Urteil des VG Braunschweig vom 07.05.2013

VG Braunschweig: universität, ausbildung, zugang, berufsbild, arbeitsmarkt, nhg, biologie, gymnasium, prüfungsordnung, hochschule

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Zugangsvoraussetzung "besondere Eignung" für
lehramtsbezogene Masterstudiengänge
Regelungen über die besondere Eignung als Zugangsvoraussetzung für
Masterstudiengänge sind verfassungsrechtlich unbedenklich, soweit der
Bachelorabschluss nicht nur nach seiner rechtlichen Definition, sondern
auch tatsächlich "berufsqualifizierend" in dem Sinne ist, dass mit ihm ein
relevantes Berufsbild (mit entsprechenden Arbeitsmarktchancen)
korrespondiert.
Anders könnte sich dies bei lehramtsbezogenen Masterstudiengängen
verhalten. Insoweit bleibt eine Klärung dem Hauptsacheverfahren
vorbehalten.
VG Osnabrück 1. Kammer, Beschluss vom 07.05.2013, 1 C 8/13
Art 12 Abs 1 GG, § 18 HSchulG ND, § 19 HSchulG ND
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Zulassung und den Zugang zu einem
lehramtsbezogenen Masterstudiengang.
Die Antragstellerin studiert seit dem Wintersemester 2009/2010 an der
Universität Vechta im Bachelorstudiengang „Combined Studies“. Sie bewarb
sich mit Antrag vom 11.02.2013 bei der Antragsgegnerin um einen Studienplatz
im Masterstudiengang „Lehramt am Gymnasium“ mit den Kernfächern „Deutsch“
und „Biologie“ im ersten Fachsemester zum Sommersemester 2013. Laut einer
Bescheinigung der Universität Vechta vom 12.02.2013 hatte die Antragstellerin
zu diesem Zeitpunkt 151,5 Leistungspunkte mit einer Gesamtnote vom 3,2, im
Bereich Germanistik mit einer Note von 3,6, im Bereich Biologie mit einer Note
von 3,0 und im Optionalbereich mit einer Note von 3,1 erworben. Die
Antragsgegnerin lehnte die Bewerbung durch Bescheid vom 26.02.2013 unter
Hinweis auf § 2 der „Ordnung über den Zugang und die Zulassung für den
Masterstudiengang 'Lehramt am Gymnasium'“ (ZZO) ab. Mit Schreiben vom
21.03.2013 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf außerkapazitäre
Zulassung bei der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin hat am 27.03.2013 Klage (1 A 77/13) erhoben und am
28.03.2013 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Sie hat zunächst
vorgetragen, dass die Antragsgegnerin ihre Kapazität an Studienplätzen nicht
ausgeschöpft habe.
Sie macht nunmehr unter Bezugnahme auf den Beschluss der Kammer vom
24.04.2012 (1 C 7/12) geltend, dass sie ihr Lehramtsstudium bei der
Antragsgegnerin fortsetzen wolle. Ihr Berufsziel sei die Ausübung des
Lehrerberufs, wofür sie einen Masterabschluss benötige. Der Anspruch auf freie
Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG sei bewerberorientiert, d.h. die Kandidaten
bestimmten mit ihrem Wunsch das Ausbildungsziel. Das Masterstudium sei
auch nicht mit der Folge als Zweitstudium einzustufen, dass geringere rechtliche
Anforderungen an die Zugangshürden zu stellen seien. Die normierten
Zugangshürden und deren Umsetzung durch die Antragsgegnerin kämen einem
Berufsverbot gleich.
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Die Antragstellerin beantragt nunmehr,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu
verpflichten, sie vorläufig zum Masterstudiengang „Lehramt am
Gymnasium“ mit den Kernfächern „Deutsch“ und „Biologie“ im ersten
Fachsemester zum Sommersemester 2013 innerhalb der Kapazität
zuzulassen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt vor, dass der außerkapazitäre Zulassungsantrag unzulässig sei, weil
der Studiengang nicht zulassungsbeschränkt sei.
