Urteil des VG Berlin vom 31.07.2007

VG Berlin: gegen die guten sitten, treu und glauben, versorgung, behörde, verwaltungsakt, gerechtigkeit, gesetzgebung, verzicht, erlass, vollstreckung

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Gericht:
VG Berlin 26.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
26 A 189.07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 51 Abs 1 VwVfG, § 48 Abs 1
VwVfG, § 14 Abs 4 S 1
BeamtVG, § 14a BeamtVG
Beamtenversorgung: Wegfall des erhöhten Ruhegehaltssatzes,
Wiederaufgreifen des Verfahrens
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Landesverwaltungsamtes Berlin
vom 31. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 4.
Oktober 2007 verpflichtet, den Ruhegehaltssatz des Klägers für den Zeitraum vom 16.
Mai 2006 bis zum 31. Mai 2007 nach Maßgabe des Urteils des
Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 - BVerwG 2 C 25.04 - neu festzusetzen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 v.H. des aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe
von 110 v.H. des jeweiligen Vollstreckungsbetrages leistet.
Tatbestand
Der am 19. Mai 1942 geborene Kläger war zuletzt Kriminaloberkommissar im
Polizeidienst des Beklagten. Er wurde mit Ablauf des 31. Mai 2002 in den Ruhestand
versetzt. Der Beklagte setzte mit Bescheid des Landesverwaltungsamts Berlin (LVA)
vom 30. April 2002 die Versorgung des Klägers unter Anwendung des
Mindestruhegehaltssatzes von 35 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge fest.
Zugleich nahm er, wie vom Kläger zuvor beantragt, eine vorübergehende Erhöhung des
Ruhegehaltsatzes gemäß § 14a des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) vor.
Dabei legte er ausgehend von einem erdienten Ruhegehaltssatz von 21,87 v.H. einen
vorübergehend erhöhten Ruhegehaltssatz von 54,29 v.H. fest. Die vorübergehende
Erhöhung entfiel vom 1. Juni 2007 an.
Mit am 16. Mai 2006 beim LVA eingegangenem Schreiben beantragte der Kläger, die
vorübergehende Erhöhung seines Ruhegehaltssatzes entsprechend dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 - BVerwG 2 C 25.04 - weiter anzuheben
und die sich rückwirkend ergebenden Differenzbeträge nachzuzahlen. Diesen Antrag
wies das LVA zunächst mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2006 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Berlin Klage, die unter dem
Aktenzeichen VG 26 A 4.07 geführt wurde.
Mit Bescheid des LVA vom 31. Juli 2007 hob der Beklagte den zunächst erlassenen
Widerspruchsbescheid auf, was zur Erledigung des Klageverfahrens (VG 26 A 4.07)
führte, und wies den Antrag des Klägers vom 15. Mai 2006 zurück. Zur Begründung hieß
es: Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens seien nicht erfüllt, da
eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Änderung der Sachlage im
Sinne der betreffenden Vorschrift darstelle. Die Aufhebung eines bestandskräftigen
Verwaltungsakts stehe in seinem Ermessen, das zu Ungunsten des Klägers ausgeübt
werde. Bei der Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach § 14a BeamtVG handele es sich
um eine vorübergehende, ergänzende Leistung, die nicht von der Verfassung
vorgeschrieben sei. Die festgesetzten Versorgungsbezüge des Klägers seien im Übrigen
nicht so gering, dass aus fürsorgerischen Gründen bzw. zur Gewährleistung einer
amtsangemessenen Alimentation Veranlassung zu einer anderen Entscheidung
bestünde.
Hiergegen legte der Kläger unter dem 6. August 2007 Widerspruch ein, den das LVA mit
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Hiergegen legte der Kläger unter dem 6. August 2007 Widerspruch ein, den das LVA mit
Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2007 aus den Gründen des Ausgangsbescheides
zurückwies.
Mit seiner am 30. Oktober 2007 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger
sein Begehren fort, zu dessen Begründung er im Wesentlichen anführt: Der Beklagte sei
verpflichtet, das Verfahren hinsichtlich der vorübergehenden Erhöhung seines
Ruhegehaltssatzes vom Tag nach Verkündung des Urteils des
Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 - BVerwG 2 C 25.04 - wieder aufzugreifen
und ihn nach dessen Maßgabe klaglos zu stellen. Das Rücknahmeermessen des
Beklagten sei im Hinblick auf die angefochtenen Bescheide auf Null reduziert, da die
Aufrechterhaltung des Erstbescheides schlechthin unerträglich sei. Indem der
Gesetzgeber einen Verzicht auf die gesetzlich zustehende Versorgung ausdrücklich
ausgeschlossen habe, habe er zum Ausdruck gebracht, dass im Versorgungsrecht der
materiellen Gerechtigkeit höheres Gewicht beizumessen sei als der Bestandskraft von
Festsetzungsbescheiden. Zudem handele es sich bei dem Erstbescheid um einen
Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, so dass er jeden Monat aufs Neue schlechter gestellt
werde, als er nach der vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Gesetzeslage zu
stellen wäre.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landesverwaltungsamtes Berlin
vom 31. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 4.
