Urteil des VG Arnsberg vom 27.07.2000

VG Arnsberg: genehmigung, grundstück, satzung, wohnhaus, gemeinde, landwirtschaft, entstehung, ausnahme, landschaftsplan, wohngebäude

Verwaltungsgericht Arnsberg, 4 K 1733/99
Datum:
27.07.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 1733/99
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin begehrt die Erteilung der Genehmigung durch die Beklagte für die 1.
Änderung der Außenbereichssatzung "E. ".
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Am 22. Januar 1993 trat die vom Rat der Klägerin beschlossene Außenbereichssatzung
"E. " gemäß § 4 Abs. 4 des Wohnungsbauerleichterungsgesetzes a. F. in Kraft, wonach
im Satzungsgebiet Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 des
Baugesetzbuches nicht entgegengehalten werden kann, daß sie einer Darstellung im
Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen
oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Der
Satzungsbereich umfaßt das an der hufeisenförmig verlaufenden Straße "In der E. "
gelegenen mit Wohnhäusern bebaute Gebiet. Er endet in südöstliche Richtung hinter
dem Grundstück Gemarkung G1. Am 28. September 1998 beschloß der Rat der
Klägerin die 1. Änderung der Außenbereichssatzung "E. ". Durch diese Änderung
werden das an den Satzungsbereich südöstlich angrenzende Flurstück 20 sowie das
weiter östlich gelegene Grundstück In der E. 15 in den Geltungsbereich der Satzung
miteinbezogen.
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Die örtlichen Verhältnisse in dem Satzungsbereich stellen sich folgendermaßen dar:
Das bisherige Satzungsgebiet wird durch allgemeine Wohnnutzung geprägt. Das
Gelände auf dem in die Änderungssatzung einbezogenen Flurstück 20 fällt in
südwestliche Richtung stark ab. Es ist mit hochstämmigen Nadelbäumen bestanden.
Auf dem Grundstück befindet sich ein überwiegend in Holzbauweise errichtetes
Gebäude mit angrenzendem Wintergarten sowie einem kleinen Schuppen. Genehmigt
ist auf dem Grundstück lediglich ein Gartenhaus. Nördlich des vorbezeichneten
Grundstücks zweigt von der Straße In der E. in östliche Richtung ein Weg ab, der die
Zufahrt zum Gebäude In der E. 15 bildet. Das Wohngebäude wurde kürzlich im Rahmen
des § 35 Abs. 4 Nr. 5 Baugesetzbuch erweitert. Das diesem Gebäude zugehörige
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Grundstück ist im wesentlichen nicht mit Bäumen bewachsen. An das Grundstück
schließt sich westlich (also zwischen dem Grundstück In der E. 15 und dem Flurstück
20) ein hochstämmiger Nadelwald an. Der von der Satzungsänderung betroffene
Bereich liegt im Landschaftsschutzgebiet des Landschaftsplanes Nr. 3 "M. ". Der
Flächennutzungsplan der Klägerin stellt das betreffende Gebiet als Waldfläche bzw. das
mit dem Haus In der E. 15 bebaute Grundstück als Fläche für die Landwirtschaft dar.
In seiner Stellungnahme vom 11. Mai 1998 lehnte der Landrat des N. Kreises - Amt für
Umweltschutz - die Erweiterung der Außenbereichssatzung mit folgender Begründung
ab: Nach den Festsetzungen des Landschaftsplanes sei im Landschaftsschutzgebiet die
Errichtung baulicher Anlagen verboten. Eine Ausnahme von den Verboten des
Landschaftsplanes könne nicht in Aussicht gestellt werden, da der Bereich überwiegend
bewaldet sei. Bei Errichtung eines Vorhabens könne kein ausreichender Waldbestand
gewährleistet werden. Das im Neubau befindliche Gebäude In der E. 15 sei von der
übrigen Bebauung durch Wald getrennt. Durch eine Bebauung im fraglichen Gebiet
würde die Ortschaft E. in die freie Landschaft erweitert.
