Urteil des VG Braunschweig vom 01.08.2013

VG Braunschweig: aufschiebende wirkung, überwiegendes interesse, gefahr im verzuge, raumordnung, stadt, anhörung, bekleidung, bebauungsplan, hauptsache, vorrang

1
2
3
4
Raumordnungsrecht
Untersagung der Bauleitplanung für ein Outlet-Center; Verstoß gegen das
raumordnungsrechtliche Intergrationsgebot
VG Braunschweig 2. Kammer, Beschluss vom 01.08.2013, 2 B 798/13
§ 1 Abs 4 BauGB, § 2 Abs 2 BauGB, § 14 Abs 1 ROG, § 4 Abs 1 ROG
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird auf 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer
Klage gegen einen raumordnungsrechtlichen Untersagungsbescheid.
Die Antragstellerin beabsichtigt die Verabschiedung eines Bebauungsplans „D.“.
Damit soll die planerische Grundlage für die Errichtung eines sog. Factory Outlet
Centers mit einer Verkaufsfläche von insgesamt 9.990 m² auf einer Grundfläche
von 19.990 m² geschaffen werden. Als Sortimente sind vorgesehen Bekleidung
(7.000 m²), Schuhe und Lederwaren (2.000 m²), sowie Glas, Porzellan und
Schmuck u. a. (990 m²). Als Bestandsflächen dieser Sortimente sind vor allem
im Stadtzentrum 11.900 m² für Bekleidung, 880 m² für Schuhe und Lederwaren
und ca. 1.600 m² für Glas, Porzellan und Schmuck vorhanden.
Das Plangebiet liegt an der E. auf dem Grundstück der früheren F. im
nordwestlichen Randbereich der Stadt und ist durch zwei Buslinien an den
ÖPNV angeschlossen. Die Entfernung des Plangebiets zur Bundesstraße G.,
die im Westen in die Bundesstraße H. übergeht und die Stadt Helmstedt im
Süden und Westen umgeht, beträgt ca. 300 m. Von der Autobahnanschlußstelle
Helmstedt Zentrum ist das Plangebiet ca. 1,2 km entfernt und vom Stadtzentrum
ca. 1,7 km. Östlich des Plangebiets verläuft die I., in deren Osten sich ein
größeres Wohngebiet anschließt. Auf der Südwestseite der E. liegt das
Gewerbegebiet J., in dem sich u. a. ein Real-Markt befindet, und im Südosten
grenzt das Plangebiet an das Gewerbegebiet Schwalbenbreite, in dem ein Lidl-
Markt der Nahversorgung dient. Im Flächennutzungsplan ist die zur Bebauung
vorgesehene Fläche als Industriegebiet dargestellt. Im Nordosten schließt sich
ein kleineres Waldgebiet an, das den Übergang zum Außenbereich
kennzeichnet.
Im Landesraumordnungsprogramm (LROP) und im Regionalen
Raumordnungsprogramm (RROP) des Antragsgegners ist der Antragstellerin die
Funktion eines Mittelzentrums zugewiesen. Nahe Oberzentren sind die Städte
Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg, wo bereits ein Designer Outlet Center
mit einer Verkaufsfläche von 10.000 m² existiert, das gegenwärtig um 5.000 m²
erweitert wird.
5
6
7
8
Bereits im Jahr 2005 nahm die Antragstellerin die Planung für ein „Ostfalen
Outlet Center“ (OOC) mit einer Verkaufsfläche von ca. 17.000 m² auf, die
zunächst wegen raumordnungsrechtlicher Bedenken nicht fortgesetzt wurde.
Am 10.03.2010 schlossen die Antragstellerin, der Antragsgegner und der das
Outlet planende Investor eine Vereinbarung zur Durchführung bestimmter
Verfahrensschritte, in der sich der Investor verpflichtete, sofern möglich, die
Raumverträglichkeit des nun auf eine Verkaufsfläche von knapp 10.000 m²
verkleinerten Vorhabens in Bezug auf die Einhaltung des Kongruenzgebotes,
des Konzentrationsgebotes, des Integrationsgebotes und des
Beeinträchtigungsverbots durch ein Gutachten nachzuweisen. Kurz darauf
nahm der Rat der Antragstellerin das vorgesehene Plangebiet als einen neuen
zentralen Versorgungsbereich in sein Einzelhandelsentwicklungskonzept auf.
Nachdem sich auf der Grundlage einer „Materialsammlung zum
Raumordnungsverfahren“ der CIMA Beratung und Management GmbH
abzeichnete, dass die Planung gegen das raumordnungsrechtliche
Kongruenzgebot verstoßen würde, lehnte der Antragsgegner die Einleitung
eines Raumordnungsverfahrens ab, woraufhin die Antragstellerin ihre weitere
Planung einstellte.
Diese nahm sie wieder auf, nachdem das Nds. Oberverwaltungsgericht durch
Urteil vom 15.03.2012 (Az. 1 KN 152/10) in einem Normenkontrollverfahren
festgestellt hatte, dass das als Ziel im LROP verankerte Kongruenzgebot,
wonach die Verkaufsfläche und das Warensortiment von
Einzelhandelsgroßprojekten der zentralörtlichen Versorgungsfunktion und dem
Verflechtungsbereich des jeweiligen Zentralen Ortes entsprechen müssen, nicht
justiziabel sei, weil der Begriff des „Verflechtungsbereichs“ nicht hinreichend
bestimmt sei und die erforderliche Bestimmtheit auch nicht auf der Ebene des
Regionalen Raumordnungsprogramms für die Region Hannover hergestellt
werde. Das Einzelhandelskonzept der unteren Raumplanungsbehörde für die
Region Hannover enthalte ebenfalls keine Inhalte, die eine Bestimmbarkeit
ermöglichen würden. Unlösbare Auslegungszweifel bestünden zudem
hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des „Entsprechens“, für das im RROP
einschränkende Bestimmungen enthalten seien, die im LROP keine Stütze
fänden. In der Folgezeit führte die CIMA Untersuchungen zu möglichen
Kaufkraftabflüssen durch und aktualisierte und ergänzte ihre Materialsammlung
aus dem Jahr 2010. In ihrer Aktualisierung vom 11.09.2012 kam sie zu dem
Ergebnis, das raumordnungsrechtlich relevante Umsatzumverteilungen von
mehr als 10 % für die Nachbargemeinden nicht zu erwarten seien. Bezogen auf
den innerstädtischen zentralen Versorgungsbereich der Stadt Helmstedt
prognostizierte die CIMA Kaufkraftumverteilungen von bis zu 12,3 % für die
Warengruppe Bekleidung. Diese beabsichtigte die Antragstellerin im Rahmen
der Planabwägung hinzunehmen.
Nachdem die Antragstellerin dem Antragsgegner am 16.01.2013 den Entwurf
des Bebauungsplans „D.“ zur Kenntnisnahme übersandt und ihr
Verwaltungsausschuss dem Entwurf zugestimmt und seine Auslegung
beschlossen hatte, wies der Antragsgegner sie am 05.02.2013 auf die
Notwendigkeit hin, wegen der Raumbedeutsamkeit der Planung ein
Raumordnungsverfahren durchzuführen. Mit Schreiben vom 12.02.2013 teilte
ihm die Antragstellerin daraufhin mit, dass sie die Durchführung eines
Raumordnungsverfahrens nicht beabsichtige. Daraufhin hat der Antragsgegner
mit Zustimmung der oberen Landesplanungsbehörde der Antragstellerin nach
Ablauf einer knapp bemessenen Anhörungsfrist mit Bescheid vom 12.03.2013
die zeitnah bevorstehende Beschlussfassung über den Bebauungsplan wegen
Verstoßes gegen das Integrationsgebot, das Kongruenzgebot und das
Beeinträchtigungsverbot untersagt.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 11.04.2013 Klage erhoben (Az. 2 A
781/13) und am 03.05.2013 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur
Begründung ihres Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer
9
10
11
12
Klage trägt die Antragstellerin vor:
Der angefochtene Bescheid sei formell rechtswidrig, weil die ihr gesetzte
Anhörungsfrist von Freitag, den 08.03. bis Montag 11.03.2013 zu knapp
bemessen gewesen sei. Auch wenn dem Antragsgegner der Termin für die
Beschlussfassung über den Bebauungsplan (12.04.) nicht bekannt gewesen
sei, müsse ihm klar gewesen sein, dass es noch einiger Wochen der
Vorbereitung bedurfte. Da es sich um eine Ermessensentscheidung handele,
sei der Anhörungsfehler nicht unbeachtlich.