Oktober 2007 zu verpflichten, seinen Ruhegehaltssatz ab dem 24. Juni 2005 auf 67,42
v.H. festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er unter Vertiefung seines Vorbringens in den angefochtenen
Bescheiden aus: Die Aufrechterhaltung des Erstbescheides habe einer gefestigten
Rechtsprechung entsprochen, die in allen Bundesländern praktiziert worden sei. Erst
aufgrund der Entscheidung der vom Kläger zitierten Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts habe sich die bisherige Praxis als rechtswidrig dargestellt;
seither erfolge für die Zukunft die Berechnung unter Berücksichtigung der vom
Bundesverwaltungsgericht dargelegten Grundsätze. Dies könne jedoch für die
Vergangenheit nicht bedeuten, dass sämtliche Fälle wieder zur Disposition gestellt
würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten (3
Bände Versorgungsakten) sowie der beigezogenen Akte zum Aktenzeichen VG 26 A
4.07 verwiesen, die vorgelegen haben und – soweit erheblich – Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Dabei drückt die
Abweichung vom Wortlaut des Antrages nur die Auffassung der Kammer aus, dass die
rechnerische Umsetzung der - eindeutigen - Maßgabe des Bundesverwaltungsgerichts
Aufgabe der vorzunehmenden Zweitbescheidung zu sein hat.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig und für den Zeitraum vom Eingang des
Abänderungsantrages an bis zum Wegfall der Erhöhung nach § 14a BeamtVG auch
begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, soweit er für diesen Zeitraum
die begehrte Neufestsetzung des erhöhten Ruhegehalts ablehnt und verletzt den Kläger
insoweit in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung, VwGO).
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Zwar liegen keine Gründe im Sinne von § 51 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes
(VwVfG) vor, die einen Anspruch des Klägers auf Wiederaufgreifen des Verfahrens (im
engeren Sinne) begründen könnten. Insbesondere stellt das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 - BVerwG 2 C 25.04 - (veröffentlicht in
juris) keine Änderung der Rechtslage im Sinn des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG dar (vgl.
BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 C 12.92 - juris, Rn. 22 m.w.N.).
Der Kläger hat jedoch für den Zeitraum von Antragstellung bis zum Wegfall des erhöhten
Ruhegehaltssatzes mit Ablauf des Monats, in dem er sein 65. Lebensjahr vollendete (s. §
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Ruhegehaltssatzes mit Ablauf des Monats, in dem er sein 65. Lebensjahr vollendete (s. §
14a Abs. 3 Satz 1 BeamtVG), gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG Anspruch auf Wiederaufgreifen
des Verfahrens (im weiteren Sinne) und Neufestsetzung des erhöhten
Ruhegehaltssatzes. Im Übrigen steht ihm weder ein Anspruch auf Neufestsetzung noch
auf Neubescheidung seines Wiederaufgreifensbegehrens zu.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme des Erstbescheides gemäß §
48 Abs. 1 VwVfG liegen vor. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger
Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit
Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Der
Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 30. April 2002 (Erstbescheid) ist in Bezug auf die
Entscheidung nach § 14a BeamtVG rechtswidrig. Nach der im Zeitpunkt seines Erlasses
geltenden Fassung dieser Norm erhöht sich unter weiteren, hier nicht streitigen
Voraussetzungen der „nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz“
um einen bestimmten vom-Hundert-Satz der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge für je 12
Kalendermonate der anrechnungsfähigen Pflichtversicherungszeiten. Die Kammer
wendet den vom Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 23. Juni 2005 – 2 C 24.04
– (BVerwGE 124, 19) aufgestellten Rechtssatz an, wonach der in § 14 Abs. 4 Satz 1
BeamtVG bestimmte Mindestruhegehaltssatz von 35 v.H. bei der Erhöhung des
Ruhegehaltssatzes nach § 14 a BeamtVG die nicht zu unterschreitende „nach anderen
Vorschriften berechnete“ Basis bildet. Dieser mit den Mitteln der teleologischen und
historischen Auslegung nachvollziehbar abgeleitete Rechtssatz ist von allgemeiner
Bedeutung; mit seiner Formulierung nimmt das Bundesverwaltungsgericht seine
Aufgabe wahr, über die Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit hinaus in grundsätzlichen
Rechtsfragen das Recht fortzubilden und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu
wahren (vgl. Kopp, VwGO, 15. Aufl., § 132 Randnr. 1 m. w. N.). Das wird nicht dadurch
relativiert, dass ein Obergericht diesen Rechtssatz nicht anwendet und sich darin der
Revision unterwirft (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Januar 2008 – 1 L
2098/06 -, ZBR 2008, 275).