Im Übrigen nimmt sie Bezug auf ihr Vorbringen im Klageverfahren 1 A 77/13: Die
von der Antragstellerin nachgewiesenen Leistungen genügten den Vorgaben
des § 2 Abs. 2 und 3 ZZO nicht. Die von der Kammer im Beschluss vom
24.04.2012 (1 C 7/12) geäußerten Zweifel an Verfassungskonformität der
Zugangsregelungen teile sie nicht. Zudem sei das vorangegangene
Bachelorstudium der Antragstellerin berufsqualifizierend und nicht ausschließlich
lehramtsbezogen, wie sich dem Internetauftritt der Universität Vechta
entnehmen lasse. Mit der Einführung der Bachelorabschlüsse sei das
einheitliche Lehramtsstudium abgeschafft und die Möglichkeit geschaffen
worden, einen Abschluss, der Chancen am gesamten europäischen
Arbeitsmarkt eröffne, zu erwerben. Nach § 19 Abs. 2 HRG dürfe der
Bachelorgrad nur auf Grund von Prüfungen, mit denen ein erster
berufsqualifizierender Abschluss erworben werde, verliehen werden. Es liege in
der Natur der Bachelorabschlüsse, dass sich diese nicht unmittelbar an
Berufsfeldern, sondern an den allgemeinen Anforderungen des Arbeitsmarktes
orientierten. Laut einer Untersuchung zum „Berufsverbleib von
Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftlern“ gebe es für die
Absolventen der ehemaligen Magisterstudiengänge in den
Geisteswissenschaften einen relativ diffusen, offen Arbeitsmarkt mit
Schwerpunkten im kulturellen Dienstleistungs- und Verwaltungsbereich, für den
weniger fachspezifische Qualifikationen, als vielmehr eine generalistische
Einsatzfähigkeit von Bedeutung sei. Die Beschäftigungsfelder wichen in der
Regel von den studierten Fachinhalten ab. Evaluationen hätten ergeben, dass
15 % der Bachelorabsolventen eine reguläre Beschäftigung aufnehmen würden,
während 70 % sich für ein weiteres Studium entschieden. Gemäß einer Studie
der Kultusministerkonferenz sei zwischen Absolventen des herkömmlichen
Graduierungssystems und Bachelorabsolventen keine Abweichung bei der
Quote der Erwerbstätigen feststellbar. Bachelorabsolventen hätten in einer
Onlineumfrage ihre allgemeinen Berufsaussichten positiv bewertet. Bei der
Ausgestaltung der Zugangsbeschränkung zum Masterstudium sei zu
berücksichtigen, dass es sich dabei um ein Zweitstudium handele, weshalb
geringere Rechtmäßigkeitsanforderungen zu stellen seien. § 18 Abs. 8 Satz 1
und 2 NHG erzwinge die Zugangsbeschränkung für Masterstudiengänge, ohne
dass den Hochschulen Ausnahmen gestattet seien. Weiterhin seien die von ihr
aufgestellten Zugangshürden auch verhältnismäßig. Die Auswahl nach Leistung
und Eignung beim Studienzugang sei nach der bundesverfassungsgerichtlichen
Rechtsprechung im Grundsatz sachgerecht und angemessen. Ausgeschlossen
würden lediglich Bewerber, deren Leistungen im Bachelorstudium
unterdurchschnittlich gewesen seien. Darüber hinaus handele es sich bei den
konsekutiven Bachelor- und Masterstudiengängen nicht um eine einheitliche
Gesamtausbildung, weil Ziel der Einführung der Bachelorabschlüsse gerade die
Schaffung eines eigenen Abschlusses gewesen sei. Abgesehen davon bestehe
auch kein Anspruch auf Fortsetzung einer einmal begonnenen Ausbildung ohne
Rücksicht auf Eignung und Befähigung.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen
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des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
A.