Der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens bedürfe es nicht, weil die
Planung nicht raumbedeutsam sei. Raumbedeutsame Auswirkungen könnten
lediglich in Gestalt von Kaufkraftumverteilungen eintreten. Die zu erwartenden
Umsatzumverteilungen lägen nach den Untersuchungen der CIMA für die
Nachbargemeinden jedoch unter 10 % und seien deshalb unbeachtlich. Soweit
für den K. an der Bundesautobahn A2 nahe Magdeburg Umverteilungen von
13,1% im Sortimentssektor Bekleidung/Wäsche und 12,3% bei Schuhen zu
erwarten seien, müsse berücksichtigt werden, dass dieses
Einzelhandelsgroßprojekt an einem nicht integrierten Standort eines
Grundzentrums verwirklicht worden sei. Es sei deshalb raumordnungsrechtlich
unzulässig und könne bei der weiteren Betrachtung unberücksichtigt bleiben.
Auswirkungen auf die Innenstadt von Helmstedt seien nicht raumbedeutsam,
weil sie auf das Gebiet der planenden Gemeinde beschränkt bleiben würden.
Die von dem Antragsgegner zitierten Gerichtsentscheidungen, in denen kleinere
Vorhaben als das OOC als raumbedeutsam bezeichnet worden seien, hätten
Einzelhandelsgroßprojekte zum Gegenstand gehabt, die mit einem Factory
Outlet Center nicht vergleichbar seien.
Ein Verstoß gegen das Integrationsgebot liege nicht vor, weil es sich bei dem
vorgesehenen Standort um eine integrierte Lage handele. Bereits in der
Präambel der auch vom Antragsgegner unterzeichneten dreiseitigen
Vereinbarung sei die „integrierte Lage des Entwicklungsschwerpunkts“ erwähnt.
Die E. sei mit zwei Buslinien erreichbar und im
Einzelhandelsentwicklungskonzept der Antragstellerin als zentraler
Versorgungsbereich ausgewiesen. Integrierte Lagen seien nicht nur Innenstädte
sondern auch zentrale Versorgungsbereiche an anderen Standorten. Da es
zulässig sei, zentrale Versorgungsbereiche neu zu planen, müssten durch
solche Planungen ebenso neue integrierte Lagen entwickelt werden können.
Die Planungsbefugnis hierfür bestehe auch ohne eine zwingende Notwendigkeit
neue zentrale Versorgungsbereiche zu schaffen. Soweit die E. im RROP als
Einzelhandelsentwicklungsschwerpunkt ausgewiesen werde, in dem
definitionsgemäß nicht zentrenrelevante Sortimente angeboten werden dürfen,
lasse das nicht den Umkehrschluss eines Verbots zentrenrelevanter Sortimente
zu. Gastronomiebetriebe würden sich im OOC ansiedeln und seien fußläufig
auch heute schon am L. vorhanden. Es sei unschädlich, wenn in einem neuen
zentralen Versorgungsbereich noch das eine oder andere fehle.
Eine Missachtung des Kongruenzgebots sei schon deshalb zu verneinen, weil
es sich hierbei nach der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts
nicht um ein bei der Bauleitplanung zu beachtendes Ziel der Raumordnung
handele. Die hierzu vom Nds. Oberverwaltungsgericht in einem Urteil vom
15.03.2012 herausgearbeiteten Grundsätze seien verallgemeinerungsfähig und
nicht auf den Anwendungsbereich des RROP für die Region Hannover
beschränkt. LROP und RROP des Antragsgegners enthielten identische
Formulierungen des Kongruenzgebots, die, wie das Oberverwaltungsgericht für
das LROP bereits entschieden habe, nicht justiziabel seien und deshalb als
Zielbestimmung keine Anwendung finden könnten. Das Einzelhandelskonzept
des Antragsgegners sei schon aus Rechtsgründen nicht geeignet, eine
ausreichende Konkretisierung herbeizuführen. Rechtsverbindlich sei lediglich
das als Satzung beschlossene RROP. Die Definition des Verflechtungsbereichs
bedürfe einer planerischen verbindlichen Festsetzung, weil damit der
13
14
zentralörtliche Versorgungsauftrag bestimmt werde. Bei dem
Einzelhandelskonzept des Antragsgegners handele es sich schon dem Namen
nach lediglich um ein unverbindliches Konzept, was für eine verbindliche
Zielbestimmung nicht genüge. Hieran ändere auch der Umstand, dass das
Konzept in der Vollversammlung des Antragsgegners beschlossen worden sei,
nichts, weil das für eine Änderung oder Ergänzung des Regionalen
Raumordnungsprogramms notwendige Beteiligungsverfahren nicht
stattgefunden habe. Durch vereinzelte Bezugnahmen im RROP werde das
Einzelhandelskonzept ebenfalls nicht zu dessen Bestandteil. Nach der sog.
Wesentlichkeitstheorie müsse der Normgeber alle wesentlichen Aspekte, zu
denen auch die Bestimmung des interkommunalen Verflechtungsbereichs
gehöre, in der Norm selbst regeln. Das Einzelhandelskonzept aus dem Jahr
2010 biete auch nicht eine Grundlage für die Auslegung des RROP 2008, weil
es erst später beschlossen worden sei.
Das Beeinträchtigungsverbot sei ebenfalls nicht verletzt. Der Antragsgegner
trage die Beweislast für eine wesentliche Beeinträchtigung des innerstädtischen
zentralen Versorgungsbereichs als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der
Untersagungsverfügung. Substantielle Ausführungen hierzu enthalte der
angefochtene Bescheid nicht. Die bloße Vermutung von Beeinträchtigungen
oder die nicht auszuschließende Möglichkeit genüge nicht den gesetzlichen
Anforderungen. Nach den Feststellungen der CIMA seien abwägungsresistente
Umsatzumverteilungen von mehr als 20 % nicht zu erwarten. Eine über 10 %
hinausgehende Umsatzumverteilung bezogen auf die Innenstadt von Helmstedt
in den Warengruppen Bekleidung und Wäsche sei zwar abwägungserheblich,
stehe aber einer Entscheidung zugunsten der Planung nicht entgegen. Soweit
im angefochtenen Bescheid drei Ankerbetriebe in der Innenstadt von Helmstedt
als relevant bezeichnet werden, würden diese namentlich nicht benannt und
Zahlen befürchteter Umsatzrückgänge nicht mitgeteilt. Eine wesentliche
Beeinträchtigung setze jedoch einen kompletten Versorgungsausfall in einem
Segment voraus, für den nichts dargetan sei. Erhebungen zum M. würden
zudem belegen, dass infolge der Ansiedlung eines Outlet Centers die Umsätze
in der Innenstadt sogar steigen könnten. Soweit in einem von der Stadt
Wolfsburg in Auftrag gegebenen Gutachten des N. vom 22.02.2013 und in
einem weiteren, von dem O.. in Auftrag gegebenen Gutachten der P. vom
28.02.2013 die Feststellungen der CIMA und deren Aussagekraft in Zweifel
gezogen würden, sei diese Kritik unberechtigt. Das betreffe insbesondere den
Vorwurf der Annahme einer zu niedrigen Flächenproduktivität für das OOC.