Nach dem so angewendeten Rechtsatz hätte die Erhöhung des Ruhegehaltssatzes beim
Kläger auf der Basis von (nicht 21,87 v.H. sondern) 35 v.H. erfolgen müssen. Die
anderweitige Festsetzung des vorläufig erhöhten Ruhegehaltssatzes im Erstbescheid
wurde auch nicht infolge der rückwirkend zum 24. Juni 2005 in Kraft getretenen Änderung
von § 14a Abs. 1 BeamtVG rechtmäßig, die das Gesetz zur Neuordnung und
Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG)
vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) vornahm (Art. 4 Nr. 11 Buchst. a DBuchst. aa
i.V.m. Art. 17 Abs.). Danach wird (nur) der „nach § 14 Abs. 1, § 36 Abs. 3 Satz 1, § 66
Abs. 2 und § 85 Abs. 4 berechnete Ruhegehaltssatz“ erhöht. Denn diese Änderung wirkt
sich für Versorgungsempfänger des Beklagten nicht aus. Dieser besitzt seit der
Föderalismusreform (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006,
BGBl. I 2034) auf dem Gebiet der Versorgung seiner Landesbeamten, das nach Art. 74
Abs. 1 Nr. 27 des Grundgesetzes (GG) von der konkurrierenden Gesetzgebung
ausdrücklich ausgenommen ist, die Gesetzgebungskompetenz (Art. 70 Abs. 1 GG in
Verbindung mit Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG). Recht, das wie das Versorgungsrecht der
Beamten als Bundesrecht erlassen worden ist, aber wegen der Änderung des Art. 74
Abs. 1 GG (Einfügung von Nr. 27) und der Aufhebung des Art. 74a GG (Konkurrierende
Gesetzgebung für Besoldung und Versorgung im öffentlichen Dienst) nicht mehr als
Bundesrecht erlassen werden könnte, gilt gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG als
Bundesrecht fort. Aufgrund dieser statischen Verweisung gilt das vom Bund erlassene
Beamtenversorgungsgesetz in der Fassung fort, die es am 29. August 2006, dem
Zeitpunkt des Inkrafttretens der Föderalismusreform, hatte. Eine rückwirkende Änderung
des Gesetzes kann sich wegen dieser zeitlichen Fixierung auf bereits erlassenes Recht
nicht mehr auswirken. Von der durch Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG eingeräumten
Möglichkeit, das fortgeltende Bundesrecht auf dem Gebiet des
Beamtenversorgungsrechts durch Landesrecht zu ersetzen, hat das Land Berlin bislang
keinen Gebrauch gemacht.
Bei der Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Wiederaufgreifen des Verfahrens
hat die Behörde das öffentliche Interesse am Festhalten an der ursprünglichen
Entscheidung mit dem privaten Interesse des Klägers an einer Änderung dieser
Entscheidung im Rahmen der von ihr zu treffenden Ermessensentscheidung miteinander
abzuwägen. Umstände, die eine erneute Entscheidung im Einzelfall gebieten, müssen
nach ständiger Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts von einer den in § 51
Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 VwVfG geregelten Fällen vergleichbaren Bedeutung und
Gewichtung sein. Die Aufrechterhaltung des Erstbescheides muss demnach schlechthin
unerträglich sein, etwa wegen einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit oder wegen eines
Verstoßes gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.
Oktober 1994 - 2 C 12.92 - juris, Rn. 29 m.w.N.). Ob dies der Fall ist, hängt von den
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Oktober 1994 - 2 C 12.92 - juris, Rn. 29 m.w.N.). Ob dies der Fall ist, hängt von den
Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte ab.
Ausgehend hiervon war das Wiederaufgreifen des Verfahrens für den vor
Geltendmachung des Wiederaufgreifensbegehrens liegenden Zeitraums nicht zwingend
geboten. Die Berechnung des Erhöhungsbetrages im Erstbescheid war nicht etwa
offensichtlich fehlerhaft. Sie beruhte vielmehr auf einer vertretbaren, wenn auch
fehlerhaften Auslegung des einschlägigen Gesetzes, die der Verwaltungspraxis in Bund
und Ländern entsprach und von obergerichtlicher Rechtsprechung bestätigt worden war.
