Urteil des VG Braunschweig vom 10.05.2013

VG Braunschweig: unbeteiligter dritter, öffentliche sicherheit, aufschiebende wirkung, versammlungsfreiheit, stadt, feuerwehr, körperliche unversehrtheit, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung

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Verbot bzw. Beschränkung eines
Demonstrationsaufzugs
Einzelfallentscheidung, wonach das vollständige Verbot eines
Demonstrationsaufzugs unverhältnismäßig ist, zeitliche und örtliche
Beschränkungen hingegen rechtmäßig sind
VG Braunschweig 5. Kammer, Beschluss vom 10.05.2013, 5 B 79/13
Art 2 Abs 2 S 1 GG, Art 8 GG, § 8 VersG ND
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die
Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 28. März 2013 wird mit
folgenden Maßgaben wiederhergestellt:
1. Die vom Antragsteller für den 1. Juni 2013 angezeigte Versammlung findet in
der Zeit von 12.00 Uhr bis 18.00 Uhr auf folgender Route statt: Vorplatz des
Museums Phaeno (Willy-Brandt-Platz) - dort Möglichkeit zur Auftaktkundgebung
-, An der Vorburg, Maybachweg, Daimlerstraße, Lerchenweg, Dieselstraße,
Robert-Bosch-Weg, Daimlerstraße, Maybachweg, An der Vorburg, Vorplatz des
Museum Phaeno (Willy-Brandt-Platz) - dort Möglichkeit zur
Abschlusskundgebung.
2. Der Antragsgegnerin bleibt es vorbehalten, dem Antragsteller weitere
Beschränkungen für die Durchführung der Versammlung zu erteilen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerin zu zwei Dritteln und der
Antragsteller zu einem Drittel; die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen
sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes gegen
die von der Antragsgegnerin verfügte Untersagung eines von ihm angezeigten
Demonstrationsaufzuges.
Unter dem 30. Mai 2012 zeigte der Antragsteller der Antragsgegnerin an, dass
er beabsichtige, am 1. Juni 2013 einen Demonstrationsaufzug durchzuführen
unter dem Motto: „Tag der deutschen Zukunft - Unser Signal gegen
Überfremdung - Gemeinsam für eine deutsche Zukunft“. Der Aufzug solle um 12
Uhr beginnen und gegen 22 Uhr enden. Die Anzahl der Teilnehmer/-innen gab
der Antragsteller mit 700 an. Als Kundgebungsmittel sollten ein
Lautsprecherwagen (LKW) und ein Lautsprecher-/ Rüstwagen (Kleinbus) sowie
Handmegaphone, Fahnen, Flugblätter, Trageschilder und Transparente
mitgeführt werden. Die Versammlung solle mit einer circa einstündigen
Auftaktkundgebung auf dem Willy-Brandt-Platz beginnen und der Aufzug
anschließend folgenden Verlauf nehmen: Richtung Porschestraße (über den
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Zentralen Omnibusbahnhof - im Folgenden: ZOB), Porschestraße, Kleiststraße,
Lessingstraße, Laagbergstraße bis Brandenburger Platz, Stadtwaldstraße über
Hochring bis Röntgenstraße, Braunschweiger Straße, nach rechts auf die
Siemensstraße bis zur Friedrich-Ebert-Straße, Rothenfelder Straße,
Porschestraße, Heßlinger Straße, Willy-Brandt-Platz/Bahnhofsvorplatz.
Zwischenkundgebungen seien am Brandenburger Platz (von circa 15:00 Uhr bis
17:00 Uhr) und an der Kreuzung Siemensstraße/Friedrich-Ebert-Straße (circa
19:00 Uhr bis 20:00 Uhr) vorgesehen. Enden solle die Versammlung mit einer
Schlusskundgebung auf dem Willy-Brandt-Platz von circa 21:00 Uhr bis 22:00
Uhr.
Am 24. Oktober 2012 zeigte der Beigeladene für die Gewerkschaft IG Metall,
Verwaltungsstelle Wolfsburg, der Antragsgegnerin an, dass die Gewerkschaft
am 1. Juni 2013 in der Zeit von 0:00 Uhr bis 24:00 unter dem Motto „Wolfsburg
ist bunt - Schulterschluss Wolfsburger Demokraten“ diverse stationäre
Veranstaltungen ohne Aufzug durchführen wolle. Als Veranstaltungsorte wurden
u.a. der im Eigentum der Volkswagen AG (im Folgenden: VW AG) stehende
Parkplatz nördlich der Heinrich-Nordhoff-Straße und westlich des Hotels „Tryp“
sowie diverse weitere, im Wesentlichen im Innenstadtbereich von Wolfsburg
gelegene Standorte angezeigt (vgl. Bl. 18 f., 29 und 32 der Beiakte C). Die
Teilnehmerzahl wurde mit 5.000 beziffert.
Unter dem 28. Februar 2013 zeigte der Beigeladene für die Gewerkschaft IG
Metall, Verwaltungsstelle Wolfsburg, der Antragsgegnerin an, dass die
Gewerkschaft am 1. Juni 2013 gegen 11.00 Uhr den „Marsch der Volkswagen-
Gesamtjugendvertretung“ mit circa 5.000 Teilnehmern veranstalten wolle. Dieser
solle auf der Strecke Eisarena Allerpark - Oebisfelder Straße - Berliner Brücke -
Heßlinger Straße - Nordkopf – zum Parkplatz des Hotels „Tryp“ stattfinden. Dem
gehe das alljährliche Treffen der Volkswagen-Gesamtjugendvertretung in der
Eisarena im Allerpark voraus.
Am 8. März 2013 fand ein Kooperationsgespräch zu der vom Antragsteller
angezeigten Versammlung statt, an dem Vertreter der Polizei teilnahmen. Es
wurde u.a. erörtert, dass erfahrungsgemäß ca. 80% der
Versammlungsteilnehmer mit dem Zug anreisen würden und dies
Sicherungsmaßnahmen schon im Vorfeld erforderlich mache. Die
Antragsgegnerin und die Vertreter der Polizei wiesen darauf hin, dass die
angezeigte Route sich unter verkehrlichen Gesichtspunkten in mehrfacher
Hinsicht als problematisch darstelle, z.B. im Hinblick auf das Erfordernis, dass
die Zufahrt zum Klinikum ungehindert möglich bleiben müsse. Die
Antragstellerseite akzeptierte, den Nordring zum Klinikum sowie die Zufahrt der
Feuerwehr über die Siemensstraße aus der Strecke heraus zu nehmen; sie
verzichtete demgegenüber aber nicht auf eine Einbeziehung des ZOB am
Nordkopf, da die Leichtigkeit des Verkehrs gegenüber dem Demonstrationsrecht
zurückzutreten habe. Die Antragstellerseite schlug folgende modifizierte
Streckenführung vor: die ursprünglich angezeigte Route bis zum Brandenburger
Platz, von dort wieder zurück über die Laagbergstraße, Heinrich-Heine-Straße
über die Kreuzung Heinrich-Heine-Straße/Ecke Schillerstraße zum
Kunstmuseum, zwischen dem Kunstmuseum und dem Parkhaus des Hotels
„Holliday Inn“ in die Bebelstraße Richtung Friedrich-Ebert-Straße, anschließend
über die Friedrich-Ebert-Straße auf der ursprünglich angezeigten Route zurück
zum Bahnhofsvorplatz. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesprächsvermerk
der Antragsgegnerin (Bl. 88 ff. der Beiakte A) Bezug genommen.
Unter dem 19. März 2013 nahm die Berufsfeuerwehr Wolfsburg eine
Einschätzung der Situation am 1. Juni 2013 vor. Sie führte u.a. aus, dass es aus
brandschutztechnischen Erwägungen unerlässlich sei, die Erreichbarkeit
innerhalb des Stadtgebiets bzw. der Stadt- und Ortsteile nicht zu
beeinträchtigen. Dies gelte auch für den Bereich der Kernstadt. Bei einem Haus-
oder Wohnungsbrand bestehe ein Zeitfenster für die Fahrtstrecke der
Feuerwehr zum Brandort von maximal sieben Minuten. Verzögere sich die
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Anfahrt darüber hinaus, verringere dies die Überlebenschancen Betroffener
drastisch. Weil Wolfsburg nur über eine Wache der Berufsfeuerwehr verfüge, sei
es auch ohne Beeinträchtigung der Fahrwege – gerade in Bezug auf die
westlichen Stadtteile – schwierig sicherzustellen, dass die Rettungsfristen
gewahrt werden könnten. Zusätzliche Verzögerungen durch die angezeigten
Versammlungen seien deswegen zu vermeiden. Im Bereich des
Rettungsdienstes liege die „Hilfsfrist“ bei 15 Minuten im gesamten Stadtgebiet.
Es sei daher auch unter dem Gesichtspunkt des Rettungsdienstes unerlässlich,
dass die Erreichbarkeit innerhalb des Stadtgebiets bzw. der Stadt- und Ortsteile
nicht beeinträchtigt werde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die
Stellungnahme (Bl. 95 ff. der Beiakte A) Bezug genommen. Auf einen Hinweis
der Antragsgegnerin, dass die Heinrich-Nordhoff-Straße wegen der
Veranstaltung der IG Metall vollgesperrt werden müsse (vgl. Bl. 93 der Beiakte
A), ergänzte die Berufsfeuerwehr Wolfsburg unter dem 20. März 2013 ihre
Stellungnahme und führte aus, dass dies eine massive Beeinträchtigung in der
fristgerechten Erreichbarkeit der westlichen Stadt- und Ortsteile darstelle und
eine Umfahrung dieser Vollsperrung über den Berliner Ring, die Rothenfelder
Straße übergehend in die Kleiststraße, Lessingstraße und die Saarstraße
zurück auf die Heinrich-Nordhoff-Straße jederzeit und vollumfänglich
sichergestellt sein müsse (vgl. Bl. 114 der Beiakte A).
Mit E-Mail vom 19. März 2013, auf die wegen der Einzelheiten Bezug
genommen wird (vgl. Bl. 98 der Beiakte A), beantwortete die Bundespolizei die
Anfrage der Antragsgegnerin aufgrund der im Kooperationsgespräch erörterten
voraussichtlichen Anreise zahlreicher Teilnehmer mit dem Zug und schilderte
die erforderlichen Maßnahmen.
