Urteil des VG Berlin vom 02.04.2017

VG Berlin: strahlenschutzverordnung, behörde, ermessen, grundsatz der gleichbehandlung, anwendung des rechts, befristung, stand der technik, vorbehalt des gesetzes, verwaltungsakt, erlass

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Gericht:
VG Berlin 16.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 K 34/09, VG 16 K
34/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 11 MPBetreibV, § 66 StrlSchV,
Art 20 Abs 3 GG, § 36 VwVfG
Bestimmung zum Strahlenschutzsachverständigen
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, die Kläger ohne die generellen Vorbehalte nachträglicher
Auflagen, Änderungen und Beschränkungen und ohne Widerrufsvorbehalte zu
Sachverständigen nach § 66 Abs. 1 StrlSchV zu bestimmen.
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
Die Kosten der Verfahren werden dem Beklagten zu ¾ und den Klägern zu ¼ auferlegt.
Für die Kläger ist das Urteil hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des jeweils beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Für den Beklagten ist
das Urteil hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die
Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund
des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags
leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Verfahrensbeteiligten streiten im Rahmen von Untätigkeitsklagen zum einen und
vorrangig darum, ob an Sachverständige nach der Strahlenschutzverordnung auch
Anforderungen nach der Röntgenverordnung zu stellen sind, damit sie in der Lage sind,
auch die der Röntgenverordnung unterfallenden Komponenten humanmedizinischer
Bestrahlungsgeräte zu prüfen. Zum anderen geht ihr Streit darum, ob eine
Sachverständigenbestimmung befristet erteilt und mit einem umfassenden
Generalvorbehalt verbunden werden darf.
Die 1955 geborene Klägerin zu 1.) und der 1953 geborene Kläger zu 2.) sind Diplom-
Physiker, sie betreiben zusammen ein Sachverständigenbüro für Strahlenschutz in
Kassel. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz
bestimmte sie mit Bescheiden vom 22. November 2005 zu Sachverständigen nach der
Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) für Aufgaben nach § 66 Abs. 2 StrlSchV. In der
Auflage 2.5 zur Bestimmung hieß es: „Sachverständigenprüfungen an medizinischen
Strahlungssystemen zur Ausübung der Heilkunde am Menschen müssen eine
zusammenhängende Prüfung und Bewertung des Gesamtsystems mit den vernetzten
Bestrahlungsplanungs- und Verifikationssystemen, einschließlich der zugehörigen
Röntgeneinrichtungen und der erforderlichen messtechnischen Kontrollen nach § 11 der
Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) beinhalten.“
Beide Bestimmungen waren (zunächst) bis zum 30. November 2008 befristet. Für die
Klägerin zu 1.) wurde die Bestimmung bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses
Verfahrens verlängert, so dass sie weiterhin als Strahlenschutzsachverständige tätig ist.
Die Kläger beantragten Anfang April 2008 die Verlängerung ihrer Bestimmung zu
Sachverständigen über den 30. November 2008 hinaus. Im Juli 2008 bat die
Senatsverwaltung sie um Stellungnahme zu der Frage, „auf welche Weise … bei der
Prüfung von medizinischen Strahlungssystemen zur Ausübung der Heilkunde am
Menschen die Auflage 2.5 [der] aktuellen Bestimmungsbescheide umgesetzt wurde“.
