrundsatzes aus Art.
33 Abs. 2 GG in personeller Hinsicht durch eine derartige
Organisationsentscheidung begrenzt werden könnte (so aber wohl
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.
Dezember 1995, - 5 M 7168/95 -, NdsVBl 1996, 133 - 134;
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss
vom 07. Juli 2008, - 6 B 767/08 -, Juris [Rn. 6]; Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08. August 2005, - 2 A 10372/05 -, Schütz
BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 131). Dies ergibt sich aus Folgendem:
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Nach Artikel 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche einen Anspruch auf
einen gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern nach Maßgabe seiner
Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung. Der damit in Art. 33 Abs.
2 GG verankerte Bestenauslesegrundsatz (BVerfG, Beschluss vom 26.
November 2010, - 2 BvR 2435/10 -, NVwZ 2011, 746) wird
unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet (BVerfG, Beschluss vom
26. November 2010, - 2 BvR 2435/10 -, NVwZ 2011, 746; Bochmann,
Leistungsgrundsatz und Haushaltskonsolidierung, ZBR 2008, 397
[401]); er ist ein Strukturprinzip des Beamtenrechts (Schmidt-Aßmann,
Leistungsgrundsatz des Art. 33 II GG und soziale Gesichtspunkte bei
der Regelung des Zugangs zum Beamtenverhältnis, NJW 1980, 16
[16]) und gibt Eignung, Befähigung und fachliche Leistung als
abschließenden (Bochmann, am angegebenen Ort, Seite 407)
Auswahlmaßstab des Verfassungsrechts für die Besetzung öffentlicher
Ämter vor (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 27. Mai
1994, - 3 Sa 2118/93 -, NVwZ-RR 1995, 584 - 586 [585]).
Mit ihrer staatsorganisationsrechtlichen Zielsetzung dient die Vorschrift
zunächst dem öffentlichen Interesse der bestmöglichen Besetzung der
Stellen des öffentlichen Dienstes; dessen fachliches Niveau und
rechtliche Integrität sollen gewährleistet werden (BVerfG, Beschluss
vom 26. November 2010, - 2 BvR 2435/10 -, NVwZ 2011, 746). Zum
anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interesse der
Beamten, Soldaten oder Richter an einem angemessenen beruflichen
Fortkommen dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte
auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die
Bewerberauswahl begründet (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch);
insoweit gewährleistet die Norm als "Ausdruck grundrechtlich
demokratischer Gleichheit" ein grundrechtsgleiches Recht in dem Sinne
des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG (Schmidt-Aßmann, am angegeben Ort,
Seite 17; Bochmann, am angegebenen Ort, Seite 398]).
Die besondere Verfahrensabhängigkeit des
Bewerbungsverfahrensanspruches erfordert eine angemessene
Gestaltung des Auswahlverfahrens, um die Durchsetzung der in Art. 33
Abs. 2 GG garantierten Rechte sicherstellen zu können. Durch die
Gestaltung des Auswahlverfahrens wird unmittelbar Einfluss auf die
Konkurrenzsituation und damit auf das Ergebnis der
Auswahlentscheidung genommen. Deshalb muss das
Auswahlverfahren unter allen Bewerbern Chancengleichheit herstellen
und gewährleisten, dass von den potentiellen Bewerbern derjenige
gefunden wird, der am ehesten den gesetzlichen Anforderungen
entspricht (BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2011, - 1 WDS-VR
5.11 -, BVerwGE 141, 271 - 282).
Für Art. 33 Abs. 2 GG fehlt es - anders als etwa für die Grundsätze des
Art. 33 Abs. 5 GG, die unter einem selbstverständlichen gesetzlichen
Regelungsvorbehalt stehen (Schmidt-Aßmann, am angegeben Ort,
Seite 17.), an einer einfachgesetzlichen Modifikations- und
Eingriffsbefugnis (Schmidt-Aßmann, am angegeben Ort, Seite 17;
Bochmann, am angegeben Ort, Seite 401).