Unter dem 20. März 2013 nahm die Polizeiinspektion Wolfsburg/Helmstedt eine
Gefahrenanalyse vor, die neben der vom Antragsteller angezeigten
Versammlung weitere zu diesem Zeitpunkt angezeigte bzw. bekannte
Versammlungen und Veranstaltungen am 1. Juni 2013 berücksichtigte,
insbesondere die zwei von der IG Metall angezeigten Versammlungen sowie
einen Landesdelegiertentag der Frauenunion im Kongresspark Wolfsburg vom
31. Mai bis zum 1. Juni 2013 mit einer unbekannten Teilnehmerzahl sowie eine
„Silent Noise“ – Party zum 75. Geburtstag der Stadt Wolfsburg am Hollerplatz
von 19:00 Uhr bis 24:00 Uhr mit circa 1.000 erwarteten Teilnehmern. Die Polizei
legte u.a. dar, dass verschiedene Antifa-Gruppen im Internet zur Blockade des
vom Antragsteller angezeigten Aufzugs aufriefen. Es werde zum Demonstrieren,
Stören, Blockieren und Verhindern „mit allen Mitteln“ aufgerufen. Dies ließe
Straftaten sowie Verstöße gegen das niedersächsische Versammlungsgesetz
erwarten. Auf der Grundlage polizeilicher Erkenntnisse auch aus früheren
ähnlichen Veranstaltungen beschrieb die Polizei ein Gefahrenszenario für den 1.
Juni 2013 zu Orten bzw. Passagen der vom Antragsteller angezeigten und im
Koordinationsgespäch modifizierten Route und kam zu dem Ergebnis, dass
beide Streckenführungen auch unter besonderer Berücksichtigung der
herausragenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 des
Grundgesetzes (GG) aus polizeilicher Sicht nicht umsetzbar seien. Hiergegen
spräche insbesondere, dass der Innenstadtkern von Wolfsburg umschlossen
würde und die Sicherungsmaßnahmen, die aufgrund zu erwartender massiver
Störaktionen erforderlichen würden, das öffentliche Leben in der Stadt zum
Erliegen brächten. Außerdem würden erforderliche Rettungswege versperrt; dies
begründe Gefahren für Leib und Leben u.a. der Bevölkerung, weil eine ärztliche
Versorgung der Bevölkerung nicht mehr hinreichend sicher gewährleisten
werden könne. Aus polizeilicher Sicht sei es erforderlich, die rivalisierenden
Lager strikt voneinander getrennt zu halten. Dies sei im Innenstadtkern von
Wolfsburg nicht zu gewährleisten. Im Hinblick auf die den Innenstadtkern
einschließende Aufzugsstrecke gebe es zu viele Punkte, an denen die
baulichen Gegebenheiten zu eng seien; außerdem sei zu erwarten, dass sich
Brennpunkte permanent verlagerten. Faktisch reichten die in der Innenstadt von
Wolfsburg vorhandenen Flächen nicht aus, um ausreichende Freiflächen
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zwischen dem Versammlungsaufzug des Antragstellers und dem rivalisierenden
Lager und darüber hinaus Korridore zum Verlegen von Einsatzkräften der
Polizei freizuhalten. Für als besonders konfliktträchtig erkannte Orte bzw.
Passagen entlang der vom Antragsteller angezeigten Route bzw. der im
Koordinationsgespräch modifizierten Aufzugsstrecke wurden die
Gefahrenaspekte im Einzelnen detailliert beschrieben. Insoweit wird auf die
Stellungnahme der Polizeiinspektion Wolfsburg/Helmstedt verwiesen (vgl. Bl.
118 ff. der Beiakte A).
Mit Verfügung vom 28. März 2013 untersagte die Antragsgegnerin dem
Antragsteller die Durchführung der von ihm angezeigten Versammlung. Sie
begründete dies im Wesentlichen wie folgt: Die Durchführung der Versammlung
führe zu einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, die auch
unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung der Versammlungsfreiheit
nach Art. 8 GG nicht anders als durch das Verbot der Versammlung abgewehrt
werden könne.
Es sei davon auszugehen, dass bei Durchführung der Versammlung am 1. Juni
2013 die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs erheblich
beeinträchtigt und die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Teilhabe am
öffentlichen Verkehr für eine Vielzahl von Personen nahezu ausgeschlossen
sei. Dies resultiere insbesondere aus der jeweils doppelten Inanspruchnahme
des am Hauptbahnhof gelegenen Willy-Brandt-Platzes sowie des ZOB am
Nordkopf zu Beginn und zum Ende des geplanten Demonstrationszuges.
Hierdurch seien die zentralen Knotenpunkte für den öffentlichen Nah- und
Fernverkehr in Wolfsburg betroffen. Dieser Bereich werde gerade Samstags
stark beansprucht wegen des direkt am Willy-Brandt-Platz gelegenen Museums
Phaeno, des in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hauptbahnhof gelegenen
Designer-Outlet-Wolfsburg, des Wochenmarkts am Rathausplatz, des
Kunstmuseums am Hollerplatz und der Autostadt, die allein Samstags circa
15.000 Besucher erwarte, von denen viele mit der Bahn anreisten. Am 1. Juni
2013 sei darüber hinaus mit einem erhöhten Besucherstrom zu rechnen, weil die
Autostadt ihren 13. Geburtstag begehe, eine Ausstellung im weltweit größten
Automobilmuseum eröffne und eine Tanzveranstaltung mit circa 1.500 Gästen
durchführe. Darüber hinaus feiere die Stadt Wolfsburg am Abend auf dem
Hollerplatz im Zuge ihres 75. Stadtjubiläums eine Silent-Noise-Party. Zu dieser
würden etwa 1.000 Besucher, die auch aus der Region und auch mit Bus und
Bahn anreisen würden, erwartet. Die IG Metall rechne für ihre Versammlung
„Wolfsburg ist bunt - Schulterschluss der Wolfsburger Demokraten“ mit ca. 5.000
Teilnehmern, hinzu kämen noch ca. 5.000 Teilnehmer des Volkswagen-
Gesamtjugendvertretungstreffens.
Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der öffentliche Verkehr in
der Stadt nahezu zum Erliegen käme. Denn durch die zur Aufrechterhaltung der
Sicherheit zwingend erforderliche Trennung der rivalisierenden Lager müssten
bereits ab den frühen Morgenstunden bis zum Abschluss der Veranstaltung in
den Abendstunden die Flächen am Bahnhof gesperrt und gesichert werden,
sodass die zentralen Verkehrsknotenpunkte nicht genutzt werden könnten. Dies
ginge weit über das bei Versammlungen übliche Maß der
Verkehrsbeeinträchtigung hinaus und sei deswegen auch in Anbetracht des
hohen Schutzgutes der Versammlungsfreiheit nicht hinzunehmen. Es überwiege
insoweit das Recht der zahlreichen Besucher der Stadt auf eine möglichst
ungestörten Teilhabe am öffentlichen Verkehr aus Art. 2 Abs. 1 GG, die auch
nach der Anzahl deutlich gegenüber den erwarteten circa 700 Teilnehmern der
Versammlung überwiegten. Die Aufzugsroute begründe zudem eine erhebliche
Begegnungs- und Konfliktgefahr mit den gewaltbereiten Gegnern der
Versammlung des Antragstellers. Die Polizei weise in ihrer Gefahrenanalyse
ausdrücklich darauf hin, dass sich gewaltbereite Linksautonome in für die Polizei
kaum zu kontrollierender Weise unter die bürgerliche Klientel mischen und
sodann Aktionen durchführen könnten. Aus diesem Grunde müssten die
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Angehörigen der rivalisierenden Lager strikt getrennt werden. Die gewählte
kreisförmige Innenstadtroute mache eine Umsetzung dieses Trennungsgebotes
aber nahezu unmöglich. Es stehe deshalb ernsthaft zu befürchten, dass es zu
Konfrontationen der Konfliktparteien im Innenstadtbereich kommen werde.
Hieraus ergebe sich eine Gefahr für Leib und Leben nicht nur für den
Antragsteller und seine Anhänger, sondern insbesondere auch für unbeteiligte
Dritte. Aufgrund der zu sichernden ringförmigen Aufzugsroute werde das
öffentliche Leben, insbesondere auch der Einzelhandel in diesem Bereich der
Kerninnenstadt faktisch zum Erliegen kommen.
Schließlich gebiete auch das Grundrecht auf Leben und körperliche
Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ein Verbot der angemeldeten
Versammlung. Aufgrund der zu sichernden Route würden weite Teile der Not-
und Unfallrettung der Stadt Wolfsburg unmöglich gemacht, jedenfalls erheblich
und wesentlich erschwert werden. Das System der Not- und Unfallrettung sei
von der einzigen Berufsfeuerwehrwache der Stadt Wolfsburg in der Dieselstraße
abhängig. Die Durchführung der Versammlung führe im Ergebnis dazu, dass die
Straßenverbindung insbesondere in die westlichen Stadtteile für die Not- und
Unfallrettung nicht hinreichend sichergestellt werden könne. Die Anfahrt zum
einzigen Klinikum in Wolfsburg werde durch die angezeigte Versammlungsroute,
insbesondere die Zwischenkundgebung am Brandenburger Platz, unmöglich
gemacht. Das Klinikum sei von Norden nur über die Stadtwaldstraße und über
den Hochring erreichbar. Umwege, die im Falle der Sperrung des
Brandenburger Platzes gefahren werden müssten, gefährdeten
Menschenleben. Auch werde die Innenstadt - insbesondere der umschlossene
Bereich aufgrund der geplanten Routenführung und der zur Sicherheit der
Versammlung des Antragstellers erforderlichen polizeilichen
Absperrmaßnahmen für die Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Notfallrettung
nicht, jedenfalls nicht ohne Weiteres passierbar. Soweit die Versammlung über
den Sara-Frenkel-Platz (Porschestraße an der Ecke zur Poststraße) verlaufen
solle, sei dies auf der Grundlage von § 8 Abs. 4 Nr. 1 NVersG zu verbieten. Der
im Jahr 2010 in Anwesenheit von Frau Sara Frenkel eingeweihte Platz erinnere
an deren unermüdlichen Einsatz für Kinder von Zwangsarbeitern, die während
der Zeit der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft in
menschenverachtender Weise misshandelt wurden und zu Tode kamen. Im
Gedenken an dieses Unrecht käme gerade diesem Ort besondere Symbolkraft
zu, da er im Zentrum der Stadt Wolfsburg liege, die selbst zu Zeiten der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gegründet worden sei. Die Art und
Weise der Durchführung der Versammlung des Antragstellers sowie ihr Motto,
zu der mit einem Flyer aufgerufen werde, in dem in der Bundesrepublik
Deutschland lebende Ausländer als den „Volkstod“ bringende Menschen
dargestellt würden, verletze die Würde der ausländischen Opfer der
Zwangsarbeit und gefährde den öffentlichen Frieden unmittelbar. Wegen der
weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid vom 28. März
2013 (Bl. 140 ff. der Beiakte A) verwiesen. Die Antragsgegnerin ordnete die
sofortige Vollziehung dieser Untersagungsverfügung an und führte zur
Begründung aus, das überwiegende öffentliche Interesse an der Anordnung der
sofortigen Vollziehung ergebe sich daraus, dass eine Klage gegen die
Untersagungsverfügung aufschiebende Wirkung hätte und mit einem Abschluss
eines gerichtlichen Verfahrens vor dem angezeigten Versammlungstermin nicht
zu rechnen sei.