Diese sei nach den Feststellungen der CIMA mit höchstens 3.500 €/m² zu
veranschlagen. Soweit die CIMA bei anfänglichen Untersuchungen von einem
höheren Wert ausgegangen sei, habe dem noch die Planung eines Outlet
Centers mit einer Verkaufsfläche von 17.000 m² zugrunde gelegen. Auch das
DOC Wolfsburg habe zu diesem Planungszeitpunkt noch nicht existiert und sei
deshalb nicht als kaufkraftschwächende Konkurrenz eingeplant worden. Eine
Evaluation für das DOC in Wolfsburg aus dem Jahr 2010 habe dort eine
Flächenproduktivität von 3.700 €/m² ergeben. Berücksichtige man, dass
Wolfsburg ein Oberzentrum mit hoher Kaufkraft der Bevölkerung sei und das
DOC am Rande der Fußgängerzone liege, während in Helmstedt nur die „2.
Garde“ Shops eröffnen würde, sei für das OOC eine Flächenproduktivität von
3.500 €/m² durchaus realistisch und die daraus von der CIMA abgeleiteten
Umsatzumverteilungen zutreffend. Der Einwand, dem CIMA Gutachten fehle
eine Analyse der Auswirkungen der „Sonstigen Sortimente“ treffe zwar zu, sie
sei aber entbehrlich, weil der Investor durch einen städtebaulichen Vertrag
verpflichtet werden solle, in diesem Bereich nur Shops mit einer Verkaufsfläche
von höchstens 300 m² zuzulassen, deren Umsatzwirkung unterhalb der
Nachweisschwelle bleibe.
Schließlich sei die Untersagungsverfügung auch ermessensfehlerhaft. Der sie
unterzeichnende Erste Verbandsrat habe sich im Vorfeld der Entscheidung
wiederholt mit politischen Gegnern der Planung abgestimmt, u. a. mit dem
15
16
17
Einzelhandelsverband Q. sowie der helmstedter Ratsfrau R.. Den Pateigutachter
der Stadt Wolfsburg, Herrn N., habe er um Informationen gebeten, um „informell
und ohne Quellenangaben negative Beispiele an die Politik im Raum Helmstedt“
weitergeben zu können. Es sei daher zu vermuten, dass die Entscheidung auf
sachfremden Erwägungen beruhe. Zudem leide der Bescheid auch an einem
Ermessensausfall. Aus E-Mails zwischen dem Antragsgegner und dem
zuständigen Ministerium ergebe sich, dass der ablehnende Bescheid nach
Eingang der Stellungnahme der Antragstellerin hinsichtlich der
Ermessenserwägungen noch zu ergänzen sei. Hieraus folge, dass beim
Antragsgegner von vorn herein die Bereitschaft gefehlt habe, seine
beabsichtigte Entscheidung auf der Grundlage der Einwendungen der
Antragstellerin zu revidieren.
Der Antragsgegner erwidert: Die Planung sei raumbedeutsam. Hiervon sei stets
auszugehen, wenn eine Planung raumbeanspruchend und raumbeeinflussend
sei. Dies treffe auf den Bebauungsplan „D.“ zu. In der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts seien Vorhaben mit einer Gesamtverkaufsfläche
von 6.249 m² als selbstverständlich raumbedeutsam bezeichnet worden. Die
Planung der Antragstellerin, die eine Verkaufsfläche von knapp 10.000 m²
vorsehe, verändere nicht nur Kaufkraftströme, sondern sei zudem
beschäftigungswirksam und lasse erhebliche Verkehrsbewegungen erwarten,
weshalb die Antragstellerin auch den Ausbau der E. plane.
Die Planung verstoße gegen das Integrationsgebot, weil sich der Planstandort
außerhalb einer integrierten Lage befinde. Das vorgesehene
Einzelhandelsgroßprojekt mit einer Verkaufsfläche von 10.000 m² ordne sich
nicht dem zentralen Versorgungsbereich der Innenstadt mit einer Verkaufsfläche
von 14.000 m² unter, sondern führe ein Eigenleben in Konkurrenz dazu.
Besucher des OOC würden aufgrund seiner Lage nicht dazu animiert, die
Innenstadt oder einen anderen zentralen Versorgungsbereich aufzusuchen.
Vielmehr sei wegen der Autobahnnähe zu erwarten, dass die Kunden im OOC
ihre Einkäufe erledigen und sodann - sofern sie nicht ortsansässig sind -
Helmstedt alsbald wieder verlassen. Das Gewerbegebiet an der im Westen
befindlichen S. sei kein weiterer zentraler Versorgungsbereich, da dort vor allem
in Bau- und Fachmärkten nicht zentrenrelevante Sortimente angeboten würden.
Auch die E. sei entgegen einer entsprechenden Ausweisung im
Einzelhandelsentwicklungskonzept der Antragstellerin kein eigenständiger
zentraler Versorgungsbereich, da hierfür notwendige Dienstleistungsbetriebe,
Gastronomie etc. fehlen würden. In der Straße T. östlich des Planstandorts sei
ein einzelner Laden vorhanden, der zusammen mit dem nahegelegenen Lidl-
Markt nicht die Annahme eines zentralen Versorgungsbereichs zu stützen
vermöge. Der Standort sei auch nicht als ein sich erst entwickelnder zentraler
Versorgungsbereich anzuerkennen, weil die Notwendigkeit, einen solchen zu
entwickeln, fehle. Im Gegenteil sei der Verzicht hierauf geboten, um den bereits
geschwächten zentralen Versorgungsbereich in der Innenstadt zu erhalten und
zu stärken. Der Planstandort habe den Charakter eines Gewerbegebiets an
einer Ausfallstraße.
Auch das Kongruenzgebot werde durch die untersagte Planung missachtet. Das
Nds. Oberverwaltungsgericht habe dem Gebot den notwendigen Zielcharakter
nicht abgesprochen, sondern lediglich die Umschreibung des
Verflechtungsbereichs für die Region Hannover für nicht hinreichend bestimmt
bzw. für nicht bestimmbar gehalten. Insoweit stelle sich die Situation für Region
des Großraums Braunschweig anders dar, weil das von der Vollversammlung
des Zweckverbands verabschiedete Einzelhandelskonzept eine zeichnerische
Darstellung enthalte, welche die Verflechtungsbereiche der Mittelzentren
eindeutig festlege. Soweit das Nds. Oberverwaltungsgericht das
Tatbestandsmerkmal des „Entsprechens“ für die Region Hannover für nicht
auslegungsfähig befunden habe, weil für die Begrenzungen im RROP kein
„Rückstrahler“ im LROP vorhanden gewesen sei, stelle sich die Lage für das
18
19
RROP des Antragsgegners anders dar. Darüber hinaus enthalte das RROP ein
Beispiel, das erkennen lasse, dass hinsichtlich möglicher Überschreitungen des
Verflechtungsbereichs eine gewisse Toleranz bestehe. Der Hinweis der
Antragstellerin auf die Wesentlichkeitstheorie sei unpassend, weil es sich beim
RROP nicht um ein Gesetz handele und zudem dieselbe Stelle sowohl über das
RROP als auch über das Einzelhandelskonzept entscheide. Die Gefahr eines
Auseinanderfallens der Entscheidungsträger, den die Wesentlichkeitstheorie
vermeiden wolle, bestehe hier nicht.
Des Weiteren stehe die Planung auch nicht mit dem Beeinträchtigungsverbot in
Einklang. Zur Beantwortung der Frage, wann ein Verstoß gegen das Verbot
vorliege, könne die Rechtsprechung zu „schädlichen Auswirkungen“ i. S. des §
34 Abs. 3 BauGB als Anhaltspunkt dienen. Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts und des Nds. Oberverwaltungsgerichts sei zu
entnehmen, dass auch Umsatzumverteilungen unter 10 % nicht von vorn herein
unerheblich seien. Hierzu seien Untersuchungen in einem
Raumordnungsverfahren erforderlich, denen sich die Antragstellerin verweigere.