Hieraus folgt - ebenso wie etwa für vom Grundgesetz schrankenlos
gewährte Grundrechte (BVerfG, Urteil vom 24. Februar 1971, - 1 BvR
435/68 -, BVerfGE 30, 173 [193]; BVerwG, Urteil vom 11. Dezember
1996, - BVerwG 6 C 5.95 -, BVerwGE 102, 304 - 316), dass aus dem
Gedanken der Einheit der Verfassung heraus (BVerfG, Beschluss vom
26. Mai 1970, - 1 BvR 83/69, 1 BvR 244/69, 1 BvR 345/69 -, BVerfGE
28, 243 [260 f.]) nur die Grundrechte Dritter oder andere mit
Verfassungsrang ausgestattete Belange in eine Konkurrenz zu Art. 33
Abs. 2 GG treten können (Schmidt-Aßmann, am angegeben Ort, Seite
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17; Bochmann, am angegebenen Ort, Seite 401).
Nur eine Konkurrenzsituation auf der Ebene des Grundgesetzes
legitimiert eine Abweichung von dem Leistungsprinzip des Art. 33 Abs. 2
GG. Belange, die nicht schon im Leistungsgrundsatz selbst verankert
sind, können deshalb als immanente Schranke des
grundrechtsgleichen Rechts bei der Besetzung öffentlicher Ämter nur
dann Berücksichtigung finden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang
eingeräumt ist (BVerwG, Urteil vom 25. November 2004, - BVerwG 2 C
17.03 -, BVerwGE 122, 237). Die Schwelle für Einschränkungen des Art.
33 Abs. 2 GG ist damit eine höhere als etwa für die hergebrachten
Grundsätze des Berufsbeamtentums in dem Sinne des Art. 33 Abs. 5
GG (Schmidt-Aßmann, am angegebenen Ort, Seite 17).
Aus dem Gesagten folgt, dass einfachgesetzliche Normen, die nicht
zugleich eine Konkretisierung eines anderen Verfassungsgutes sind,
oder aber auch Kriterien wie etwa das des
Ausschreibungsaufwandesoder das nicht als solches mit
Verfassungsrang ausgestattete "Gemeinwohl" eine Einschränkung des
Art. 33 Abs. 2 GG nicht zu tragen vermögen.
Auch bei dem Organisationsermessen handelt es sich gerade nicht um
ein mit Verfassungsrang ausgestattetes Rechtsgut, das eine
Beschränkung des Anwendungsbereiches des Art. 33 Abs. 2 GG auf
die Angehörigen einer Organisationseinheit rechtfertigen könnte. Die
Beschränkung ist mithin rechtswidrig. Etwaigen, nach dem
Leistungsprinzip als alleinigem Auswahlmaßstab des
Verfassungsrechts erfolgreichen Bewerbungen der Angehörigen
anderer Organisationseinheiten kann und muss die Antragsgegnerin
gegebenenfalls durch Umsetzungen, Versetzungen oder Zuweisungen
anderer Bediensteter als Folgemaßnahmen Rechnung tragen.
b. Begründungsalternativ und insoweit selbständig tragend ist der
Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers durch ein von der
Antragsgegnerin zugrunde gelegtes fehlerhaftes Beurteilungssystem
als Grundlage der getroffenen Auswahlentscheidungen verletzt.
Die Antragsgegnerin hat zu ihrer Vorgehensweise vorgetragen, dass sie
in den einzelnen Organisationseinheiten immer nur diejenigen
Beamtinnen und Beamten auf die für die jeweilige Einheit vorgesehenen
Stellen habe befördern wollen, die die Spitzennote erhalten hätten.
Andere Beamte als diese spitzenbenoteten Beamtinnen und Beamten
kämen dafür von vornherein nicht in Frage. In den
Beurteilungsverfahren seien ohne Ausnahme immer nur so viele
Spitzennoten vergeben worden, wie Beförderungen in der jeweiligen
Einheit vorgenommen werden könnten / sollten, und die Beurteilungen
seien immer erst nach einer Rückkoppelung mit der die
Beförderungsstellen bewirtschaftenden Behörde freigegeben worden.
Niemals seien mehr Spitzennoten vergeben worden, als
Beförderungsstellen vorhanden seien. Die beiden Vorgänge
(Beförderung und Beurteilung) seien "synchronisiert" worden, um aus
Praktikabilitätsgründen nicht in ein Auswahlverfahren "einsteigen" zu
müssen und so die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts, dass bei
gleicher Beurteilung ein „Ausschärfen“ der Beurteilungen verlange, was
einen erhöhten Personal- und Sachaufwand erfordere, umgehen zu
können.