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Mit Bescheid vom 10. November 1998 lehnte die Beklagte die beantragte Genehmigung
der Satzungsänderung mit folgender Begründung ab: Die Änderung der Satzung sei
nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Abwägung der Belange des
Landschaftsschutzes sei nicht gerecht gewichtet worden. Die Festsetzung von
Landschaftsschutzgebieten in einem Landschaftsplan führe zur Unzulässigkeit von
Bauvorhaben. Der N. Kreis habe für eine Bebauung im fraglichen Gebiet keine
Ausnahme von den Festsetzungen des Landschaftsplanes in Aussicht gestellt. Deshalb
könne die mit der Änderung der Außenbereichssatzung verfolgte Zielsetzung der
Ermöglichung einer Bebauung nicht verwirklicht werden. Eine Planung verstoße gegen
geltendes Recht, wenn sie aufgrund besonderer Umstände auf unabsehbare Zeit nicht
realisierungsfähig sei, da das eigentliche Ziel der gestalterischen Planung verfehlt
werde. Zudem handele es sich bei der 1. Änderung der Außenbereichssatzung um eine
unzulässige Erweiterung einer Splitterbebauung.
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Gegen die Versagung der Genehmigung erhob die Klägerin mit Schreiben vom 24.
Februar 1999 Widerspruch, den sie wie folgt begründete: Die durch die Änderung der
Außenbereichssatzung einbezogenen Grundstücksflächen seien bereits baulich
genutzt, so daß sie de facto der Splittersiedlung E. zuzuordnen seien. Die freie
Landschaft beginne erst im Anschluß an das Wohnhaus In der E. 15, welches kürzlich
zulässigerweise erweitert worden sei. Aufgrund dieser Erweiterung komme dem
Gebäude ein wesentlich größeres städtebauliches Gewicht hinsichtlich der Frage der
Abgrenzung der ursprünglichen Außenbereichssatzung zu. Die Entscheidung des N.
Kreises, an der Schutzgebietsausweisung ausnahmslos festzuhalten, basiere auf einer
fehlerhaften Abwägung der zu berücksichtigenden Belange. Wegen der verfestigten
baulichen Nutzung der betreffenden Grundstücke seien die Ziele des
Landschaftsplanes an dieser Stelle nicht mehr realisierbar.
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Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 30. März 1999 als unbegründet
zurück. Zur Begründung führte sie an: Die Erweiterung der Außenbereichssatzung sei
mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung nicht vereinbar. Die Abwägung der
Belange des Landschaftsschutzes könne nur gerecht zustande kommen, wenn der
Träger der Landschaftsplanung seine Zustimmung erkläre. Dies sei nicht erfolgt. Die
illegale Nutzung des Flurstücks 20 könne nicht als bereits vollzogene bauliche Nutzung
angesehen werden. Das Wohnhaus An der E. 15 sei bereits bei Erlaß der Satzung im
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Jahre 1992 vorhanden gewesen. Somit habe sich die bauliche Situation seitdem nicht
geändert.
Am 6. Mai 1999 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, die sie schriftsätzlich
nicht weiter begründet hat.
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Sie beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. November 1998 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 30. März 1999 zu verpflichten, die Genehmigung der 1.
Änderung der Außenbereichssatzung für den Ortsteile "E. " zu erteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung vertieft und ergänzt sie ihr bisheriges Vorbringen.