Ferner teilte die Senatsverwaltung mit, dass aufgrund der aktuellen technischen
Entwicklung beabsichtigt sei, generell folgende Nebenbestimmung in die
Bestimmungsbescheide aufzunehmen: „Im Zusammenhang mit
Sachverständigenprüfungen nach § 66 StrlSchV an einer medizinischen
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Sachverständigenprüfungen nach § 66 StrlSchV an einer medizinischen
Bestrahlungseinrichtung sind auch alle Röntgeneinrichtungen und sonstige bildgebende
Systeme vollständig zu prüfen, die im Bestrahlungsraum angeordnet sind und im
direkten Zusammenhang mit der Bestrahlungseinrichtung verwendet werden. Zusätzlich
sind alle weiteren Systeme bezüglich Parametern in die Prüfung einzubeziehen, die
unmittelbar auf die Lokalisation Einfluss haben.“
Nach weiterem Schriftwechsel und Einreichung weiterer Unterlagen durch die Kläger
teilte die Senatsverwaltung unter dem 21. August 2008 mit, dass für die Bestimmung
noch die Qualifikationsnachweise nach der Röntgenverordnung nachgereicht werden
müssten, da bisher lediglich die Nachweise für eine Bestimmung nach § 66 StrlSchV
vorgelegt worden seien. Medizinische Bestrahlungssysteme würden im Land Berlin
grundsätzlich von Sachverständigen geprüft, die die dafür erforderlichen Qualifikationen
sowohl nach der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) als auch nach der
Röntgenverordnung (RöV) besäßen. Ohne Vorlage der Nachweise nach der
Röntgenverordnung lägen keine vollständigen Antragsunterlagen vor, so dass keine
abschließende Bearbeitung des Antrags möglich sei.
Mit den am 17. September 2008 beim Gericht eingegangenen Klagen, die die Kammer
mit Beschluss vom heutigen Tag zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hat,
verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen
aus:
Die Klagen seien als Untätigkeitsklagen zulässig, da die Anträge auf Verlängerung ihrer
Bestimmungen seit langem entscheidungsreif seien. Zumindest hätte für die
Prüfbereiche, die nicht die streitgegenständlichen humanmedizinischen
Bestrahlungssysteme betreffen, die Bestimmung verlängert werden müssen. Die somit
zulässigen Klagen seien auch begründet.
Die Vermischung der Anforderungen nach der Strahlenschutzverordnung und der
Röntgenverordnung verstoße gegen den Vorbehalt des Gesetzes, da damit die
Anforderungen des § 4a RöV in § 66 Abs. 1 StrlSchV hineingelesen würden. Es gebe
keine Rechtsgrundlage für die von der Senatsverwaltung favorisierte Personalunion von
Sachverständigen nach Strahlenschutzverordnung und Röntgenverordnung. Das
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit habe zwar eine
entsprechende Gesetzänderung befürwortet, eine solche Regelung sei aber gerade
(noch) nicht erlassen. Die Senatsverwaltung erteile zudem auch weiterhin
Bestimmungen nur nach der Strahlenschutzverordnung bzw. nur nach der
Röntgenverordnung, so dass die Untätigkeit ihnen gegenüber den Grundsatz der
Gleichbehandlung verletze. Ein umfassender Generalvorbehalt als Nebenbestimmung
wäre rechtswidrig. Die Bestimmung nach § 66 Abs. 1 StrlSchV stehe wegen Art. 12 Abs.
1 GG nicht im Ermessen der Behörde, so dass Nebenbestimmungen nur nach § 36 Abs.
1 VwVfG erlassen werden dürften. § 66 Abs. 1 StrlSchV sehe den Erlass von
Nebenbestimmungen aber nicht vor. Im Übrigen sei der Vorbehalt auch wegen seiner
Umfassendheit rechtswidrig.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verpflichten, sie unbefristet, ohne die Vorbehalte
nachträglicher Auflagen, Änderungen und Beschränkungen und ohne Widerrufsvorbehalt
zu Sachverständigen nach § 66 Abs. 1 StrlSchV zu bestimmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Er hält die Klagen bereits für unzulässig, da noch Unterlagen (d.h.
Qualifikationsnachweise nach der Röntgenverordnung) fehlten. Darüber hinaus seien die
Klagen unbegründet.