Bei dem beschriebenen Vorgehen handelt es sich um eine
rechtswidrige, nämlich "zielorientierte" Steuerung der zukünftigen
Auswahlentscheidung auf der Ebene des Beurteilungsverfahrens, die
unzulässig ist (Oberverwaltungsgericht Rheinland Pfalz, Beschluss vom
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1. Oktober 2012, - 2 B 10745/12 -, IÖD 2012, 254 - 258).
(1) Das beschriebene Vorgehen verstößt gegen § 50 BLV. Nach § 50
Abs. 2 Satz 1 BLV soll der Anteil der Beamtinnen und Beamten einer
Besoldungsgruppe oder einer Funktionsebene, die beurteilt werden, bei
der höchsten Note zehn Prozent und bei der zweithöchsten Note
zwanzig Prozent nicht überschreiten. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist
im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit eine Über- oder Unterschreitung
um jeweils bis zu fünf Prozentpunkte möglich.
Bei den in § 50 Abs. 2 Satz 1 BLV genannten vom-Hundert-Sätzen
handelt es sich um Richtwerte, von denen nur in einem Einzelfall
abgewichen werden kann. Aufgrund des Wortlauts des Satz 1 dieser
Vorschrift ("soll") geht die Kammer ferner von einem gebundenen
Ermessen der Antragsgegnerin aus, welches dahin geht, im Regelfall
die vorgesehenen vom-Hundert-Sätze nicht zu überschreiten. Aus der
in einem systematischen Zusammenhang zu Satz 1 stehenden
Konkretisierung in Satz 2 des § 50 Abs. 2 BLV folgt, dass auch eine
Unterschreitung der Prozentsätze nur im Einzelfall und nur in Höhe von
bis zu 5 % zulässig ist.
An einer derartigen, ausnahmsweise zulässigen Unterschreitung aus
Einzelfallgründen fehlt es vorliegend. Als Einzelfälle in diesem Sinne
sind dabei in erster Linie diejenigen Fälle zu verstehen, in denen wegen
der genauen Ausfüllung der Quoten Beamte mit praktisch gleichem
Leistungsstand unterschiedliche Gesamtnoten erhalten müssten
(BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1980, - BVerwG 2 C 13.79 -, ZBR 1981,
197 - 199). Hier hat die Antragsgegnerin jedoch vorgetragen, dass sie
den Verwaltungsaufwand für ein „Ausschärfen“ gleicher Beurteilungen
habe vermeiden wollen, der ihr als marktwirtschaftlich tätigem
Unternehmen nicht passe. Dieser Vortrag ist gedanklich nicht geeignet,
das Vorliegen eines Einzelfalls zu tragen. Der Sache nach macht die
Antragsgegnerin insoweit nämlich gerade nicht das Vorliegen eines
Einzelfalls geltend, sondern erhebt sich selbst zu einem solchen mit der
Folge, dass für alle ihre Beamten ein „Einzelfall“ vorliege, was der
genannten Gesetzesauslegung und auch schon dem Gesetzeswortlaut
aber gerade widerspricht. Der Sache nach dispensiert sich die
Antragsgegnerin selbst von der grundsätzlich vorgesehenen Einhaltung
der Richtwerte bei Bundesbeamten und bringt die Vorschrift des § 50
Abs. 2 Satz 1 BLV für ihren eigenen Geschäftsbereich rechtswidrig zu
einem Leerlauf.
(2) Auch aus einem weiteren Grund ist die von der Antragsgegnerin
praktizierte Verknüpfung von Beurteilungs- und Auswahlverfahren
unzulässig. Der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderte Leistungsvergleich
muss anhand aussagekräftiger, das heißt aktueller, hinreichend
differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender
dienstlicher Beurteilungen vorgenommen werden. Maßgebend ist in
erster Linie das abschließende Gesamturteil (Gesamtnote), das durch
eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen
leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (BVerwG, Urteil vom
4. November 2010, - BVerwG 2 C 16.09 -, BVerwGE 138, 102 - 122 [Rn.
46]). Grundsätzlich kommt der dienstlichen Beurteilung damit die
Funktion zu, eine Grundlage für die Auswahl des nach Eignung,
Befähigung und fachlicher Leistung besten Bewerbers zu bilden.