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Aufgrund des Beschlusses der Kammer vom 10. Februar 2000 hat der Berichterstatter
die örtlichen Verhältnisse am 30. März 2000 in Augenschein genommen. Wegen der
dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift (Blatt 20 bis 23 der
Gerichtsakte) verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat
keinen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung. Die Versagung der Genehmigung
durch die Beklagte ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
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Gemäß § 35 Abs. 6 Satz 6 des Baugesetzbuches (BauGB) bedarf eine Satzung nach
Satz 1 dieser Vorschrift (Außenbereichssatzung) der Genehmigung der höheren
Verwaltungsbehörde. Die Genehmigung darf nach §§ 35 Abs. 6 Satz 6, 2. Halbsatz i. V.
m. 6 Abs. 2 BauGB nur versagt werden, wenn sie dem BauGB, den aufgrund dieses
Gesetzes erlassenen oder sonstigen Rechtsvorschriften widerspricht. Die
Voraussetzungen für eine Versagung der Genehmigung liegen vor. Die 1. Änderung der
Außenbereichssatzung verstößt gegen geltendes Recht.
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Nach § 35 Abs. 6 Satz 1 BauGB kann eine Gemeinde für bebaute Flächen im
Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine
Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, daß
Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB nicht
entgegengehalten werden kann, daß sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan
über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder
Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Dabei muß die Satzung gemäß §
35 Abs. 6 Satz 4 BauGB mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar
sein.
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Die Kammer muß nicht darüber befinden, ob die 1. Änderung der
Außenbereichssatzung schon deshalb gegen geltendes Recht verstößt, weil die mit ihr
verfolgte Zielsetzung der Ermöglichung einer Bebauung aufgrund der im
Landschaftsplan Nr. 3 "M. " des N. Kreises erfolgten Ausweisung des neuen
Satzungsbereichs als Landschaftsschutzgebiet auf unabsehbare Zeit nicht
realisierungsfähig ist. Die Rechtswidrigkeit der Änderungssatzung ergibt sich zumindest
daraus, daß durch sie eine unzulässige Erweiterung der vorhandenen Splittersiedlung
"E. " ermöglicht wird.
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Im bisherigen Geltungsbereich der Satzung ist nach den bei der Ortsbesichtigung
getroffenen Feststellungen eine Bebauung vorhanden, die nicht überwiegend
landwirtschaftlich, sondern durch allgemeine, nicht betriebsbezogene Wohnnutzung
geprägt ist. Dabei handelt es sich um eine Wohnbebauung von einigen Gewicht. Die
genaue Mindestanzahl von Gebäuden, die eine Wohnbebauung von einigem Gewicht
bildet, läßt sich nicht abstrakt festlegen. Vielmehr ist auf die konkrete Situation
abzustellen. Die Voraussetzung ist aber jedenfalls dann erfüllt, wenn die Bebauung eine
Splittersiedlung bildet oder zumindest den Ansatz einer Splittersiedlung in sich trägt,
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vgl. Hofherr, in: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 2. Auflage (1995), § 4
Maßnahmengesetz zum BauGB Rdnr. 22.
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Die innerhalb der bisher geltenden Außenbereichssatzung liegenden Gebäude stellen
eine Splittersiedlung dar, die ein städtebauliches Gewicht besitzt. Dagegen gehört das
durch die streitige 1. Änderung in den Satzungsbereich einbezogene Gebiet der
bestehenden Splittersiedlung nicht an, so daß seine Einbeziehung mit einer geordneten
städtebaulichen Entwicklung nicht vereinbar ist.
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Das Erfordernis einer geordneten städtebaulichen Entwicklung trägt dem Umstand
Rechnung, daß durch eine Außenbereichssatzung bestimmte planungsrechtliche
Einwände gegen Bauvorhaben im Satzungsgebiet konstitutiv ausgeräumt werden. Dies
erfordert eine an den Planungsleitlinien des § 1 Abs. 5 BauGB orientierte sachgerechte
Abwägung der betroffenen Belange,
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vgl. Hofherr, in: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 2. Auflage (1995), § 4
Maßnahmengesetz zum BauGB Rdnr. 22.