Die Senatsverwaltung habe bereits in dem Ursprungsbescheid unmissverständlich eine
Systemprüfung von humanmedizinischen Bestrahlungssystemen gefordert, d.h. die
Prüfung der Systeme sowohl nach Strahlenschutzverordnung als auch nach
Röntgenverordnung. Sie könne im Ermessenswege nach § 66 Abs. 1 S. 2 StrlSchV
weitergehende Anforderungen stellen. Die technische Entwicklung habe zu
humanmedizinischen Bestrahlungssystemen mit mehreren Komponenten geführt, die
teils der Strahlenschutzverordnung und teils der Röntgenverordnung unterlägen, daher
bestehe das Erfordernis, dass Sachverständige für die Prüfung aller
Systemkomponenten eine ausreichende Qualifikation sowohl nach der
Strahlenschutzverordnung als auch nach der Röntgenverordnung besäßen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des weiteren
Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der
Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und –
soweit erheblich – Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die gem. § 93 S. 1 VwGO verbundenen Klagen sind als Untätigkeitsklagen nach § 75
VwGO zulässig. Die Frist von drei Monaten (§ 75 S. 2 VwGO) seit der Antragstellung im
April 2008 war bereits bei Klageerhebung im September 2008 abgelaufen, ohne dass ein
zureichender Grund für die Verzögerung vorliegt. Ein zureichender Grund für die
Verzögerung liegt insbesondere nicht darin, dass noch nicht alle Unterlagen eingereicht
sind. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Kläger unmissverständlich zum Ausdruck
gebracht haben, dass sie diese Unterlagen nicht einreichen werden, da sie die
Einreichung aus rechtlichen Gründen nicht für erforderlich halten. Nach der
Rechtsauffassung der Senatsverwaltung hätte diese daher den Antrag der Kläger
ablehnen können und müssen.
Auch soweit die Kläger begehren, die Verlängerung ohne den umfassenden
Änderungsvorbehalt und ohne zeitliche Befristung zu erteilen, verfügen sie bereits jetzt
über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Ein solcher Generalvorbehalt und eine
zeitliche Befristung fanden sich bereits sowohl in der ursprünglichen Bestimmung als
auch in weiteren aktuellen Bestimmungsbescheiden anderer Sachverständiger, die dem
Gericht aus anderen Verfahren bekannt sind, so dass davon auszugehen ist, dass die
Senatsverwaltung auch die begehrte Verlängerung wiederum mit diesen
Nebenbestimmungen versehen wird. Dieser Annahme ist der Beklagte auch in der
mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten.
Die Klagen sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet, da die
Kläger einen Anspruch auf die Bestimmung zu Sachverständigen nach der
Strahlenschutzverordnung haben (dazu 1.) und die Untätigkeit des Beklagten sie daher
in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Die Bestimmung hat ohne einen
Generalvorbehalt zu erfolgen (dazu 2.), kann jedoch befristet erteilt werden (dazu 3.)
1.
Sachverständigen für Aufgaben nach § 66 Abs. 2 StrlSchV ist § 66 Abs. 1 S. 1 StrlSchV.
Danach bestimmt die zuständige Behörde Sachverständige für Aufgaben nach der
Strahlenschutzverordnung. Die Verfahrensbeteiligten sind sich darüber einig, dass die
Kläger die Voraussetzungen der Bestimmung hinsichtlich des Strahlenschutzes erfüllen.
Die zusätzliche Forderung des Beklagten, dass die Kläger auch weitergehende
Anforderungen erfüllen und ihren Sachverstand im Röntgenschutz nachweisen müssen,
verstößt gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) als Teil
des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Dieser
Grundsatz bringt die Bindung der Verwaltung an die bestehenden Gesetze zum
Ausdruck und besagt, dass die Verwaltungsbehörden den Gesetzen entsprechend
handeln müssen und keine gegen die Gesetze verstoßenden Maßnahmen treffen dürfen
(Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 6 Rn. 2). Der Grundsatz des Vorrangs
des Gesetzes gilt uneingeschränkt und unbedingt für den gesamten Bereich der
Verwaltung (Maurer, ebd., § 6 Rn. 2).