Hiergegen hat der Antragsteller am 18. April 2013 Klage erhoben (gerichtliches
Aktenzeichen: 5 A 78/13) und gleichzeitig den vorliegenden Antrag auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung trägt er vor,
dass von seiner streitgegenständlichen Versammlung Beeinträchtigung von
Rechtspositionen Dritter nicht ausgingen. Vielmehr sei anlässlich einer solchen
Versammlung mit Störungen durch Andersdenkende – Gegendemonstranten
meist linksextremistischer Ausrichtung – zu rechnen, ohne dass seine
Versammlung dafür Zweckveranlasser sei. Es seien zunächst einmal
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grundsätzlich alle Mittel gegen die originären Störer anzuwenden, bevor er
aufgrund polizeilichen Notstandes als Nichtstörer in Anspruch genommen
werden könne. Über einen drohenden polizeilichen Notstand sei aber in dem
Bescheid der Antragsgegnerin nichts ausgeführt. Soweit die Antragsgegnerin
sich auf den Schutz von Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs
beziehe, sei dies nicht zutreffend, weil eine Demonstration generell eine
Beeinträchtigung für Verkehrsteilnehmer und dies hinzunehmen sei. Wenn die
Antragsgegnerin den Bahnhof freihalten wolle, könne seine Demonstration auch
weitab vom Bahnhof irgendwo in der Stadt beginnen. Das operative Problem
dabei sei nur, dass die Versammlungsteilnehmer der angemeldeten
Versammlung das Recht hätten, mit der Bahn anzureisen und die Polizei dann
die Pflicht treffe, sie in geeigneter Weise zum Versammlungsort zu bringen. Vom
Versammlungsrecht seien nämlich auch die sichere Anreise sowie die sichere
Abreise geschützt. Da an üblichen Sonnabenden auch nach dem Vortrag der
Antragsgegnerin ca. 15.000 Besucher nach Wolfsburg kämen, seien die
erwarteten Besucherzahlen des Tanzclubs mit 1.500 und der Silent-Noise-Party
mit 1.000 Besuchern lediglich eine geringfügige Steigerung. Soweit bei
Gegendemonstrationen mit 5.000 Teilnehmern gerechnet werde, hätte die
Antragsgegnerin zunächst einmal die Gegendemonstrationen zu verbieten, die
den erkennbaren Zweck hätte, seine Demonstration zu be- oder gar zu
verhindern. Bereits im Hinblick auf das Prinzip zeitlicher Priorität sei seine
Rechtsposition stärker. Auch die von der Antragsgegnerin angeführte
Notwendigkeit der Sperrung von Straßenzügen bestehe nicht, wenn die
gegnerische Demonstration untersagt würde. Der Antragsgegnerin stehe es
zudem frei, Gegendemonstranten mit Platzverweisen zu belegen. Der
linksautonome Personenkreis sei leicht zu erkennen, weil er durch
szenetypisches Outfit auffalle. Soweit die Antragsgegnerin anführe, dass die
allgemeine Handlungsfreiheit Dritter gestört werde, sei darauf hinzuweisen, dass
das Versammlungsrecht aus Artikel 8 GG einen höheren Rang genieße als die
allgemeine Handlungsfreiheit aus Artikel 2 GG. Die alternative Route aus dem
Kooperationsgespräch vom 8. März 2012 werde die Vorbereitungen und die
Teilnahme an der Silent-Noise-Party nicht stören. Auch das Argument, dass die
von ihm nunmehr genannte Route in weiten Teilen der Stadt Wolfsburg die Not-
und Unfallrettung unmöglich machen werde, lasse sich nicht halten. Die
angemeldete Demonstration bestehe aus 700 Teilnehmern, zur überwiegenden
Anzahl aus politisch aktiven Menschen, die ein hohes Maß an Disziplin
aufwiesen und gewohnt seien, Anweisungen eigener Ordner zu folgen. Deshalb
werde dieser Personenkreis in jedem Fall schnellstens eine Gasse für die
Durchfahrt eines RTW freimachen. Darüber hinausgehende Probleme
entstünden ebenfalls nur durch die Gegendemonstranten, die erfahrungsgemäß
auch den Einsatz von Feuerwehr und anderen Rettungskräften behindern
würden. Dies könne nicht zu Lasten seiner Demonstration gehen. Der Sara-
Frenkel-Platz könne in der Weise umgangen werden, dass dann die andere
Straßenseite der Porschestraße für die Demonstration genutzt werde oder die
Demonstration einen Schwenk um jenen Teil der Porschestraße mache, der
gegenüber des Sara-Frenkel-Platzes liege. Wegen der weiteren Einzelheiten der
Begründung wird auf die Antragsschrift (Bl. 1 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die
Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 28. März 2013
wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie tritt dem Eilantrag unter Bezugnahme im Wesentlichen unter Bezugnahme
auf ihren Bescheid vom 28. März 2013 entgegen.
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Mit Schreiben vom 30. April 2013 hat das beschließende Gericht die
Antragsgegnerin gebeten vorsorglich darzulegen, ob im Stadtgebiet von
Wolfsburg geeignete andere Strecken für den streitgegenständlichen
Versammlungsaufzug oder aber ein Ort für eine stationäre Kundgebung zur
Verfügung stehen bzw. ob eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch
andere bzw. zusätzliche Beschränkungen der streitgegenständlichen
Versammlung (z.B. in zeitlicher Hinsicht) milder als durch deren vollständige
Untersagung hinreichend abgewendet werden kann. Wegen der Einzelheiten
wird auf das Schreiben vom 30. April 2013 Bezug genommen (Bl. 87 der
Gerichtsakte).
Mit Schreiben vom 7. Mai 2013 hat die Antragsgegnerin im Wesentlichen wie
folgt ergänzend Stellung genommen: Auch unter Berücksichtigung der
Ergebnisse einer erneuten Besprechung der Sicherheitslage mit der örtlichen
und der Bundespolizei sowie der Feuerwehr vom 2. Mai 2013 sei weiterhin
davon auszugehen, dass nur durch ein Verbot der Versammlung des
Antragstellers mit dieser einhergehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit
abgewehrt werden könnten. Bei Durchführung der vom Antragsteller
angezeigten Versammlung wäre in jedem Fall der Hauptbahnhof (zu Beginn und
zum Ende) Versammlungsort. Denn die Versammlungsteilnehmer würden ganz
überwiegend mit der Bahn anreisen und ihr Transport mit Bussen vom
Hauptbahnhof an einen anderen im Stadtgebiet gelegenen Versammlungsort
sei nach überzeugender Einschätzung der Polizei gefährlicher als ein am
Bahnhof beginnender Aufzug zu Fuß. Der Hauptbahnhof müsste in diesem
Zusammenhang ganztägig weiträumig abgesperrt werden, um die zwingend
erforderliche Trennung der rivalisierenden Gruppen sicherzustellen. Im Ergebnis
brächte dies den öffentlichen Verkehr am Hauptbahnhof sowie am aufgrund der
örtlichen Nähe zwangsläufig mitbetroffenen Zentralen Omnibusbahnhof gänzlich
zum Erliegen. Die dadurch bedingte Beeinträchtigung unbeteiligter Dritte sei
unverhältnismäßig, zumal am 1. Juni 2013 mit einem erheblichen, gegenüber
„normalen“ Samstagen zusätzlich erhöhten Verkehrs- bzw.
Passantenaufkommen zu rechnen sei.
Für den Fall, dass das Gericht ihre Einschätzung nicht teile, könne sie
vorsorglich eine Aufzugsroute benennen, die eine halbwegs gesicherte
Durchführung der Versammlung gewährleiste, sofern sie während der gesamten
Dauer der Veranstaltung vollständig und nicht nur abschnittsweise, jeweils nach
dem Fortschreiten des Demonstrationsaufzugs, von Polizeikräften gesichert
werde. Diese Route verlaufe wie folgt: Vorplatz des Museums Phaeno (Willy-
Brandt-Platz) mit einer Auftaktkundgebung, An der Vorburg, Maybachweg,
Daimlerstraße, Lerchenweg, Dieselstraße, Robert-Bosch-Weg, Daimlerstraße,
Maybachweg, An der Vorburg, Vorplatz des Museum Phaeno (Willy-Brandt-
Platz) mit einer Abschlusskundgebung. Diesem Routenvorschlag lägen im
Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Es sei auf der Grundlage der
Stellungnahme der Bundespolizei davon auszugehen, dass die Teilnehmer der
Versammlungsveranstaltungen, die mit der Bahn anreisten, bereits am
Hauptbahnhof Wolfsburg bzw. im Vorfeld bzw. in den Abfahrtsbahnhöfen und in
den Zügen getrennt werden könnten und den Bahnhof über unterschiedliche
Ausgänge in östliche und westliche Richtung verlassen könnten. Unbeteiligte
Dritte, z.B. Besucher der Autostadt könnten den Bahnhof, wenn auch mit
zeitlicher Verzögerung, durch den westlichen oder u.U. über den nördlichen
Ausgang verlassen. Voraussetzung sei allerdings, dass der Bahnhof und der
Bahnhofsvorplatz als Haupteinsatz- und Aufstellungsort der Polizei diene und
deswegen von sämtlichen Versammlungsteilnehmern frei bliebe. Hierdurch sei
zugleich eine Pufferzone zwischen den rivalisierenden Lagern geschaffen. Dies
hätte aber zur Folge, dass eine direkte Verbindung zwischen dem Hauptbahn-
und dem Zentralen Omnibusbahnhof nicht mehr gegeben sei, was zu einer
erheblichen Einschränkung des öffentlichen Personenverkehrs führen würde.