Das Antragsbegehren der Antragstellerin ist als Antrag auf vorläufige
Einschreibung auszulegen (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO), weil der
Masterstudiengang nicht zulassungsbeschränkt ist und die Antragsgegnerin ihre
Bewerbung auf der Grundlage der besonderen Zugangsvoraussetzungen
abgelehnt hat. Insofern ist schon der angegriffene Bescheid vom 26.02.2013
unzutreffend tenoriert, weil die Antragsgegnerin darin nicht die „Zulassung“ zu
dem ohnehin nicht zulassungsbeschränkten Studiengang, sondern die im
Rahmen des Einschreibungsverfahrens zu treffende Feststellung, dass die
Antragstellerin die Zugangsvoraussetzungen erfüllt, abgelehnt hat.
Der so ausgelegte Antrag ist zulässig und begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2
VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen
Zustandes ergehen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Die Antragstellerin
hat dabei gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO den zu
sichernden Anspruch (Anordnungsanspruch) und dessen Gefährdung
(Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.
1. Ob die Antragstellerin einen Anspruch auf Einschreibung besitzt, kann im
vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend geklärt werden. Gemäß §
19 Abs. 1 Satz 1 NHG werden Hochschulzugangsberechtigte auf ihren Antrag
eingeschrieben. Zwar erfüllt die Antragstellerin die besonderen
Zugangsvoraussetzungen nach § 18 Abs. 8 Satz 1 und 4 NHG i.V.m. § 2 Abs. 2
a) und b), Abs. 3 Satz 1 und 2 ZZO nicht, weil sie weder im Fach „Deutsch“ noch
im Professionalisierungsbereich die danach erforderliche Mindestnote von 3,0
noch die für die Einstufung als „qualifizierten Bachelorabschluss“ notwendige
Mindestpunktzahl von 7 aufweist. Die Kammer hat jedoch ernstliche Zweifel, ob
diese Zugangsregelungen über die besondere Eignung im Falle des
streitgegenständlichen lehramtsbezogenen Masterstudiengangs den
verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen (vgl. Ernst / Kämmerer, RdJB
2011, 297, 306; aA: Hailbronner, WissR 2008, 106 ff.).
a. Grundsätzlich hält die Kammer Regelungen über die besondere Eignung als
Zugangsvoraussetzung für Masterstudiengänge für rechtlich unbedenklich,
soweit der Bachelorabschluss nicht nur nach seiner rechtlichen Definition (vgl. §
8 Abs. 1 Satz 1 NHG, § 1 Abs. 1 Satz 1 Prüfungsordnung der Antragsgegnerin
für den 2-Fächer-Bachelor-Studiengang), sondern auch tatsächlich
„berufsqualifizierend“ in dem Sinne ist, dass mit ihm ein relevantes Berufsbild
(mit entsprechenden Arbeitsmarktchancen) korrespondiert. Denn das aus Art.
12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG folgende Teilhaberecht
hochschulzugangsberechtigter Bewerber auf freien Zugang zu einem
berufsqualifizierendem Studium innerhalb der vorhandenen Kapazitäten ist nicht
uneingeschränkt auf weiterführende Studiengänge, die auf einem bereits
erworbenen berufsqualifizierendem Abschluss aufbauen, übertragbar. Nach der
verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. zur Zulassung zum
grundständigen Zweitstudium: BVerfG, B. v. 03.11.1982, 1 BvR 900/78, juris Rn.
63-65; BVerfG, U. v. 08.02.1977, 1 BvF 1/76, juris Rn. 164-165) wird das
Grundrecht der freien Berufswahl durch den Abschluss eines Erststudiums zwar
nicht verbraucht, jedoch sind bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung von
Zweitstudienregelungen nicht die gleichen strengen Maßstäbe wie auf
Auswahlreglungen für Erststudienbewerber, die noch keinen
berufsqualifizierenden Hochschulabschluss erreicht haben, anzuwenden, weil
Zweitstudienbewerber durch ihr Erststudium bereits Anteil an der Verteilung von
Lebenschancen gehabt haben. Entscheidend für die verfassungsrechtlichen
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Anforderungen dürfte daher sein, ob der konkrete Bachelorabschluss nicht nur
de jure, sondern auch tatsächlich berufsqualifizierend ist (vgl. Lindner, NVwZ-
Extra 6/2010, S. 6).