Die Ansicht der Senatsverwaltung, dass humanmedizinische Bestrahlungssysteme mit
Strahlen- und Röntgenkomponenten in einer „gesamthaften Systemprüfung“ von
Sachverständigen sowohl für Strahlen- als auch für Röntgenschutz kontrolliert werden,
erscheint zwar sinnvoll. Aufgrund des Vorrangs des Gesetzes ist es ihr aber nach der
derzeitigen Rechtslage verwehrt, diese Vorstellung gegenüber den Sachverständigen
durchzusetzen. Für eine solche Anforderung wäre vielmehr eine Änderung der
Rechtslage erforderlich, die zwar derzeit in den Arbeitskreisen des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit „AK § 66 StrlSchV“ und „AK RÖV“
diskutiert wird (siehe z.B. das von den Klägern eingereichte Ergebnisprotokoll des
Arbeitstreffens am 27. Januar 2006), aber (noch) nicht umgesetzt wurde. Die derzeit an
Sachverständige für Aufgaben nach § 66 Abs. 2 StrlSchV zu stellenden Anforderungen
ergeben sich allein aus § 66 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 StrlSchV. Dabei konkretisiert § 66 Abs.
2 S. 1 StrlSchV die Art der in Abs. 1 S. 2 aufgeführten Eigenschaften der „Ausbildung,
Berufserfahrung, Eignung, Einweisung in die Sachverständigentätigkeit“ und des
„Umfangs an Prüftätigkeit und seiner sonstigen Voraussetzungen und Pflichten“, indem
er vorschreibt, dass die – durch die nach § 66 Abs. 1 StrlSchV bestimmten
Sachverständigen vorzunehmende – Prüfung sich (neben der sicherheitstechnischen
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Sachverständigen vorzunehmende – Prüfung sich (neben der sicherheitstechnischen
Funktion und der Sicherheit) auf Strahlenschutz bezieht. Auf Grund des deutlich
abgegrenzten Anwendungsbereichs der Strahlenschutzverordnung zur
Röntgenverordnung (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 StrlSchV) ist dieser Aufzählung auch zu
entnehmen, dass Röntgenschutz gerade nicht zu prüfen ist. Darüber hinaus ergibt sich
die Trennung der Prüfbereiche nach der Strahlenschutzverordnung und der
Röntgenverordnung auch aus dem unterschiedlichen Lauf der Prüffristen nach § 66 Abs.
2 S. 1 StrlSchV (jährliche Wartung und zwischenzeitliche Prüfung) und § 18 Abs. 1 Nr. 5
RöV (Prüfung im Zeitabstand von längstens fünf Jahren). Dieses Ergebnis wird bestätigt
durch die Schlussfolgerungen der o.g. Arbeitskreise des Bundesministeriums, dass
zurzeit Lücken bei der Prüfung an Gesamttherapiegeräten bestehen, die durch
Änderung der Strahlenschutzverordnung und ggfl. auch der Röntgenverordnung zu
schließen seien (siehe Ergebnisprotokoll des Arbeitstreffens am 27. Januar 2006). Hierfür
spricht auch, dass jedenfalls für Strahlenschutzbeauftragte unterschiedliche
Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung der Fachkunde nach der
Strahlenschutzverordnung und nach der Röntgenverordnung bestehen („Richtlinie
Fachkunde und Kenntnisse im Strahlenschutz bei den Betrieb von Röntgeneinrichtungen
in der Medizin oder Zahnmedizin“ vom 22. Dezember 2005, bzw. „Richtlinie nach der
Strahlenschutzverordnung – Strahlenschutz in der Medizin“ vom 24. Juni 2002; beide
abgedruckt bei Schmatz/Nöthlichs, Sicherheitstechnik, Band VII: Strahlenschutz, Stand:
Januar 2008, Ordnungsnummer 8639 bzw. 8650). In der „Richtlinie nach der
Strahlenschutzverordnung – Strahlenschutz in der Medizin“ wird ausdrücklich unter
Punkt 1.) bestimmt, dass diese Richtlinie nicht für der Röntgenverordnung unterliegende
Einrichtungen gilt.
Daher ist die Forderung eines Nachweises der Röntgensachkunde der Kläger, die
lediglich zu Strahlenschutzsachverständigen bestimmt werden wollen, nicht mit der
derzeitigen Rechtslage in Einklang zu bringen. Auch eine Berücksichtigung im Ermessen
– sofern ein solches überhaupt besteht – wäre angesichts der normativen
Unterscheidung beider Sachverständigen ermessenswidrig. Da der Bestimmung auch
nach Ansicht der Senatsverwaltung nur der fehlende Nachweis der Röntgensachkunde
entgegensteht, war der Beklagte somit antragsgemäß zur Bestimmung der Kläger als
Strahlenschutzsachverständige zu verpflichten.