Zwar verleiht § 3 Abs. 3 BeamtVG (kein Verzicht auf gesetzlich zustehende Versorgung)
der materiellen Gerechtigkeit im Bereich der Beamtenversorgung ein besonderes
Gewicht. Der Kläger hatte jedoch bis zum 16. Mai 2006 gegenüber dem Beklagten keine
Einwendungen gegen die Berechnung seines erhöhten Ruhegehaltssatzes erhoben und
sich mit der Festsetzung im Erstbescheid abgefunden. Abgesehen davon, dass eine
ausreichende Alimentation des Beamten durch § 14 Abs. 4 BeamtVG gewährleistet ist,
konnte im Zeitpunkt der Antragstellung für zurückliegende Zeiträume wegen der
Zukunftsbezogenheit der Alimentation mit einer Nachzahlung von Versorgungsbezügen
der Zweck der Sicherung des (laufenden) Lebensunterhalts nachträglich nicht mehr
erfüllt werden (vgl. für den Bereich des Unterhaltsrechts §§ 1585b, 1613 des
Bürgerlichen Gesetzbuches). Für den vor Stellung des Abänderungsantrages liegenden
Zeitraum konnte der Beklagte ermessensfehlerfrei fiskalischen Interessen den Vorrang
einräumen (so in dem von ihm entschiedenen Fall auch VG Magdeburg, Urteil vom 9.
April 2008 - 5 A 6/08 - juris, insb. Rn. 20 f.).
Der Behörde war sich bei Erlass des angefochtenen Bescheides des ihr zustehenden
Ermessens auch bewusst und hat die widerstreitenden Interessen mit dem Hinweis auf
die einfachgesetzliche Ausgestaltung der vorübergehenden Erhöhung des
Ruhegehaltssatzes und dessen auf die Alimentation des Beamten gerichtete
Zielsetzung in hinreichendem Maße miteinander abgewogen. Einer ausdrücklichen
Erwähnung des Umstandes, dass das öffentliche Interesse am Festhalten des
Erstbescheides vorrangig durch fiskalische Interessen begründet ist, bedurfte es
angesichts der Offenkundigkeit dieses Umstandes nicht. Soweit es in dem Bescheid
heißt, weitere für den Kläger sprechende Umstände seien nicht erkennbar, ist damit
erkennbar gemeint, dass besondere individuelle, in seiner Person liegende Umstände,
die ausnahmsweise ein Wiederaufgreifen des Verfahrens erforderlich machen könnten,
nicht erkennbar sind.
Für den Zeitraum von Antragstellung bis zum Ende des Gewährungszeitraums liegen
jedoch Umstände vor, die eine erneute Entscheidung in dem beantragten Sinne
erfordern. Das LVA legte in diesem Zeitraum bei der Bescheidung (neuer) Anträge auf
Erhöhung des Ruhegehaltssatzes die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
zugrunde, mit der der Kläger seinen Abänderungsantrag begründet hatte. Aufgrund des
Charakters des Erstbescheides als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wurde der Kläger
damit jeden Monat aufs Neue schlechter gestellt, als er nach der vom
Bundesverwaltungsgericht festgestellten Rechtslage zu stellen war und als
Versorgungsempfänger, deren Antrag gemäß § 14a BeamtVG nach Erlass des
betreffenden Urteils beschieden wurde, zeitgleich gestellt wurden. Zudem konnte in dem
betreffenden, seinerzeit noch nicht abgeschlossenen Zeitraum dem Kläger auch noch
laufend Alimentation gewährt werden. Unter Berücksichtigung dieser
ermessensbindenden Umstände vermag die Kammer nicht zu erkennen, welcher
Spielraum der Beklagte bei einem Wiederaufgreifen des Verfahrens und einer
Überprüfung der bisherigen Versorgungsfestsetzung für die Zeit ab Geltendmachung
dieses Begehrens noch verbliebe. Insoweit geht die Kammer von einer
Ermessensreduzierung auf Null aus und sieht die Verpflichtung des Beklagten, dem
Kläger die nach der zutreffenden Auslegung des Gesetzes durch das
Bundesverwaltungsgericht zustehende Versorgung zukommen zu lassen (so in dem von
ihm entschiedenen Fall auch VG Magdeburg, Urteil vom 6. März 2007 - 5 A 263/06 - juris,
insb. Rn.18 f.).
Die Berufung war nicht gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da Gründe im
Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Ausspruch zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung in
Verbindung mit § 173 VwGO.
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