Zugangsbeschränkungen von Masterstudiengängen auf besonders geeignete
Absolventen der vorausgehenden Bachelorstudiengänge stellen subjektive
Berufszulassungsschranken dar, die nur gerechtfertigt sind, wenn sie dem
Schutz besonders gewichtiger Gemeinwohlbelange zu dienen bestimmt sind
und zur Erreichung des verfolgten Zwecks nicht außer Verhältnis stehen (vgl.
BVerfG, B. v. 25.07.1996, 1 BvR 638/96, juris Rn. 20). Eine solche
Rechtfertigung kann sich grundsätzlich aus der Struktur der (konsekutiven)
Bachelor- und Masterstudiengänge ergeben (vgl. Nds. OVG, B. v. 07.06.2010, 2
NB 375/09, juris Rn. 9). Während der Bachelorabschluss den ersten
berufsqualifizierenden Regelabschluss darstellen soll, ist dem Masterabschluss
die Funktion eines weiteren berufsqualifizierenden Abschlusses zugedacht, der
im Interesse der internationalen Reputation und der Akzeptanz der Abschlüsse
durch den Arbeitsmarkt ein hohes fachliches und wissenschaftliches Niveau
haben und deshalb von weiteren besonderen Zugangsvoraussetzungen
abhängig gemacht werden soll (Beschluss der Kultusministerkonferenz
„Ländergemeinsame Strukturvorgaben gemäß § 9 Abs. 2 HRG für die
Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen“ vom 10.10.2003 i.d.F.
vom 18.09.2008). Die besonderen Zugangsvoraussetzungen sollen letztlich der
Qualitätssicherung dienen (KMK-Beschluss vom 10.10.2003 i.d.F. vom
04.02.2010). Dem liegt die Bestrebung zugrunde, im Rahmen des Bologna-
Prozesses einen europäischen Hochschulraum zu errichten, dessen
Studiengänge aus zwei Hauptzyklen bestehen sollen, wobei der erste Zyklus
bereits eine für den europäischen Arbeitsmarkt relevante Qualifikationsebene
garantieren soll (Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister
vom 19.06.1999). Dementsprechend soll nach der Gesetzesbegründung nur ein
„qualifizierter“ Bachelorabschluss die Zugangsberechtigung für einen
konsekutiven Masterstudiengang geben (LT-Drs. 15/2670, S.48). Ohne die
Einführung einer auf die besondere Eignung abstellenden weiteren
Zugangsvoraussetzung wäre das gesetzgeberische Ziel, den
Masterstudiengang nicht als Regelabschluss, sondern als qualitativ
herausgehobenen Zusatzabschluss auszugestalten, nicht zu verwirklichen.
