Urteil des VG Berlin vom 14.03.2017

VG Berlin: widerruf, treu und glauben, einstellung der zahlungen, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, verwaltungsakt, auszahlung, verrechnung, erhaltung, deckung, insolvenz

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Gericht:
VG Berlin 16.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 A 32.07, VG 16 A
32.07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 49 Abs 3 VwVfG, § 35 InsO, §
54 InsO, § 55 InsO, § 242 BGB
Rückwirkender Widerruf eines Aufwendungszuschusses wegen
Insolvenz
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich als Insolvenzverwalter gegen den Widerruf von
Aufwendungszuschüssen - AZ -, die im Rahmen der Wohnungsbauförderung des
Beklagten bewilligt wurden.
Durch Bewilligungsbescheide vom 14. Juni 2001 bewilligte die Investitionsbank Berlin –
IBB – der M. AG & Co. Erste Grundbesitz KG als Bauherrin auf der Grundlage der
Richtlinien zur Förderung der Instandsetzung und Modernisierung von industriell
gefertigten Wohngebäuden im Ostteil Berlins (InstModRL 99 – industrielle Bauweisen)
vom 16. Juli 1999 (ABl S. 3443) zur Durchführung baulicher Maßnahmen an zahlreichen
Wohnobjekten in Berlin-Marzahn AZ zur Minderung der laufenden Aufwendungen aus der
Finanzierung der Maßnahmen. Zugleich übernahm der Beklagte für ein Darlehen über
130 Millionen DM, welches die fremd finanzierende Bank der Bauherrin gewährte, eine
Ausfallbürgschaft.
In Abschnitt A.4 der (gleichlautenden) Bewilligungsbescheide ist bestimmt, dass die AZ
nicht weiter gezahlt werden, wenn die geförderten Gebäude vor Ablauf des
Bindungszeitraums ganz oder in Teilen veräußert werden. Sofern eine Veräußerung an
die bisherigen Mieter erfolgt oder es sich um eine Veräußerung nach dem
Altschuldenhilfe-Gesetz handelt, kann auf besonderen Antrag die noch ausstehende
Förderung auf die Erwerber übertragen werden. In Abschnitt A.7 ist klargestellt, dass die
AZ ausschließlich zur Deckung von Defiziten aus der Finanzierung der
Instandsetzungsmaßnahmen bestimmt sind, nicht aber zur Deckung umlagefähiger
Modernisierungsmaßnahmen. Nach Abschnitt F.18 ist die Förderungsstelle rechtzeitig zu
unterrichten, wenn beabsichtigt ist, das geförderte Grundstück zu veräußern; soweit bei
einer Veräußerung die nach den Richtlinien bestehenden Auflagen und Bedingungen
nicht gewährleistet werden, sind bereits ausgezahlte AZ ganz oder teilweise
zurückzuzahlen. Weiter enthalten die Bescheide Regelungen zu Belegungsbindungen
(Abschnitt D.15) sowie zum Bindungszeitraum (Abschnitt G. 24). Schließlich können die
Bescheide nach Abschnitt H.25 Satz 1 ganz oder teilweise zurückgenommen bzw.
widerrufen werden, wenn (…)
e) Tatsachen bekannt werden, aus denen sich ergibt, dass die Antragstellerin/der
Antragsteller nicht mehr leistungsfähig, kreditwürdig oder zur Erfüllung seiner
Verpflichtungen in der Lage ist;
f) die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung für ein Grundstück angeordnet
worden ist, das Konkurs- oder das Vergleichsverfahren eröffnet oder vom Antragsteller
beantragt oder die Einleitung des Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde.
In Satz 2 dieser Bestimmung heißt es, im Fall der Erledigung, der Rücknahme oder des
Widerrufs des Bewilligungsbescheids seien bereits erhaltene Zahlungen unverzüglich
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Widerrufs des Bewilligungsbescheids seien bereits erhaltene Zahlungen unverzüglich
zurückzuzahlen und vom Zeitpunkt des Empfangs an zu verzinsen.
Die Bauherrin, die die baulichen Maßnahmen sodann durchführte, firmierte später als H.