In der Helmstedter Innenstadt gebe es zwei Ankerbetriebe, C&A sowie das
Kaufhaus Berlin. Letzteres weise lediglich eine Flächenproduktivität von 900
€/m² auf, was an der Rentabilitätsgrenze liege. Das Gutachten der CIMA sei
nicht geeignet nachzuweisen, dass die Planung das Beeinträchtigungsverbot
nicht verletze. Die dem Gericht vorgelegte gutachtliche Stellungnahme der U.
vom 25.06.2013 zur „Materialsammlung“ der V. zeige auf, dass diese zwar eine
Auswirkungsanalyse sein solle, ihrer Aufgabenstellung aber nicht gerecht
werde. Die Standortbeschreibung sei äußerst knapp und lückenhaft und lasse
jegliche qualitative Auseinandersetzung mit der spezifischen Standorteignung
aus betrieblicher und städtebaulicher bzw. raumordnerischer Sicht vermissen.
Insbesondere die Frage der städtebaulichen Integration werde völlig
ausgeklammert. Auch eine Analyse der Auswirkungen der „Sonstigen
Sortimente“ fehle gänzlich. Mit der Einwohnerentwicklung im betroffenen Gebiet,
für das bis zum Jahr 2030 ein Rückgang um 28% prognostiziert werde, hätten
sich die W. Gutachter ebenfalls nicht auseinandergesetzt. Die Darstellung,
Beschreibung und Kommentierung der Angebots- und Wettbewerbssituation im
Einzugsgebiet erfolge schlagwortartig ohne qualitative Aussagen zur Stabilität
der innerstädtischen Einkaufslagen. Die für das Plangebiet durchgeführte
Umsatzermittlung entspreche in der vorliegenden Form in keiner Weise den
bewährten fachlichen Standards. Da die W. eine Flächenproduktivität annehme,
die deutlich unter den üblichen Vergleichswerten von ca. 5.000 €/m² läge, hätte
es hierfür einer besonderen Begründung bedurft, die fehle. Infolge der deutlich
überzeichneten Auswirkungen auf das - seit 2012 geschlossene -
Einkaufszentrum „X.“ würden Kaufkraftumverteilungen für das übrige
planbetroffene Gebiet kleingerechnet. Bei realistischen Annahmen sei von
höheren Werten auszugehen. Soweit die Antragstellerin die Rechtsauffassung
vertrete, im Hinblick auf ihre gemeindliche Planungshoheit sei bezogen auf die
Helmstedter Innenstadt ein Verstoß gegen das Beeinträchtigungsverbot
ausgeschlossen, weil nur ein innerörtlicher zentraler Versorgungsbereich
betroffen sei, nicht aber Nachbarorte, treffe das nicht zu. Da der Erhalt und die
Stärkung innerstädtischer zentraler Versorgungsbereiche ein raumordnerisches
Ziel sei, sei dieses auch bei der Planaufstellung zu beachten und begrenze die
gemeindliche Planungshoheit, die nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet
werde. Die Innenstadt Helmstedts müsse auch als zentraler Versorgungsbereich
eines Mittelzentrums mit überörtlicher Versorgungsfunktion geschützt werden.
Schließlich fehle es an einem überwiegenden Interesse der Antragstellerin an
der Aussetzung des Sofortvollzugs. Hiergegen spreche nicht nur die
offensichtliche Unbegründetheit der Klage, sondern auch der Umstand, dass
sich das Verfahren bereits viele Jahre hinziehe und Gründe für die
Eilbedürftigkeit nicht erkennbar seien. Zudem sei zu befürchten, dass die
Antragstellerin im Falle der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage
alsbald auf der Grundlage von § 33 BauGB Baugenehmigungen erteilen und
20
21
22
23
24
25
damit vollendete Tatsachen schaffen werde, die sich im Falle ihres Unterliegens
in der Hauptsache nicht mehr rückgängig machen ließen. Die Antragstellerin
versuche manipulativ ihren Rechtsstandpunkt durchzusetzen, indem sie das
Planaufstellungsverfahren beschleunigt nach § 13a BauGB durchführe und sich
einem gebotenen Raumordnungsverfahren grundlos verweigere. Indem der
Gesetzgeber in § 14 Abs. 3 ROG bestimmt hat, dass Rechtsbehelfe gegen eine
raumordnungsrechtliche Untersagung keine aufschiebende Wirkung haben,
lasse er die Intention erkennen, dem vorläufigen Vollzug einer solchen
Untersagung Vorrang vor den planerischen Interessen der Gemeinde
einzuräumen, um übereilte Maßnahmen zu vermeiden.
II.
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende
Wirkung einer Klage, der - wie hier gemäß § 14 Abs. 3 ROG - eine solche
Wirkung nicht zukommt, anordnen, wenn das private Interesse des
Antragstellers, von der belastenden Maßnahme zunächst verschont zu bleiben,
gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des
Verwaltungsaktes überwiegt. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung
kommt somit nicht in Betracht, wenn dem öffentlichen Interesse der Vorrang
einzuräumen ist. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Klage, mit der die
vollziehbare Entscheidung angefochten wird, offenbar keine Aussicht auf Erfolg
hat oder bei offenem Ausgang der Sache dem Vollzugsinteresse der Vorrang
einzuräumen ist. Die Kammer hält eine Erfolgsaussicht der Klage nach
summarischer Prüfung nicht für gegeben. Darüber hinaus liegt auch ein
überwiegendes Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der sofortigen
Vollziehung der Untersagungsverfügung nicht vor.
Der Bescheid vom 12.03.2013, mit dem der Antragsgegner der Antragstellerin
die Beschlussfassung über den Bebauungsplan „D.“ untersagt hat, begegnet
nach summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken.
Das gilt zunächst hinsichtlich seiner formellen Rechtmäßigkeit. Soweit die
Antragstellerin Anhörungsmängel rügt, bestehen diese nicht. Ein Fall des
Nachholens der Anhörung im gerichtlichen Eilverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3
VwVfG liegt hier allerdings nicht vor. Dazu müsste der Antragsgegner durch
seine Einlassungen im Eilverfahren zu erkennen gegeben haben, dass er seine
Entscheidung auf der Verwaltungsebene aufgrund des Vorbringens der
Antragstellerin noch einmal überdenkt (vgl. NdsOVG, Beschl. 31.01.2002 - 1 MA
4216/01 -, NVwZ-RR 2002, 822). Dafür ist der Antragserwiderung nichts zu
entnehmen.
Die Anhörungsfrist durfte aber gemäß § 28 Abs. 2 VwVfG wie hier geschehen
aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls auf drei Tage beschränkt werden.
Nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG kann von der Anhörung kann abgesehen
werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist,
insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse
notwendig erscheint. Das ist dann der Fall, wenn die Behörde aufgrund ihr
bekannt gewordener Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig
halten durfte (vgl. BVerwG, Beschl. vom 08.11.1989 - 1 B 154/89 -, juris). Da
diese Voraussetzungen hier vorlagen, ist es nicht zu beanstanden, dass der
Antragsgegner anstatt von einer Anhörung gänzlich abzusehen, lediglich eine
sehr kurze Frist gesetzt hat.
Die Antragstellerin hatte ein erkennbares Interesse daran, das Verfahren
beschleunigt zum Abschluss zu bringen und deshalb das
Planaufstellungsverfahren nach § 13a BauGB betrieben. Weil die Planung - wie
noch darzulegen ist - raumbedeutsam ist, hatten die am Eilverfahren Beteiligten
mit dem Investor bereits im März 2010 eine Vereinbarung getroffen, die
26
27
28
29
30
31
erkennen lässt, dass alle Unterzeichner, also auch die Antragstellerin, von einer
Raumbedeutsamkeit der Planung ausgingen.
Am 05.02.2012 hatte der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hingewiesen,
dass wegen der Raumbedeutsamkeit die Durchführung eines
Raumordnungsverfahrens erforderlich sei. Da der Bebauungsplan vom 13.02.
bis 12.03.2013 ausgelegt worden und das beschleunigte Vorgehen der
Antragstellerin erkennbar war, bestand die Gefahr, dass diese nach Ablauf der
Auslegungsfrist auf der Grundlage von § 33 BauGB am 13.03.2013 eine
Baugenehmigung erteilen würde. Dies umso mehr, als sich die Antragstellerin
am 12.02.2013 erkennbar abschließend und ohne substanzielle Begründung
der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens verweigert hatte. Daher hatte
es der Antragsgegner zu Recht für notwendig erachtet, der möglichen Schaffung
vollendeter Tatsachen durch den Erlass der Untersagungsverfügung am
12.03.13 entgegenzutreten. Hinzu kommt, dass dem Antragsgegner die
Rechtsauffassung der Antragstellerin durch zahlreiche Schreiben und
Erörterungstermine bereits bekannt war.