b. Ob diese verfassungsrechtliche Rechtfertigung auch für die
Zugangsvoraussetzungen des streitgegenständlichen lehramtsbezogenen
Masterstudiengangs Geltung beanspruchen kann, wird im Hauptsacheverfahren
zu klären sein. Im Gegensatz zu der überwiegenden Anzahl der
Bachelorabschlüsse in anderen Studiengängen erscheint es bei
lehramtsbezogenen Studiengängen fraglich, ob der Bachelorabschluss auch in
tatsächlicher Hinsicht ein erster berufsqualifizierender Abschluss ist,
insbesondere ob es für Bachelorabsolventen überhaupt ein relevantes
Berufsbild gibt, oder ob der Bachelorabschluss bei lehramtsgerichteten
Studiengängen letztlich – von seiner tatsächlichen Bedeutung her betrachtet –
lediglich eine Art „Zwischenprüfung“ auf dem Weg zum Erhalt der
Lehrbefähigung darstellt (die Frage nach dem Zusammenhang mit der
Berufswirklichkeit ebenfalls aufwerfend: OVG NRW, B. v. 26.01.2011, 13 B
1640/10, juris Rn. 19; VG Hamburg, B. v. 02.11.2009, 20 E 2406/09, juris Rn. 18-
19). Der Beruf des Lehrers setzt an öffentlichen Schulen nach § 51 Abs. 1 Satz
1 NSchG die Lehrbefähigung für die entsprechenden Fächer und für die
jeweilige Schulform voraus. Die Lehrbefähigung erhält gemäß § 6 Abs. 1 NLVO-
Bildung, wer ein für das betreffende Lehramt vorgeschriebenes Studium mit
einem Mastergrad („Master of Education“) absolviert und den
Vorbereitungsdienst mit einer Prüfung erfolgreich abgeschlossen hat. Auch an
Schulen in freier Trägerschaft müssen Lehrkräfte über eine Ausbildung und
Prüfungen, die denjenigen von Lehrkräften an den entsprechenden öffentlichen
Schulen gleichwertig sind, verfügen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 NSchG). Den Beruf
des Lehrers an öffentlichen oder privaten Schulen kann ein Bachelorabsolvent
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demzufolge nicht ergreifen, so dass es darauf ankommt, ob für
Bachelorabsolventen andere relevante Berufsmöglichkeiten, die dem
angestrebten Berufsbild entsprechen und ausbildungsadäquat sind, in
nennenswerten Umfang offen stehen (z. B. Hilfslehrer, Lehrer in sonstigen
Bildungseinrichtungen, Nachhilfelehrer).
aa. Entscheidend für die Beurteilung dieser Frage ist das vom
Bachelorabsolventen angestrebte Berufsbild eines „Lehrers“. Denn die
Berufswahlfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG schützt nicht nur den Zugang zu
irgendeinem, sondern zu einem bestimmten „gewählten“ Beruf. Zugangshürden
lassen sich daher nicht mit dem Verweis auf andere, überhaupt nicht
angestrebte Berufe rechtfertigen. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob es
sich bei dem vorangegangenen Bachelorstudiengang um einen rein
lehramtsbezogenen oder um einen „polyvalenten“ Studiengang handelt. Solche
„polyvalenten“ Studiengänge sind insbesondere durch die Zusammenlegung
der früheren Lehramtsstudiengänge mit dem Abschluss „Staatsexamen“ und der
fachwissenschaftlichen Magisterstudiengänge entstanden. Zwar mag der von
der Antragstellerin absolvierte Studiengang „Combined Studies“ an der
Universität Vechta darauf ausgerichtet sein, nach dem Erwerb des
Bachelorgrades sowohl den unmittelbaren Zugang zum Arbeitsmarkt als auch
die Möglichkeit zu eröffnen, das Studium im Rahmen eines
fachwissenschaftlichen oder lehramtsbezogenen Masterstudiengangs
fortzusetzen. Jedoch zeigen die in der Bachelorprüfungsordnung festgelegte
Studienstruktur und die in den Masterzulassungs- und zugangsordnungen
festgesetzten besonderen Zugangsvoraussatzungen, dass die
Fortsetzungsmöglichkeiten von der Ausgestaltung des Wahlpflichtbereichs und
der Berufspraktika durch den Bachelorstudierenden abhängen. Obwohl
sämtliche Absolventen den gleichen Bachelorabschluss „Combined Studies“
erhalten, gibt die individuelle Ausgestaltung des Studiums durch den einzelnen