Der Verpflichtung steht auch nicht ein möglicher Spielraum der Behörde auf der
Rechtsfolgenseite des § 66 Abs. 1 S. 1 StrlSchV (sog. Ermessen) entgegen. Zum einen
ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, aus welchen rechtmäßigen
Ermessenserwägungen die Bestimmung der Kläger zu Strahlenschutzsachverständigen
zu versagen wäre. Zum anderen ist zweifelhaft, ob überhaupt ein solcher
Ermessenspielraum besteht (so aber Schmatz/Nöthlichs, a.a.O., Ordnungsnummer
8102 – § 66 StrlSchV Nr. 2; siehe jedoch zur Parallelnorm des § 4a RöV
Schmatz/Nöthlichs, a.a.O., Ordnungsnummer 8215 – § 4a RöV Nr. 1). Der Wortlaut des §
66 Abs. 1 S. 1 StrlSchV („bestimmt Sachverständige“) ist dabei offen sowohl für eine
Auslegung als eine der Behörde Ermessen bei der Bestimmung gewährende Norm als
auch für eine Norm, die der Behörde eine gebundene Entscheidung auferlegt. Auch die
Gesetzgebungsgeschichte ist wenig ergiebig (BR-Drs. 207/01, S. 264 f.). Die Parallelnorm
des § 36 GewO wurde allerdings bei einer Novellierung im Jahr 1994 bewusst als
Rechtsanspruch auf Bestimmung ausgestaltet (Bleutge, in: Landmann/Rohmer, GewO,
Stand: 52. EL 2008, § 36 Rn. 58). Für eine gebundene Entscheidung mag auch der
verfassungsrechtliche Schutz der Berufsfreiheit der Sachverständigen nach Art. 12 Abs.
1 GG sprechen. Gerade vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund stellt sich die
Frage, was im Rahmen des Ermessens noch zu prüfen wäre, da Einigkeit darüber
besteht, dass keine Bedürfnisprüfung stattfindet (Schmatz/Nöthlichs, a.a.O.,
Ordnungsnummer 8215 – § 4a RöV Nr. 1) und die Eignung des Sachverständigen bereits
Tatbestandsmerkmal ist. Die Vertreter des Beklagten haben dementsprechend in der
mündlichen Verhandlung auch angegeben, dass nach Abarbeitung des Katalogs des §
66 Abs. 1 S. 2 StrlSchV bzw. des § 4a S. 2 RöV die Prüfung abgeschlossen sei.
2. d
Beklagte zur Erteilung ohne einen solchen Generalvorbehalt zu verpflichten ist.
Die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bestimmt sich nach § 36 VwVfG i.V.m. § 1
VwVfG Bln. Nach § 36 Abs. 1 VwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch
besteht, nur dann mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn diese durch
Rechtsvorschrift zugelassen ist oder sicherstellen soll, dass die gesetzlichen
Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Unbeschadet des Absatzes 1
des § 36 VwVfG darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen mit einer
Befristung, Bedingung oder einem Widerrufsvorbehalt erlassen werden bzw. mit einer
Auflage oder einem Auflagenvorbehalt verbunden werden (§ 36 Abs. 2 VwVfG).
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Auflage oder einem Auflagenvorbehalt verbunden werden (§ 36 Abs. 2 VwVfG).
Vorliegend kann offen bleiben, ob es sich bei der Bestimmung zum Sachverständigen
nach der Strahlenschutzverordnung um eine gebundene Entscheidung handelt, so dass
sich die Zulässigkeit des Widerrufs nach § 36 Abs. 1 VwVfG bestimmt, oder um eine
Entscheidung im Ermessen der zuständigen Behörde, so dass der Erlass auch nach § 36
Abs. 2 VwVfG möglich wäre. Denn der Widerrufsvorbehalt ist sowohl dann rechtswidrig,
wenn man die Entscheidung der Behörde als gebundene Entscheidung ansieht, als auch
bei einem Verständnis als Entscheidung im Ermessen.