Hieraus folgt dann aber auch, dass es sich bei dem
beurteilungsverfahren und bei dem Auswahlverfahren um zwei
voneinander unabhängige Verfahren handelt, und dass es aus diesem
Grunde unzulässig ist, die spätere Auswahlentscheidung dadurch
vorwegzunehmen, dass bereits der Beurteiler die
Beförderungsentscheidung trifft. Gerade letzteres ist hier indes der Fall
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gewesen. Denn die jeweiligen Beurteiler treffen mit der Note der
dienstlichen Beurteilung nicht nur eine Vorauswahl, sondern wegen der
absoluten und ja auch gerade angestrebten Deckungsgleichheit
zwischen Beförderungsstellen in den einzelnen Organisationseinheiten
und in der Gesamtorganisation einerseits und der Spitzenbeurteilungen
in beiden Betrachtungen andererseits schon die Beförderungsauswahl
selbst.
(3) Deutlich wird die fehlerhafte Verknüpfung von Beurteilungs- und
Auswahlverfahren insbesondere dann, wenn man sich die
Organisationseinheit DB. betrachtet, bei der bei einem Beamten der
Besoldungsgruppe A 8 und einer Planstelle der Besoldungsgruppe A 9
für diese Organisationseinheit die Beförderungswahrscheinlichkeit 1 : 1
ist, mithin 100 vom Hundert. Hier wird der Beamte der
Besoldungsgruppe A 8 BBesO unabhängig von seiner tatsächlichen
Eignung, Leistung und Befähigung mit der Spitzennote alleine deshalb
beurteilt, weil das gewollte Auswahlverfahren in Kombination mit der
Regionalisierung der Beförderungsstellen unter Berücksichtigung eines
Minderheitenschutzes auf diese Organisationseinheit eine
Beförderungsstelle hat entfallen lasen. Die Vollnote der Beurteilung
hängt mithin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkten von der
Leistung des Beamten ab, sondern wird durch die Stellenverteilung und
den Minderheitenschutz entscheiden bestimmt. Dies verstößt gegen Art
33 Abs. 2 GG.
(4) Letztlich - ebenfalls selbständig tragend - ist das Beurteilungssystem
der Antragsgegnerin deshalb rechtsfehlerhaft, weil es keinen
einheitlichen Beurteilungsmaßstab aufweist. Wird über
beamtenrechtliche Beförderungen allein auf der Grundlage einer
einzigen Erkenntnisquelle - einer Beurteilung aus Anlass der
Bewerbung um ein Beförderungsamt - entschieden, so sind nicht nur an
die strikte Einhaltung der Verfahrensvorgaben, sondern auch an die
inhaltliche Richtigkeit dieser Anlassbeurteilungen besonders hohe
Anforderungen zu stellen, um den verfassungsrechtlichen
Erfordernissen des Leistungsgrundsatzes und der Chancengleichheit
(Art. 33 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 GG) zu genügen, die für eine solcherart
vorgenommene Bewerberauswahl zu erfüllen sind.
Beurteilungssysteme müssen transparent und folgerichtig sein und
müssen insbesondere auch einheitlich praktiziert werden (OVG
Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 01. Oktober 2012, - 2 B 10745/12 -,
RiA 2012, 268 - 271). Daran fehlt es vorliegend. Denn nach dem
glaubhaften Vortrag der Antragsgegnerin sind bestand bei den
vorgenommenen Beurteilungen gerade kein einheitlicher
Beurteilungsmaßstab, sondern Maßstab war allein die Anzahl der
jeweils der Organisationseinheit - auch kraft des sogenannten
Minderheitenschutzes - zugewiesenen Beförderungsstellen. Letztlich
entscheid also der Zufall über das Beurteilungsergebnis insoweit, als
die Anzahl der Beförderungsstellen bei einer Organisationseinheit - die
höchst unterschiedliche Anzahl der dort beschäftigten Beamten der
jeweiligen Besoldungsgruppe und die Größe der Organisationseinheit -
Beurteilungsmaßstab war. Der Zufall ist aber kein taugliches
Beurteilungssystem in dem obigen Sinne.
c. Auch die von der Antragsgegnerin ihrer Auswahlentscheidung
zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung des Antragstellers ist
rechtsfehlerhaft, sodass sie keine hinreichende Grundlage der
Auswahlentscheidung bilden kann und auch dieser Fehler die
getroffene Auswahlentscheidung - ebenfalls begründungsalternativ und
selbständig tragend - rechtswidrig macht.