Studierenden dem Abschluss das entscheidende Gepräge. Im Falle des
vergleichbaren Zwei-Fächer-Bachelorstudiengangs der Antragsgegnerin wird
dies besonders deutlich. Die Studierenden müssen sich dabei zwischen den
drei Profilbereichen (1.) Interdisziplinäres Kerncurriculum für die Lehrerbildung,
(2.) Professionalisierungsbereich für fachwissenschaftliche Masterstudiengänge
und (3.) fachwissenschaftliche Schlüsselkompetenzen zur besonderen
Vorbereitung auf das Berufsleben entscheiden (vgl. § 4 Abs. 4
„Studiengangsspezifische Prüfungsordnung für den für den 2-Fächer-
Bachelorstudiengang“). Die Antragstellerin hat die Module im profilbildenden
„Optionalbereich“ – entsprechend der Empfehlung der Universität Vechta in § 7
Satz 2 der Fachspezifischen Anlage „Optionalbereich“ zur Prüfungsordnung des
Bachelorstudiengangs „Combined Studies“ (Amtliches Mitteilungsblatt der
Universität Vechta, 24/2011, Bl. 84) – so gewählt, dass sie einen
lehramtsbezogenen Bachelorabschluss erhält, der die Zugangsanforderungen
von Lehramtsmasterstudiengängen im Hinblick auf die
erziehungswissenschaftliche Ausrichtung des Bachelorstudiengangs
grundsätzlich erfüllt (vgl. § 2 Abs. 2 d) der ZZO für den konsekutiven
Studiengang „Master of Education“ für das Lehramt an Realschulen, Amtliches
Mitteilungsblatt der Universität Vechta, 16/2011, Bl. 3). Gleiches gilt im Hinblick
auf die Absolvierung eines allgemeinen Schulpraktikums statt eines
betriebsbezogenen Praktikums (vgl. § 15 Abs. 1, § 21 Abs. 1
Praktikumsordnung der Universität Vechta für den Bachelorstudiengang
„Combined Studies, § 2 Abs. 2 f) der o. g. ZZO). Dadurch, dass die
Antragstellerin den lehramtsbezogenen Wahlpflichtbereich und das
Schulpraktikum gewählt hat, hat sie ihr Berufsziel – objektiv erkennbar – in
ähnlicher Weise wie durch die Aufnahme eines von vorne herein ausschließlich
lehramtsbezogenen Studiengangs konkretisiert, weil sie die in den anderen
Wahlpflichtbereichen vermittelten Kenntnisse gerade nicht erworben hat und
einen lehramtsbezogenen Abschluss erhält.
bb. An Hand der von der Antragsgegnerin vorgelegten Berichte lässt sich die
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Frage nach der tatsächlichen Berufsqualifizierung von lehramtsbezogenen
Bachelorabsolventen nicht beantworten. Der Bericht „Berufsverbleib von
Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftlern“ beschäftigt sich
allgemein mit den Arbeitsmarktchancen und beruflichen Werdegängen von
Geisteswissenschaftlern und nicht von Lehramtsabsolventen (vgl. Tabelle S.4).
Zudem wurden die herkömmlichen Studienabschlüsse und gerade nicht die
neueingeführten Bachelor- und Masterabschlüsse in den Blick genommen (S.
3). Der Bericht „Die Umsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses 2009 - 2012“
(S. 7-8) zitiert zwar verschiedene Studien, die sich mit der Berufsqualifizierung
und den Arbeitsmarktchancen von Bachelorabsolventen im Allgemeinen
beschäftigen, enthält jedoch in Bezug auf die Absolventen lehramtsbezogener
Bachelorstudiengänge ebenfalls keine Aussagen.
Im Hauptsacheverfahren wird dementsprechend zunächst – durch Einholung
von Stellungnahmen und Sachverständigengutachten – zu klären sein, welche
Berufsmöglichkeiten sich Bachelorabsolventen lehramtsbezogener
Studiengänge – sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht –
eröffnen.
cc. Sollte es für Absolventen lehramtsbezogener Studiengänge keine praktisch
relevanten Berufsmöglichkeiten geben, wäre ein Bachelorabschluss, der die
besonderen Eignungsanforderungen nicht erfüllt, faktisch wertlos und aus der
Perspektive der Berufswirklichkeit auch nicht „berufsqualifizierend“. Die
besonderen Eignungsvoraussetzungen des Masterstudiengangs würden zu
einer Art erhöhter Bestehensgrenze für den Bachelorstudiengang.