Bei Annahme einer gebundenen Entscheidung mangelt es an einer gesetzlichen
Ermächtigung für den Erlass des Generalvorbehalts (§ 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG).
Insbesondere enthält § 66 Abs. 1 S. 2 StrlSchV keine entsprechende Ermächtigung.
Vielmehr werden darin die (tatbestandlichen) Anforderungen aufgeführt, die die
zuständige Behörde an einen Sachverständigen stellen kann. Auch ist der umfassende
Generalvorbehalt nicht zur Sicherstellung der Erfüllung der Anforderungen an einen
Sachverständigen und damit der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes
erforderlich (§ 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG). Zweck des § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG ist es, in
sachlich besonders gerechtfertigten Fällen der Behörde zu ermöglichen, ausnahmsweise
abschließende Sachentscheidungen auch schon zu einem Zeitpunkt zu treffen, in dem
noch nicht alle gesetzlichen Voraussetzungen nachgewiesen sind oder zumindest der
Fortbestand der Erfüllung einzelner Tatbestandsmerkmale offen ist (Henneke, in: Knack,
VwVfG, 8. Aufl. 2004, § 36 Rn. 19; Störmer, in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG/VwGO,
2006, § 36 VwVfG Rn. 71). Dass derzeit gerade solche Einzelfragen offen sind, ist bereits
angesichts der Umfassendheit des Generalvorbehalts auch nicht ersichtlich und im
Übrigen vom Beklagten nicht geltend gemacht worden.
Aber auch wenn die Bestimmung zum Sachverständigen im Ermessen stünde und sich
die Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmungen somit nach § 36 Abs. 2 VwVfG bestimmen
würde, ist von der Rechtswidrigkeit des Vorbehalts auszugehen. Sowohl Auflagen- als
auch (Teil-) Widerrufsvorbehalte sind nur dann rechtmäßig, wenn die – nach
pflichtgemäßem Ermessen zu erlassenden – Vorbehalte aufgrund rechtmäßiger
Ermessenerwägungen erfolgten. Dabei ist es nicht ausreichend, wenn die Behörde
insgesamt ein legitimes Ziel verfolgt (hier: Schutz der Bevölkerung vor den von Strahlen-
bzw. Röntgengeräten ausgehenden Gefahren als Teil des staatlichen Schutzes der
körperlichen Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), auch der jeweilige Vorbehalt muss
vielmehr einen konkreten und legitimen Zweck verfolgen. Unzulässig ist es deshalb,
wenn die Behörde einen uferlosen Vorbehalt erlässt, um für die Zukunft in jeder Hinsicht
freie Hand zu haben (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 36 Rn. 38, 27). Die
Voraussetzungen für das Eingreifen des Vorbehalts und die Ermessenserwägungen für
die Statuierung des Vorbehalts müssen zwar nicht im Verwaltungsakt präzisiert sein (vgl.
Henneke, in: Knack, a.a.O., § 36 Rn. 38; Kopp/Ramsauer, a.a.O, § 36 Rn. 28; so wohl auch