A. Grundbesitz GmbH & Co. KG. Nachdem der Kläger angezeigt hatte, dass er durch
Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 17. Oktober 2005 zum vorläufigen
Insolvenzverwalter über deren Vermögen bestellt worden war, teilte ihm die IBB zunächst
mit, sie habe die Auszahlung der AZ gesperrt; die Frage eines Widerrufs sei noch nicht
abschließend geklärt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 1. Januar
2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Bauherrin eröffnet und der
Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Schreiben vom 28. Februar 2006 teilte die IBB dem Kläger mit, infolge der Insolvenz
sei der Widerruf der AZ grundsätzlich möglich. Zur Minderung der Zahlungsrückstände
des landesverbürgten Darlehens sei man jedoch zur jederzeit widerruflichen
Weiterzahlung bereit, sofern er sich als Insolvenzverwalter verpflichte, die AZ vollständig
treuhänderisch ausschließlich dem Förderungszweck entsprechend zur Verrechnung mit
Kapitaldienstforderungen des landesverbürgten Darlehens weiterzuleiten. Der Kläger
bestätigte unter dem 6. März 2006 die vorgeschlagene Vorgehensweise. Daraufhin
zahlte die IBB die rückständigen AZ an ihn aus.
Nach Durchführung eines Bieterverfahrens veräußerte der Kläger die fraglichen
Immobilien mit notariellem Kaufvertrag vom 30. Juni 2006 (und späteren Nachträgen) an
eine Erwerbsinteressentin. Die Grundstücke wurden bezüglich Abt. III des Grundbuchs
lastenfrei verkauft, die Belastungen zu Gunsten der finanzierenden Bank sollten aus
dem Kaufpreis abgelöst werden (§§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1, 7 Abs. 1 des Kaufvertrages).
Besitz- und Lastenübergang sollte nach § 9 Abs. 1 des Kaufvertrags am 1. September
2006 erfolgen, jedoch nicht vor Stellung einer Kaufpreissicherungsbürgschaft. Dieser
Termin wurde später einvernehmlich auf den 15. September 2006 verschoben, die
Bürgschaft schließlich kurz vor Fristablauf vorgelegt.
Nachdem die IBB die Auszahlung der AZ mit Wirkung zum 30. Juni 2006 erneut
eingestellt hatte, hörte sie den Kläger mit Schreiben vom 5. Januar 2007 zum
beabsichtigten Widerruf der Bewilligung mit Wirkung ab 1. Juli 2006 an und führte aus:
Spätestens seit dem Scheitern der Sanierungsbemühungen und der Veräußerung der
Förderobjekte sei endgültig vom Vorliegen der Widerrufsgründe auszugehen, zumal die
Erwerberin eine Übertragung der Förderung nicht beantragt habe und zur Übernahme
der förderrechtlichen Bindungen nicht bereit gewesen sei. Deshalb könne der
Förderungszweck unter keinem denkbaren Ansatz mehr erreicht werden.
Da der Kläger sich nicht äußerte, widerrief die IBB mit Bescheid vom 16. März 2007 die
Bewilligungsbescheide mit Wirkung zum 1. Juli 2006, da infolge der Einleitung des
Insolvenzverfahrens die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bauherrin
feststehe. Die Fördermittel seien für die Zeit des laufenden Bieterverfahrens der
Bürgschaftsgläubigerin über den Kläger zur Reduzierung der Leistungsrückstände des
landesverbürgten Darlehens zur Verfügung gestellt worden, um die Möglichkeit einer
Förderungsübertragung auf potenzielle Erwerber offen zu halten. Spätestens seit dem 1.
Juli 2006 sei diese Möglichkeit aber aufgrund der Absichtsbekundungen der
Erwerbsinteressentin ausgeschlossen gewesen, weshalb die Einstellung der Zahlungen
und der Widerruf geboten seien. Eine Weiterzahlung der Fördermittel über den 30. Juni
2006 hinaus komme somit auch nicht wegen des ursprünglichen Treuhandauftrags in
Betracht.
Mit Klage wendet sich der Kläger gegen den Widerruf, der insoweit rechtswidrig sei, als
der Zeitraum vom 1. Juli bis 31. August 2006 und damit AZ in Höhe von 109.978,18 Euro
betroffen seien. In diesem Zeitraum habe keine andere Situation als bis zum 30. Juni
2006 bestanden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe den Beklagten bis dahin
nicht davon abgehalten, die AZ zu zahlen. Die Grundstücke hätten sich auch mit
wirtschaftlicher Wirkung bis zum 31. August 2006 unverändert in seiner – des Klägers -
Verwaltung befunden. Die Ansprüche auf AZ seien Bestandteil der Insolvenzmasse.
Daran ändere seine Bereitschaft nichts, ausgezahlte Zuschüsse an den erstrangigen
Fremdfinanzierer der Schuldnerin weiterzuleiten. Da sich die IBB an der mangelnden
Leistungsfähigkeit der Schuldnerin nicht gestört, die AZ vielmehr trotz Insolvenz
weitergezahlt habe, sei es treuwidrig, sie für Juli und August 2006 zu verweigern. Er
verlange nicht mehr, als er nach dem Verhalten der IBB nach Verfahrenseröffnung habe
erwarten dürfen, nämlich die Zahlung der AZ bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem Nutzen
und Lasten der fraglichen Immobilien von ihm auf die Erwerberin übergegangen seien. Es
treffe auch nicht zu, dass die Ansprüche der Bank infolge des Grundstückskaufvertrages
bereits vollständig erfüllt worden seien. Ihr sei vielmehr eine Ausfallforderung in Höhe
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bereits vollständig erfüllt worden seien. Ihr sei vielmehr eine Ausfallforderung in Höhe
von über 32 Mio Euro verblieben, weshalb sie die Landesbürgschaft in Anspruch
genommen habe, um die zurzeit vor dem Landgericht Berlin gestritten werde.
Der Kläger beantragt,
den Widerrufsbescheid der Investitionsbank Berlin vom 16. März 2007 insoweit
aufzuheben, als er die Ansprüche der H. A. Grundbesitz GmbH & Co. KG auf
Aufwendungszuschüsse für die Monate Juli und August 2006 betrifft.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die in Abschnitt H.25 lit. e) und f) der Bewilligungsbescheide
angesprochenen Widerrufsgründe und trägt vor: Nur aufgrund des Treuhandauftrags
habe man dem Kläger die Fördermittel für die Zeit bis Juni 2006 zur Weiterleitung an die
Bank zur Verrechnung mit deren Kapitaldienstforderungen überwiesen. Der Kläger, der
sie auch weisungsgemäß an die Bank gezahlt habe, müsse darlegen, woraus sich sein
Recht zur Anfechtung des Widerrufsbescheids ergebe, denn die AZ müssten, wenn
überhaupt, dann an die Bank gezahlt werden, nicht aber an ihn, der sie nur
treuhänderisch erhalten habe. Indessen gebe es keine Verpflichtung zur Zahlung auch
für Juli und August 2006, nachdem der Widerruf schon mit Eröffnung des vorläufigen
Insolvenzverfahrens jederzeit hätte erklärt werden können. Dass dies erst nach dem
Verkauf der Grundstücke erfolgt sei, mache den Widerruf nicht unwirksam, insbesondere
habe der Zeitpunkt des Widerrufs nicht mit dem Zeitpunkt der Übergabe der
Grundstücke abgestimmt werden müssen. Hinzu komme, dass die AZ zur Verringerung
der „laufenden Aufwendungen“ für die Immobilien hätten dienen sollen. Solche
Aufwendungen habe es aber nach dem 30. Juni 2006 nicht mehr gegeben, denn die
Bank habe ihre Darlehen fällig gestellt, womit keine „laufenden Aufwendungen“ mehr
entstanden seien, vielmehr die geschuldete Darlehensvaluta insgesamt und sofort zu
zahlen gewesen sei. Vor allem habe die Bank ihre gesamte Forderung zurückerhalten
und sei befriedigt. Der Kläger verlange also die fragliche Summe für die Insolvenzmasse,
die um diese indirekte Erhöhung des Kaufpreises ungerechtfertigt bereichert wäre. Die
Konkursmasse zu unterstützen, sei aber nicht Förderungszweck. Die AZ seit November
2005 seien deshalb auch nicht vorbehaltlos an den Insolvenzverwalter, sondern –
einvernehmlich – lediglich treuhänderisch an ihn zu Gunsten der Bank gezahlt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Streitakte und
der Verwaltungsvorgänge des Beklagten (9 Bände) verwiesen, die, soweit erheblich,
vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Anfechtungsklage des Klägers gegen den Widerrufsbescheid (§ 42 Abs. 1 Satz 1
VwGO) ist zulässig.
Der Kläger als Adressat eines belastenden Verwaltungsakts ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2
VwGO). Eine Verletzung seiner Rechte als Insolvenzverwalter erscheint nicht
schlechterdings ausgeschlossen. Sollte der Kläger weitergezahlte Fördermittel auf Grund
der Treuhandvereinbarung weiterleiten, so verminderten sich dadurch die Forderungen
an die Gemeinschuldnerin; zugleich erhöhte sich die Quote der Insolvenzgläubiger.
Anderenfalls würden die Mittel der Insolvenzmasse anheimfallen, so dass sich ebenfalls
die Quote erhöhte. Dahinstehen kann, ob es nicht vor Erhebung der Klage eines
Vorverfahrens bedurft hätte (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil der Bescheid nicht,
jedenfalls nicht ausdrücklich, namens und im Auftrag des Bewilligungsausschusses und
damit von einer obersten Landesbehörde (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO), sondern von
der IBB in eigener Verantwortung erlassen wurde (vgl. auch Nrn. 1.3 Satz 2 i.V.m. 7.1
Satz 2, 7.2.1 InstModRL 99 – industrielle Bauweisen). Denn der formelle Fehler eines
fehlenden Vorverfahrens wäre als geheilt anzusehen, weil der Beklagte sich im
Klageverfahren rügelos zur Sache eingelassen und die Abweisung der Klage beantragt
hat, so dass sich der Zweck des Vorverfahrens ohnehin nicht mehr erreichen lässt.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Widerrufsbescheid der IBB vom 16. März 2007
ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den Widerruf ist § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG, der den im
Bescheid vom 16. März 2007 mit Wirkung vom 1. Juli 2006 und mithin rückwirkend
ausgesprochenen Widerruf wegen Zweckverfehlung der Zuwendung ermöglicht.
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ausgesprochenen Widerruf wegen Zweckverfehlung der Zuwendung ermöglicht.
Demgegenüber sehen die Widerrufsvorbehalte in den Bewilligungsbescheiden einen
Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit nicht ausdrücklich vor. Ob gleichwohl den
Bestimmungen der Abschnitte H.25 Satz 2 oder F.18 Satz 3 der Bewilligungsbescheide
(vgl. auch Nr. 6.5 Satz 2 der InstModRL 99 – industrielle Bauweisen) eine Befugnis zum
rückwirkenden Widerruf entnommen werden kann, kann die entscheidende Kammer
offen lassen, weil jedenfalls die gesetzlichen Widerrufsvoraussetzungen des § 49 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 VwVfG erfüllt sind.
Nach dieser Vorschrift kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine laufende
Geldleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt, auch nachdem er
unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit
zurückgenommen werden, wenn die Leistung nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt
bestimmten Zweck verwendet wird. Hier werden die AZ nach Eintritt der Insolvenz der
Fördernehmerin und der Fälligstellung der Fremddarlehen nicht mehr für den in dem
Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet. Nach dem Eingangssatz des
Bewilligungsbescheids vom 14. Juni 2001 wurden die AZ „zur Verminderung der
laufenden Aufwendungen aus der Finanzierung der Maßnahmen“ gewährt; dies
entspricht Nr. 5.1 der zugrunde liegenden InstModRL 99 – industrielle Bauweisen. In
Abschnitt A.7 wurde zudem klargestellt, dass die AZ zur Deckung von Defiziten aus der
Finanzierung der Instandsetzungsmaßnahmen bestimmt sind. Dieser im Verwaltungsakt
bestimmte Zweck würde bei uneingeschränkter Weitergewährung der AZ an den Kläger
schon deshalb verfehlt, weil sie der Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1 InsO) anheim fallen
würden. Folge einer Fortsetzung der ursprünglichen Förderung wäre mithin, dass die AZ
nicht mehr ausschließlich der Bedienung der laufenden Aufwendungen aus der
Finanzierung der Baumaßnahmen dienen würden, sondern gemäß § 53 InsO voranging
der Befriedigung der sogenannten Masseverbindlichkeiten i.S.d. §§ 54, 55 InsO und
sodann gemäß §§ 38, 196 InsO teilweise auch der quotalen Befriedigung sonstiger
Verbindlichkeiten der insolventen Fördernehmerin, was von der vorgesehenen
Zweckbindung jedoch nicht erfasst ist. Zudem würde der im Verwaltungsakt bestimmte
Zweck bei uneingeschränkter Weitergewährung der AZ an den Kläger auch deshalb
(zumindest teilweise) verfehlt, weil die darlehensgebende Bank ihre Forderungen
insgesamt fällig gestellt hat, so dass „laufende Aufwendungen aus der Finanzierung der
Maßnahmen“, die im Interesse der Erhaltung preiswerten Wohnraums subventioniert
wurden, gar nicht mehr anfallen. Vielmehr würden die Zuschüsse trotz des absehbaren
Wegfalls der Wohnungsbindungen allenfalls noch der anteiligen Tilgung einer
Gesamtverbindlichkeit dienen (vgl. dazu schon das in einem „Musterverfahren“
ergangene Urteil der Kammer vom 13. März 2008 - VG 16 A 78.06 -, GE 2008, 741,
m.w.N.).
Zweckverfehlung wäre aber auch dann anzunehmen, wenn die Fördermittel dem Kläger
auf der Grundlage und zu den Bedingungen der Treuhandvereinbarung mit der IBB vom
28. Februar/6. März 2006 über den 30. Juni 2006 hinaus gewährt würden – ohne dass es
in diesem Zusammenhang auf die in der mündlichen Verhandlung angesprochenen
Fragen der Rechtsnatur und der insolvenzrechtlichen Zulässigkeit dieser Vereinbarung
ankäme (vgl. zur Nichtigkeit wegen Insolvenzzweckwidrigkeit BGH, Beschluss vom 20.
März 2008 – IX ZR 68/06 -; NZI 2008, 365, m.w.N.). Denn die Hoffnung des Beklagten,
die öffentlichen Bindungen durch eine Übernahme der Förderung seitens eines
Erwerbers aufrechterhalten und den Schuldendienst weiter reduzieren zu können, hatte
sich mit Abschluss des Grundstückkaufvertrags vom 30. Juni 2006 endgültig
zerschlagen, weil die Erwerberin zur Übernahme der Bindungen nicht bereit war. Das
letztlich verfolgte Förderziel der Erhaltung preiswerten Wohnraums durch Perpetuierung
der öffentlichen Bindungen war damit unerreichbar geworden, der Förderzweck endgültig
verfehlt. Die Fortzahlung der Fördermittel, die trotz des bereits eingetretenen
Insolvenzfalls jedenfalls im Rahmen des Treuhandverhältnisses zunächst noch
sachdienlich erscheinen durfte, war mithin für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2006 sinnlos
geworden.
Zur Überzeugung der Kammer hat der Beklagte auch das ihm nach § 49 Abs. 3 VwVfG
eröffnete, gemäß § 114 VwGO gerichtlich nur beschränkt überprüfbare
Widerrufsermessen fehlerfrei ausgeübt. Bei der Entscheidung kam den
haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in dem
Sinne ermessenslenkende Bedeutung zu, als dass bei Verfehlung des mit der
Gewährung von öffentlichen Zuschüssen verfolgten Zwecks der Widerruf intendiert ist
(vgl. z.B. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Dezember 2005 – OVG 5 N
74.03). Besondere Gründe, die ausnahmsweise ein Abweichen vom Regelfall hätten
rechtfertigen können, waren auf das Anhörungsschreiben nicht vorgetragen worden und
liegen auch nicht vor; einer näheren Darlegung der Ermessenserwägungen bedurfte es
deshalb nicht.
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Der Beklagte war insbesondere nicht gehalten, etwa aus Vertrauensschutzgründen das
letztlich verfolgte Ziel der Erhaltung preiswerten Wohnraums bis zum endgültigen Wegfall
der öffentlichen Bindungen durch den im Grundstückskaufvertrag für September 2006
vereinbarten Nutzen- und Lastenwechsel weiter zu fördern. Entgegen der Auffassung
des Klägers ist der Widerruf nicht wegen eines Verstoßes gegen den auch im öffentlichen
Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ermessensfehlerhaft.
Denn der Beklagte hat keinen Vertrauenstatbestand, der ihn zu einer Förderung über
den 30. Juni 2006 hinaus verpflichtete, gesetzt. Er hat vielmehr unverzüglich nach
Bekanntwerden der vorläufigen Insolvenzverwaltung die Fördermittel gesperrt und die
Auszahlung erst wieder aufgenommen, nachdem der Kläger das ihm nahegelegte
Treuhandverhältnis gemäß dem Schreiben der IBB vom 28. Februar 2006 eingegangen
war. Dies geschah trotz der grundsätzlichen Widerrufsmöglichkeit und für den Kläger
erkennbar mit dem Ziel, die Zahlungsrückstände des landesverbürgten Darlehens
förderungskonform weiter zu mindern und zugleich zu verhindern, dass die Fördermittel
der Insolvenzmasse anheim fielen. Hintergrund war, wie dem Kläger bereits aus den
Sitzungen des Gläubigerausschusses, dem sowohl die darlehensgebende Bank als auch
die IBB angehörten, sowie insgesamt aus seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter in
Immobilienbereich bekannt gewesen sein dürfte und wie ihm mit Anhörungsschreiben
vom 5. Januar 2007 und im Widerrufsbescheid vom 16. März 2007 auch schriftlich
mitgeteilt wurde, das Bestreben des Beklagten, die Möglichkeit einer Übertragung der
Förderung auf den im laufenden Bieterverfahren auszuwählenden Kaufbewerber offen zu
halten. Nachdem aber das Objekt veräußert war und die Erwerberin die Übernahme der
Förderung abgelehnt hatte, konnte der Förderzweck schlechterdings nicht länger erreicht
werden.
Zur Weiterzahlung der AZ über den 30. Juni 2006 hinaus war die IBB auch nicht etwa
deshalb gehalten, weil es in den Maßgaben ihres Schreibens an den Kläger vom 28.
Februar 2006 hieß, das Treuhandverhältnis werde auf die Dauer des Insolvenzverfahrens
beschränkt, und mit Eintritt des Eigentümerwechsels ende die Förderung. Zwar war das
Insolvenzverfahren mit dem 30. Juni 2006 noch nicht beendet, und der Nutzen-
/Lastenwechsel erfolgte erst im September 2006. Die fragliche Formulierung stellt aber
keine Zusicherung (§ 38 VwVfG) dar, die Förderung bis zur Beendigung des
Insolvenzverfahrens oder zumindest bis zum Eigentümerwechsel aufrechtzuerhalten,
sondern die Umschreibung einer zeitlichen Höchstdauer, bis zu der die AZ dem
Treuhänder allenfalls gewährt werden würden; dies ergibt sich bereits aus der
jederzeitigen Widerruflichkeit der Weiterzahlung, wie sie in dem Treuhandangebot
ausgesprochen war, und ferner aus der Rückgewährspflicht des Treuhandnehmers,
sofern die zweckgebundene Verrechnung im Sinne der Förderungsbestimmungen nicht
mehr gewährleistet war (letzte Maßgabe des Schreibens vom 28. Februar 2006).
Die Jahresfrist für den Widerruf (§ 49 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG) wurde mit
dem Bescheid vom 16. März 2007 gewahrt, nachdem der Kaufvertrag, der die
Zweckverfehlung endgültig besiegelt hat, erst am 30. Juni 2006 geschlossen wurde.
Ohnehin beginnt der Lauf der Jahresfrist regelmäßig erst nach Durchführung des
Anhörungsverfahrens (§ 28 VwVfG), das hier erst mit Schreiben vom 5. Januar 2007
eingeleitet wurde.
Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709
ZPO.
Die Kammer hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 124 a
Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), weil die Rechtssache wiederum Fragen
aufwirft, die schon in dem im „Musterverfahren“ ergangenen Urteil vom 13. März 2008 -
VG 16 A 78.08 - (a.a.O.) zur Berufungszulassung geführt haben (Aktenzeichen des beim
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg noch anhängigen Berufungsverfahrens: OVG
5 B 3.08); auf die entsprechende Begründung jenes den Beteiligten bekannten Urteils
wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
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