Urteil des VG Berlin vom 02.04.2017

VG Berlin: wörtliche auslegung, eidesstattliche erklärung, fristlose kündigung, öffentliches interesse, auflösende bedingung, moschee, verein, visum, gefährdung, aufenthaltserlaubnis

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Gericht:
VG Berlin 22.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
22 V 71.08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 18 Abs 2 AufenthG, § 42
AufenthG, § 1 AufenthG, § 39
AufenthG, § 5 Abs 1 AufenthG
Visum für Imam
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten
der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Tatbestand
Der Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger und begehrt ein Visum für die Tätigkeit
als Imam. Er verfügt über Abschlüsse der Universität des Punjab u.A. in Islam-Studien
(B.A.) und Arabisch (M.A.), reiste im März 2005 mit dem erforderlichen Visum zur
Aufnahme der Tätigkeit als Imam an einer Moschee in E. nach Deutschland ein und
erhielt von der dortigen Ausländerbehörde eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis. Im
Mai 2005 übersiedelte er nach N., um die nämliche Tätigkeit an der dortigen B.-Moschee
des P. e.V. aufzunehmen. Für diese Tätigkeit erhielt er eine zuletzt bis zum 14. April
2008 befristete Aufenthaltserlaubnis mit der Auflage, dass sie mit Beendigung dieses
Aufenthaltszweckes erlösche.
Bei einem Sicherheitsgespräch am 20. September 2005 gab der Kläger an, Kontakt zur
Organisation „Tabligh-i Jamaat“ (TJ) zu haben, die regelmäßig die Moschee besuchten. Er
selbst habe mit diesen Leuten nicht gesprochen und habe auch in Pakistan keinen
Kontakt zu der Organisation gehabt. Darauf angesprochen, dass nach dem Koran eine
Frau, die Ehebruch begangen habe, zu steinigen sei, erklärte er, dass dies richtig sei,
weil es im Koran stehe, er aber die Gesetze des Gastlandes respektiere. Am 24. Juli 2006
erklärte der Vereinsvorsitzende, dass zeitweise zwei Mitglieder der TJ, darunter der
Vorgänger des Klägers, Einfluss auf den Verein genommen hätten. Diese hätten
inzwischen Deutschland verlassen, und TJ sowie andere religiöse Sekten und politische
Gruppen hätten Hausverbot. Am 13. Oktober 2006 gab der Kläger eine eidesstattliche
Erklärung ab, dass er zu keinem Zeitpunkt Mitglied der TJ oder für diesen tätig gewesen
sei oder noch sei. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz erklärte daraufhin,
dass keine sicherheitsrechtlichen Bedenken gegen die Verlängerung der
Aufenthaltserlaubnis bestünden.
Im Februar 2007 teilten Mitglieder des Vorstandes des P. e.V. der Polizei mit,
Vereinsmitglieder, die der TJ nahe stünden, hätten versucht, die Vereinsführung zu
übernehmen. Nachdem dies misslungen sei, versuchten sie nunmehr, einen eigenen
Verein zu gründen und den Kläger dort als Imam zu beschäftigen.
Am 16. April 2007 stellte der Vereinsvorsitzende dem Kläger eine fristlose Kündigung mit
der Begründung aus, er habe seine Arbeitspflicht unzureichend wahrgenommen und den
Verein in verschiedene Gruppen gespalten. Der Kläger bestritt seinerzeit Zugang und
Wirksamkeit der Kündigung. Gleichwohl schloss er am 18. April 2007 mit dem P. e.V. in
S. einen Arbeitsvertrag über die Leitung muslimischer Gottesdienste sowie Kinder- und
Erwachsenenbildung in Koran und Islam. Die dortige Ausländerbehörde forderte ihn mit
Bescheid vom 30. Mai 2007 mit der Begründung zur Ausreise auf, mit der fristlosen
Kündigung sei die auflösende Bedingung seiner Aufenthaltserlaubnis eingetreten. Mit
Beschluss vom 25. September 2007 wies das zuständige Verwaltungsgericht einen
Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung zurück,
unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung sei das Arbeitsverhältnis wegen der
anderweitigen Arbeitsaufnahme jedenfalls tatsächlich erloschen; die Erteilung einer
neuen Aufenthaltserlaubnis stehe im Ermessen der Behörde, wobei zu berücksichtigen
sei, dass das Bayerische Staatsministerium des Innern auch nach der Distanzierung des
Vorstandes des Nürnberger P. e.V. von der TJ weiterhin davon ausgehe, dass der Kläger
islamistische Positionen verinnerlicht habe, die nicht mit den Werten der freiheitlich-
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islamistische Positionen verinnerlicht habe, die nicht mit den Werten der freiheitlich-
demokratischen Grundordnung vereinbar seien. Die Beschwerde des Klägers wies das
Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. November 2007 zurück. Am 24.