Die Trennung der rivalisierenden Lager sei anschließend bei Durchführung der
Veranstaltung zwingend aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grund scheide eine
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Bewegung des vom Antragsteller angezeigten Versammlungsaufzugs in
westlicher Richtung aus, weil dort – auf dem Parkplatz der VW AG an der
Heinrich-Nordhoff-Straße – die Hauptaktions- und Kundgebungsfläche der IG
Metall sei. Eine Bewegung des Demonstrationsaufzuges in südlicher Richtung
sei ebenfalls nicht möglich. Dies betreffe insbesondere einen Zug über die
Porschestraße in den Innenstadtkern. In diesem äußerst kompakten Bereich
von Wolfsburg könne die Polizei ein Einsickern von gewaltbereiten Störern und
damit eine Eskalation, wie sie beispielsweise bei dem vom Antragsteller im
vergangenen Jahr in Hamburg durchgeführten Aufzug stattgefunden habe, nicht
sicher verhindern. Die Innenstadt vollständig abzusperren sei nicht möglich.
Eine nur abschnittsweise Sperrung biete erhebliche Möglichkeiten für Stör- und
Blockadeaktionen, zumal sich potentielle Störer mit dem üblichen
Fußgängerströmen unerkannt in den Versammlungsbereich begeben könnten.
Eine Routenführung über die Porschestraße passiere zudem den Sara-Frenkel-
Platz mit den von ihr bereits im angefochtenen Bescheid beschriebenen
negativen Auswirkungen. Führte die Aufzugsroute über die Porschestraße nach
Süden, wäre schließlich der Zentrale Omnibusbahnhof betroffen und käme der
Busverkehr vollständig zum Erliegen. Dieser sei durch die vorgeschlagene
Alternativroute bereits nur stark eingeschränkt möglich, weil ein direktes Pendeln
zwischen dem Hauptbahnhof und dem ZOB unmöglich gemacht würde und
Busse nicht in Richtung Nordost (über die Heßlinger Straße) und Nordwest (über
den Willy-Brandt-Platz) fahren könnten. Angesichts dessen könne der
Demonstrationsaufzug des Antragstellers nur nach Osten geführt werden. Eine
Kollision mit dem Aufzug der Volkswagen-Gesamtjugendvertretung sei insoweit
nicht zu befürchten, weil diese Versammlung zurückgezogen worden sei,
nachdem sie, die Antragsgegnerin, darauf hingewiesen habe, dass eine Route
über die Berliner Brücke aus Gründen der Gefahrenabwehr untersagt werden
müsse. Der Aufzug des Antragstellers könne aber nicht über die Heßlinger
Straße geführt werden, weil diese in den sog. St.-Annen-Knoten münde, der
ausweislich der Stellungnahmen der Berufsfeuerwehr vom 6. Mai 2013 sowie
der Polizei vom 3. Mai 2013 unbedingt freizuhalten sei, weil er die zentrale
Hauptverbindungsachse in sämtliche Richtung sei und direkt daneben in der
Dieselstraße die (einzige) Wache der Wolfsburger Berufsfeuerwehr liege. Eine
Unterquerung des St.-Annen-Knotens durch das vorhandene
Fußgängertunnelsystem sei nach Einschätzung der Polizei zu gefährlich, weil
dies zu schmal sei und Vorkommnisse wie bei Durchführung der Love-Parade in
Duisburg im Jahr 2010 nicht sicher ausgeschlossen werden könnten. Es sei
schließlich ausgeschlossen, vor Erreichen des St.-Annen-Knotens von der
Heßfelder Straße nach Süden in die Allessandro-Volta-Straße oder die Straße
Rothenfelder Markt abzubiegen. Die Allessandro-Volta-Straße sei bereits zu
schmal, um die Sicherheit des Aufzugs gewährleisten zu können. Außerdem
führe sie auf die Rothenfelder Straße. Diese sei als wegen der erforderlichen
Sperrungen des Bahnhofsvorplatzes und der Heinrich-Nordhoff-Straße die
einzige Verbindungsstraße in west-östlicher Richtung und zwingend
freizuhalten, um die Not- und Unfallrettung in die Innenstadt und die westlichen
Stadtteile sicherzustellen. Entsprechendes gelte für die Straße Rothenfelder
Markt. Die Inanspruchnahme der Dieselstraße in westlicher Richtung sei noch
vertretbar und ermögliche, dass der Aufzug einen Rundweg nehme. Weil die
Durchführung der Veranstaltung des Antragstellers mit einer massiven
Beeinträchtigung des öffentlichen Personennahverkehrs verbunden sei, müsse
sie um 17.00 Uhr beendet sein, um die Anreise für die Teilnehmer der Silent-
Noise-Party zu ermöglichen. Die Antragsgegnerin hat sich auf ergänzende
Stellungnahme der Polizeiinspektion Wolfsburg/Helmstedt vom 3. Mai 2013, der
Bundespolizeiinspektion Hannover vom 5. Mai 2013 und der Berufsfeuerwehr
Wolfsburg vom 6. Mai 2013 bezogen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug
genommen wird (vgl. Bl. 110 ff. der Gerichtsakte).
Mit Schreiben vom 10. Mai 2013 hat der Antragsteller hierauf im Wesentlichen
wie folgt erwidert: Die Veranstaltungen der IG Metall seien reine
Gegenveranstaltungen zu seiner Versammlung und deswegen weniger
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schutzwürdig. Vorrangig vor einem Vorgehen gegen seine Versammlung sei
gegen diese, bspw. durch eine Verlegung auf einen anderen Tag, vorzugehen.
Es sei zudem nicht nachvollziehbar, weswegen nicht seine Demonstration vom
Hauptbahnhof nach Westen, in Richtung der ursprünglich angezeigten
Aufzugsroute, abgeleitet werden könne und die Gegenveranstaltung östlich vom
Hauptbahnhof stattfinde. Die Antragsgegnerin und die Polizeibehörden
schätzten die Auswirkungen seiner Veranstaltung auf die Rettungswege für
Feuerwehr und Fahrzeuge der Unfallrettung unrealistisch ein. Sein
vergleichsweise kleiner Aufzug benötige nur kurze Zeit, um Risikostellen,
beispielsweise Kreuzungsbereiche, zu passieren. Darüber hinaus seien die
Teilnehmer seiner Veranstaltung diszipliniert, sodass eine Blockade von
Rettungsmaßnahmen nicht zu erwarten sei. Entsprechendes gelte für das
befürchtete Einsickern von Störern. Diese könnten anhand ihres
Erscheinungsbildes bzw., weil sie überwiegend in den polizeilichen
Datenbanken erfasst seien, gut erkannt werden. Die von der Antragsgegnerin im
Schreiben vom 7. Mai 2013 benannte Route entspreche nicht den
Anforderungen an eine hinreichende Öffentlichkeitswirkung für eine
Demonstration. Die zeitliche Beschränkung bis 17.00 Uhr lasse sich nicht mit
einem ungestörten Ablauf der Silent-Noise-Party begründen. Eine Party sei nur
nach Art. 2 Abs. 1 GG und deswegen weniger schutzwürdig als seine
Versammlung. Zudem sei durchaus vorstellbar, dass bei einer Befristung seiner
Versammlung bis 17.00 Uhr einige hundert der Teilnehmer seiner Versammlung
im Anschluss die Silent-Noise-Party aufsuchen würden. Dies könne ihnen nicht
untersagt werden.
Mit Beschluss vom 30. April 2013 hat das Gericht Herrn D., der die
Veranstaltungen für die IG Metall am 1. Juni 2013 angezeigt hatte, nach § 65
Abs. 1 VwGO beigeladen. Der Beigeladene hat sich nicht zum Verfahren
geäußert. Nach Auskunft der Antragsgegnerin hat er die Anzeige einer
Versammlung der Volkswagen-Gesamtjugendvertretung mit Aufzug u.a. über
die Berliner Brücke unter dem 3. Mai 2013 zurückgezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Beiakten
verwiesen.
II.
Der zulässige Eilantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO hat in dem aus
dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg.
Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1
Var. 2 VwGO ist aus materiell-rechtlichen Gründen erfolgreich, wenn das
Interesse des Antragstellers, den Vollzug eines Verwaltungsaktes vor einer
abschließenden gerichtlichen Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit zunächst zu
verhindern, gegenüber dem Interesse der Behörde oder sonstiger Dritter an
einem sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes überwiegt. Dies ist regelmäßig
der Fall, soweit sich die angefochtene Verfügung bereits nach der im
Eilverfahren möglichen und gebotenen summarischen Überprüfung als
voraussichtlich rechtswidrig erweist. Hiervon ist hinsichtlich der Verfügung der
Antragsgegnerin vom 28. März 2013 auszugehen, soweit sie es dem
Antragsteller vollständig untersagt hat, die Versammlung mit
Demonstrationsaufzug am 1. Juni 2013 durchzuführen, und sie ihm nicht
ermöglicht hat, den Demonstrationsaufzug in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang zu veranstalten.
Rechtsgrundlage der Untersagungsverfügung ist § 8 Abs. 2 Satz 1 NVersG.
Hiernach kann die zuständige Behörde eine Versammlung verbieten, wenn ihre
Durchführung die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet und die Gefahr
nicht anders abgewehrt werden kann. Nach § 8 Abs. 1 NVersG kann die
zuständige Behörde Beschränkungen zu einer angezeigten Versammlung
verfügen, um eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder
28
29
Ordnung abzuwehren. Wegen des durch Art. 8 GG bewirkten Schutzes von
Versammlungen und der hohen Bedeutung der Versammlungsfreiheit für die
freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung gerade auch im Hinblick auf
den Schutz von Minderheiten darf eine Versammlung nur ausnahmsweise
verboten werden. Das Ermessen der Versammlungsbehörde ist grundrechtlich
gebunden. Die Versammlungsfreiheit hat nur dann zurückzutreten, wenn eine
Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt,
dass dies zum Schutz anderer, mindestens gleichwertiger Rechtsgüter
notwendig ist. Die behördliche Eingriffsbefugnis setzt eine unmittelbare
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bei Durchführung der Versammlung in
der vom Antragsteller beantragten Form voraus. Zum Zeitpunkt des Erlasses der
Verfügung müssen deshalb Umstände vorliegen, die eine Gefährdung von der
Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgütern der öffentlichen
Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen. Die behördliche
Gefahrenprognose muss sich auf nachweisbare Tatsachen stützen; bloße
Vermutungen reichen nicht aus (vgl. VG Braunschweig, U. v. 26.09.2012 – 5 A
96/11 –, juris Rn. 23 m.w.N). Bei Versammlungen, die auf einen einmaligen
Anlass bezogen sind, müssen die Verwaltungsgerichte schon im Eilverfahren
durch eine möglichst umfangreiche Prüfung dem Umstand Rechnung tragen,
dass der Sofortvollzug der umstrittenen versammlungsrechtlichen Maßnahme in
der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten
Form führt. Soweit möglich, ist die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu prüfen; im
Übrigen kommt es auf eine sorgsame Interessenabwägung an (vgl. Nds. OVG,
B. v. 01.06.2011 – 11 ME 164/11 –, juris Rn. 13 m.w.N.).
Ein Versammlungsverbot ist darüber hinaus als „ultima ratio“ nur zulässig, wenn
die Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht hinreichend sicher abgewehrt
werden kann, indem die Versammlungsbehörde die Durchführung der
Versammlung beschränkt und hierdurch die Versammlungsfreiheit in geringerem
Ausmaß einschränkt als durch das Verbot (vgl. VG Braunschweig, U. v.