Bachelorabsolventen, denen durch den Erwerb des Bachelorabschlusses das
grundsätzliche Erreichen des Ausbildungsziels bestätigt worden ist, würde
letztlich gleichwohl die Fortsetzung ihrer faktisch einheitlichen Ausbildung
verwehrt werden. Der Ausschluss vom „weiteren“ Studium würde nicht durch
eine Prüfung erfolgen, in der die Eignung zur Fortsetzung des Studiums
festgestellt wird, sondern auf einer von der Hochschule festgesetzten,
wesentlich darüber anzusetzenden Qualitätsanforderung beruhen. Insofern
bestehen erhebliche Zweifel, ob besondere Eignungsvoraussetzungen ihrer
Funktion nach überhaupt geeignet wären, einen Ausschluss von der
Fortsetzung einer tatsächlich zusammenhängenden Ausbildung zu regeln (vgl.
Ernst / Kämmerer, RdJB 2011, 297, 306). Diese dienen nicht der Feststellung
des Erreichens von (Zwischen-)Ausbildungszielen, sondern der
Qualitätssicherung. Sie sollen daher deutlich über den für das Bestehen
erforderlichen Noten liegen und damit gerade jenen Teil der
Bachelorabsolventen ausschließen, der mit den schlechtesten Ergebnissen
„gerade so“ bestanden hat. Eine Orientierung kann dabei das ECTS-
Bewertungssystem („European Credit Transfer System“) bieten, indem die
besondere Eignungsnote beispielsweise nach der Maßgabe festgesetzt wird,
dass nur diejenigen Studenten, die einen ECTS-Grad von „C“ oder besser
erreicht haben, d.h. zu den besten 65 % ihrer Vergleichsgruppe gehören, die
besondere Eignung erfüllen (vgl. OVG Rh-Pf, B. v. 21.07.2010, 10 D 10792/10,
juris Rn. 15-18). In vergleichbarer Weise, wie ein erstes Staatsexamen ein sich
aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ergebendes subjektives öffentliches Recht auf
sachgerechte Teilhabe am Vorbereitungsdienst vermittelt (vgl. Hess. VGH, B. v.
29.07.1993, 1 TG 1767/93, juris Rn. 13 m.w.N.), dürfte ein bestandener, jedoch
nicht tatsächlich berufsqualifizierender Bachelorabschluss grundsätzlich einen
Anspruch auf Fortsetzung der Ausbildung im Rahmen der vorhandenen
Kapazitäten nach sich ziehen.
2. Vor diesem Hintergrund sind die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren
als offen zu bewerten, so dass die Kammer auf der Grundlage einer
Interessenabwägung zu entscheiden hat. Dabei ist – unter Berücksichtigung der
Bedeutung der verfassungsrechtlich garantierten Berufsausbildungsfreiheit des
Art. 12 Abs. 1 GG und dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19
Abs. 4 GG – das Interesse der Antragstellerin, ihre lehramtsbezogene
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Ausbildung durch Aufnahme des Masterstudiums fortzusetzen, gegenüber dem
Interesse der Hochschule, einer Bewerberin, die die von ihr festgesetzten
besonderen Eignungsvoraussetzungen nicht erfüllt, in einem ohnehin nicht
zulassungsbeschränkten Studiengang nicht aufzunehmen zu müssen, von
erheblich größerem Gewicht. Die Antragstellerin könnte andernfalls ihr
Masterstudium erst nach einem sich möglicherweise über einen längeren
Zeitraum durch mehrere Instanzen hinziehenden Gerichtsverfahren aufnehmen,
während die Antragsgegnerin nur eine von ihr nicht für „besonders geeignet“
gehaltene Studierende ausbilden muss, die jedoch keinem anderen Bewerber
einen Studienplatz „wegnimmt“.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die
Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG
i.V.m. Nr. 18.1, Nr. 1.5 Satz 2 Streitwertkatalog.