Abgesehen davon, dass der Antragsgegner somit zu Recht eine knapp
bemessene Frist gesetzt hatte, war es der Antragstellerin damit nicht unmöglich
gemacht worden, zu der beabsichtigten Untersagungsverfügung noch einmal
umfassend Stellung zu nehmen. Denn sie hatte die Möglichkeit, zunächst ihre
Bereitschaft zu erklären, keine vollendeten Tatsachen zu schaffen und sodann
um eine Fristverlängerung zu bitten. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese
ohne Gefahr im Verzuge verweigert worden wäre.
Auch materiell-rechtlich ist der Bescheid jedenfalls im Ergebnis nicht zu
beanstanden.
Gemäß § 14 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ROG kann die
Raumordnungsbehörde raumbedeutsame Planungen der Gemeinde unbefristet
untersagen, wenn Ziele der Raumordnung entgegenstehen. Diese
Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Verabschiedung des Bebauungsplans „D.“, mit dem die Errichtung eines
Factory Outlet Centers an der E. ermöglicht werden soll, ist raumbedeutsam.
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG ist eine Planung raumbedeutsam, wenn durch sie
Raum in Anspruch genommen oder die räumliche Entwicklung oder Funktion
eines Gebietes beeinflusst wird. Betrifft die Planung ein einzelnes Vorhaben, ist
erforderlich, dass von ihm Auswirkungen zu erwarten sind, die über den
unmittelbaren Nahbereich hinausgehen (vgl. OVG LSA, Urt. vom 12.12.2002 - 2
L 456/00 -, juris; VGH BW, Beschl. vom 24.07.2001 - 8 S 1306/01 -, BRS 64 Nr.
97). Das ist hier der Fall. Das geplante Outlet Center soll Kaufkraft nicht nur aus
dem Nahbereich des Planstandorts schöpfen, sondern aus einem größeren
Einzugsgebiet, wie sich aus der von der Antragstellerin erwarteten Besucherzahl
von 1,14 Mio. jährlich ergibt. Hieraus resultieren zugleich erhebliche verkehrliche
Auswirkungen, auf die die Antragstellerin mit einem Ausbau der E. zu reagieren
beabsichtigt. Zutreffend weist der Antragsgegner darauf hin, dass in der
Rechtsprechung bereits wesentlich kleinere Vorhaben als zweifellos
raumbedeutsam bewertet wurden (vgl. z. B. BVerwG, Beschl. vom 13.11.2012 -
4 B 21.12 -, BauR 2013, 558 für eine Einzelhandelsagglomeration mit einer VKF
von 6.249 m² sowie NdsOVG, Beschl. vom 17.05.2013 - 1 ME 56/13 -, juris für
ein großflächiges Einzelhandelsvorhaben mit einer VKF von insgesamt 5.420
m²). Besonderheiten, die Anlass gäben, bei einem FOC mit einer Verkaufsfläche
von knapp 10.000 m² die Raumbedeutsamkeit des Vorhabens zu verneinen,
sind nicht ersichtlich.
Die Planung der Antragstellerin verstößt gegen Ziele der Raumordnung,
namentlich gegen das Integrationsgebot. Dieses ist im
Landesraumordnungsprogramm unter Nr. 2.3 03 S. 6 und 7 und im Regionalen
Raumordnungsprogramm unter Nr. II. 2.1 (7) RROP wie folgt definiert:
32
33
34
35
36
37
38
„Neue Einzelhandelsgroßprojekte, deren Kernsortimente innenstadtrelevant
sind, sind nur innerhalb der städtebaulich integrierten Lagen zulässig
(Integrationsgebot). Diese Flächen müssen in das Netz des öffentlichen
Personennahverkehrs eingebunden sein.“
Eine Anbindung des geplanten Ostfalen Outlet Centers an den ÖPNV ist mit
zwei Buslinien vorhanden. Angeboten werden sollen dort Kleidung, Schuhe,
Lederwaren und Sportartikel, Haus- und Heimtextilien, keramische Erzeugnisse,
Körperpflege- und Genussmittel sowie elektronische Artikel. Hierbei handelt es
sich nahezu ausschließlich um zentrenrelevante Sortimente (vgl. Erläuterungen
des LROP zu Abschnitt 2.3 S. 91). Der Planstandort befindet sich jedoch nicht in
einer integrierten Lage. Intergierte Lagen werden in den Erläuterungen zu Nr. 2.3
Satz 6 LROP so umschrieben:
„Leitvorstellung der Raumordnung ist ein attraktiver und funktionsfähiger
Handelsplatz „Innenstadt“ und damit einhergehend eine nachhaltige Nutzung
der vorhandenen Siedlungs- und Versorgungsstrukturen. Ziel des
Integrationsgebotes ist es, bei der Ansiedlung oder Erweiterung von
Einzelhandelsgroßprojekten die Funktionsfähigkeit zu wahren und zu
stärken.
Städtebaulich integrierte Lagen stehen im engen räumlichen und funktionalen
Zusammenhang mit den zentralen Versorgungsbereichen im Sinne des § 2
Abs. 2 und § 9 Abs. 2a BauGB. Sie verfügen über ein vielfältiges und dichtes
Angebot an Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen, haben einen
wesentlichen fußläufigen Einzugsbereich und sind in das ÖPNV-Netz
eingebunden. Von Bedeutung ist auch ein attraktives Parkmanagement für
den individuellen Verkehr. Entsprechend ihrer unterschiedlichen
Versorgungsfunktion können sowohl Innenstädte bzw. Ortsmitten/-kerne als
Hauptzentren sowie Stadtteilzentren als Nebenzentren das Kriterium der
„städtebaulich integrierten Lage“ erfüllen.“
Das Integrationsgebot ist eines von vier Prinzipien, mit denen der Gesetzgeber
das zentralörtliche Prinzip im Einzelfall verwirklichen will. Es hat die Aufgabe, zur
Erreichung der mit dem Zentrale-Orte-Prinzip verfolgten Absichten beizutragen,
eine Zersiedlung des Raums, überflüssige Verkehrsbewegungen und damit
unnötige Immissionen sowie den Bau neuer Straßen zu verhindern und
sicherzustellen, dass der zentrale Versorgungsstandort Innenstadt sowie
Nahversorgungsstandorte im Interesse der nichtmotorisierten Bevölkerung
erhalten und gestärkt werden (vgl. NdsOVG, Beschl. vom 17.05.2013 - 1 ME
56/13 -, juris). Das muss nicht alles im zentralen Versorgungsbereich
„Innenstadt“, sondern kann auch in anderen zentralen Versorgungsbereichen
einer Standortgemeinde gesichert / erreicht werden (vgl. BVerwG, Urt. v.
11.10.2007 - 4 C 7.07 -, BVerwGE 129, 307).