Dezember 2007 reiste der Kläger aus.
Am 10. April 2008 beantragte der Kläger erneut ein Visum bei der Botschaft der
Bundesrepublik Deutschland in Islamabad, um in Deutschland als Imam zu arbeiten, und
legte dazu eine Einstellungszusage des D. e.V. vor. Die Beigeladene versagte ihre
Zustimmung mit der Begründung, er sei nach derzeitiger Erkenntnislage Mitglied der TJ
und habe islamistische Positionen verinnerlicht, die nicht mit den Werten der freiheitlich-
demokratischen Grundordnung und damit einem Aufenthalt im Bundesgebiet vereinbar
seien. Die Botschaft lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 4. Juli 2008 ohne
Begründung ab. Mit Schreiben vom 16. August 2008 bat der Kläger um eine Begründung
und führte aus, der D. e.V. sei als Neugründung durch 90 % der früheren Mitglieder des
P. e.V. entstanden, die den alten Verein verlassen hätten, nachdem dessen
Vorsitzender ihn aus seinem Amt gedrängt habe, obwohl die Mehrheit der Mitglieder mit
seiner Arbeit zufrieden gewesen sei. Die Botschaft lehnte den Antrag mit
Remonstrationsbescheid vom 11. September 2008 erneut ab, da von einer deutschen
Behörde Bedenken gegen die Einreise erhoben worden seien, die gravierend genug
seien, um das Visum zu versagen; nähere Hintergründe würden im Hinblick auf § 19 Abs.
4 BDSG nicht bekannt gegeben. Der Bescheid wurde am 16. September 2008
abgesandt.
Mit der am 17. Oktober 2008 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger weiter
geltend, er sei vom Vorsitzenden des P. e.V. gemobbt und mit der unzutreffenden
Behauptung aus dem Amt gedrängt worden, er habe Kontakte mit der TJ. Der alte Verein
habe daraufhin 90 % seiner Mitglieder verloren und könne inzwischen keinen eigenen
Imam mehr beschäftigen. Er beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Botschaft der Bundesrepublik
Deutschland in Islamabad vom 11. September 2008 zu verpflichten, ihm ein Visum zum
Zweck der Ausübung der Tätigkeit als Imam des D. e.V. zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, dass sich aus dem mit dem Kläger sowie einem mit einem Besucher der B.-
Moschee geführten Sicherheitsgespräch ergebe, dass der Kläger der TJ jedenfalls
mittelbar Vorschub leiste. Deren Ziele richteten sich gegen die Sicherung und Förderung
der Integration; ihre Anhänger verträten eine wörtliche Auslegung des Korans, die
Ausgrenzung der Frau und eine Abgrenzungspolitik gegenüber Nicht-Muslimen. Darüber
hinaus unterstütze sie den Terrorismus, indem sie es terroristischen Organisationen
ermögliche, aus ihren Reihen ideologisierte „Kämpfer“ zu rekrutieren. Dies ergebe sich
aus den Erkenntnissen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Aus den
Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ergebe sich zudem, dass die TJ auch in der
Moschee in S. aktiv sei, in der der Kläger tätig gewesen sei.