26.09.2012 – 5 A 96/11 –, juris Rn. 23 m.w.N.). Solche Beschränkungen sind in
örtlicher Hinsicht (durch Verlegung der angezeigten Route eines Aufzugs oder
ggf. durch die Beschränkung auf eine stationäre Kundgebung) sowie in zeitlicher
Hinsicht denkbar. Zwar umfasst die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG
grundsätzlich das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters, über
Gegenstand, Zeitpunkt und Ort der Versammlung zu entscheiden. Kommt es
jedoch zur Rechtsgüterkollision, kann das Selbstbestimmungsrecht durch
Rechte anderer beschränkt sein. In diesem Fall ist für die wechselseitige
Zuordnung der Rechtsgüter mit dem Ziel ihres jeweils größtmöglichen Schutzes
zu sorgen. Wird den gegenläufigen Interessen Dritter oder der Allgemeinheit bei
der Planung der angemeldeten Versammlung nicht hinreichend Rechnung
getragen, kann die praktische Konkordanz zwischen den Rechtsgütern durch
versammlungsbehördliche Beschränkungen hergestellt werden. Dem
Veranstalter steht hierbei kein Bestimmungsrecht darüber zu, mit welchem
Gewicht die Rechtsgüter in die Abwägung einzubringen sind und wie die
Interessenkollision rechtlich bewältigt werden kann. Die Abwägung, ob und wie
weit gegenläufige Interessen die Einschränkung der Versammlungsfreiheit
rechtfertigen, obliegt vielmehr der Versammlungsbehörde (vgl. VG
Braunschweig, U. v. 26.09.2012 – 5 A 96/11 –, juris Rn. 27 m.w.N.). Hat die
Versammlungsbehörde die erforderlichen Beschränkungen hingegen nicht
erlassen und kann ihr Erlass wegen der Eilbedürftigkeit nicht abgewartet
werden, ist es Aufgabe der Verwaltungsgerichte im Eilverfahren nach § 80 Abs.
5 Satz 4 VwGO, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage
mit Auflagen zu verbinden (vgl. Nds. OVG, B. v. 01.06.2011 – 11 ME 164/11 –,
juris Rn. 27 m.w.N.).
Nach diesem Maßstab hat die Antragsgegnerin es dem Antragsteller zu Recht
untersagt, den Demonstrationsaufzug auf der von ihm ursprünglich angezeigten
bzw. im Koordinationsgespräch vom 8. März 2013 variierten Strecke zu führen.
Denn bei der Durchführung der Demonstration auf diesen Routen käme es zu
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31
32
einer Gefährdung bzw. Beeinträchtigung von Rechtsgütern, die gleichwertig zu
der verfassungsrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit des Antragstellers
aus Art. 8 GG stehen. Die danach gebotene Abwägung der miteinander
kollidierenden Rechtsgüter führt dazu, dass dem Antragsteller die Durchführung
des Demonstrationsaufzugs in der ursprünglich angezeigten bzw. im
Koordinationsgespräch modifizierten Art und Weise zu untersagen ist. Das
Totalverbot der Versammlung hingegen ist unverhältnismäßig, weil sich die
Gefährdungen bzw. Beeinträchtigungen bei Durchführung der Versammlung
durch die aus dem Tenor ersichtlichen Beschränkungen auf ein im Hinblick auf
die hohe Bedeutung der Versammlungsfreiheit hinzunehmendes Maß
reduzieren lassen. Die danach gebotene Beschränkung hat das beschließende
Gericht als Auflage nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO ausgesprochen, weil
angesichts des nahen Termins der Versammlung der Erlass durch die
Antragsgegnerin nicht abgewartet werden kann.
Die Durchführung des Demonstrationsaufzugs auf der ursprünglich angezeigten
bzw. im Koordinationsgespräch modifizierten Strecke lässt mit hoher
Wahrscheinlichkeit die Gefährdung bzw. Beeinträchtigung von Rechtsgütern
unbeteiligter Dritter erwarten, die gleichwertig zu der Versammlungsfreiheit des
Antragstellers aus Art. 8 GG stehen.
Dies betrifft zunächst das Recht auf Recht auf Leben und körperliche
Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG. Weil mit hoher
Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass bei Durchführung der
Versammlung auf den vom Antragsteller angezeigten Streckenvarianten
Rettungswege der Berufsfeuerwehr sowie Rettungswege zum Klinikum der
Stadt Wolfsburg beeinträchtigt würden, begründete dies die konkrete Gefahr,
dass im Notfall Rettungsfristen nicht gewahrt werden könnten und hierdurch die
Gesundheit und ggf. sogar das Leben unbeteiligter Dritter gefährdet würden.
Das Gericht teilt mit der – auf den Gefährdungseinschätzungen der Polizei und
der Feuerwehr beruhenden – Gefahrenprognose der Antragsgegnerin die
Einschätzung, dass es erforderlich ist, die Veranstaltung des Antragstellers
durch Absperrungen einschließlich einer zwischenliegenden Pufferzone
räumlich zu sichern und diese Sicherung über die gesamte Dauer der
Veranstaltung (und nicht nur abschnittsweise je nach dem Fortschreiten des
Aufzugs) aufrecht zu erhalten. Nur eine solche Sicherung kann hinreichend
sicher ausschließen, dass gegen die Veranstaltung des Antragstellers gerichtete
(illegale) Stör- und Blockadeaktionen diese massiv beeinträchtigen oder sogar
verhindern und es infolge von solchen Aktionen zu einer massiven Eskalation
der Lage käme, die gewalttätige Ausschreitungen gegen Menschen und
Gegenstände beinhaltete. Es ist damit zu rechnen, dass massive Stör- und
Blockadeaktionen gegen die Versammlung des Antragstellers geplant sind. Die
Polizeiinspektion Wolfsburg / Helmstedt weist in ihrer Gefährdungseinschätzung
vom 20. März 2013, ergänzt durch die Stellungnahme vom 3. Mai 2013, insoweit
zu Recht darauf hin, dass in der gewaltbereiten, linksautonomen Szene hierfür
mobilisiert wird (vgl. bspw. den Aufruf „Keine Zukunft für Nazis! Den
Naziaufmarsch in Wolfsburg verhindern!“, Bl. 133 ff. der Beiakte A) und dass
dies die Begehung von Straftaten und gewalttätigen Aktionen befürchten lässt.
Es ist nicht ersichtlich, dass die Einschätzung der Polizei, dass jedenfalls circa
400-500 gewaltbereite Störer dem Aufruf folgen werden, überzogen ist. Das
ganz erhebliche Konflikt- und Gewaltpotenzial hat sich in früheren Jahren bei
Veranstaltungen des Antragsstellers in anderen Städten Norddeutschlands zum
selben Motto gezeigt und zum Teil auch realisiert (z.B. bei der Veranstaltung
„Tag der deutschen Zukunft“ 2012 Hamburg, anlässlich derer es trotz massiven
Polizeiaufgebots zu teilweise schwerwiegenden Störaktionen gekommen war,
die u.a. Körperverletzungen auch bei Polizeikräften und Sachbeschädigungen
zur Folge hatten). Ein geordneter Ablauf des Demonstrationsaufzugs des
Antragstellers könnte in diesem Fall nicht mehr gewährleistet werden. Es drohte
vielmehr eine Eskalation der Situation, die ggf. eine direkte Konfrontation der
33
34
rivalisierenden Gruppen mit äußerst schwerwiegenden Folgen für alle Beteiligten
und unbeteiligte Dritte befürchten ließe. Die polizeiliche
Gefährdungseinschätzung vom 20. März 2013 legt überzeugend dar, dass
Teilnehmer der antragstellerischen Versammlung einen zuvor geübten Verzicht
auf eine gewalttätige Auseinandersetzung ohne Umschweife aufzugeben
drohen, sofern es zu einer derartigen direkten Konfrontation mit dem
rivalisierenden Lager käme. Zu Recht berücksichtigt die Polizei in ihrer
Gefährdungseinschätzung schließlich auch, dass sich auch dem „bürgerlichen
Spektrum“ angehörige Demonstranten Blockadeaktionen anzuschließen
drohen, sofern hierzu die Gelegenheit bestünde. Die polizeiliche Einschätzung,
dass die Gefahr eines unkontrollierbar eskalierenden Verlaufs nur durch strikte
räumliche Trennung der rivalisierenden Lager mittels Absperrungen
einschließlich einer Pufferzone und eines Freihaltens der Aufzugstrecke
während der gesamten Dauer des Aufzugs hinreichend effektiv abgewendet
werden kann, begegnet angesichts dieser Gesamtlage keinen durchgreifenden
Bedenken.
Der Antragsteller dringt hiergegen nicht mit dem Einwand durch, dass es der
Antragsgegnerin bzw. der Polizei vorrangig obliege, inhaltlich gegen seine
Demonstration ausgerichtete Veranstaltungen zu verbieten. Es ist nicht davon
auszugehen, dass die beschriebenen Stör- und Blockadeaktionen durch
Verbote effektiv verhindert und die zur Sicherung des Aufzugs erforderlichen
Maßnahmen deswegen reduziert werden könnten, zumal solche Aktionen
bereits kraft Gesetzes gemäß § 4 NVersG verboten und gemäß § 20 und § 21
NVersG Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten sind. Vielmehr ist von der
Bereitschaft aufseiten gewaltbereiter Störer auszugehen, gegen behördliche
Anordnungen bzw. gesetzliche Verbote zu verstoßen. Der Antragsteller dringt
auch nicht mit den Einwand durch, dass eine nur abschnittsweise Sicherung der
von ihm beabsichtigten Aufzugsstrecke zur Sicherung der Lage ausreicht. Die
polizeiliche Einschätzung, dass das vorübergehende Öffnen von
Streckenabschnitten zu (massiven) Blockadeaktionen genutzt würde, und dies
das hohe Risiko einer erheblichen Eskalation der Situation mit sich brächte, ist –
angesichts des zuvor dargelegten Konfliktpotenzials – plausibel und vom
Antragsteller nicht substanziert in Frage gestellt.