Zu dem vom LROP geforderten engen räumlichen und funktionalen
Zusammenhang integrierter Lagen mit den zentralen Versorgungsbereichen
eines zentralen Ortes führt das NdsOVG in seinem Beschluss vom 17.05.2013
aus:
„Er (der notwendige Zusammenhang) ist ... durch das Bestreben begründet,
einerseits großflächige Einzelhandelsbetriebe zuzulassen, welche sich
wegen der dort häufig ... anzutreffenden Kleinteiligkeit der Bebauung in
Innenstädten verbreitet nicht problemfrei verwirklichen lassen, andererseits
durch ihre Zulassung diese Innenstadt als zentralen Marktbereich nicht zu
gefährden. ... Die genannte Gratwanderung zwischen Förderung der
Innenstadt und Zulassung großflächiger Einzelhandelsbetriebe mit
zentrumsrelevantem Sortiment soll raumordnungsrechtlich nur gelingen
können, wenn die - unter anderem aus einer Anwendung des § 14 BauNVO
als Rechtsfigur bekannte - Unterordnung in funktioneller und räumlicher
Hinsicht gelingt. Der großflächige Einzelhandelsbetrieb darf räumlich und
39
40
41
42
43
44
45
funktionell keinen Umfang annehmen, welcher gleichberechtigt neben die
Innenstadt tritt. Er soll den zentralen Versorgungs-bereich (i.d.R. Innenstadt,
aber auch Nahversorgungszentren) - sich an diesen räumlich
„anschmiegend“ - funktionell ergänzen und nicht in Konkurrenz zu ihm treten.“
Diese Voraussetzungen erfüllt der Standort E. nicht. Einem vom Antragsgegner
vorgelegten Stadtplan mit einer Darstellung der Verkaufsflächen für
zentrenrelevante Sortimente des periodischen und aperiodischen Bedarfs zeigt,
dass sich die Einzelhandelsgeschäfte zu einem weit überwiegenden Anteil auf
wenige Straßenzüge in der Innenstadt konzentrieren. Zu diesem zentralen
Versorgungsbereich hat der ca. 1,7 km entfernte Planstandort keinen
räumlichen Bezug.
Aufgrund seiner Lage nahe der Ausfallsstraße G. und der Bundesautobahn A2
ist zu erwarten, dass ein Großteil der Besucher des OOC die Stadt Helmstedt -
sofern sie nicht dort wohnen - nach ihren Einkäufen wieder verlassen würden,
ohne bei dieser Gelegenheit auch die Innenstadt aufzusuchen. Für die von der
Antragstellerin für möglich gehaltenen Synergieeffekte spricht dagegen wenig,
zumal sie selbst die Attraktivität ihrer Innenstadt verhalten einschätzt und
deshalb in der Vergangenheit Fördermittel eingeworben hat, um dem zu
begegnen.
Der Planstandort liegt auch nicht deshalb in integrierter Lage, weil die
Antragsgegnerin beabsichtigt, mit dem OOC selbst einen neuen zentralen
Versorgungsbereich zu schaffen. Zutreffend weist die Antragstellerin zwar
darauf hin, dass es dem kommunalen Plangeber freisteht, auch neue zentrale
Versorgungsbereiche zu entwickeln. Dazu hat das NdsOVG in seinem Beschl.
vom 17.05.2013 (a. a. O.) ausgeführt:
„Stellt sich das großflächige Einzelhandelsvorhaben ... als Teil des
gemeindlichen Bestrebens dar, ein weiteres oder gar - wie im seinerzeit
entschiedenen Fall - ein neues Stadtzentrum (oder Nebenzentrum) zu
etablieren, welches die genannten Elemente, d. h. unter anderem auch
Dienstleistungselemente aufweist, ist das Integrationsgebot selbst dann
erfüllt, wenn an dem „neuen Zentrum“ noch das eine oder andere fehlt.“
Der vom NdsOVG in Bezug genommenen Entscheidung lag indes die
Besonderheit zugrunde, dass in der erst 1974 im Zuge der Gebietsreform
geschaffenen Stadt Garbsen ein historisch gewachsener Ortskern - d. h. ein aus
Raumordnungsgründen zu schützender zentraler Versorgungsbereich
„Innenstadt“, an den sich die neue Planung hätte „anschmiegen“ können - nicht
existierte, sondern mit dem Bebauungsplan „Y.“ erst geschaffen werden sollte. In
dem betreffenden Urteil vom 15.03.2012 (1 KN 152/10 - juris) heißt es dazu:
„Der Plangeber des RROP hat die Einzelhandelsstandorte im RROP
zeichnerisch in einer verbindlichen Karte 1a festgelegt. Die Erläuterung zu
Plansatz 1.61 Ziff. 05 Abs. 1-3 des RROP betreffend die zentralörtlichen
Versorgungskerne erklärt auf S. 62, dass alle Standorte innerhalb der auf der
Beikarte zeichnerisch festgelegten zentralörtlichen Versorgungsbereiche
grundsätzlich integriert sind. Das Vorhaben der Beigeladenen soll unstrittig an
einem derart festgelegten Standort (Versorgungskern Garbsen) verwirklicht
werden. ... Ein Widerspruch der zeichnerischen Festlegung zum
landesrechtlichen Integrationsgebot liegt nicht vor. Der regionale Plangeber
hatte jedenfalls im vorliegenden Fall insoweit eine Konkretisierungsbefugnis.
Denn es geht um die Herstellung einer historisch nicht gewachsenen
zentralen Versorgungslage.“
Dagegen hat das Gericht in seinem Beschluss vom 17.05.2013 (a. a. O.) trotz
eines Hinweises auf die grundsätzlich bestehende Möglichkeit, neue zentrale
Versorgungsbereiche zu schaffen, die integrierte Lage des am Planstandort
vorgesehenen großflächigen Einzelhandelszentrums verneint und dazu
46
47
48
49
50
ausgeführt:
„An der skizzierten, die „Integration“ im Sinne von Nr. 2.3 03 Satz 6 LROP II
2008 ausmachenden Verbindung fehlt es mithin nicht nur bei einer
Positionierung auf der sprichwörtlichen, weit vom Zentrum abgesetzten
„grünen Wiese“. Er ist vielmehr schon dann gekappt, wenn die Lage des
Vorhabens keinen Anreiz bildet, den zentralen Marktplatz, d. h. die Innenstadt
(oder ein ihr gleichgestelltes weiteres Versorgungszentrum) aufzusuchen.
Das ist hier mit der Folge fehlender raumordnungsrechtlicher Integration der
Fall. ... Aus-schlaggebend sind vor allem die fehlende Einbettung in
nahversorgungstypische Strukturen und die Infrastrukturkriterien, d. h. der
Umstand, dass das Plangelände zur B 68 hin orientiert ist. Es bietet keinen /
kaum einen Anreiz, die an der Bramscher-, Linden- und Bahnhofstraße
aufgereihte Innenstadt der Antragstellerin aufzusuchen. Das Plangelände ist
vielmehr geradezu idealtypisch darauf ausgerichtet, von motorisierten
Kunden aufgesucht zu werden, welche von / auf der B 214 und der B 68
kommend das Plan- / Vorhabengelände anfahren, ihren Einkauf in einem
Geschäftskomplex erledigen, der nicht nur den kurz-, sondern teilweise auch
mittelfristigen Bedarf (Textil, Möbel) zu befriedigen hilft, um dann mit
„gepacktem Wagen“ die Rückreise anzutreten, ohne die Innenstadt zu
streifen bzw. zu Fuß aufzusuchen.“
So liegt es auch hier. Im Plangebiet, in dem nach den Vorstellungen der
Antragstellerin ein neuer zentraler Versorgungsbereich entstehen soll, fehlt nicht
nur „das eine oder andere“. Vielmehr ist außer einem Lidl-Markt und einem
kleinen Laden in der Schwalbenbreite nichts vorhanden, was den Charakter des
Gebiets als neuen zentralen Versorgungsbereich prägen könnte. Soweit die
Antragstellerin zwei Restaurants am L. als Dienstleistungsbetriebe innerhalb des
künftigen zentralen Versorgungsbereichs benennt, liegen diese nicht wie
angegeben fußläufig in 100 m Entfernung, sondern sind ca. 450 m vom
Planstandort entfernt und tragen schon deshalb nicht dazu bei, dem ehemaligen
Z. Gelände und seinem näheren Umfeld den Charakter eines zentralen
Versorgungsbereichs zu vermitteln. Gleiches gilt für mögliche gastronomische
Angebote im neuen OOC. Würde man ein Outlet Center allein wegen der dort
regelmäßig zu findenden Gastronomie als zentralen Versorgungsbereich, „in
dem nur das eine oder andere noch fehlt“ anerkennen, liefe das
Integrationsgebot leer, weil sich ein Outlet Center damit selbst eine integrierte
Lage schaffen würde und so unabhängig von den in der Umgebung
vorhandenen Läden und Dienstleistungsbetrieben stets dem Integrationsgebot
entspräche. Das steht indes mit der Leitvorstellung der Raumordnung, die auf
eine Stärkung vorhandener innerstädtischer zentraler Versorgungsbereiche
ausgerichtet ist, nicht in Einklang.