Die Beigeladene trägt vor, der D. e.V. habe inzwischen einen anderen Vorbeter
gefunden, dem mit ihrer Zustimmung am 19. Mai 2009 ein entsprechendes Visum
erteilt worden sei; er sei mittlerweile eingereist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten (2 Bände) und der Beigeladenen (5
Bände) eingereichten Verwaltungsvorgänge verwiesen, die vorgelegen haben und
Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beigeladene weder
erschienen noch vertreten war, denn sie ist mit der Ladung auf diese Möglichkeit
hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Verpflichtungsklage ist zulässig. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass das
Rechtsschutzbedürfnis durch anderweitige Stellenbesetzung entfallen ist, denn der
nunmehr angestellte Imam verfügt nur über einen Zeitvertrag, so dass zu Gunsten des
Klägers davon auszugehen ist, dass es sich lediglich um eine Überbrückung des
Zeitraumes bis zu seiner Einreise handeln soll. Die Klage ist jedoch unbegründet, denn
der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt daher den Kläger nicht in seinen
Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines
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Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines
Visums oder Neubescheidung seines darauf gerichteten Antrags.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 18 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.
Danach kann einem Ausländer ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung
erteilt werden, wenn durch Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG bestimmt ist, dass die
Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig
ist. Das ist hier der Fall, denn für vorwiegend aus karitativen oder religiösen Gründen
Beschäftigte bedarf es gemäß § 9 Nr. 2 BeschV keiner Zustimmung der Bundesagentur
für Arbeit nach § 39 AufenthG.
Die Erteilung ist nicht nach § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgeschlossen. Danach ist die
Erteilung eines Aufenthaltstitel zu versagen, wenn einer der Ausweisungsgründe nach §
54 Nr. 5 oder 5a AufenthG vorliegt, also – kurz gefasst – entweder Tatsachen die
Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder
diese unterstützt, die den Terrorismus unterstützt, oder er die freiheitliche
demokratische Grundordnung gefährdet. Für Ersteres fehl jedoch bereits deshalb eine
belastbare Tatsachengrundlage, weil die TJ sich zwar gegen die freiheitliche
demokratische Grundordnung richtet (vgl. zu § 11 StAG BayVGH, Urteil vom 5. März
2008 – 5 B 05.1449 – juris Rdnr. 26 ff.), jedoch nicht festgestellt werden kann, dass sie
den Terrorismus unterstützt. Das Gericht folgt insoweit der Darstellung im Beschluss des
BayVGH vom 19. Februar 2009 (zu § 54 Nr. 5 und 5a AufenthG – 19 CS 08.1175 – juris
Rdnr. 68 ff.), in dem auch die im vorliegenden Verfahren eingereichten Erkenntnisse des
Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz ausgewertet werden. Der weiter in
Betracht kommende Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5a AufenthG setzt voraus, dass
sich die Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in der Person des
Ausländers selbst konkretisieren muss (BayVGH, Beschluss vom 19. Februar 2009 a.a.O.
Rdnr. 87 m.w.N.), wofür eine ideologische Nähe zu grundordnungswidrigen
Organisationen erst recht nicht ausreicht.
Die Erteilung eines Aufenthaltstitels, auf den kein Anspruch besteht – was hier nach § 18
Abs. 2 Satz 1 AufenthG der Fall ist –, setzt aber außerdem nach § 5 Abs. 1 Nr. 3
AufenthG in der Regel voraus, dass der Aufenthalt des Ausländers keine Interessen der
Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet. Diese Voraussetzung ist hier
nicht gegeben.
Soweit sich eine Gefährdung aus Widersprüchen zwischen den Glaubensinhalten des
Ausländers und den Wertentscheidungen des Grundgesetzes herleitet, ist zu beachten,
dass Religionsgemeinschaften hinsichtlich der von ihnen vertretenen Glaubensinhalte
und sonstiger rein interner Angelegenheiten grundsätzlich nicht den für das Verhalten
des Staates maßgeblichen Wertvorstellungen des Grundgesetzes verpflichtet sind und
außerhalb dieses Bereichs der Wechselwirkung von Religionsfreiheit und Schrankenzweck
durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen ist (BVerfG-K, Beschluss vom
24. Oktober 2006 – 2 BvR 1908/03 – BVerfGK 9, 371 = juris Rdnr. 27). So erschiene es im
Rahmen dieser Abwägung kaum vertretbar, wenn dem sich aus § 1 Abs. 1 AufenthG
ergebenden öffentlichen Interesse an der Integration von Ausländern dadurch zur
Geltung verholfen werden sollte, dass im Wege der Auslese einreisewilliger Imame einer
in hohem Maße migrationsgeprägten Religionsgemeinschaft wie dem Islam in
Deutschland (nur) eine integrationsfreundliche religiöse Unterweisung zukommt.