Dies zugrunde gelegt, ist zunächst die vom Antragsteller für beide (die
ursprünglich angezeigte und die im Koordinationsgespräch modifizierte)
Streckenführungen erforderliche Inanspruchnahme der Kleist-, Lessing- und der
Laagbergstraße einschließlich der Nutzung des Brandenburger Platzes mit einer
Beeinträchtigung von Rettungswegen der Feuerwehr und der Notfallrettung und
deswegen mit der konkreten Gefahr, dass Rettungsfristen im Notfall nicht
gewahrt werden können, verbunden. Nach den überzeugenden Darlegungen
der Berufsfeuerwehr Wolfsburg in den Stellungnahmen vom 19. und 20. März
2013 beeinträchtigt die Inanspruchnahme dieser Streckenabschnitte
insbesondere ihre im Hinblick auf die Rettungsfristen ohnehin kritischen
Rettungswege in die westlichen Stadtteile sowie die Zufahrt zum Klinikum der
Stadt Wolfsburg insbesondere aus nördwestlicher Richtung. Über die Heinrich-
Nordhoff-Straße kann der Rettungsweg der Berufsfeuerwehr in westlicher
Richtung am 1. Juni 2013 nicht verlaufen. Wegen der Maßnahmen, die zur
Sicherung der Veranstaltung des Antragstellers im Bereich des Hauptbahnhofs
bzw. am Willy-Brandt-Platz (vor dem Museum Phaeno) erforderlich werden,
sowie aufgrund von Störaktionen in diesem Bereich sind insoweit erhebliche
Verkehrsbeeinträchtigungen zu befürchten und schließt darüber hinaus – im
weiteren Verlauf – die vom Beigeladenen angezeigte Versammlung auf dem der
VW AG gehörenden Parkplatz mit circa 10.000 erwarteten Teilnehmern die
verlässliche Benutzung der Straße durch Rettungskräfte aus. Soweit der
Antragsteller ursprünglich darüber hinaus die Benutzung der Stadtwaldstraße,
des Hochrings, der Röntgen- und der Braunschweiger Straße angezeigt hatte,
steht dieser Route zusätzlich entgegen, dass die dort zur Sicherung der
Aufzugsstrecke erforderlichen Maßnahmen die ungehinderte Zufahrt zum
35
36
37
Klinikum Wolfsburg aus weiteren Fahrtrichtungen beeinträchtigten.
Der Antragsteller dringt insoweit nicht mit den Einwand durch, die Einhaltung der
Rettungsfristen sei nicht gefährdet, weil die Teilnehmer seiner Versammlung
diszipliniert seien und Anordnungen der Versammlungsordner Folge leisteten,
sodass im Notfall Rettungsfahrzeuge durch den Aufzug hindurchfahren könnten.
Denn die beschriebenen Beeinträchtigungen der Rettungswege resultieren nicht
vorrangig daraus, dass Straßen durch die Teilnehmer des Aufzugs blockiert
wären. Vielmehr wirkt sich insbesondere aus, dass umfangreiche, wenig flexible
Absperrmaßnahmen zum Schutz vor Stör- und Blockadeaktionen erforderlich
würden, die im Notfall nicht umgehend – zumal nicht ohne das Risiko, dass
diese „Lücken“ in der Sicherung des Aufzugs zu Störaktionen genutzt würden –
beseitigt werden könnten, und darüber hinaus trotz solcher
Sicherungsmaßnahmen Blockaden und andere Störmaßnahmen nicht gänzlich
ausgeschlossen werden können. Da die Absperrmaßnahmen wie bereits
dargelegt schon im Vorfeld des Aufzugs erfolgen müssen und ein
abschnittsweises Absperren nicht hinreichend erfolgsversprechend ist, dringt
der Antragsteller auch nicht mit seinem Einwand durch, sein Aufzug bewege
sich mit einer Geschwindigkeit von circa 4 km/h, sodass er kritische
Gefahrenstellen zügig passieren könne.
Bei einer Streckenführung des Aufzugs über die Porschestraße in den
Innenstadtkern und die Fußgängerzone von Wolfsburg droht eine
Beeinträchtigung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zusätzlich durch eine Gefährdung
von Leib und Leben (auch) Unbeteiligter wegen zu befürchtender gewalttätiger
Ausschreitungen. Das Gericht teilt insoweit die Gefährdungseinschätzungen der
Antragsgegnerin und der Polizei. Letztere hat insbesondere in der
Stellungnahme vom 3. Mai 2013 nachvollziehbar dargelegt, dass die
erforderliche Trennung der rivalisierenden Gruppierungen in diesem Bereich
nicht gewährleistet werden könne. Insoweit wirken sich die räumliche Enge, die
eine großräumige Trennung mit Pufferzonen unmöglich macht, und die
Unübersichtlichkeit des Bereichs aus, die gute Möglichkeiten eröffnet, dass
Störer sich (auch in Ladengeschäfte) zurückzuziehen und an anderer Stelle
erneut Aktionen starten (vgl. insoweit auch VG Braunschweig, B. v. 14.10.2003
– 5 B 458/03 –, n.v.). Eine vollständige Absperrung dieses Bereichs ist technisch
nicht umsetzbar. Insbesondere wäre dies im Hinblick auf die
entgegenstehenden, grundrechtlich nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 und Art. 14 GG
geschützten Positionen der Gewerbetreibenden und ihrer Kunden sowie
sonstiger Passanten im Innenstadtbereich trotz des hohen Stellenwerts der
Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG unverhältnismäßig. Das Gericht geht
deswegen mit der polizeilichen Einschätzung davon aus, dass ein „Einsickern“
von Störern nicht effektiv verhindert werden könnte. Entgegen der Annahme des
Antragstellers dürften Störer auch nicht bereits durch ihr Äußeres (z.B.
szenetypische Kleidung, Irokesenschnitt) hinreichend sicher zu erkennen sein.
Dies mag auf Einzelne, aber bereits nicht auf die überwiegende Mehrzahl
zutreffen. Auch Personenkontrollen können Störungen in diesem Bereich nicht
hinreichend effektiv verhindern, zumal nicht davon auszugehen ist, dass
sämtliche zu Störaktionen bereite Gegner des Aufzugs polizeilich aktenkundig
sind und nach vorstehenden Ausführungen flächendeckende
Personenkontrollen in diesem Bereich nicht effektiv umsetzbar sind. Zusätzlich
erschwerend wirkt sich nach Einschätzung des Gerichts bei einer
Streckenführung über die Porschestraße in den Bereich der Innenstadt aus,
dass diese Route den Sara-Frenkel-Platz tangierte. Unabhängig davon, ob
insoweit die Voraussetzungen von § 8 Abs. 4 Nr. 1 NVersG erfüllt wären, geht
die Polizei in der Stellungnahme vom 20. März 2013 zu Recht davon aus, dass
dies als besondere Provokation empfunden würde. Dies rechtfertigt die
Annahme, dass hier in besonderer Weise mit Gegenmaßnahmen zu rechnen
wäre.
Schließlich drohen bei Durchführung des Aufzugs in beiden vom Antragsteller
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angezeigten Streckenvarianten massive Beeinträchtigungen des öffentlichen
Verkehrs in Wolfsburg am 1. Juni 2012. Die Teilhabe hieran ist grundrechtlich
nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt und dessen Beeinträchtigung kann der
Durchführung einer Versammlung in der vom Veranstalter beabsichtigten Weise
entgegenstehen (vgl. Sächsisches OVG, B. v. 04.04.2002 – 3 BS 103/02 –, juris
Rn. 5 ff.; Nds. OVG, B. v. 01.06.2011 – 11 ME 164/11 –, juris Rn. 24). Die in
vorliegenden Fall besonders umfangreichen Störungen des Verkehrs resultieren
nach der überzeugenden Darstellung in der polizeilichen Gefahrenanalyse vom
20. März 2013 insbesondere daraus, dass einerseits mit dem Hauptbahnhof und
dem Zentralen Omnibusbusbahnhof (ZOB) am sog. Nordkopf die Knotenpunkte
des öffentlichen Personenverkehrs in Wolfsburg betroffen wären. Aufgrund der
erforderlichen Sicherungsmaßnahmen wäre der Zugang zum Hauptbahnhof
stark beeinträchtigt. Der Busbahnhof müsste bei einer Route über die
Porschestraße gänzlich geschlossen werden und ist selbst bei der im Tenor
ausgesprochenen Routenführung nur erheblich eingeschränkt nutzbar, weil sich
Sicherungsmaßnahmen bis in diesen Bereich erstrecken können und jedenfalls
verhindern, dass Busse den Bereich in nordöstlicher und nordwestlicher
Richtung verlassen können. Die vom Antragsteller angezeigten
Streckenführungen führten darüber hinaus dazu, dass der Innenstadtbereich
faktisch umschlossen würde, was den Zugang bzw. die Zufahrt auch auf
anderen Wegstrecken als über den ZOB erheblich behinderte.
In der Abwägung zwischen der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG
aufseiten des Antragstellers und der Teilnehmer seiner Versammlung einerseits
und den zuvor dargelegten Beeinträchtigungen und Gefährdungen unbeteiligter
Dritter andererseits hat die Antragsgegnerin es dem Antragsteller zu Recht
untersagt, den Demonstrationsaufzug auf den von ihm angezeigten
Streckenvarianten zu führen. Zulasten der vom Antragsteller angezeigten
Versammlung wirkt sich insbesondere aus, dass mit dem Leben und der
körperlichen Unversehrtheit unbeteiligter Dritter einerseits überragend wichtige
Schutzgüter gefährdet sind, die Versammlungsfreiheit des Antragsstellers
andererseits zwar beeinträchtigt, aber nicht vollends ausgeschlossen wird, weil
die Durchführung der Versammlung in der aus dem Tenor ersichtlichen Umfang
möglichbleibt. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass von den massiven
Beeinträchtigungen des öffentlichen Personenverkehrs eine weitaus größere
Anzahl unbeteiligter Personen betroffen wäre als Versammlungsteilnehmer
aufseiten der antragstellerischen Veranstaltung (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel;
Versammlungsgesetz, 16. Aufl., § 15 Rn. 189). Zwar weist der Antragsteller in
diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass seine Versammlung die
beschriebenen Gefährdungen nicht – im Sinne des Ordnungsrechts –
unmittelbar veranlasst hat und er deswegen nicht als verantwortlicher „Störer“
herangezogen werden kann. Wie bereits dargestellt, macht dies aber die
Abwägung mit Rechtsgütern und Positionen unbeteiligter Dritter, die bei
Durchführung der Versammlung jedenfalls faktisch beeinträchtigt werden, nicht
entbehrlich. Dies ist nicht mit einer Inanspruchnahme des Antragstellers als
ordnungsrechtlich Verantwortlichem gleichzusetzen.