Ob das Kongruenzgebot für den Großraum Braunschweig ein für die Planung
der Antragstellerin beachtliches Ziel darstellt und durch diese ggf. verletzt wird
oder ob die dazu getroffenen Regelungen im LROP sowie im RROP zu
unbestimmt und deshalb nicht justiziabel sind, kann für das Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes dahingestellt bleiben, weil die Planung bereits mit
dem Integrationsgebot nicht hat in Einklang steht.
Für das Klageverfahren weist die Kammer insoweit auf Folgendes hin: Das
NdsOVG hat in seinem Urteil vom 15.03.2012 (a. a. O.) festgestellt, dass das
Kongruenzgebot des LROP 2008 einer Prüfung auf seinen Zielcharakter nicht
standhält, weil der zu seiner Anwendung im Einzelfall auszulegende Begriff des
Verflechtungsbereichs auf der Ebene des LROP nicht hinreichend bestimmt ist
und die Bestimmtheit in der Region Hannover auch nicht auf der Ebene des
RROP hergestellt wird. Die Zielbestimmung des RROP des Antragsgegners
lautet:
Verkaufsfläche und Warensortiment von Einzelhandelsgroßprojekten müssen
der zentralörtlichen Versorgungsfunktion und dem Verflechtungsbereich des
51
52
53
54
55
56
jeweiligen Zentralen Ortes entsprechen (Kongruenzgebot).
Sie entspricht damit der Definition des LROP 2008 (Nr. 2.3 03 Sätze 1,2). Auch
die Begründung unter Nr. II 2.1 (4) RROP lässt eine eindeutige Bestimmung des
Verflechtungsbereichs zentraler Orte nicht zu. Der Antragsgegner beruft sich
deshalb zur Bestimmbarkeit auf eine zeichnerische Darstellung in seinem
Einzelhandelskonzept. Die von der Antragstellerin dagegen vorgebrachten
rechtlichen Bedenken haben Gewicht. Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen,
dass das Einzelhandelskonzept nicht - wie die Antragstellerin meint -
unverbindlich ist, sondern von der Vollversammlung des Antragsgegners als
verbindlich beschlossen wurde. Andererseits ist Folgendes zu berücksichtigen:
Da sowohl das LROP 2008 als auch das RROP 2008 des Antragsgegners
selbst keine hinreichende Bestimmung des Verflechtungsbereichs enthalten,
würde sich das im Jahr 2010 verabschiedete Einzelhandelskonzept des
Antragsgegners, wenn darin die zentralörtlichen Verflechtungsbereiche erstmals
verbindlich zeichnerisch festgelegt würden, in der Sache als eine Änderung /
Ergänzung des RROP 2008 darstellen. Für einen Änderung des RROP sieht § 6
NROG i. V. m. § 10 ROG jedoch ein Planänderungsverfahren unter Beteiligung
der Öffentlichkeit und der in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen vor,
die vor der Beschlussfassung über das Einzelhandelskonzept - jedenfalls
formell - nicht stattgefunden hat.
Hinzu kommt, dass unklar ist, ob die Vollversammlung im Rahmen der
Beschlussfassung über das Einzelhandelskonzept tatsächlich die
mittelzentralen Verflechtungsbereiche abschließend festlegen wollte. In Nr. 9.5
des Einzelhandelskonzepts wird ausgeführt, dass auf grundzentraler Ebene der
grundzentrale Verflechtungsbereich in der Regel dem Gebiet der
Einheitsgemeinde/Samtgemeinde entspreche. Die mittelzentralen
Verflechtungsbereiche würden wegen Überlagerungen der Gravitationen der
drei Oberzentren und neun Mittelzentren im Großraum eher kleiner als das
Kreisgebiet ausfallen. Eine fachlich geeignete Abgrenzung der mittelzentralen
Verflechtungsbereiche im Großraum Braunschweig sei von der oberen
Landesplanungsbehörde der ehemaligen Bezirksregierung Braunschweig für
den Regierungsbezirk bereits im Jahr 1999 veröffentlich worden (siehe Anlage),
die noch heute Bestand hat und als Orientierungshilfe dienen könne. Gemeint ist
eine Karte, in welcher die Verflechtungsbereiche der mittelzentralen Orte
dargestellt sind. Die darauf bezogene Formulierung ist insoweit widersprüchlich,
als der beigefügte Plan einerseits weiterhin Bestand haben, andererseits aber
nur als „Orientierungshilfe“ dienen soll.
Schließlich hat der Gesetzgeber in der Begründung zur Änderung des LROP
hinsichtlich des Kongruenzgebots ausgeführt (LT-Drs. 14/3380 S. 19):
„Angesichts der besonderen Ausprägung von Hersteller-Direktverkaufszen-
tren, ihrer zentrenrelevanten Sortimentsstruktur und der Reichweite ihres
Einzugsbereichs kommen für solche Vorhaben nur Standorte in Oberzentren
in Betracht. Die Vorhaben dürfen eine stadtverträgliche Größe nicht
überschreiten und sind an städtebaulich integrierten Standorten anzusiedeln.
Soweit künftig Hersteller-Direktverkaufszentren auch in geringerer Größe und
Sortimentsbreite betrieben werden sollten, käme als Standort auch ein
Mittelzentrum mit oberzentralen Teilfunktionen in Frage.“
Der Antragstellerin sind indes keine oberzentralen Teilfunktionen zugewiesen.
Andererseits hat das Nds. OVG in seiner Entscheidung vom 15.03.2012 (a. a.
O.) ausgeführt, dass auch das Einzelhandelskonzept der Region Hannover
keine Inhalte enthalte, die eine Bestimmbarkeit des Begriffs
Verflechtungsbereich herstellen würden. Es gibt damit Anlass zu Erwägungen,
trotz der dargestellten Bedenken Regelungen eines Einzelhandelskonzepts, die
geeignet sind, unbestimmte Regelungen in Raumordnungsplänen bestimmbar
zu machen, als mögliche Auslegungshilfen oder Konkretisierungen
57
58
59
60
61
62
anzuerkennen. Das Urteil vom 15.03.2012 enthält dazu allerdings keine
näheren Ausführungen (vgl. Rn 122).
Die Frage, ob die Planung der Antragstellerin gegen das
Beeinträchtigungsverbot als raumordnerisches Ziel verstößt, kann für das
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aus den vorgenannten Gründen
ebenfalls dahingestellt bleiben.
Für das Klageverfahren hebt die Kammer Folgendes hervor: Nach § 14 Abs. 3
ROG ist die Untersagung einer Planung zulässig, wenn Ziele der Raumordnung
entgegenstehen. Mithin reicht die bloße Möglichkeit, dass durch die Planung
Ziele der Raumordnung verletzt werden nicht aus. Das Ziel
„Beeinträchtigungsverbot“ wird im LROP und im RROP wortgleich mit der
Formulierung umschrieben:
„Ausgeglichene Versorgungsstrukturen und deren Verwirklichung, die
Funktionsfähigkeit der Zentralen Orte und integrierter Versorgungsstandorte
sowie die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung dürfen durch neue
Einzelhandelsgroßprojekte nicht wesentlich beeinträchtigt werden
(Beeinträchtigungsverbot).“
Danach genügt die nicht auszuschließende Möglichkeit einer wesentlichen
Beeinträchtigung für eine Untersagung der weiteren Planung nicht. Vielmehr
muss der Antragsgegner auf der Grundlage einer substantiierten Prognose, die
der gerichtlichen Überprüfung unterliegt, zu der Überzeugung gelangt sein, dass
im Falle der Verwirklichung der Planung eine wesentliche Beeinträchtigung
eintreten wird. Insoweit sind die Ausführungen des Antragsgegners
ergänzungsbedürftig. Zwar lassen die Gutachten des AA. teilweise fachliche
Zweifel an der Aussagekraft und Richtigkeit der Ergebnisse der W.