Hingegen ist der Staat nicht daran hindert, das tatsächliche Verhalten einer
Religionsgemeinschaft oder ihrer Mitglieder nach weltlichen Kriterien zu beurteilen, auch
wenn dieses Verhalten letztlich religiös motiviert ist (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember
2000 – 2 BvR 1500/97 – BVerfGE 102, 370 = juris Rdnr. 98). Jede religiöse Vereinigung
hat, wie jeder Bürger, die staatsbürgerliche Pflicht zur Beachtung der Gesetze. Sie muss
insbesondere die Gewähr dafür bieten, dass sie die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen
fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten
Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und
Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet. Eine systematische
Beeinträchtigung oder Gefährdung dieser vom Grundgesetz auf Dauer gestellten
Grundsätze darf der Staat nicht hinnehmen (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000,
a.a.O. Rdnr. 87 ff.). Eine solche Gefährdung geht von der TJ aus, da sie sich gegen die
freiheitliche demokratische Grundordnung richtet. Das Gericht folgt auch insoweit der
Auffassung des BayVGH (Urteil vom 5. März 2008, a.a.O.).
Der Kläger weist eine hinreichende Nähe zu TJ auf, um die Annahme zu rechtfertigen,
dass eine entsprechende Gefährdung auch von ihm selbst ausgeht und damit die
Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG nicht erfüllt ist. Dabei greift
diese Bestimmung nicht nur beziehungsweise erst bei einer tatsächlich feststehenden
Beeinträchtigung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland ein, sondern schon im
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Beeinträchtigung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland ein, sondern schon im
Gefährdungsstadium. Dafür reicht es aus, wenn eine auf gewichtigen Indizien fußende
begründete Besorgnis besteht (OVG NW, Urteil vom 31. Mai 1995 – 17 A 3538/92 –
NVwZ-RR 1996, 608 = juris Rdnr. 8; Bäuerle in: GK-AufenthG § 5 Rdnr. 129). Es ist die
Prognose erforderlich, dass der Eintritt einer hinreichend konkretisierten, durch
tatsächliche Umstände belegbaren Gefährdung schutzwürdiger Rechte der Allgemeinheit
zu erwarten ist (Jakober/Welte, AufenthG § 5 Rdnr. 100). Dabei mag es allgemein nach
dem verfassungsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit und besonders hier mit
Rücksicht auf die durch die Religionsfreiheit gebotenen Güterabwägung nicht ausreichen,
wenn irgendein öffentliches Interesse nur unbedeutend gefährdet wird
(Kloesel/Christ/Häußer, AufenthG § 5 Rdnr. 38). Doch geht es hier nicht etwa um die
Einhaltung einfacher Ordnungsvorschriften, sondern es steht die freiheitliche
demokratische Grundordnung in Rede. Zudem geht die dem Kläger zuzuschreibende
Gefährlichkeit über bloße Verdachtsmomente hinaus.
Nicht ohne Weiteres ausreichend erscheinen dabei allerdings für sich genommen die
Erkenntnisse aus dem Umfeld des Klägers. So lässt sich den Angaben des S. im
Sicherheitsgespräch vom 6. Dezember 2005 nur dessen Vermutung entnehmen, der
Kläger stehe der TJ nahe. Zudem ergibt sich daraus nicht, dass der Kläger über die
innerreligiösen Auffassungen hinaus auch das Bestreben teilt, die Gesellschaftsordnung
entsprechend umzuformen. Ebenso ist den Angaben des Vorstandes des P. e.V. vom
Februar 2007 lediglich zu entnehmen, dass der Kläger in Verbindung mit Personen
stehe, die ihrerseits der TJ nahe stehen sollen. Aus diesen Angaben – die zudem wegen
der ihnen offenbar zu Grunde liegenden vereinsinternen Auseinandersetzungen nur
begrenzt belastbar erscheinen – kann lediglich auf eine gewisse Nähe des Klägers zu
religiösem Fundamentalismus, nicht aber gerade zur TJ geschlossen werden.
Gewichtiger – und damit auch die vorgenannten Angaben in der Gesamtschau in einem
anderen Licht erscheinen lassend – sind dagegen die vom Kläger in seinem
Sicherheitsgespräch vom 20. September 2005 selbst gesetzten Verdachtsmomente.