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Daraus folgt, daß das Gebot einer geordneten städtebaulichen Entwicklung bereits auf
die räumliche Festlegung des Satzungsgebietes durchschlagen muß. Zu
berücksichtigen ist dabei, daß einem Vorhaben im Geltungsbereich der Satzung nicht
entgegengehalten werden kann, es lasse die Entstehung oder Verfestigung einer
Splittersiedlung befürchten. Die Regelung des § 35 Abs. 6 BauGB suspendiert aber
nicht von dem öffentlichen Belang, daß die Erweiterung einer Splittersiedlung zu
befürchten ist. Einer geordneten städtebaulichen Entwicklung widerspricht somit die
Einbeziehung von Flächen, die die vorhandene Splittersiedlung in die freie Landschaft
erweitern,
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vgl. Schmaltz, in: Kommentar zum Baugesetzbuch, begründet von Schrödter, 6. Aufl.
(1998), § 35 Rdnr. 161.
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Durch das Instrument der Außenbereichssatzung soll die Gemeinde die Möglichkeit
erhalten, Baulücken, die innerhalb einer im Außenbereich bestehenden Siedlung
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vorhanden sind, grundsätzlich für bebaubar zu erklären, um eine Verdichtung der bereits
bestehenden Bebauung zu erreichen. Eine Außenbereichssatzung soll aber nicht mehr
dazu beitragen, den vorhandenen Siedlungsansatz in bislang unbebaute, von der
bestehenden Bebauung nicht mehr geprägte Flächen auszudehnen. Die Zulassung
einer Bebauung in dem durch die streitige 1. Änderung der Außenbereichssatzung
einbezogenen Gebiet würde aber zu einer derartigen Ausdehnung der vorhandenen
Splittersiedlung in die freie Landschaft führen, die von der Satzungsermächtigung des §
35 Abs. 6 BauGB nicht mehr gedeckt ist. Auf dem an das bisherige Satzungsgebiet
angrenzenden Flurstück 20, dessen Bebauung mit der Satzungsänderung in erster Linie
begehrt wird, ist lediglich ein Gartenhaus genehmigt. Eine Wohnnutzung ist nicht
legalisiert. Deshalb kann die auf diesem Grundstück bestehende illegale Bebauung
nicht als Bestandteil der Splittersiedlung angesehen werden. Auch das weiter östlich
dieses Flurstücks befindliche Wohngebäude In der E. 15 steht mit der Siedlung im
bisherigem Satzungsgebiet nicht mehr in einem Zusammenhang. Zwar sind die
Grenzen einer Splittersiedlung, die Bestanteil einer Außenbereichssatzung sein kann,
nicht so eng zu ziehen wie etwa die Grenzen der im Zusammenhang bebauten Ortsteile
nach § 34 BauGB. Es darf aber nicht jedes einzeln stehende Gebäude in eine
Außenbereichssatzung einbezogen werden, da es ansonsten der Gemeinde
offenstünde, nahezu den gesamten Außenbereich durch den Erlaß einer Satzung nach
§ 35 Abs. 6 BauGB einer Bebauung zuzuführen. Das Gebäude In der E. 15 liegt vom
bisherigen Satzungsgebiet zwar nur ca. 50 bis 60 m entfernt. Der zwischen dem
Satzungsgebiet und dem vorgenannten Wohnhaus bestehende Nadelwald bildet aber
eine Zäsur, die das Gebäude von der bestehenden Splittersiedlung trennt und somit
dem erforderlichen städtebaulichen Zusammenhang entgegensteht. An dieser Zäsur
vermag auch die kürzlich im Rahmen des § 35 Abs. 4 Nr. 5 BauGB vorgenommene
Erweiterung des Wohnhauses In der E. 15 nichts zu ändern. Auch nach dieser
Erweiterung wird das Wohnhaus von der im bisherigen Satzungsgebiet bestehenden
Bebauung nicht geprägt, sondern bleibt ein in der freien Landschaft stehendes
Gebäude.
Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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