„Materialsammlung“ aufkommen, doch kann daraus nicht zwingend abgeleitet
werden, dass im Falle der Planverwirklichung Umsatzumverteilungen zu
erwarten sind, die auch im Rahmen der Abwägung nicht beherrschbar wären.
Soweit der Antragsgegner darauf verweist, dass die Flächenproduktivität des
Kaufhauses Berlin, als einem von zwei Ankerbetrieben, an der Grenze der
Rentabilität liege, hat er bisher nicht dargetan, dass, wenn das Kaufhaus Berlin
als Folge der Ansiedlung eines OOC seinen Betrieb einstellen müsste, für den
Sektor Bekleidung die Versorgung in der Innenstadt nicht mehr gewährleistet
wäre. Denn wirtschaftliche Schwierigkeiten des zweiten Ankerbetriebs C&A hat
der Antragsgegner bisher nicht geltend gemacht.
Die im W. Gutachten zugrunde gelegte Flächenproduktivität von 3.500 €/m²
erscheint angesichts einer festgestellten Flächenproduktivität von 3.700 €/m² im
wirtschaftlich potenteren DOC Wolfsburg durchaus plausibel (vgl. Evaluation des
AB. zur Wirkung der Designer Outlets Wolfsburg vom Oktober 2010 S. 14;
www.ml.niedersachsen.de/download/59402).
Der angefochtene Bescheid leidet auch nicht an einer fehlerhaften
Ermessensbetätigung. Soweit die Antragstellerin die Vermutung äußert, die
Ermessensausübung beruhe auf sachfremden Erwägungen, weil der
Unterzeichner des Bescheides im Vorfeld seine ablehnende Haltung zu
erkennen gegeben und mit Planungsgegnern kommuniziert habe, macht sie
damit einen Ermessensmissbrauch geltend. Die Prüfung des Gerichts, ob ein
solcher Missbrauch vorliegt, ist grundsätzlich darauf beschränkt, festzustellen,
ob die Gründe des Entscheidungsträgers seiner tatsächlichen Einschätzung
entsprachen und nicht nur vorgeschoben sind, um eine in Wahrheit allein oder
maßgebend mit auf anderen Beweggründen beruhende Entscheidung zu
rechtfertigen, oder ob sie aus anderen Gründen willkürlich sind (vgl. BVerwG,
Beschl. vom 05.09.1997 - 2 B 40/97 -, juris). Das kann hier nicht festgestellt
werden. Es gehört zu den Aufgaben des Antragsgegners, namentlich auch des
den Bescheid unterzeichnenden Ersten Verbandsrats, sich eine rechtliche
Meinung darüber zu bilden, ob eine Planung den Vorgaben des
63
64
65
66
Raumordnungsrechts entspricht oder nicht. Wenn er sich hierzu eine vorläufige
Rechtsauffassung gebildet hat, sind jedenfalls Rechtsgründe, die es verbieten,
die Rechtsauffassung im Kreise Betroffener kundzutun, nicht ersichtlich. Der
Antragsgegner hat seine Ermessenserwägungen auf den Seiten 26 bis 29 des
angefochtenen Bescheides umfassend dargelegt. Darin hat er
zusammenfassend ausgeführt, dass das Interesse an der Einhaltung der
raumordnerischen Ziele, deren Verletzung nach seiner Auffassung drohte, höher
zu bewerten sei, als das Interesse der Antragstellerin, ihre Planung fortzusetzen.
Die dazu gemachten Ausführungen sind sachlich gehalten und geeignet, diese
Entscheidung zu stützen. Sie lassen sachfremde Motive oder Erwägungen nicht
erkennen. Solche wurden auch von der Antragstellerin nicht substantiiert
benannt.
Soweit die Antragstellerin darüber hinaus meint, es läge ein Ermessensausfall
vor, weil der Antragsgegner seine Meinung vor der Anhörung bereits gefasst
habe und auch nicht bereit gewesen sei, diese im Lichte von Einwendungen der
Antragsgegnerin zu ändern, lässt sich das der Behördenakte nicht entnehmen.
Auch wenn im E-Mail-Verkehr zwischen dem Antragsteller und dem Ministerium
davon die Rede ist, dass die Begründung des Entscheidungsentwurfs nach
Eingang einer Stellungnahme der Antragstellerin im Anhörungsverfahren noch
ergänzt werden müsse, bedeutet das nicht, dass der Antragsteller nicht bereit
gewesen wäre, sich neuen durchschlagenden Argumenten der Antragstellerin
zu öffnen.
Vielmehr setzt die Anhörung zu einer beabsichtigten Entscheidung stets voraus,
dass sich die anhörende Stelle zu der bestehenden Sach- und Rechtslage
bereits eine Meinung gebildet hat, die sie ihrer Entscheidung zugrunde zu legen
gedenkt. Eben dazu ist der von der geplanten Entscheidung Betroffene
anzuhören. Insbesondere wenn - wie hier - im Verwaltungsverfahren bereits
viele Schriftsätze ausgetauscht wurden und die gegenseitigen Auffassungen
aus Gesprächen bekannt sind, werden vom Bescheidadressaten - wenn er sich
überhaupt äußert - im Rahmen einer Anhörung oftmals keine neuen Argumente
vorgebracht, sondern lediglich bereits bekannte Positionen bekräftigt. In diesem
Sinne ist es zu verstehen, wenn die obere Raumordnungsbehörde den
Antragsgegner darauf hinweist, dass der Bescheidentwurf nach der Anhörung
der Antragstellerin ggf. noch ergänzt werden müsse. Eine Vorfestlegung, sich
auch einem neuen gewichtigen und möglicherweise entscheidungserheblichen
Vorbringen zu verschließen, vermag die Kammer darin nicht zu erblicken.
Abgesehen davon, dass die untersagte Planung voraussichtlich schon deshalb
nicht fortgesetzt werden darf, weil jedenfalls ein Verstoß gegen das
Integrationsgebot vorliegt, ist auch ein überwiegendes Interesse der
Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen, nicht
festzustellen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in § 14 Abs.
3 ROG die sofortige Vollziehbarkeit eines raumordnungsrechtlichen
Untersagungsbescheides vorgesehen hat. Darin kommt der normative Wille
zum Ausdruck, bei Zweifeln an der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung, wie
sie im Falle eines Widerspruchs oder einer Klage stets zum Ausdruck kommen,
dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug regelmäßig den Vorrang
einzuräumen (vgl. BVerwG, Beschl. vom 14.04.2005 - 4 VR 1005/04 -, BVerwGE
123, 241). Demgegenüber hat die Antragstellerin ein besonderes Interesse an
der Aussetzung des Sofortvollzugs nicht formuliert. Zu vermuten sind insoweit
wirtschaftliche Interessen, sowie der Wille, die bereits im Jahr 2005
aufgenommene Bauleitplanung voranzutreiben.
Dass das Gewicht dieser Interessen hinter dem öffentlichen Vollzugsinteresse
zurückbleibt, ergibt sich zudem aus einer Folgenabwägung. Würde dem
Aussetzungsantrag stattgegeben, könnte die Antragstellerin ihre Planung bis
zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens fortführen. Da sie der
Rechtsauffassung ist, ihre Planung stehe mit den Zielen der Raumordnung in
Einklang, und diese im beschleunigten Verfahren durchführt, ist nicht zu
67
68
erwarten, dass sie bis dahin von der Erteilung von Baugenehmigungen absehen
wird. Andernfalls wäre kein Grund ersichtlich, weshalb sie das vorliegende
Verfahren betreibt und nicht zunächst eine Entscheidung in der Hauptsache
abwartet. Würde sie jedoch Baugenehmigungen erteilen, so würden damit
vollendete Tatsachen geschaffen, die auch im Falle ihres Unterliegens in der
Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Demgegenüber
ist die Antragstellerin nicht gehindert, im Falle der Aufrechterhaltung des
Sofortvollzugs ihre Planung nach Abschluss des Klageverfahrens fortzusetzen,
wenn sie im Klageverfahren obsiegen sollte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG (vgl.
NdsOVG, Beschl. vom 17.05.2013 - 1 ME 56/13).