Die vollständige Untersagung der vom Antragsteller angezeigten Versammlung
ist hingegen aller Voraussicht nach rechtswidrig. Das Totalverbot der
Versammlung ist unverhältnismäßig, weil sich die Gefährdungen bzw.
Beeinträchtigungen unbeteiligter Dritter bei Durchführung der Versammlung mit
den aus dem Tenor ersichtlichen Beschränkungen soweit reduzieren lassen,
dass sie in der Abwägung der betroffenen Positionen im Hinblick auf die hohe
Bedeutung der Versammlungsfreiheit hinzunehmen sind.
Nach den überzeugenden Gefährdungseinschätzungen in den Stellungnahmen
der Polizeiinspektion Wolfsburg / Helmstedt vom 3. Mai 2013, der Bundespolizei
vom 5. Mai 2013 und der Berufsfeuerwehr Wolfsburg vom 6. Mai 2013 ist es
möglich, den Demonstrationsaufzug auf dieser Strecke zu führen, ohne dass es
mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Beeinträchtigung der Rettungswege von
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Feuerwehr und Notfallrettungswagen bzw. sonstigen Leibes- oder
Lebensgefahren wegen eines gewalttätigen eskalierenden Verlaufs der
Versammlung infolge von Störaktionen kommt. Nach der Stellungnahme der
Bundespolizei kann die Trennung der rivalisierenden Gruppen, soweit diese
erwartungsgemäß zum überwiegenden Teil mit der Bahn anreisen, bereits im
Vorfeld sichergestellt und im Bahnhof von Wolfsburg fortgesetzt werden. Auch
unbeteiligten Dritten, beispielsweise der hohen Zahl an Besuchern der
Innenstadt von Wolfsburg sowie der Autostadt oder des nahgelegenen DOW
bleibt hiernach, wenn auch unter Inkaufnahme von Einschränkungen und
Wartezeiten am Bahnhof, die Anreise mit der Bahn möglich. Ein gewalttätiger
Verlauf der Versammlung infolge erfolgreicher Störaktionen kann den plausiblen
Angaben der Polizei zufolge hinreichend sicher ausgeschlossen werden,
insbesondere weil die räumliche Trennung der rivalisierenden Gruppen
einschließlich einer Pufferzone, die Bewegungsspielräume für Polizeikräfte
schafft, ermöglicht wird. Die aus dem Tenor ersichtliche Route beeinträchtigt
schließlich keine unbedingt freizuhaltenden Rettungswege von Feuerwehr
sowie Notfallrettung.
Es ist hingegen nicht ersichtlich, dass eine andere Streckenführung die
betroffenen Schutzgüter und Rechtspositionen in sachgerechterer Weise zu
einem angemessen Ausgleich bringen kann. Das Gericht teilt insoweit zunächst
die plausibel begründete Einschätzung der Polizei in ihrem Schreiben vom 3.
Mai 2013, dass der Transport der Teilnehmer der vom Antragsteller angezeigten
Veranstaltung mit Bussen vom Hauptbahnhof zu einem abweichenden Startort
eines Aufzugs mit nicht hinnehmbaren Gefahren verbunden wäre und
deswegen ausscheiden muss.
Soweit der Antragsteller darauf dringt, dass seine Veranstaltung nach der
Ankunft der Teilnehmer am Hauptbahnhof nicht in Richtung Osten auf den Willy-
Brandt-Platz (vor dem Museum Phaeno), sondern in westlicher Richtung auf die
Heinrich-Nordhoff-Straße abgeleitet werden solle und im Gegenzug die
Veranstaltung des Beigeladenen nach Osten, folgt das Gericht dem nicht. Dies
ist nicht sachgerecht. Hiergegen spricht bereits, dass der Antragsteller von
Beginn an bereits mit der Anzeige vom 30. Mai 2012 eine Auftaktkundgebung
auf dem Willy-Brandt-Platz beabsichtigt hatte, der Beigeladene hingegen von
vornherein den im Eigentum der VW AG stehenden Parkplatz an der Heinrich-
Nordhoff-Straße als Veranstaltungsort einer stationären Kundgebung benannt
hatte. Die aus dem Tenor ersichtliche Streckenführung ermöglicht demnach
beiden Versammlungen, Kundgebungen auf den von vornherein beabsichtigten
Plätzen durchzuführen. Eine nachträgliche Änderung der Zuordnung wie
nunmehr vom Antragsteller in Rede gebracht, ist auch deshalb nicht
sachgerecht, weil nicht ersichtlich ist, dass in östlicher Richtung vom
Hauptbahnhof ein geeigneter Ort für die stationäre Kundgebung des
Beigeladenen vorhanden ist. Jedenfalls der Willy-Brandt-Platz vor dem Museum
Phaeno ist zur Aufnahme der erwarteten circa 10.000 Teilnehmer zu klein. Er ist
hingegen geeignet, die circa 700 Teilnehmer der vom Antragsteller angezeigten
Versammlung aufzunehmen. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die VW
AG dem Antragsteller den Parkplatz, auf dem die Veranstaltung des
Beigeladenen stattfindet, für die Durchführung seiner Versammlung überlassen
würde. Schließlich ist festzuhalten, dass auch die Ableitung der Versammlung
des Antragstellers in westlicher Richtung keine für ihn wesentlich günstigere
Sachlage herbeiführen würde. Auch in diesem Fall wären die von ihm
angezeigten beiden Streckenführungen insbesondere wegen der Auswirkungen
auf die o.g. Rettungswege von Feuerwehr und Notfallrettung nicht gangbar.
Es ist des Weiteren nicht ersichtlich, dass vom Hauptbahnhof aus in östlicher
Richtung eine abweichende Routenführung eher sachgerecht ist als die im
Tenor ausgesprochene. Insbesondere führten eine Inanspruchnahme der
Heßlinger-Straße, der Allesandro-Volta-Straße oder des Rothenfelder Marktes
zu Beeinträchtigungen der Rettungswege von Feuerwehr und Notfallrettung und
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sind deswegen in der Abwägung der betroffenen Belange als nicht sachgerecht
auszuschließen.
Die Antragsgegnerin hat im Schreiben vom 7. Mai 2013 überzeugend dargelegt,
dass eine Beeinträchtigung unbedingt freizuhaltender Rettungswege der
Feuerwehr zunächst für den Fall anzunehmen sei, dass der Demonstrationszug
vom Willy-Brandt-Platz über die Heßlinger-Straße Richtung Osten geführt würde,
weil hiermit eine Inanspruchnahme und infolge der Sicherungsmaßnahmen bzw.
evtl. Störaktionen auch eine Beeinträchtigung des sog. St.-Annen-Knotens
verbunden wäre. Das Gericht teilt insoweit die polizeiliche Einschätzung aus
deren Stellungnahme vom 3. Mai 2013, dass eine Unterquerung des St.-Annen-
Knotens durch die dortigen Fußgängertunnel bereits aufgrund der räumlichen
Enge zu gefährlich ist und darüber hinaus wegen der Möglichkeit, den Aufzug
durch Blockaden zum Stehen zu bringen und eine Eskalation der Lage zu
bewirken, aus ordnungsbehördlicher Sicht nicht verantwortet werden kann. Der
St.-Annen-Knoten ist, wie die Berufsfeuerwehr in ihrer Stellungnahme vom 6.
Mai 2013 überzeugend dargelegt hat, zwingend von Beeinträchtigungen
freizuhalten, damit der Rettungsschutz gewährleistet werden kann, weil er in
unmittelbarer Nähe zur Feuerwache liegt und für das Ausrücken der Feuerwehr
in nahezu sämtliche Richtung beansprucht wird. Schließlich hat die
Antragsgegnerin im Schreiben vom 7. Mai 2013 auf der Grundlage der
Stellungnahme der Berufsfeuerwehr vom 6. Mai 2013 zur Überzeugung des
Gerichts dargelegt, dass eine Aufzugsstrecke vom Willy-Brandt-Platz über die
Porschestraße bzw. von der Heßlinger Straße in die Allesandro-Volta-Straße
oder den Rothenfelder Markt Rettungswege der Feuerwehr beeinträchtigen
würde, weil sie in die Kleiststraße bzw. die Rothenfelder Straße münde und
diese, wie zuvor bereits dargelegt, u.a. als Rettungsweg der Feuerwehr in die
Innenstadt bzw. in westlich gelegene Stadtteile freizuhalten ist. Eine
Aufzugsroute über die Porschestraße scheidet nach vorstehenden Darlegungen
außerdem aus, weil dort die Sicherheit nicht des Aufzugs nicht gewährleistet und
eine gewalttätige Eskalation nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden
kann.