H. Meyer, in: Knack, a.a.O., § 49 Rn. 43; a.A. Janßen, in: Obermayer, a.a.O., § 36 Rn. 18).
Zumindest aus den Umständen müssen sich aber Zweck und Zielrichtung des
Vorbehalts ergeben. Dies gilt für den (Teil-) Widerrufsvorbehalt bereits deshalb, weil die
Gründe für den Widerrufsvorbehalt die Ermessensleitlinie für die spätere – wiederum im
Ermessen der Behörde stehende (§ 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG) – Ausübung des
Widerrufs sind (Kopp/Ramsauer, a.a.O, § 36 Rn. 28). Die Begründung der ursprünglichen
Sachverständigenbestimmung enthielt aber keinerlei Ausführungen zum Zweck der
Vorbehalte. Auch im jetzigen Verwaltungsverfahren hat die Senatsverwaltung nicht
hinreichend erläutert, warum der – zu erwartende – umfassende Generalvorbehalt
konkret erforderlich ist. In den Schriftsätzen an das Gericht und in der mündlichen
Verhandlung haben die Vertreter des Beklagten nur deutlich gemacht, dass es ihnen um
die Möglichkeit jeglicher späterer Anpassung an die Rechtslage und den Stand der
Technik geht. Auch spricht bereits die Umfassendheit des Vorbehalts dafür, dass der
Beklagte sich jegliche spätere Änderung offen halten will, was aber – wie oben ausgeführt
– rechtlicht nicht zulässig ist.
3.
der Kammer rechtmäßig.
Die Rechtmäßigkeit der Befristung als „Bestimmung, nach der eine Vergünstigung oder
Belastung zu einem bestimmten Zeitpunkt endet“ (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) ergibt sich
sowohl dann, wenn man die Entscheidung der Senatsverwaltung über die
Sachverständigenbestimmung als gebundene Entscheidung ansieht, als auch bei einem
Verständnis als Entscheidung im Ermessen.
Bei Annahme einer Bestimmung im Ermessen ergibt sich die Zulässigkeit der
Nebenbestimmung aus § 36 Abs. 2 VwVfG. Danach darf unbeschadet der engeren
Voraussetzungen des Absatzes 1 des § 36 VwVfG ein Verwaltungsakt nach
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Voraussetzungen des Absatzes 1 des § 36 VwVfG ein Verwaltungsakt nach
pflichtgemäßem Ermessen mit einer Befristung erlassen werden. Angesichts der
stetigen und rasanten Weiterentwicklung des Strahlenschutzes hat der Nachweis der
fachlichen Eignung der Sachverständigen nur eine zeitlich begrenzte Aussagekraft. Auch
klägerseits wird der fortwährende Fortbildungsbedarf anerkannt. Der Rechtsgedanke der
zeitlich begrenzten Aussagekraft eines Nachweises der fachlichen Eignung im Bereich
des Strahlenschutzes findet sich auch in der für Strahlenschutzverantwortliche und
Strahlenschutzbeauftragte sowie Röntgenärzte maßgeblichen Norm des § 30 Abs. 2
StrlSchV und der Parallelnorm des § 18a Abs. 2 und Abs. 3 RöV. Insoweit besteht sogar
eine spezielle Widerrufsmöglichkeit für die Genehmigung des Betriebs, für den z.B. der
Strahlenschutzbeauftragte verantwortlich ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 3 Atomgesetz, AtG). Es ist
daher nicht ermessensfehlerhaft, den Strahlenschutzsachverständigen die Bringschuld
aufzuerlegen, in angemessenen zeitlichen Abständen immer wieder nachzuweisen, dass
sie weiterhin über die erforderliche Sachkunde verfügen. Der in ständiger
Verwaltungspraxis vorgesehene Zeitraum von drei Jahren (bei Ersterteilung) bzw. fünf
Jahren (bei Verlängerungen) ist nicht unverhältnismäßig und ermöglicht den
Sachverständigen eine ausreichende Planungssicherheit.
Darüber hinaus sind aber auch die engeren Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 VwVfG
erfüllt, so dass auch bei Annahme einer gebundenen Entscheidung der
Senatsverwaltung über die Bestimmung der Kläger zu Sachverständigen die Befristung
rechtmäßig erfolgen kann. Zwar ist die Möglichkeit einer Befristung nicht durch Gesetz
vorgesehen (§ 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG). Insbesondere enthält § 66 Abs. 1 S. 2 StrlSchV
keine entsprechende Ermächtigung für den Erlass einer Befristung (dazu bereits unter
2.). Die Ermächtigung des § 17 Abs. 1 S. 4 AtG, wonach Genehmigungen und allgemeine
Zulassungen, die nach dem Atomgesetz oder nach auf Grund des Atomgesetzes
erlassenen Rechtsverordnungen erlassen worden sind (§ 17 Abs. 1 S. 1 AtG), befristet
erteilt werden können, kommt nicht zur Anwendung. Zwar ist die
Strahlenschutzverordnung eine auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 Nr. 11 AtG erlassene
Rechtsverordnung, die Begriffe „Genehmigung und Zulassung“ beziehen sich aber auf
Anlagen und Betriebe und stimmen bereits vom Wortlaut nicht mit der „Bestimmung“
eines Sachverständigen überein.