Dabei hinterlassen seine Äußerungen zu seinen persönlichen religiösen Auffassungen
ein gemischtes Bild, indem er einerseits das Züchtigungsrecht des Ehemannes (Sure 4,
34) einschränkend interpretiert, andererseits die Steinigung der Ehebrecherin für richtig
hält, weil es im Koran stehe, er aber die Gesetze des Gastlandes respektiere. Auffällig
und im Hinblick auf die Respektierung der freiheitlich demokratischen Grundordnung
bedenklich erscheint es in diesem Zusammenhang bereits, dass er auf diese und
weitere Fragen nach islamischen Gesetzen – etwa das Handabhacken bei Dieben –
stereotyp wiederholt, dass er die Gesetze des Gastlandes respektiere. Dies lässt
vermuten, dass er im Spannungsfeld weltlichen und islamischen Rechts nicht den
Vorrang des ersten, sondern lediglich die (derzeit) fehlende Durchsetzbarkeit des letzten
anerkennt.
Ausschlaggebend ist aber, dass die Antworten des Klägers auf Fragen nach der TJ teils
nichtssagend, teils unglaubhaft sind. Obwohl er eingangs des Sicherheitsgespräches
ausführlich über dessen Zweck, insbesondere die Ausweisungsgründe nach § 54 Nr. 5,
5a, 6 und 7 AufenthG unterrichtet wurde und ihm auf Grund der nachhaltigen Befragung
zur TJ bewusst sein musste, dass diese diesbezüglich zumindest problematisch ist, hat
er die Gelegenheit nicht etwa genutzt, sich eindeutig zu distanzieren, sondern versucht,
die eingestandenen Kontakte mit Angehörigen der TJ als beiläufig darzustellen. Es ist
aber nicht glaubhaft, dass er als Imam, also zwar nicht Hausherr, doch geistlicher Leiter
der Gemeinde, nur gleichsam am Rande mitbekommt, dass TJ-Anhänger in der Moschee
erscheinen und mit Gemeindemitgliedern über den Koran sprechen (zur
Missionierungstätigkeit der TJ vgl. BayVGH, Urteil vom 5. März 2008, a.a.O. Rdnr. 36). Es
ist vielmehr davon auszugehen, dass sich jemand in dieser Position an in seiner
Moschee stattfindenden religiösen Gesprächen beteiligt, wenn er nicht sogar darüber
befindet, welche gemeindefremden Gruppen zur Diskussion mit Gemeindemitgliedern
überhaupt zugelassen werden. Der Umstand, dass er diese mit der Rolle des geistlichen
Führers seiner Gemeinde verbundene Aufsichtsfunktion verschweigt oder herunterspielt,
lässt den Schluss zu, dass er danach trachtet, eine Distanzierung von der TJ zu
vermeiden, ohne seine Zustimmung zu deren Auftreten (und Ansichten) zu offenbaren.
Dieses Bild wird schließlich dadurch abgerundet, dass er nach seinem Scheitern im P.
e.V. erneut eine Tätigkeit in einem Moscheeverein gesucht hat, in dem Aktivitäten der TJ
stattfinden. Dadurch wird auch die Aussagekraft der eidesstattlichen Erklärung vom 13.
Oktober 2006 entwertet. Diese war offenbar auch nur im Zusammenhang mit der
Erklärung des Vorsitzenden des P. e.V. vom 24. Juli 2006 geeignet, die damaligen
Bedenken des Verfassungsschutzes beizulegen; durch die Beendigung der Tätigkeit des
Klägers für diesen Verein kann ihm dessen Leumund nicht mehr zu Gute kommen.
Damit geht von ihm die Gefahr aus, dass er bei einer erneuten Tätigkeit als Imam in
Deutschland wiederum der Tätigkeit der TJ Raum lässt und damit zu einer Ausbreitung
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Deutschland wiederum der Tätigkeit der TJ Raum lässt und damit zu einer Ausbreitung
eines religiösen Fundamentalismus beitragen kann, der mit der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung unvereinbar ist.
Gründe, aus denen ausnahmsweise von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs.
1 Nr. 3 AufenthG abgesehen werden könnte, sind weder vorgetragen noch sonst
ersichtlich.
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