Eine abweichende Route ist schließlich auch nicht im Hinblick auf den Einwand
des Antragstellers geboten, es müsse vorrangig die Veranstaltung des
Beigeladenen verboten oder zeitlich (um einen Tag) verschoben werden, bevor
der von ihm angezeigten Versammlung Beschränkungen auferlegt werden
dürften. Denn, so der Antragsteller weiter, seine Versammlung sei zeitlich vor
derjenigen des Beigeladenen angezeigt. Letztere hätte außerdem (nur) die
Verhinderung seiner Veranstaltung zum Ziel; dies würde sie jedenfalls billigend
in Kauf nehmen. Mit diesem Einwand dringt der Antragsteller nicht durch. Denn
die Versammlung des Beigeladenen genießt, auch wenn sie zeitlich nach
derjenigen des Antragstellers und in Reaktion hierauf geplant und angezeigt
worden ist, ebenfalls den Schutz von Art. 8 Abs. 1 GG (vgl. Ullrich, NVersG, § 8
Rn. 137 m.w.N.; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl., Art. 8 Rn 10). Sie
verfolgt das legitime Ziel, der vom Antragsteller und seinem Anhang vertretenen
Meinung eine abweichende, die Integration ausländischer Mitbürger bejahende
Meinung entgegenzusetzen. Sie ist somit Ausdruck der engagiert geführten
öffentlichen Auseinandersetzung verschiedener Meinungen, die Art. 8 GG
gerade ermöglichen soll. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die
Versammlung des Beigeladenen ausschließlich dem Zweck dient, die
Versammlung des Antragstellers zu verhindern, und sie deswegen vom
Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG nicht umfasst wäre. Solche Anhaltspunkte
hat der Antragsteller nicht aufzeigen können. Insbesondere genügt hierfür nicht
der Einwand, ein namentlich nicht benannter, bei der IG Metall eingeschleuster
Informant habe von einer „internen“ Veranstaltung berichtet, auf der konkrete
Blockadepunkte festgelegt worden seien. Unabhängig davon, dass sich bereits
der Wahrheitsgehalt dieser Angabe nicht überprüfen lässt, ist darüber hinaus
nicht ersichtlich, inwieweit die „interne“ Veranstaltung geeignet sein kann, Inhalt,
Ausrichtung und Gesamtcharakter der mit circa 10.000 erwarteten Teilnehmern
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sehr großen Versammlung maßgeblich zu beeinflussen, selbst wenn dort von
einzelnen Versammlungsteilnehmern Blockadeaktionen besprochen sein
sollten. Eine zeitliche Verschiebung der Versammlung des Beigeladenen ist
schließlich auch deswegen sachwidrig, weil es ihr Zweck, der Versammlung des
Antragstellers eine abweichende Meinung entgegenzusetzen, gerade erfordert,
in räumlicher und zeitlicher Nähe zu dieser stattzufinden (vgl. auch Ullrich,
NVersG, § 8 Rn. 67). Unabhängig hiervon ist nicht ersichtlich, dass ein Verbot
oder eine zeitliche Verschiebung der Versammlung des Beigeladenen ein
wesentlich anderes, für den Antragsteller günstigeres Abwägungsergebnis
bewirken könnte. Weil insbesondere gewaltbereite Störer sich hierdurch nicht
von dem Versuch abhalten ließen, die Versammlung des Antragstellers zu
verhindern oder zu beeinträchtigen, wären in gleichem Ausmaß
Sicherungsmaßnahmen für dessen Aufzug erforderlich. In der Folge wären auch
die hieraus resultierenden Beeinträchtigungen unbeteiligter Dritter weitgehend
unverändert zu befürchten.
Die aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtliche Streckenführung genügt
schließlich den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts an einen
Kundgebungsort bzw. eine –route (vgl. BVerfG, B. v. 05.09.2003 – 1 BvQ 32/03 -
, juris Rn. 40). Insbesondere schließt sie nicht aus, öffentliche Aufmerksamkeit
für die geplante Versammlung und die hiermit beabsichtigte Meinungskundgabe
zu erreichen. Maßgeblich spricht hierfür zunächst, dass die Versammlung auf
dem Vorplatz des Museums Phaeno sehr zentral im Innenstadtbereich von
Wolfsburg beginnt und dort auch endet. Hier ist eine äußerst gute
Öffentlichkeitswirkung zu erzielen, zumal mit dem Hauptbahnhof, dem Phaeno
selbst und der Autostadt zentrale und publikumswirksame Einrichtungen in
unmittelbarer Nähe liegen. Durch Kundgebungen zu Beginn und zum Ende der
Veranstaltung ist es der Versammlung bzw. ihren Teilnehmern hier sehr gut
möglich, ihr Anliegen öffentlichkeitswirksam darzustellen. Auch die Aufzugsroute
ermöglicht eine Öffentlichkeitswirkung. Zwar führt sie zu einem nicht
unerheblichen Teil durch ein vorwiegend gewerblich genutztes Gebiet.
Allerdings ist eine Öffentlichkeitswirkung hier nicht von vornherein
ausgeschlossen. Im Bereich des DOW, das zweimal passiert wird, ist im Hinblick
auf die insbesondere an einem Samstag sehr hohen Besucherzahlen mit einer
erheblichen Öffentlichkeitswirkung zu rechnen. Verstärkte
öffentlichkeitswirksame Passagen sind außerdem im Bereich der Berliner
Brücke sowie auf der Dieselstraße festzustellen. Die Annahme des
Antragstellers, der Aufzug werde auf die „grüne Wiese“ verbannt, geht
deswegen fehl.
Es ist sachgerecht, die Durchführung der Versammlung wie aus dem Tenor
ersichtlich auch in zeitlicher Hinsicht bis maximal 18.00 Uhr zu beschränken. In
der Abwägung der betroffenen Belange ist der - von der Antragsgegnerin
angeführte – Beginn der „Silent-Noise-Party“ um 19.00 Uhr insoweit nicht von
maßgeblicher Bedeutung. Vielmehr wirkt sich aus, dass auch die Durchführung
der Versammlung auf der aus dem Tenor ersichtlichen Route den öffentlichen
Personenverkehr in Wolfsburg schwerwiegend beeinträchtigen wird.
Insbesondere kann der ZOB nur eingeschränkt angefahren werden und ist
deswegen zu erwarten, dass der Busverkehr erheblich beeinträchtigt wird.
Darüber hinaus wird ein Übergang vom Hauptbahnhof zum ZOB nur sehr
eingeschränkt möglich sein. Schließlich wird der Betrieb des Hauptbahnhofs
beeinträchtigt sein und wird es zu Beeinträchtigungen entlang der
Aufzugsstrecke – und somit auch im Bereich des DOW – kommen. In der
gebotenen Abwägung ist insoweit einerseits zu berücksichtigen, dass hierdurch
eine – gegenüber der Anzahl der Teilnehmer der vom Antragsteller angezeigten
Versammlung deutliche höhere – Anzahl von Bürgern und Besuchern der Stadt
Wolfsburg in grundrechtlich geschützten Positionen betroffen ist. Andererseits ist
zu berücksichtigen, dass der Antragsteller im Koordinationsgespräch vom 8.
März 2013 dargelegt hat, dass die Zeitangaben in der Anzeige vom 30. Mai
2012 nur ungefähre Größen seien, deren Einhaltung davon abhänge, ob es zu
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Störungen komme. Bei einem reibungslosen Ablauf könne das Ende der
Veranstaltung auch früher als angegeben ausfallen. Insoweit kann
berücksichtigt werden, dass die nach dem Tenor des Beschlusses zugelassene
Aufzugsstrecke mit circa 3,8 Kilometern kürzer ausfällt als die vom Antragsteller
ursprünglich angezeigte Route und dass aufgrund der dort möglichen
Sicherungsmaßnahmen wirksame Blockade- und Störaktionen
unwahrscheinlich sind. Angesichts dessen ist – auf der Grundlage der vom
Antragsteller im Schreiben vom 10. Mai 2013 genannten Geschwindigkeit von 4
km/h – die Annahme gerechtfertigt, dass der Demonstrationsaufzug die Strecke
in circa einer Stunde zurücklegen kann. Demnach bleibt es dem Antragsteller
trotz der im Tenor ausgesprochenen zeitlichen Beschränkung aller Voraussicht
nach möglich, neben dem Demonstrationsaufzug wie in der Anzeige vom 30.
Mai 2012 dargelegt Kundgebungen mit einer Gesamtdauer von circa 5 Stunden
durchzuführen. Angesichts dessen ist ein überwiegendes Interesse des
Antragstellers, die Versammlung zeitlich länger als bis 18.00 Uhr abzuhalten,
nicht ersichtlich, sondern vielmehr die Befristung zum Schutz der unbeteiligten
Bürger und Besucher der Stadt vor unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen
geboten.
Soweit die Antragsgegnerin darüber hinaus an dem Totalverbot der
Versammlung festhält und dem Antragsteller nicht ermöglicht, die Versammlung
mit den aus dem Tenor ersichtlichen Beschränkungen durchzuführen, ist dies
unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen aller Voraussicht nach
rechtswidrig. Zwar weist die Antragsgegnerin im Schreiben vom 7. Mai 2013 zu
Recht auf die Beeinträchtigungen des öffentlichen Personenverkehrs hin, die mit
der Veranstaltung auch dann noch einhergehen, wenn sie mit den zuvor
dargelegten zeitlichen und örtlichen Beschränkungen durchgeführt wird.
Angesichts der hohen Bedeutung der Versammlungsfreiheit sowie unter
Berücksichtigung des Umstands, dass der Antragsteller bzw. die von ihm
angezeigte Versammlung nicht als ordnungsrechtlich verantwortliche Störer in
Anspruch genommen werden, sondern die Beeinträchtigungen unbeteiligter
Dritter nur mittelbare Folge von Störaktionen gegen die Versammlung des
Antragsstellers sind, sind diese Beeinträchtigungen allerdings hinzunehmen. Die
Versammlung des Antragstellers vollständig zu untersagen, entspricht nicht dem
Gebot, die betroffenen Belange sachgerecht und mit dem Ziel ihres
größtmöglichen Schutzes gegeneinander abzuwägen. Weil die Versammlung
des Antragstellers nach dem Tenor dieses Beschlusses bis maximal 18.00 Uhr
geführt werden darf, hält sich die Beeinträchtigung der öffentlichen Belange
auch in zeitlicher Hinsicht in einem vertretbaren Maß.
Der Antragsgegnerin bleibt es vorbehalten, dem Antragsteller unter den
Voraussetzungen von § 8 Abs. 2 NVersG weitere Beschränkungen für die
Durchführung der Versammlung zu erteilen (vgl. Nds. OVG, B. v. 01.06.2011 –
11 ME 164/11 –, juris Rn. 35 m.w.N.).
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1
VwGO. Im Hinblick darauf, dass die Antragsgegnerin an dem Totalverbot der
Versammlung festgehalten hat, bewertet das Gericht das anteilige Obsiegen
und Unterliegen im Verhältnis von einem zu zwei Dritteln zugunsten des
Antragstellers. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nach § 162
Abs. 4 VwGO nicht erstattungsfähig, weil dieser keinen Antrag gestellt und
deswegen kein Kostenrisiko übernommen hat.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG
und orientiert sich an der Empfehlung des Streitwertkatalogs für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NVwZ 2004, 1327 ff., hier: II. Nr. 45.4). Die
Kammer hat den sich hiernach ergebenden Streitwert wegen der Vorwegnahme
der Hauptsache durch das Eilverfahren für das Eilverfahren nicht reduziert (vgl.
hierzu II. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs).