Urteil des VG Arnsberg vom 16.03.2007

VG Arnsberg: amnesty international, persönliche freiheit, staatliche verfolgung, unmittelbare anwendbarkeit, bundesamt für migration, verschlechterung des gesundheitszustandes, auskunft, asylbewerber

Verwaltungsgericht Arnsberg, 12 K 12/06.A
Datum:
16.03.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 K 12/06.A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
T a t b e s t a n d:
1
Der Kläger ist iranischer Staatsangehöriger und stellte am 22. Mai 2000 einen
Asylantrag. Er machte im Wesentlichen geltend, dass sein Vater ein bekannter
Geistlicher gewesen sei, der als Mitglied der Moslembruderschaft wegen seiner
Beteiligung an der Ermordung eines iranischen Premierministers zu einer Haftstrafe
verurteilt worden sei. Nach der Machtübernahme von Khomeini sei sein Vater wieder
politisch aktiv geworden. Er sei jedoch später wieder in Konflikt mit den neuen
Machthabern geraten. Er sei von diesen verhaftet worden und danach nach Indien
gegangen. Aufgrund einer Erkrankung sei er zurückgekehrt und in einem iranischen
Krankenhaus gestorben. Er, der Kläger, habe zunächst die Theologieschule besucht,
aber diese vor seinem Abschluss verlassen. Er sei dann auch nach Indien gegangen
und nach seiner Rückkehr habe er an der Teheraner Universität das Fach „Islamische
Rechte" studiert und 1378 (1999) erfolgreich abgeschlossen. Nach Beendigung des
Studiums habe er bis Aban 1378 (Ende Oktober 1999) in einem Verlag für die
Herausgabe der Werke Khomeinis gearbeitet. Er sei Mitglied einer regimekritischen
Gruppe gewesen und habe im Mai 2000 einen Telefonanruf erhalten, wonach sein Haus
duchsucht worden sei und er mitgenommen werden sollte. Seine Frau sei an seiner
Stelle mitgenommen worden und er sei ausgereist.
2
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge; im Folgenden: Bundesamt) lehnte den Asylantrag mit
Bescheid vom 14. Juni 2000 ab und stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen des
§ 51 Abs.1 des Ausländergesetzes (AuslG; nunmehr § 60 Abs.1 des
Aufenthaltsgesetzes -AufenthG-) und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG
(nunmehr Abschiebungsverbote nach § 60 Abs.2 bis 7 AufenthG) nicht vorliegen.
3
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen
4
wies der Kläger ergänzend darauf hin, dass er sich exilpolitisch betätige und an
Demonstrationen der Organisation Volksmudjaheddin teilgenommen habe. In der
mündlichen Verhandlung trug er weiter vor, dass er selbst Mullah gewesen sei und 2001
zum christlichen Glauben übergetreten sei. Er lebe zudem in Deutschland mit einer
iranischen Asylbewerberin zusammen, die wie er noch im Iran verheiratet sei.
Das VG Gelsenkirchen wies mit Urteil vom 1. April 2004 -8a K 3127/00.A - die Klage ab.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom Oberverwaltungsgericht für das
Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) mit Beschluss vom 27. Mai 2004 - 5 A
1926/04.A - als unzulässig verworfen.
5
Der Kläger stellte am 14. September 2005 einen Asylfolgeantrag und machte zur
Begründung mit Schriftsätzen seines Bevollmächtigten vom 9. September 2005 und 12.
Oktober 2005 geltend: Er sei weiter exilpolitisch tätig. Er wirke ausweislich einer
Bescheinigung des Vorstandes vom 29. August 2005 als Funktionsträger der
Organisation „Komitee zum 11. September" (im Folgenden: Komitee) und sei auch der
Organisation „Hambastegi -Internationale Förderation Iranischer Flüchtlinge (im
Folgenden: IFIR)" beigetreten. Er habe eine Zweigniederlassung von IFIR in T.
mitgegründet und Informationstische der IFIR z.T. auch als Verantwortlicher in T. betreut.
Er veröffentliche im Internet selbst verfasste Artikel und habe an einer Protestaktion am
7. Juli 2005 vor dem Generalkonsulat in I. , bei der sich Mitglieder der Organisation an
einen Zaun gekettet hätten, beteiligt. Sein Prozessbevollmächtigter habe es in seinem
ersten Asylverfahren versäumt darauf hinzuweisen, dass er im Iran praktizierender
Mullah gewesen sei. Deshalb komme seinen Verfehlungen ein ganz anderes Gewicht
zu, als dies bei normalen Iranern der Fall wäre. Ausweislich eines kirchlichen
Zeugnisses der Evangelischen Kirchengemeinde X. vom 1. Oktober 2005 besuche er
regelmäßig den Gottesdienst und lasse sich im christlichen Glauben unterrichten. Er
beteilige sich auch an Büchertischeinsätzen bei Aktionen der Süd-Ost-Europa-Mission.
6
Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 21. Dezember 2005 die Durchführung eines
weiteren Asylverfahrens und eine Abänderung des Bescheides vom 14. Juni 2000
bezüglich der Feststellungen zu § 53 Abs.1 bis 6 AuslG mit der Begründung ab, dass
hinsichtlich der vorgetragenen exilpolitischen Aktivitäten die Einhaltung der 3- Monats-
Frist des § 51 Abs.3 VwVfG zur Geltendmachung des Wiederaufgreifens- grundes nicht
festgestellt werden könne und dass es sich zudem um exilpolitische Aktivitäten
niedrigen Profils handele, die nach der gefestigten Rechtsprechung nicht mit der
erforderlichen Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung auslöse. Auch die Konversion zum
christlichen Glauben führe nicht zu politischen Verfolgungsmaßnahmen.
7
Der Kläger hat am 3. Januar 2006 Klage erhoben und macht ergänzend zu seinem
bisherigen Vortrag geltend: Die Verhältnisse im Iran hätten sich seit der
Machtübernahme des Präsidenten Ahmadinejad entscheidend verändert. Er habe auch
einen Kommentar zu der Auseinandersetzung mit den Mohammed Karikaturen
geschrieben und veröffentlicht. Von ihm sei ein ein Portrait mit Lichtbild und Angaben zu
seinem Lebenslauf in der Gemeindezeitung der Evangelischen Kirchengemeinde in X.
veröffentlicht worden. Seine Frau, die im Iran lebe, mache ihn für ihre Probleme im Iran
verantwortlich und fordere von ihm die Konversion rückgängig zu machen. Hinsichtlich
der Konversion sei weiter zu beachten, dass nunmehr Art. 10 Abs.1 b der Richtlinie
2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von
Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtling oder als Personen, die
anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden
8
Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie) unmittelbar anwendbar sei. Ausweislich einer
psychologisch-psychotherapeutischen Bescheinigung der Emmaburg-Klinik vom 25.
Januar 2007 leide er an einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig leichte
Episode (ICD 10: F 33.0).
Der Kläger beantragt,
9
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge vom 21. Dezember 2005 zu verpflichten, ein weiteres Asylverfahren
durchzuführen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs.1 des
Aufenthaltsgesetzes vorliegen,
10
hilfsweise die Beklagte unter teilweiser Änderung des früheren Bescheides des
Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 14. Juni 2000 und
Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21.
Dezember 2005 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot im Sinne
von § 60 Abs.2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.
11
Die Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Sie verweist auf den Bescheid des Bundesamtes.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Verfahrensakte und
die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
15
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
16
Die Klage hat keinen Erfolg.
17
Die auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und die Feststellung des
Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG und des § 60 Abs.2 bis 7
AufenthG gerichtete Verpflichtungsklage ist zulässig, aber unbegründet, denn der
Bescheid des Bundesamtes vom 21. Dezember 2005 ist rechtmäßig und verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO ).
18
Der Kläger hat nach § 71 Abs.1 AsylVfG in Verbindung mit § 51 Abs.1 bis 3 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zunächst keinen Anspruch auf Durchführung
eines Folgeverfahrens. Nach § 71 Abs.1 AsylVfG ist bei der Stellung eines
Asylfolgeantrages ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die
Voraussetzungen des § 51 Abs.1 bis 3 VwVfG vorliegen. Nach § 51 Abs.1 Nr.1 VwVfG
ist ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage
nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Der Antrag ist nach § 51 Abs.2
VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war,
den Grund für das Wiederaufgreifen im früheren Verfahren geltend zu machen. Der
Antrag muss nach § 51 Abs.3 VwVfG binnen 3 Monaten, nachdem der Betroffene von
dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat, gestellt werden.
19
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Weder der ernsthafte Übertritt zum
christlichen Glauben (1.) noch die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers (2.) können der
20
Klage zum Erfolg verhelfen.
(1.) Übertritt zum christlichen Glauben Soweit der Kläger seinen Folgeantrag auf seinen
Übertritt zum christlichen Glauben und darauf stützt, dass er seinen Glauben durch
Teilnahme an Gottesdiensten und im Rahmen von Büchertischeinsätzen praktiziert, liegt
keine zu seinen Gunsten geänderte Sach- und Rechtslage vor. Der Übertritt zum
Christentum war bereits Gegenstand des ersten Asylverfahrens des Klägers und die
vom Kläger vorgetragenen und im vorgelegten kirchlichen Zeugnis bestätigten
Aktivitäten stellen keine solche qualitative Änderung seiner Glaubenspraxis dar, dass
insofern eine veränderte Sachlage vorliegen könnte. In der obergerichtlichen
Rechtsprechung, der sich die Kammer in ständiger Rechtsprechung anschließt und die
auch im Erstverfahren als Maßstab zu Grunde gelegt worden ist, ist insoweit geklärt,
dass eine Verfolgung von moslemischen Apostaten, die zum christlichen Glauben
übergetreten sind, nur dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Betracht kommt,
wenn sie über den verfassungsrechtlich geschützen Bereich des religiösen
Existenzminimums hinaus eine missionarische Tätigkeit in herausgehobener Position
enthalten, die nach außen erkennbar und mit Erfolg ausgeübt wird.
21
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Dezember 2005 - 5 A 4684/05.A - mit weiteren
Nachweisen auf die Rechtsprechung des OVG NRW; ähnlich: OVG I. , Urteil vom 29.
August 2003 - 1 Bf 11/98.A -, Hessischer VGH Urteil vom 1. März 2006 - 11 UE 465/5.A
und Sächsisches OVG, Urteil vom 4. Mai 2005 - A 2 B 524/04 -.
22
Eine Veränderung dieser Sach- und Rechtslage zu Gunsten des Klägers ist insoweit
nicht durch die unmittelbare Anwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie festzustellen.
Hierdurch ist weder (a) die dem Ausgangsbescheid zu Grunde liegende Rechtslage
noch (b) die Sachlage verändert worden. Selbst wenn eine Veränderung der Rechtslage
unterstellt würde, so hätte sich diese (c) nicht zu seinen Gunsten verändert.
23
(a) Die Rechtslage hat sich nicht geändert. Die Rechtslage ist nur dann verändert, wenn
die für den Erlass eines Verwaltungsaktes maßgeblichen Rechtsvorschriften mit
Wirkung für den erlassenen Verwaltungsakt geändert werden.
24
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 8. Mai 2002 - 7 C 18/01 -, Neue
Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungsreport (NVwZ-RR) 02, 548.
25
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften für
den im Erstverfahren erlassenen Bescheid des Bundesamtes waren nach § 77 Abs.1
AsylVfG die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des VG Gelsenkirchen vom 1.
April 2004 dem Bescheid zu Grunde gelegten Normen (Art. 16a GG, AsylVfG, §§ 51
Abs.1, 53 AuslG). Diese Normen haben sich seither nicht zu Gunsten des Klägers
geändert. Zwar ist mit Gesetz vom 30. Juli 2004 das Ausländergesetz durch das
Aufenthaltsgesetz ersetzt und das Asylverfahrensgesetz geändert worden, doch
erfolgten weitgehend nur Änderungen des Verfahrensrechts und der
ausländerrechtlichen Regelungen. Die Grundnormen des materiellen Asylrechts (Art.
16a GG, § 51 Abs.1 AuslG) sind ebenso wie die Regelungen zum Vorliegen von
Abschiebungshindernissen (§ 53 AuslG) unverändert übernommen worden, so dass
insoweit eine Änderung der Rechtslage zu Gunsten des Klägers nicht eingetreten ist.
26
Eine Änderung der Rechtslage ergibt sich auch nicht durch die Anwendbarkeit der sog.
Qualifikationsrichtlinie. Das Gericht geht insoweit zunächst zu Gunsten des Klägers
27
davon aus, dass nach Ablauf der Umsetzungsfrist des Art. 38 Abs.1 der Richtlinie am
10. Oktober 2006 die Qualifikationsrichtlinie unmittelbar anwendbar ist, weil die
Richtlinie bisher nicht vollständig in der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt worden
ist. Nach Ablauf der Umsetzungsfrist können sich Asylbewerber im Grundsatz auch auf
diese Richtlinie berufen.
Vgl. etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Juni 2006 - 9 LB 104/06 - Informationsbrief
Ausländerrecht (InfAuslR) 06, 421 mit weiteren Nachweisen; VG Karlsruhe, Urteil vom
19. Oktober 2006 - A 6 K 10335/04 -, veröffentlicht in Juris.
28
Die unmittelbare Anwendbarkeit einer EG-Richtlinie stellt aber keine Änderung der
Rechtslage im Sinne des § 51 Abs.1 Nr. 1 VwVfG dar. Diese Richtlinie ändert das
materielle (Asyl-) Recht nicht, sondern verpflichtet allenfalls die Gerichte zur
richtlinienkonformen Auslegung der innerstaatlichen Gesetze, falls die Richtlinie nicht
ordnungsgemäß umgesetzt worden ist.
29
Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Juni 2006 a.a.O. unter Hinweis auf die st. Rspr. des
Europäischen Gerichtshofes (EuGH).
30
Selbst wenn - was nach den nachfolgenden Ausführungen unter c tatsächlich nicht der
Fall ist - zu Gunsten des Klägers angenommen werden würde, dass aufgrund der
Qualifikationsrichtlinie die Gerichte zu einer anderen Auslegung und Änderung der
Rechtsprechung verpflichtet wären,
31
Vgl. in diesem Sinne etwa VG Karlsruhe, Urteil vom 19.10.06 a.a.O. und VG Düsseldorf,
Urteil vom 15. August 2006 - 2 K 2682/06.A, veröffentlicht in Juris (zur Rechtslage vor
Ablauf der Umsetzungsfrist),
32
so steht eine Änderung der Rechtsprechung einer Änderung der Rechtslage im Sinne
des § 51 Abs.1 Nr.1 VwVfG nicht gleich.
33
Vgl. zum Asylrecht: BVerwG, Beschluss vom 11. September 1987 - 9 B 309.87 -, NVwZ
1988, 413 und Urteil vom 30. August 1988 - 9 C 47.87 -, Entscheidungssammlung zum
Asyl-und Ausländerrecht (EZAR) 212 Nr. 6; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl 2005, § 71
Rdnr. 25; zu sonstigen Rechtsgebieten: Kopp-Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 51
Rdnr. 30 mit weiteren Nachweisen.
34
b) Mit Ablauf der Umsetzungsfrist bezüglich der Qualifikationsrichtlinie ist auch keine
Änderung der Sachlage eingetreten. Eine Änderung der Sachlage liegt vor, wenn sich
die für die unanfechtbare Entscheidung maßgeblichen, d.h. ihr zu Grunde liegenden
Tatsachen ändern.
35
Vgl. Kopp-Ramsauer, a.a.O., § 30 Rdnr. 29.
36
Im Asylrecht ist eine Änderung der Sachlage anzunehmen, wenn sich entweder die
allgemeinen politischen Verhältnisse oder Lebensbedingungen im Heimatstaat oder die
das persönliche Schicksal des Asylbewerbers bestimmenden Umstände so verändert
haben, dass eine für den Asylbewerber günstigere Entscheidung möglich erscheint.
37
Vgl. Renner, a.a.O., § 71 Rdnr. 24.
38
Eine solche Sachlagenänderung ist durch den Ablauf der Umsetzungsfrist nicht
eingetreten. Die Anwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie könnte - wie oben ausgeführt
- allenfalls zu einer anderen rechtlichen Bewertung des Sachverhaltes führen. Die
Tatsachen, die Grundlage der früheren Entscheidung waren, verändern sich dadurch
nicht.
39
Insoweit ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers auch nicht, dass er (qualitativ)
andersgeartete Aktivitäten entfaltet hat. Eine geänderte Sachlage kann bei
Dauersachverhalten (wie z.B.Exilpolitik, Konversion) jedoch regelmäßig nur dann
angenommen werden, wenn sich die im früheren Verfahren entfalteten und einer
(bestands- oder rechtskräftigen) rechtlichen Bewertung unterzogenen Aktivitäten so
verändern, dass sie sich nicht mehr nur als Fortsetzung gleichartiger Aktivitäten
darstellen. Die Aktivitäten müssen sich bei wertender Betrachtung nach Art, Umfang und
ihrer Wirkung nach außen von den im früheren Verfahren bereits geltend gemachten
Sachverhalten wesentlich unterscheiden. Werden andersgeartete Aktivitäten zum
Gegenstand eines Folgeantrages gemacht, so ist jeweils dieser Vortrag als neuer
Wiederaufgreifensgrund anzusehen und dementsprechend muss jeweils auch die
Einhaltung der Fristen des § 51 Abs.2 und 3 VwVfG nachgewiesen werden.
40
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. In diesem Zusammenhang ist jedoch
darauf hinzuweisen, dass das Gericht keine Zweifel daran hat, dass der Übertritt des
Klägers zum christlichen Glauben ernsthaft ist und dass der Kläger seinen Glauben
auch praktiziert. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass er an den Gottesdiensten und
anderen Veranstaltungen der Evangelischen Kirchengemeinde X. teilnimmt, war dieser
Vortrag bereits Gegenstand des Vortrages im Erstverfahren. Auch wenn der Kläger die
Ausführungen des VG Gelsenkirchen für falsch bzw. nicht ausreichend erachtet, weil
das VG Gelsenkirchen nicht hinreichend berücksichtigt habe, dass er im Iran ein Mullah
gewesen sei, so kann dies nicht erneut zum Gegenstand eines Folgeverfahrens
gemacht werden. Das Folgeverfahren dient insoweit nicht der Überprüfung der
inhaltlichen Richtigkeit abgeschlossener Verfahren und rechtskräftiger
Gerichtsentscheidungen.
41
Eine Änderung des früheren Vortrages ist insoweit nur im Hinblick auf seine mit
Bescheinigung der Mission für Süd-Ost-Europa vom 20. Oktober 2005 bestätigten
Büchertischeinsätze feststellbar. Insoweit lässt sich jedoch weder dem Vortrag des
Klägers noch der Bescheinigung entnehmen, seit wann der Kläger sich an solchen
Einsätzen beteiligt, so dass die Einhaltung der Frist des § 51 Abs.3 VwVfG, für die der
Kläger darlegungs- und beweispflichtig ist, nicht festgestellt werden kann. Ob dieser
Vortrag fristgemäß erfolgt ist, kann jedoch letztlich dahinstehen, weil dies seiner Klage
nicht zum Erfolg verhelfen kann. Denn nach der oben zitierten Rechtsprechung kommt
eine Verfolgung von moslemischen Apostaten, die zum christlichen Glauben
übergetreten sind, nur dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Betracht, wenn sie
über den verfassungsrechtlich geschützen Bereich des religiösen Existenzminimums
hinaus eine missionarische Tätigkeit in herausgehobener Position enthalten, die nach
außen erkennbar und mit Erfolg ausgeübt wird. Selbst wenn die Büchertischeinsätze als
missionarischer Einsatz anzusehen wäre, so fehlt es jedenfalls sowohl an einer
herausgehobenen Position des Klägers als auch an einer Darlegung, dass diese
Tätigkeit mit Erfolg ausgeübt worden ist.
42
c) Selbst wenn zu Gunsten des Klägers angenommen würde, der Ablauf der
Umsetzungsfrist der Qualifikationsrichtlinie stelle eine Änderung der Sach- und
43
Rechtslage dar, so hätte sich diese nicht zu Gunsten des Klägers verändert. Zwar
bestimmt Art.10 Abs.1 b) der Richtlinie 2004/83/EG, dass bei der Prüfung der
Verfolgungsgründe „zu berücksichtigen" ist, dass der „Begriff der Religion" unter
anderem die Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich - worunter die
Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten fallen dürfte - und auch sonstige religiöse
Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der
Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen - womit wohl auch die
Missionierung gemeint sein dürfte - umfasst.
Dies stellt jedoch zunächst nur eine nähere Definition des Begriffs der Religion dar und
stellt insofern klar, wann bei vorausgesetzter Verfolgung diese an die
Religionszugehörigkeit anknüpft und deshalb als Verfolgung wegen der Religion
anzusehen ist.
44
Dieser Begriffsbestimmung kann hingegen nicht entnommen werden, dass jede im
Heimatland drohende Beeinträchtigung der so umschriebenen Religionsfreiheit bereits
eine zur Flüchtlingsanerkennung führende Verfolgungshandlung darstellt. Dies ist nach
der Systematik der Richtlinie vielmehr nur dann anzunehmen, wenn an die Religion im
Sinne des Art.10 Abs.1 b) der Richtlinie anknüpfende Eingriffe das Gewicht von
Verfolgungshandlungen im Sinne des Art.9 Abs.1 aufweisen (vgl. auch Art.9 Abs.3
Richtlinie 2004/93/EG). Demgemäß lässt sich allein aus der in Art.10 Abs.1 b) der
Qualifikationsrichtlinie enthaltenen Begriffsbestimmung insbesondere auch nicht
ableiten, dass hiernach bereits das Verbot einer öffentlichen Religionsausübung als
solches - ohne schon erfolgte oder unmittelbar drohende Eingriffe in Leib, Leben oder
persönliche Freiheit - als Verfolgung zu qualifizieren ist.
45
Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2004 - 1 C 9/03 -, BVerwGE 120,16 ff. zu der
ähnlichen Begriffsbestimmung unter Nummer 72 im „Handbuch über Verfahren und
Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft" des UNHCR
46
Dies wäre vielmehr nur dann der Fall, wenn schon dem Verbot einer öffentlichen
Religionsausübung bzw. hieran anknüpfenden Sanktionen, die der Rückkehrer jedoch
durch den Verzicht auf eine öffentliche Betätigung seines Glaubens vermeiden kann,
das Gewicht einer Verfolgungshandlung im Sinne des Art.9 Abs.1 der Richtlinie
2004/83/EG zukäme. Nach Auffassung der Kammer ist das (ggf. sanktionierte) Verbot
der öffentlichen Religionsausübung im Heimatland allein jedoch seinem Gewicht nach
nicht als eine solche Verfolgungshandlung anzusehen.
47
Gemäß Art. 9 Abs.1 a) der Qualifikationsrichtlinie gelten als Verfolgung im Sinne des
Artikels 1 A der Genfer Flüchtlingskonvention Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder
Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der
grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen
gemäß Art.15 Abs.2 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (vgl. dazu näher Art.2, 3, 4 Abs.1
und 7 EMRK). Gemäß Art.9 Abs.1 b) der Richtlinie 2004/83/EG gelten als Verfolgung
auch Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen,
einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend sind,
dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Art.9 Abs.1 a) der Richtlinie
beschriebenen Weise betroffen sind.
48
Nach dieser Regelung ist notwendige Voraussetzung für die Annahme einer
49
Verfolgungshandlung demnach, dass sie sich - allein oder gemeinsam mit anderen - als
schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt. Von einer
schwerwiegenden Verletzung der grundlegenden Menschrechten kann jedoch, wenn
wie im vorliegenden Zusammenhang nicht Eingriffe in Leib, Leben oder persönliche
Freiheit des Betroffenen, sondern in die Religionsfreiheit in Rede stehen, wiederum nur
dann gesprochen werden, wenn diese Eingriffe nach ihrer Intensität und Schwere die
Menschenwürde verletzen. Diesen Maßstab haben das Bundesverfassungsgericht und
das Bundesverwaltungsgericht
Vgl. Beschluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478,962 -, BVerfGE 76, 143 ff. und BVerwG,
Urteil vom 20. Januar 2004 a.a.O.,
50
für den Bereich der Religionsausübung aber dahin konkretisiert, dass nur Verletzungen
des sogenannten forum internum, nicht jedoch Verbote oder sonstige Eingriffe
betreffend die öffentliche Glaubensbetätigung im Heimatland (einschließlich
Missionierung) von entsprechendem Gewicht sind, woran folglich auch in Ansehung der
Qualifikationsrichtlinie weiterhin festzuhalten ist.
51
Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass bei diesem Verständnis der
Qualifikationsrichtlinie kein Raum für eine Flüchtlingsanerkennung wegen des
Verfolgungsgrundes der öffentlichen Religionsausübung verbliebe. Eine hieran
anknüpfende Flüchtlingsanerkennung käme etwa dann in Betracht, wenn - anders als
im vorliegenden Fall - wegen einer in Deutschland erfolgten öffentlichen
Glaubensbetätigung bei einer Rückkehr ins Heimatland dort mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit erhebliche Eingriffe in Leib, Leben oder persönliche Freiheit drohen
würden.
52
Schließlich ist zudem davon auszugehen, dass allein die Teilnahme an (öffentlichen)
Gottesdiensten christlicher Gemeinschaften für Apostaten nicht zu einer asylerheblichen
Verfolgung führt. Amnesty international geht zwar davon aus, dass bereits durch die
Teilnahme an einem Gottesdienst in persischer Sprache ein erhöhtes Risiko bestehe,
Opfer staatlicher Verfolgungsmaßnahmen zu werden,
53
vgl. amnesty international an OVG Hamburg vom 3. Juli 2003,
54
doch werden insoweit keine Referenzfälle für eine tatsächlich an einen
Gottesdienstbesuch anknüpfende Verfolgung benannt.
55
Im Bericht des Unabhängigen Bundesasylsenats der Bundesrepublik Österreich über
eine Erkundungsreise im Mai/Juni 2002 wird insofern mitgeteilt, dass die
Gemeindevorsteherin der armenisch-apostolischen Kirche in Teheran berichtet habe,
viele armenische Christen brächten muslimische Freunde in die Gottesdienste mit, ohne
dass dies für irgendjemand ein Risiko sei. Es sei sogar vorgekommen, dass Muslime
über mehrere Jahre Gottesdienste in armenischen Kirchen besucht hätten und beim
letzten Osterfest habe eine große Zahl Muslime am Gottesdienst teilgenommen. Auch
die sonstigen Gesprächspartner hätten zwar über die mit einer Konversion häufig
verbundenen Benachteiligungen und Diskriminierungen im Alltag berichtet, aber keiner
der Gesprächspartner habe darauf hingewiesen, dass der Besuch des Gottesdienstes
mit Schwierigkeiten behaftet sei.
56
Das Deutsche Orient-Institut teilt mit, dass Teilnehmer an Gottesdiensten mit
57
Konsequenzen zu rechnen hätten, wenn sie in eine Kontrolle gerieten, und dass bei
fehlenden Kontrollen eine Teilnahme möglich sei. Derzeit seien Kontrollen nicht
bekannt und es fehle insoweit auch an allen Referenzfällen und
Vergleichsmöglichkeiten.
Vgl. Auskunft an das Sächsische OVG vom 6. Dezember 2004.
58
Das Auswärtige Amt teilt mit, dass eine Kontrolle des Teilnehmerkreises an den
Gottesdiensten durch staatliche Organe grundsätzlich nicht erfolge und dass die
Teilnahme von Apostaten an solchen Gottesdiensten daher nicht ausgeschlossen sei.
59
Vgl. Auskunft an das Sächsische OVG vom 15. Dezember 2004.
60
Diese Auskunft beziehe sich insoweit auch auf die Gottesdienste der evangelisch-
freikirchlichen Pfingstgemeinden im Iran und beruhe auf Auskünften der Leitung dieser
Pfingstgemeinden. Nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes würden allein von den zwei
in Teheran ansässigen Gemeinden der „Assembly of God" verschiedensprachige
Messen zelebriert, zu denen nach eigenen Angaben mehrere Hundert Menschen, davon
die Mehrzahl Muslime, unter denen auch Richter und Intellektuelle seien, ungehindert
Zutritt haben.
61
Vgl. Auskunft an das VG Koblenz vom 15. Juni 2005.
62
Den vorliegenden Auskünften lassen sich somit keine Referenzfälle dafür entnehmen,
dass Apostaten wegen ihrer Teilnahme an einem Gottesdienst staatlichen
Verfolgungsmaßnahmen in der Vergangenheit unterworfen worden sind, so dass
jedenfalls keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für an den Besuch eines Gottesdienstes
anknüpfende Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit bestehen.
63
Vgl. So im Ergebnis auch Sächsisches OVG, Urteil vom 4. Mai 2005 a.a.O. und OVG
NRW, Beschluss vom 1. Juni 2005 - 5 A 1737/05.A - jeweils mit weiteren Nachweisen.
64
Anhaltspunkte für eine solche Verfolgung lassen sich entgegen der Auffassung des VG
Düsseldorf im zitierten Urteil auch nicht im Zusammenhang mit zwei Vorfällen im
Sommer 2004 und Mai 2004 feststellen. Danach sind im Mai 2004 ein Pastor der
Glaubensgemeinschaft „Assembly of God" und seine Familie sowie im April 2004
Angehörige der gleichen Glaubensgemeinschaft kurzfristig inhaftiert worden, doch sind
alle nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Weiter sind im Sommer 2004
86 Teilnehmer eines Treffens dieser Glaubensgemeinschaft festgenommen worden. 76
Festgenommene sind noch am gleichen Tag und 9 weitere nach drei Tagen entlassen
worden. Nur ein früherer Bahai war länger in Haft.
65
Vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 15. Dezember 2004 an das Sächsische OVG.
66
Stellen solche kurzfristigen Inhaftierungen schon keine asylerhebliche Verfolgung mit
der erforderlichen Intensität dar,
67
vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Januar 2000 - 9 B 576.99 -, Buchholz, Sammel- und
Nachschlagewerk der Rechtsprechung des BVerwG, 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 255,
68
so lässt sich diesen Vorfällen jedenfalls keine an den Gottesdienstbesuch durch einen
69
Konvertiten ausgelöste zielgerichte Verfolgung mit der erforderlichen asylerheblichen
Intensität entnehmen. Eine andere Bewertung ist auch nicht etwa deshalb
vorzunehmen, weil es weitere (z.T. hinsichtlich der Urheberschaft nicht aufgeklärte)
Übergriffe gegeben hat. So ist am 22.November 2005 ein Konvertit, der als Pastor einer
Hausgemeinde tätig war, von Unbekannten ermordet worden und am 9. September
2004 ist ein protestantischer Laienpriester verhaftet und als Angehöriger der Streitkräfte
aufgrund des Vorwurfs der politischen Betätigung während der Dienstzeit zu einer
dreijährigen Haftstrafe verurteilt worden. Ihm wurde zudem vor dem Revolutionsgericht
der Vorwurf der Apostasie gemacht, doch wurde er freigesprochen.
Vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 24. März 2006 und vom 21. September 2006.
70
Denn auch diesen Berichten lässt sich nur entnehmen, dass ggf. Priester und
Kirchenführer verfolgt werden und es gibt keine konkreten Anhaltpunkte für eine
Verfolgung „einfacher" Christen.
71
Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24. März 2006 und die Auskunft vom 15.
Dezember 2004.
72
Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 bis 3 VwVfG - wie hier - nicht vor und ist
somit kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, so hat das Bundesamt gemäß § 51
Abs.5 VwVfG i.V. mit §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden,
ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zu § 53 AuslG zurückgenommen oder
widerrufen wird. Insoweit besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.
Auch wenn es an einer behördlichen Ermessensentscheidung fehlt, etwa weil der
Wiederaufgreifensgrund erst im gerichtlichen Verfahren vorgebracht wurde, ist das
Gericht gehalten, die Sache nach Möglichkeit spruchreif zu machen und abschließend
zu entscheiden. Eine solche abschließende gerichtliche Entscheidung kommt in
Betracht, wenn dem Bundesamt im Einzelfall hinsichtlich der Änderung der
bestandskräftigen negativen Feststellung kein Ermessensspielraum eröffnet ist.
73
Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2004 - 1 C 15.03 -, Deutsches Verwaltungsblatt
(DVBl.) 2005, 317 und Urteil vom 21. März 2000 - 9 C 41.99 -, BVerwGE 111,77.
74
Diese Voraussetzungen für eine abändernde Entscheidung liegen im Hinblick auf die
Konversion des Klägers nicht vor. Zunächst besteht für den Kläger wegen seines
Übertritts und seines Besuchs der Gottesdienste in Deutschland und seiner
Büchertischeinsätze bei einer Rückkehr in sein Heimatland nicht mit der erforderlichen
beachtlichen Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr, einer Folter unterworfen zu
werden (vgl. § 60 Abs. 2 AufenthG) und ihm droht deswegen auch keine unmenschliche
Behandlung (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK). Denn nach der oben zitierten
gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich die Kammer regelmäßig
anschließt, sind konvertierte Christen im Iran keiner unmittelbaren oder mittelbaren
Verfolgung ausgesetzt, solange sie über den verfassungs-rechtlich geschützten Bereich
des religiösen Existenzminimums hinaus keine missionarische Tätigkeit in
herausgehobener Position, die nach außen erkennbar und nachhaltig mit Erfolg
ausgeübt wird, betreiben. Eine solche missionarische Betätigung hat der Kläger - wie
oben unter (b) ausgeführt - nicht entfaltet. Es ist zudem auch nicht beachtlich
wahrscheinlich, dass die iranischen Behörden gegen den Kläger allein wegen des
Übertrittes, seiner Gottesdienstbesuche und Büchertischeinsätze vorgehen werden.
Insoweit ist schon nicht zu erwarten, dass diese Tatsachen den iranischen Behörden
75
bekannt geworden sind. Denn die iranischen Behörden überwachen zwar die
exilpolitischen Aktivtäten der Asylbewerber in Deutschland sehr genau (vgl. hierzu die
nachfolgenden Ausführungen). Anhaltspunkte für ein vergleichbar hohes
Beobachtungsniveau von religiös motivierten Aktivitäten sind nicht ersichtlich und eine
flächendeckende oder zumindest sporadische Überwachung der deutschen Kirchen
und Glaubens-gemeinschaften dürfte aufgrund der großen Zahl der in Deutschland
bestehenden Kirchen und Gotteshäuser wohl kaum möglich sein. Insoweit ist es auch
nicht zu erwarten, dass das Portrait in einem Gemeindebrief der evangelischen
Gemeinde in X. oder „Missionseinsätze" an Büchertischen von Organisationen
evangelischer Gemeinden dem in Deutschland aktiven iranischen Geheimdienst
bekannt werden könnte.
Die oben zitierte Rechtsprechung bezieht sich zudem auf eine Gefährdung aufgrund der
Missionierung im Iran und nicht auf eine solche im europäischen Ausland. Im Hinblick
auf eine missionierende Tätigkeit im Ausland ist den der Kammer vorliegenden
Auskünften nicht zu entnehmen, dass solche Tätigkeiten im Iran zu einer Verfolgung
führen könnten. Amnesty international teilt hierzu in einer Auskunft an das OVG
Hamburg vom 3. Juli 2003 mit, dass konkrete Einzelfälle einer Verfolgung aufgrund
einer Missionstätigkeit im Ausland nicht bekannt geworden seien. Dem Auswärtigen
Amt ist kein einziger Fall bekannt geworden, wonach missionarische Tätigkeiten in
Deutschland später im Iran zu Schwierigkeiten für den Betroffenen geführt haben.
76
Vgl. Auskunft an das VG Münster vom 7. Februar 2003.
77
Auch das Deutsche Orient-Institut teilt keine konkreten Fälle für eine an die
Missionstätigkeit im Ausland anknüpfende staatliche Verfolgung mit.
78
Vgl. Auskunft an das VG Münster vom 27. Februar 2003.
79
Auch allen sonstigen der Kammer vorliegenden Erkenntnissen lassen sich keine
Anhaltspunkte für eine an eine Missionstätigkeit im Ausland anknüpfende Verfolgung
entnehmen. Sind aber bereits nach außen sichtbare misionarische Aktivitäten nicht
geeignet, eine Verfolgungsgefahr zu begründen, so gilt dies erst recht für einen
„normalen" Gottesdienstbesuch. Eine mit der erforderlichen beachtlichen
Wahrscheinlichkeit bestehende Verfolgungsgefahr lässt sich somit nicht feststellen.
80
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes
nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 9 EMRK. Ein Abschiebungsverbot kommt über
den allgemeinen anerkannten Fall eines Abschiebungsverbotes wegen unmenschlicher
Behandlung insofern in Betracht, wenn im Einzelfall die von allen Vertragsstaaten in der
EMRK als grundlegend anerkannten Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht
sind. Auch bei Eingriffen in den Kernbereich der Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit nach Art. 9 EMRK ist eine Abschiebung jedoch nur in krassen Fällen
unzulässig, wenn nämlich die drohenden Beeinträchtigungen von ihrer Schwere her
dem vergleichbar sind, was zu einem Abschiebungsverbot wegen menschenunwürdiger
Behandlung führen würde. Insoweit müssen auch nicht alle Konventionsrechte einen
absolut geschützten Menschenrechtskern aufweisen und regelmäßig ist der absolut
geschützte Kern einzelner Menschenrechte enger als deren Schutzbereich. Zu dem
menschen-rechtlichen Mindeststandard gehört ein unveräußerlicher - nach Art. 9 Abs.2
EMRK nicht beschränkbarer - Kern der Religionsfreiheit, der für die personale Würde
und Entfaltung eines Menschen unverzichtbar ist. Dieser unbedingt zu schützende Kern
81
der Religionsfreiheit kann indessen nicht weiterreichen als das sogenannte religiöse
Existenzminmum, wie es nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG
geschützt wird.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2000 - 9 C 34.99 - BVerwGE 111,223(229) zur
gleichlautenden Vorschrift des § 53 Abs. 4 AuslG.
82
Insofern ist auch nicht wegen der Qualifikationsrichtlinie eine von dieser
Rechtsprechung abweichende Auslegung dergestalt vorzunehmen, dass nunmehr zum
absolut geschützten Kern auch der Besuch von Gottesdiensten oder die Missionierung
gehören könnte. Denn durch eine EG-Richtlinie, die allenfalls die EG- Mitglieder zur
Änderung ihrer Gesetze verpflichten kann, kann die EMRK in ihrem Kernbestand, die
die Unterzeichnerstaaten, die nicht mit den Staaten der Europäischen Gemeinschaft
identisch sind, für sich als völkerrechtlich verbindlich anerkannt haben, nicht verändert
werden. Zudem bezieht sich Art. 10 Abs.1 b der Richtlinie 2004/83/EG nur auf die
staatliche Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs.1 GG und des § 60 Abs.1 AufenthG.
Auch in der Richtlinie wird zwischen Schutz vor Verfolgung (Art. 16a Abs.1 GG, § 60
Abs.1 AufenthG) und der Gewährung subsidiäreren Schutzes (Kap. V und VI)
unterschieden. Danach ist subsidiärer Schutz nur bei ernsthaften Schäden (Art. 15) zu
gewähren und als solche Schäden gelten a) die Verhängung oder Vollstreckung der
Todestrafe, b) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder
Bestrafung oder c) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der
Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines
internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes. Dieser subsidiäre Schutz
deckt sich weitgehend mit den Abschiebungsverboten des Aufenthaltsgesetzes (§ 60
Abs.2 Folter, § 60 Abs.3 Todesstrafe, 60 Abs.5 i.V.m. Art. 3 EMRK unmenschliche oder
erniedrigende Behandlung und § 60 Abs.7 S.1 erhebliche Gefahren für Leib oder
Leben). Eine vergleichbare Regelung zum Schutz der Religionsfreiheit enthält § 15 der
Qualifikationsrichtlinie nicht, so dass insoweit auch keine Veränderung des
Anwendungsbereiches des § 60 Abs.5 AufenthG i.V.m. Art. 9 EMRK vorgenommen
worden ist.
83
Ist somit allein die in besonderer Weise gewährleistete Religionsausübung im
nichtöffentlichen, privaten Bereich (sog. forum internum) geschützt, so ist der Schutz
dieses Kernbereiches nach der oben zitierten gefestigten obergerichtlichen
Rechtsprechung im Iran noch gewahrt. Insoweit verweist die Kammer zur Vermeidung
von Wiederholungen auf die Ausführungen in diesem Entscheidungen, die in das
Verfahren mit der Erkenntnisliste eingeführt sind, und denen der Kläger auch nicht
widersprochen hat.
84
(2.) exilpolitische Aktivitäten Soweit der Kläger seinen Folgeantrag auf seine
exilpolitischen Aktivitäten stützt, so kann es dahinstehen, ob diese jeweils innerhalb der
Frist des § 51 Abs.3 VwVfG zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind,
denn diese Aktivitäten sind nicht geeignet, eine zu Gunsten des Klägers geänderte
Entscheidung herbeizuführen. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass eine exilpolitische
Betätigung erst dann asyl- und abschiebungsrelevant ist, wenn sie in einem nach außen
hin in exponierter Weise für eine regimefeindliche Organisation erfolgten Auftreten
besteht. Welche Anforderungen tatsächlicher Art an eine exilpolitische Tätigkeit gestellt
werden müssen, damit sie in diesem Sinne als exponiert anzusehen ist, lässt sich nicht
allgemein beantworten. Maßgeblich sind insoweit die konkret-individuellen Umstände
des Einzelfalls. Entscheidend ist, ob die Aktivitäten den jeweiligen Asylsuchenden aus
85
der Masse der mit dem Regime in Teheran Unzufriedenen herausheben und als
ernsthaften und gefährlichen Regimegegner erscheinen lassen. Entscheidend ist ein
Hervortreten in der Öffentlichkeit, das aufgrund der Persönlichkeit des Asylsuchenden,
der äußeren Form seines Auftritts und nicht zuletzt wegen des Inhalts der abgegebenen
Erklärungen den Eindruck erweckt, dass der Asylbewerber allein oder aber im -
gegebenenfalls konspirativen - Zusammenwirken mit anderen zu einer Gefahr für den
Bestand des Mullah-Regimes wird. Hiervon sind exilpolitische Aktivitäten niedrigen
Profils abzugrenzen, welche nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Maßnahmen
iranischer Stellen nach sich ziehen. Dazu gehören Tätigkeiten von untergeordneter
Bedeutung, die letztlich hinter den zahllosen Aktivitäten und deckungsgleichen
Beiträgen anderer Personen zurücktreten. Derartige Aktivitäten sind ein
Massenphänomen, dessen Ursachen in der Konstruktion des Asylrechts als eine von
wenigen Möglichkeiten, einen legalen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erlangen, zu
erblicken sind. Beispielhaft für solche Tätigkeiten sind die - übliche - Mitgliedschaft
iranischer Asylbewerber in einer der zahlreichen Exilorganisationen, die Teilnahme an
Veranstaltungen dieser Organisationen, die Teilnahme an sonstigen regimekritischen
Veranstaltungen und Demonstrationen einschließlich des Tragens von Plakaten und
des Rufens von Parolen, die Verteilung von Informationsmaterial und das Betreuen von
Büchertischen in Fußgängerzonen sowie das Geben von Interviews, die von lokalen
Fernsehanstalten ausgestrahlt werden.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. April 1999 - 9 A 5338/98.A -, vom 15. Februar
2000 - 9 A 4615/98.A -, vom 4. April 2001 - 6 A 1064/01.A -, vom 19. März 2003 - 5 A
1685/03.A -, vom 19. März 2004 - 5 A 746/04.A - und vom 1. Juni 2005 - 5 A 1737/05.A -.
86
Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung, die mit der Rechtsprechung anderer
Obergerichte weit gehend übereinstimmt,
87
vgl. etwa OVG Bremen, Urteil vom 24. November 2004 - OVG 2 A 475/03.A -, VGH
Kassel, Urteil vom 23. November 2005 - 11 UE 3311/04.A - EZAR NF 63 Nr. 2 sowie
OVG Sachsen, Urteil vom 5. Juni 2002 - A 2 B 117/01 -,
88
an und verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in
diesen Entscheidungen.
89
Es gibt auch entgegen der Auffassung des Klägers keinen Anlass, von dieser
Rechtsprechung wegen des Amtsantrittes von Präsident Ahmadinejad abzuweichen.
Auch insoweit ist es in der obergerichtlichen Rechtsprechung inzwischen geklärt, dass
es unmittelbar nach der Machtübernahme keine verlässlichen Anhaltspunkte für eine
merkliche Zunahme des Verfolgungsdrucks gegen die Oppossition im Iran gegeben hat.
90
Vgl. VGH Kassel, Urteil vom 23.11.05, a.a.O. und Urteil vom 14. Februar 2006 - 11 UE
1171/5.A -, Leitsatz veröffentlicht in Juris.
91
Insoweit teilt auch das Deutsche Orient-Institut inzwischen mit, dass die politische
Bedeutung des Machtantritts Ahmadinejads für die innenpolitischen Verhältnisse im
Westen weit überschätzt werde. Es sei nach Maßgabe der vorliegenden Informationen
nicht darzustellen, dass sich die Lebenswirklichkeit und die Lebensverhältnisse seit
dem Amtsantritt in irgendeiner Weise tatsächlich- praktisch geändert haben. Es sei
weiter davon auszugehen, dass eine nicht exponierte regimefeindliche Betätigung von
Iranern in Europa nach wie vor aus der dortigen Sicht unbeachtlich sei und dass allein
92
der Amtsantritt von Ahmadinejad eine Änderung der Verhältnisse jedenfalls
gegenwärtig nicht begründbar mache.
Vgl. Auskunft an das VG Stuttgart vom 5. Juli 2006.
93
Auch dem letzten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 21. September 2006 lassen
sich insoweit keine Anhaltspunkte für eine Änderung der Verhältnisse nach dem
Machtantritt entnehmen. Sowohl die Ausführungen zu den staatlichen Repressionen
gegen die politische Opposition (Bl. 14ff) als auch zu den exilpolitischen Tätigkeiten (Bl.
30/31) enthalten eine Fortschreibung der früheren Einschätzung und enthalten keine
konkreten Aussagen zu einer Verschärfung des Verfolgungsdrucks.
94
Ist demnach weiter davon auszugehen, dass exilpolitische Aktivitäten niedrigen Profils
keine beachtliche Wahrscheinlichkeit von asyl- oder abschiebungsrelevanten Gefahren
auslösen, so können die Aktivtäten des Klägers nicht als exponierte Betätigung bewertet
werden. Insoweit ist zu den von ihm entfalteten Aktivitäten Folgendes festzustellen:
95
Die Mitgliedschaften in den Organisationen „Komitee zum 11. September" und „IFIR"
stellen ebenso wie die vom Kläger vorgetragenen Teilnahmen an Veranstaltungen und
Protestaktionen dieser Organisationen in Anwendung der vorgenannten Maßstäbe die
üblichen exilpolitischen Aktivitäten niedrigen Profils dar, die so oder in vergleichbarer
Weise in einer Vielzahl von Verfahren von iranischen Asylbewerbern geltend gemacht
werden. Eine herausgehobene Stellung des Klägers lässt sich insoweit auch nicht
deshalb feststellen, dass der Kläger „teilweise als Funktions-träger in der Organisation
Komitee zum 11. September wirkt" (Folgeantrag). Denn insoweit ist nicht ersichtlich,
dass es sich um eine herausgehobene Stellung innerhalb dieser Organisationen
handelt und auch der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung lässt sich nicht
entnehmen, dass er tatsächlich eine herausgehobene Position in dieser Organisation
hat.
96
Soweit der Kläger der Organisation „IFIR", die eine Unterorganisation der AKPI ist, und
die Ortsgruppe in T. mitgegründet und für diese einen Büchertisch in der Siegener
Innenstadt organisiert hat, ist eine besondere Gefährdung nicht ersichtlich. Insoweit hat
die Kammer bezüglich des Gründers und Leiters dieser Ortsgruppe im Urteil vom 13.
Januar 2006 - 12 K 1311/05.A - Folgendes ausgeführt:
97
„Soweit der Kläger Mitglied der AKPI und der Unterorganisation IFIR seiner Partei ist
und an einer Vielzahl von Veranstaltungen und Demonstrationen dieser Organisationen
teilgenommen hat, handelt es sich bei solchen Aktivitäten um die üblichen, von einer
Vielzahl iranischer Asylbewerber entwickelten Aktivitäten, die nach gefestigter
obergerichtlicher Rechtsprechung als niedrig profilierte Tätigkeit eine Verfolgungsgefahr
nicht begründen können. Dass der Kläger nahezu täglich in Angelegenheiten seiner
Partei im Bundesgebiet unterwegs ist, rechtfertigt allein noch nicht eine abweichende
Beurteilung. Denn niedrig profilierten Aktivitäten ist auch dann keine Bedeutung für die
Verfolgungsgefahr beizumessen, wenn der Asylbewerber häufiger an solchen
Veranstaltungen teilnimmt, denn die Erhöhung der Quantität niedrig profilierter
Tätigkeiten führt allein nicht zu einer Qualitätsänderung der Gesamtaktivität.
98
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Februar 2000 a.a.O..
99
Auch die Gründung einer Ortsgruppe der AKPI und die Übernahme der Leitung in T.
100
begründet keine herausgehobene Stellung in der iranischen Exilszene, die den Kläger
in den Augen der iranischen Behörden allein oder in Gemeinschaft mit anderen als
einen gefährlichen Regimegegner erscheinen lassen könnte. Denn die AKPI und ihre
Unterorganisationen entfalten in Deutschland und im europäischen Ausland eine
Vielzahl exilpolitischer Aktivitäten und ihnen kommt im Iran nahezu keine politische
Bedeutung mehr zu. Angesichts ihrer exilpolitischen Ausrichtung haben selbst
Vorstandsmitglieder örtlicher Räte nach den vorliegenden Erkenntnisquellen im Falle
einer Rückkehr nach Iran nicht mit staatlichen oder staatlich geduldeten Repressalien
zu rechnen.
Vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 3. Februar 2004 an das VG Frankfurt und
Deutsches Orient-Institut an das VG Frankfurt vom 4. Mai 2004; zur politischen
Ausrichtung, der Organisationsstruktur und den Aktivitäten der AKPI und ihrer
Unterorganisationen auch: Bundesamt für Verfassungsschutz, Auskunft an das VG
Frankfurt vom 16. Januar 2004 sowie Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-
Westfalen 2004 S. 187 ff.
101
Gerade die diesbezüglichen Angaben des Klägers zu der Gruppe in T. und seinen
„überörtlichen" Tätigkeiten zeigen, dass die Vorstandstätigkeit in einer Ortsgruppe allein
nicht zu einer besonderen Exponiertheit führt. Denn nach den Angaben des Klägers
besteht die Ortsgrupe der AKPI aus nur drei Mitgliedern und diese beschränken sich
insbesondere auf die Mitgliederwerbung sowie die Beratung von Flüchtlingen. Von den
nur 400 Mitgliedern der Partei sollen allein 71 Personen Kader sein und in Köln sollen
sich monatlich etwa 35 bis 40 Personen versammeln. Nach den Erkenntnissen des
Landesamtes für Verfassungschutz hatte die AKPI in Nordrhein-Westfalen nur 120
Mitglieder.
102
Vgl. Verfassungsschutzbericht 2004 S. 187.
103
Auf der Grundlage der Angaben des Klägers ist somit davon auszugehen, dass bereits
jedes Mitglied in T. eine Vorstandstätigkeit ausübt, mehr als ein Viertel der Mitglieder in
Nordrhein-Westfalen eine herausgehobene Tätigkeit ausüben und auf Bundesebene
über 15 % als Kader der Partei anzusehen sind. Berücksichtigt man weiter, dass die
AKPI mit weiteren Unterorganisationen wie z.B. IFIR strukturell und ideologisch
verflochten ist,
104
Vgl. Verfassungsschutzbericht 2004 S. 188f,
105
und dass diese Unterorganisationen nach Kenntnis der Kammer aus anderen Verfahren
ihrerseits wieder weitere Unterorganisationen wie z.B. Frauen- und Jugendkomitees
bilden, so zeigt sich deutlich, dass die gesamte Struktur der AKPI der Förderung der
hiesigen Asylverfahren dient. Die Kammer schließt sich daher der Einschätzung des
Auswärtigen Amtes und des Deutschen Orient-Institutes an, dass Personen, die auf
örtlicher Ebene Verantwortung in der AKPI tragen, bei einer Rückkehr keine Gefahren
drohen."
106
Angesichts dieser Ausführungen, an denen die Kammer weiter festhält, lösen die
Aktivitäten des Klägers für die IFIR jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
Verfolgungsmaßnahmen aus.
107
Eine herausgehobene Stellung oder besondere Gefährdung des Klägers ergibt sich
108
auch nicht aus dem Umstand, dass er im Intrenet aktiv ist und regimekritische
Stellungnahmen dort veröffentlicht hat. Aktivitäten auf diversen eigenen oder von den
zahlreichen Exilorganisationen bereit gestellten Internetseiten gehören inzwischen nach
den Erfahrungen der Kammer zu dem „Standardprogramm" iranischer Asylbewerber.
Die Veröffentlichung von Artikeln, Leserbriefen oder sonstigen regimekritischen
Materials (Lichtbilder von Veranstaltungen und Demonstrationen, Karikaturen etc.) stellt
ein Massenphänomen dar, mit dem eine Vielzahl von iranischen Asylbewerbern ihre
herausgehobene Stellung belegen wollen.
Vgl. zur Internetpräsenz iranischer Exilorganisationen z.B. aus jüngster Zeit: Deutsches
Orient-Institut an das VG Wiesbaden vom 3. Februar 2006 und an das VG Regensburg
vom 5. Januar 2006.
109
Auch für Aktivitäten im Internet ist der vorgenannte Maßstab der Herausgehobenheit
bzw. Exponiertheit heranzuziehen, denn das Internet stellt nur ein (zwar leichter
zugängliches) anderes Medium wie die bereits früher genutzten Medien (Zeitschriften,
sonstige Publikationen wie Bücher und Flugblätter, Auftritte in lokalen Fernsehsendern
etc.) dar. Es kommt nach Überzeugung des Gerichts somit auch im Hinblick auf die
Verfolgungsgefahr entscheidend auf den veröffentlichten Inhalt an. Mithin ist eine
exponierte exilpolitische Betätigung auch insoweit nur dann anzunehmen, wenn der
Kläger aufgrund des Internetauftritts aus der Masse der iranischen Asylbewerber
heraustritt und ihn als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner erscheinen lassen.
110
Die vorliegenden Erkenntnisse betreffend die Überwachung des Internets im Iran
einschließlich des Blockierens von Internetseiten sowie die Verhaftung von Netz-
Aktivisten und Web-Journalisten
111
Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 21. September 2006 und Deutsches Orient-
Institut an das VG Wiesbaden vom 3. Februar 2006,
112
können nicht dazu führen, dass für Aktivitäten im Internet ein anderer Maßstab
anzulegen ist. Denn zum einen beziehen sich diese Maßnahmen (Verhaftung von Netz-
Aktivisten und Web-Journalisten) auf im Iran öffentlich geäußerte Kritik und diese sind
nicht mit den exilpolitischen Aktivitäten iranischer Asylbewerber zu vergleichen. Denn
bei in Iran lebenden Regimekritikern, die sich trotz der allgemein bekannten Gefährdung
in öffentlich zugänglichen Quellen äußern, ist von vornherein anzunehmen, dass es sich
um ernsthafte Regimegegner handelt. Dagegen beruht die vorgenannten
Rechtsprechung zur Exilpolitik maßgeblich auch auf der Annahme, iranischen
Behörden sei bekannt, dass sich iranische Asylbewerber zur Förderung ihrer
Asylverfahren exilpolitisch betätigen. Danach ist nicht allein aufgrund der öffentlichen
Regimekritik darauf zu schließen, dass es sich um einen ernsthaften Regimegegner
handelt, der auch im Falle einer Rückkehr in den Iran, seine Aktivitäten fortsetzen
würde.
113
Der Kläger prangert in seinen Artikeln im Internet ausweislich der im Folgeantrag
dargelegten Inhalte in plakativer Weise die iranische Machthabern an. Neue
Informationen, die geeignet wären, den iranischen Staat in besonderer Weise an den
Pranger zu stellen, werden von dem Kläger nicht verbreitet. Die von ihm thematisierten
innenpolitischen Probleme des Irans oder Stellungnahmen zu den Mohammed-
Karikaturen werden auch ständig in vergleichbarer Weise in den zahlreichen
Publikationsorganen der iranischen Exilorganisationen wiederholt. Durch die
114
Veröffentlichung von eigenen Artikeln zu diesen allgemeinkundigen Themen hebt sich
der Verfasser nicht aus der Masse der im westlichen Ausland lebenden Exiliraner
heraus. Eine Verfolgungsgefahr vermögen diese Internetartikel mit der erforderlichen
beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht zu begründen.
Auch der Vortrag des Klägers, er lebe in Deutschand mit einer verheirateten Frau
zusammen und seine im Iran lebende Frau fordere von ihm, die Konversion rückgängig
zu machen, war bereits Gegenstand des Erstverfahrens. Diese
Wiederaufgreifensgründe können daher nicht zur Durchführung eines weiteren
Asylverfahrens führen. Das VG Gelsenkirchen hat im Erstverfahren auch zutreffend
dargelegt, dass dieser Vortrag nicht geeignet ist, die Feststellung eines
Abschiebungshindernisses zu begründen. Diese Ausführungen werden weder vom
Kläger substantiiert in Zweifel gezogen noch teilt er mit, dass Änderungen der Sach-
oder Rechtslage insoweit festzustellen seien, so dass die bloße Wiederholung des
Vortrages nicht geeignet ist, eine Abänderung der Entscheidung im Hinblick auf die
Gewährung von Abschiebungsschutz zu rechtfertigen.
115
Soweit der Kläger auf seine psychische Erkrankung verweist, ist zwar eine veränderte
Sachlage gegeben, doch kann diese Erkrankung nicht zur Feststellung eines
Abschiebungsverbotes führen. Gemäß § 60 Abs.7 S.1 AufenthG soll von der
Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort
für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit
besteht. Dem Kläger drohen bei unterstellter Rückkehr in sein Heimatland keine
erheblichen konkreten Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7
Satz 1 AufenthG.
116
§ 60 Abs.7 S.1 AufenthG erfasst nur zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, d.h.
nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen des
Abschiebungszielstaates begründet sind. Demgegenüber zählen Gefahren, die sich
allein als Folge der Abschiebung oder im Zusammenhang mit der Abschiebung als
solcher ergeben, nicht zu den vom Bundesamt im Abschiebungsschutzverfahren nach §
60 Abs.7 S.1 AufenthG zu berücksichtigenden Gefahren, sondern sind als
inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse von der Ausländerbehörde bei Vollziehung
der Abschiebungsandrohung zu beachten.
117
Vgl. zu § 53 Abs.6 AuslG: BVerwG, Urteile vom 9. September 1997 - 9 C 48.96 -,
Informationsbrief Ausländerrecht (InfAuslR) 1998,125, vom 11. November 1997 -9 C
13.96 -, BVerwGE 105,322, vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 -, BVerwGE 105,383
und vom 27. April 1998 - 9 C 13.97-, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ)
1998,973.
118
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot kann vorliegen, wenn dem Ausländer im
Abschiebezielstaat erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Dies ist nicht zuletzt dann
anzunehmen, wenn ein Ausländer bereits in der Bundesrepublik Deutschland an einer
Krankheit leidet, die sich im Falle der Rückkehr in sein Heimatland verschlimmert, weil
sie im Abschiebezielstaat nicht hinreichend behandelt werden kann. Dabei ist von einer
erheblichen Gefahr für Leib und Leben auszugehen, wenn sich der Gesundheitszustand
wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Konkret ist diese Gefahr,
wenn die wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes alsbald nach der
Rückkehr ins Heimatland zu erwarten ist.
119
Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. November 1997 und vom 27. April 1998 jeweils a.a.O. und
zuletzt Urteil vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18/05 -DVBl. 07,254.
120
Nach diesen Maßstäben liegen bei dem Kläger die Voraussetzungen für die
Feststellung eines Abschiebungsverbotes nicht vor.
121
Der Kläger leidet ausweislich der psychologisch-psychotherapeutischen Bescheinigung
der Emmaburg-Klinik vom 25. Januar 2007 an einer rezidivierenden depressiven
Störung. Insoweit hat das das Gericht bereits Zweifel, ob es sich um ein
zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot handeln würde, weil ausweislich der
Bescheinigung die psychische Erkrankung durch die akute Angst vor der Abschiebung
verstärkt wird. Dies kann jedenfalls dahinstehen und bedarf insoweit auch keiner
weiteren Aufklärung durch das Gericht, weil psychische Erkrankungen im Iran behandelt
werden können.
122
Vgl. zur Behandelbarkeit psychischer Erkrankungen zuletzt die Urteile der Kammer vom
13. Juli 2006 - 12 K 1928/06.A -, vom 7. Juli 2006 - 12 K 1611/06.A - und - 12 K
1246/06.A - und vom 16. Februar 2007 - 12 K 988/06.A -.
123
Denn die medizinische Versorgung im Iran entspricht zwar nicht internationalen
Anforderungen, ist aber ausreichend bis - vor allem in Teheran - befriedigend. Die
Versorgung mit Medikamenten ist weitestgehend gewährleistet und
Behandlungsmöglichkeiten auch für schwerste Erkrankungen sind zumindest in
Teheran grundsätzlich gegeben.
124
Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 24. März 2006 S. 35 und 21. September
2006 S. 37.
125
Es gibt im Iran auch genügend Neurologen und Psychologen zur Behandlung von
psychischen Erkrankungen,
126
vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 6. September 2001 an VG Leipzig,
127
und eine medikamentöse Behandlung psychischer Erkrankungen ist sowohl in privaten
Einrichtungen als auch in psychiatrischen Krankenhäusern durchaus möglich.
128
Vgl. Deutsches Orient-Institut an das VG Mainz vom 3. Juni 2002.
129
Nach alledem hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines
Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufentG.
130
Die Klage ist somit mit der Kostenfolge aus § 154 Abs.1 VwGO abzuweisen. Die
Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
131
Die vom Prozesbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung
angeregte Zulassung der Berufung durch das Gericht scheidet gemäß § 78 AsylVfG
aus.
132