Fehler in einem Beurteilungsverfahren können auf den
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Bewerbungsverfahrensanspruch eines im Auswahlverfahren über ein
Beförderungsamt oder einen Beförderungsdienstposten
unberücksichtigt gebliebenen Bewerbers nur dann zu dessen Gunsten
durchschlagen, wenn sie ihrer Art nach die Annahme stützen, dass der
Auswahlentscheidung - und zwar gerade den in Rede stehenden
Bewerber betreffend - eine hinreichende Orientierung an den
materiellen Kriterien der Bestenauslese fehlt (Nordrhein-Westfälisches
OVG, Beschluss vom 12. Juli 2010, - 1 B 58/10 -, Juris [Rn. 6]).
Für die gerichtliche Überprüfung der dienstlichen Beurteilung eines
Beamten ist ein sogenannter Beurteilungsspielraum des Dienstherrn,
der zu einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte führt,
anerkannt. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung hat sich darauf zu
beschränken, ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den
gesetzlichen Rahmen, in dem er sich bewegen kann, verkannt, ob er
einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeine
Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt
hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abgabe dienstlicher
Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die
Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen
Regelungen, speziell denen der Laufbahnverordnung über die
dienstliche Beurteilung, und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften im
Einklang stehen (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2008, - BVerwG 2
A 7.08 -, ZBR 2009, 196; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002, -
BVerwG 2 C 31.01 -, Buchholz 237.9 § 20 SaarLBG Nr. 1).
Hiervon ausgehend ist die dienstliche Beurteilung des Antragstellers der
Überprüfung durch die Kammer zugänglich rechtsfehlerhaft. Die
Beurteilung des Antragstellers ist zum einen auf Grund der von der
Antragsgegnerin gewählten Vorgehensweise, nur so viele Spitzennoten
im Rahmen der Beurteilungen 2012 zu vergeben, wie Planstellen zur
Verfügung stehen (dazu [1]), aber auch deswegen fehlerhaft, weil sie
nicht von der richtigen Beurteilerin / dem richtigen Beurteiler
vorgenommen wurde (dazu [2]).
(1) Die von der Antragsgegnerin gewählten Vorgehensweise, nur so
viele Spitzennoten im Rahmen der Beurteilungen 2012 zu vergeben,
wie Planstellen zur Verfügung stehen, steht wie dargelegt nicht in einem
Einklang mit § 50 BLV und verkennt daher den gesetzlichen Rahmen, in
dem sich der Dienstherr bewegen darf.
(2) Die Rechtswidrigkeit der Beurteilung ergibt sich ferner aus dem
Umstand, dass die Beurteilung durch einen Mitarbeiter des
konzernfremden Unternehmens - hier: durch einen Mitarbeiter der
„Telekom DE. Deutschland“ - erfolgt ist. Dies geschah rechtsfehlerhaft.
Eine dienstliche Beurteilung erfolgt grundsätzlich durch den Dienstherrn
bzw. durch den für ihn handelnden jeweiligen Dienstvorgesetzten
(BVerwG, Urteil vom 2. April 1981, - BVerwG 2 C 34.79 -, BVerwGE 62,
135 - 143).
Zwar nimmt gemäß § 1 Abs. 2 PostPersRG der Vorstand die
Befugnisse der obersten Dienstbehörde sowie des obersten
Dienstvorgesetzten wahr. Dennoch findet sich keine normative
Regelung, nach der die Befugnis zur dienstlichen Beurteilung auf ein
anderes privates Unternehmen oder dessen Mitarbeiter übertragen
werden kann.
Eine solche Übertragung auf Nichtdienstvorgesetzte im
dienstrechtlichen Sinne ist gesetzlich vielmehr sogar ausgeschlossen.