Die Zulässigkeit der Befristung auf eine drei- bzw. fünfjährige Wirksamkeit ergibt sich
aber aus § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG. Danach darf, wie bereits dargelegt, ein
Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung versehen
werden, wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des
Verwaltungsaktes erfüllt werden. Dabei dient § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG auch der
„Fortbestandssicherung“ (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25. November 1987 – 6
S 2319/86 –, Leitsätze zitiert nach juris; Henneke, in: Knack, a.a.O., § 36 Rn. 19 m.w.N.;
Obermayer/Fritz, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 36 Rn. 32; Ule/Laubinger,
Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl. 1995, § 50 Rn. 21) und kommt nicht lediglich dann
zur Anwendung, wenn im Zeitpunkt des Erlasses die gesetzlichen Voraussetzungen noch
nicht umfassend erfüllt sind (Sicherung des „Erfülltwerdens“, so aber Stelkens, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 36 Rn. 122 m.w.N.) bzw. zumindest bereits
im Zeitpunkt der Entscheidung aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu erwarten ist, dass
eine der Voraussetzungen in Zukunft nicht mehr erfüllt sein wird (Störmer, in:
Fehling/Kastner/Wahrendorf, a.a.O., § 36 VwVfG Rn. 71). Für die letztgenannte
Auffassung spricht zwar, dass nach der Systematik des Verwaltungsverfahrensgesetzes
Änderungen der Sachlage (z.B. Verlust der Fachkunde) unter den engen
Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG den Widerruf der Begünstigung
ermöglichen. Damit ist aber keine abschließende Regelung getroffen; die zuständige
Behörde kann vielmehr unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zwischen beiden
Instrumenten auswählen. Angesichts der rasanten Fortentwicklung des Strahlenschutzes
ist die Befristung nicht sachwidrig, sondern geeignet, der Fortbestandssicherung der
fachlichen Eignung der Sachverständigen zu dienen. Die vorliegenden Verfahren zeugen
auch von der Praktikabilität einer Befristungslösung. Die Kläger haben rechtzeitig vor
Ablauf der Befristung am 30. November 2008 die Verlängerung ihrer Bestimmungen
beantragt, und ihr Antrag war seit August 2008 entscheidungsreif. Zur Wahrung ihrer
Rechte (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) standen ihnen die vorliegenden Untätigkeitsklagen offen.
Die Klage war im Fall der Klägerin zu 1.) mit einem Eilrechtsschutzantrag verbunden, der
zur vorläufigen Verlängerung ihrer Bestimmung durch die Senatsverwaltung geführt hat.
Dass eine Befristungsentscheidung ansonsten fehlerhaft wäre, ist nicht ersichtlich, so
dass die Klagen insoweit abzuweisen waren.
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das Interesse der Kläger an einer unbefristeten Sachverständigenbestimmung mit
einem Viertel des Streitwertes angesetzt.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis
beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 709 S. 2 ZPO.
Die Kammer hat gemäß § 124a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Berufung
wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen. Die Fragen, ob im Recht
des Strahlenschutzes (mit dessen besonderen Gefahren) ein umfassender
Generalvorbehalt und zeitliche Befristungen der Sachverständigenbestimmungen
rechtlich zulässig sind und von Strahlenschutzsachverständigen auch
Qualifikationsnachweise nach der Röntgenverordnung gefordert werden können, reicht
über den vorliegenden Einzelfall hinaus und hat daher Bedeutung für die einheitliche
Auslegung und Anwendung des Rechts, so dass aus Gründen der Rechtssicherheit und
Rechtseinheitlichkeit ein Bedürfnis nach ihrer obergerichtlichen Klärung besteht.
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