Dies folgt aus § 50 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BLV. Diese Normen sehen
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alleine vor, dass Einzelheiten des Beurteilungsverfahrens die obersten
Dienstbehörden in den Beurteilungsrichtlinien regeln und dass sie diese
Befugnis auf andere Behörden übertragen können. Von einer
Übertragung auf private Unternehmen ist dort gerade nicht die Rede.
Die Notwendigkeit einer Beurteilung durch Mitarbeiter eines
konzernfremden Unternehmens ist - insbesondere im Hinblick auf die
Möglichkeit der Nachzeichnung von Beurteilungen - zudem auch in der
Sache nicht erkennbar.
Bestätigt wird dieses Ergebnis durch § 6 Abs. 2 Satz 1 PostLV
(Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten im
Geltungsbereich des Postpersonalrechtsgesetzes
[Postlaufbahnverordnung]. vom 12. Januar 2012, BGBl. I 2012, Seite
90). Nach dieser Norm ist in den Fällen einer Beurlaubung nach § 13
Absatz 1 der Sonderurlaubsverordnung, wenn zur Vorbereitung der
Beurteilung eine geeignete Stellungnahme des Unternehmens, bei dem
die Beamtin oder der Beamte tätig ist, nicht innerhalb eines
angemessenen Zeitraums erlangt werden kann, die letzte regelmäßige
dienstliche Beurteilung unter Berücksichtigung der Entwicklung
vergleichbarer Beamtinnen und Beamten im Sinne des Absatzes 1 Satz
2 fiktiv fortzuschreiben. Diese Norm schließt es gerade aus,
Beurteilungen sonderbeurlaubter Beamter durch Mitarbeiter
konzernfremder Unternehmen zuzulassen, sondern gibt diesen nur die
Möglichkeit zu einer Stellungnahme, die zu einer Grundlage einer
dienstlichen Beurteilung gemacht werden kann (VG Arnsberg, Urteil
vom 8. Oktober 2012, - 13 K 3345/11 -, Veröffentlichung nicht bekannt).
Soweit Ziffer 1 Abs. 2 der „Richtlinie für die Beurteilung der Beamtinnen
und Beamten in dem Rahmen des Personalentwicklungskonzepts
„Compass““ bei der Deutschen Telekom (vom 4. Mai 2012) bestimmt,
dass dem Geltungsbereich der Richtlinie alle im dienstlichen Interesse
beurlaubten Beamten unterfallen, die in dem maßgeblichen
Beurteilungszeitraum in dem inländischen Konzern tätig waren, und
soweit Ziffer 3. der genannten Richtlinie dem direkten Vorgesetzen das
Erstellen der dienstlichen Beurteilung zuweist, vermag eine derartige
Unterlage ohne jeden Normcharakter die genannten normativen
Vorgaben nicht zu derogieren. Die Richtlinie ist wegen des Verstoßes
gegen die genannten normativen Vorgaben vielmehr offensichtlich
rechtswidrig. - Soweit die „Anordnung zur Übertragung dienstrechtlicher
Befugnisse und Zuständigkeiten für den Bereich der Deutschen
Telekom AG“ (- DTAGÜbertrAnO -, vom 14. Januar 2013, BGBl. I Seite
105) in ihrem Gliederungspunkt I. 1. die allgemeinen
beamtenrechtlichen Befugnisse des Vorstands der Deutschen Telekom
AG mit Ausnahme der Befugnis zur Ernennung und zur Entlassung von
Beamtinnen und Beamten auf eine privatrechtlich organisierte Tochter
überträgt (ebenso schon die „Anordnung zur Übertragung
dienstrechtlicher Befugnisse und Zuständigkeiten für den Bereich der
Deutschen Telekom AG“ vom 27. September 2010, BGBl. I Seite 1363),
steht diese schon von ihrem Wortlaut her unter dem Vorbehalt „soweit
dies gesetzlich zulässig ist“, was angesichts der angeführten
normativen, eine Übertragung der Beurteilungszuständigkeit
ausschließenden Regelungen gerade nicht der Fall ist.
(3) Die strittige dienstliche Beurteilung ist - erneut begründungsalternativ
und selbständig tragend - auch deshalb rechtswidrig, weil es sich um
eine Beurteilung eines nach § 13 SUrlV beurlaubten Beamten handelt.
Denn Gegenstand und Inhalt einer dienstlichen Beurteilung können nur
Tätigkeiten und Leistungen sein, die der Beamte in Ausübung seines
Amtes, also „dienstlich“ erbracht hat. Das liegt im Wesen einer
„dienstlichen“ Beurteilung und ist auch schon rein begrifflich ihre
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zwingende Voraussetzung. Der Beamte, der vom Dienst freigestellt oder
- wie hier - beurlaubt ist, leistet aber keinen Dienst, der einer Beurteilung
zugänglich wäre. Ihm ist es deshalb verwehrt, reguläre
laufbahnrechtliche Maßnahmen, wozu auch dienstliche Beurteilungen
zählen, zu erhalten (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 8. März 2011, - OVG 6 S 42.10 -, NVwZ-RR 2011, 534 -
536).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei dem
Kläger um einen Beamten bei einem Postnachfolgeunternehmen
handelt. Zwar gilt die berufliche Tätigkeit der Beamten nach § 4 Abs. 1
PostPersRG als Dienst. Jedoch enthält die Norm keine Regelungen, die
eine dienstliche Beurteilung von beurlaubten Beamten durch das
Postnachfolgeunternehmen ermöglichen. Vielmehr enthält in diesen
Fällen § 4 Abs. 3 Satz 4 PostPersRG eine Pflicht zu einer
Nachzeichnung des fiktiven Werdegangs des Beamten. Denn nach
dieser Norm steht eine Beurlaubung einer Beförderung im Rahmen
einer regelmäßigen Laufbahnentwicklung nicht entgegen. Um dieser
gesetzlichen Vorgabe wie auch der dahinter zum Tragen kommenden
Verpflichtung zur Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 GG
nachzukommen, muss der Dienstherr dem beurlaubten Beamten eine
berufliche Entwicklung zuschreiben, wie sie ohne die Beurlaubung
verlaufen wäre. Er kann demgegenüber nicht den Beamten von dem
privaten Unternehmen beurteilen lassen.
3. Letztlich hat der Antragsteller hinreichend glaubhaft gemacht, dass
seine Aussichten, in einem weiteren - rechtmäßigen - Auswahlverfahren
ausgewählt zu werden, (mindestens) "offen" in dem Sinne einer
Möglichkeit sind (BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002, - 2 BvR
857/02 -, Juris [Rn.13]; (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht,
Beschluss vom 04. November 2011, - 5 ME 319/11 -, NVwZ-RR 2012, 77 -
78). Denn es erscheint jedenfalls möglich, dass der Antragsteller in dem
Rahmen einer neuen Auswahlentscheidung, gegebenenfalls nach
Fortschreibung seiner Beurteilungen, ausgewählt wird.
Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sich
diese nicht - die Billigkeit einer Kostenerstattung in dem Sinne des § 162 Abs. 3
VwGO begründend - durch die Stellung eines Antrages einem eigenen
Kostenrisiko ausgesetzt haben.
Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht für den hier gemäß
§ 40 GKG maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52
Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 2 und Satz 1 Nr. 1 GKG und folgt aus dem 6,5-fachen
des Grundgehalts nach Besoldungsgruppe A 9 der Anlage IV zum BBesG in der
bis zum 31. Dezember 2012 (BGBl. I 2012, 1673 - 1674) maßgeblichen Höhe
(3.108,77 Euro); der sich ergebende Gesamtwert von 20.207,01 Euro ist für das
Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz zu halbieren (Niedersächsisches
Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. Oktober 2011, - 5 OA 322/11 -,
Juris). Dieser Betrag ist sodann wegen des Antrags des Antragstellers auf eine
erneute Entscheidung über sein Beförderungsbegehren hinsichtlich aller Stellen,
für die die Beigeladenen ausgewählt wurden, im Hinblick auf § 39 Abs. 1 GKG
mit der Anzahl (hier: siebenundneunzig) der Stellen zu multiplizieren
(Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.4.2008 - 5 OA
116/08 -, juris Rn. 3; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss
vom 04. Januar 2013, - 5 OA 290/12 -, Juris). Dies ergibt - gerundet - den
genannten Streitwert in Höhe von 980.039,99 Euro.