Urteil des VG Arnsberg vom 09.07.2010

VG Arnsberg (wahlvorschlag, kläger, abstimmung, fraktion, besetzung, geheime abstimmung, landrat, verteilung der sitze, ausschuss, wahl)

Verwaltungsgericht Arnsberg, 12 K 3599/09
Datum:
09.07.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 K 3599/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
1
Der Kläger wendet sich gegen Beschlüsse des beklagten Kreistags zur Besetzung von
Kreistagsausschüssen und weiteren Gremien.
2
Der Kläger ist fraktionsloses Mitglied des Beklagten, dem daneben der Landrat sowie
Mitglieder der CDU- Fraktion (28 Kreistagsmitglieder), der SPD- Fraktion (14), der FDP-
Fraktion (5), der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen (4) und der Fraktion Die Linke (2)
angehören.
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In der konstituierenden Kreistagssitzung vom 6. November 2009 wurden unter den
Tagesordnungspunkten (TOP) 8.4 bzw. 9 die Besetzung von Ausschüssen sowie des
Kreispolizeibeirates bzw. die Bestellung der Vertreter des Kreises zur Wahrnehmung
von Mitgliedschaftsrechten in Organen, Beiräten oder Ausschüssen von juristischen
Personen oder Personenvereinigungen (Drittorganisationen) behandelt. Die
zugrundeliegenden Beschlussvorlagen der Verwaltung enthielten personalisierte
Wahlvorschläge zur Besetzung der dort im einzelnen aufgeführten Gremien, die von
sämtlichen im Kreistag vertretenen Fraktionen erarbeitet und vorgelegt worden waren.
Dabei war nach der Begründung der Verwaltungsvorlagen - von sich aus der
Zusammensetzung einzelner Gremien ergebenden Besonderheiten abgesehen - eine
Verteilung der Sitze auf die den jeweiligen Fraktionen zugeordneten Bewerber nach
dem System Hare / Niemeyer vorgenommen worden.
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Ausweislich der Niederschrift zum TOP 8.4 der Kreistagssitzung stellte der Landrat nach
einzelnen Änderungen bzw. Ergänzungen der zugrundeliegenden Verwaltungsvorlagen
zunächst den (so modifizierten) interfraktionellen Wahlvorschlag für die Besetzung der
Ausschüsse und des Kreispolizeibeirates zur Abstimmung. Nachdem der Kläger gegen
diesen Wahlvorschlag gestimmt hatte, forderte der Landrat die Fraktionen auf,
Wahlvorschläge für die Besetzung abzugeben und machte darauf aufmerksam, dass der
Kläger nicht berechtigt sei, Wahlvorschläge einzureichen.
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Daraufhin stellte der Fraktionsvorsitzende der CDU- Fraktion den interfraktionellen
Wahlvorschlag als Wahlvorschlag der CDU- Fraktion erneut zur Abstimmung. Die
anderen Fraktionen machten keine eigenen Wahlvorschläge.
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Hierauf machte der Kläger geltend, dass auch er als einzelnes Kreistagsmitglied
berechtigt sei, Wahlvorschläge zur Ausschussbesetzung zu unterbreiten, und dass er es
als erforderlich ansehe, für jeden Ausschuss einen eigenen Wahlgang durchzuführen,
zumal er beabsichtige, für jeden Ausschuss sukzessiv entsprechende Vorschläge
einzubringen.
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Anschließend schlug der Landrat vor, über jeden Ausschuss einzeln abstimmen zu
lassen, so dass der Kläger seine Änderungsvorschläge vortragen könne.
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Nachdem der Kläger für den zunächst aufgerufenen Ausschuss einen zweiten
Wahlvorschlag gemacht hatte, schlug der Landrat vor, über die beiden Wahlvorschläge
nunmehr abzustimmen. Daraufhin wies der Kläger auf die Regelung des § 23 Abs.2 der
Geschäftsordnung des Kreistags (GeschO) hin, wonach eine Wahl auf Verlangen eines
Kreistagsmitglieds geheim zu erfolgen habe.
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Hierauf führte ein Vertreter der Verwaltung aus, dass gemäß § 35 Abs.3 der
Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (KrO NRW) nur Fraktionen und
Gruppen Wahlvorschläge zur Ausschussbesetzung einreichen könnten und dass man
somit nunmehr über den einzigen Wahlvorschlag eine Abstimmung herbeiführe.
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Der Landrat ließ anschließend über den seitens der CDU vorgetragenen Wahlvorschlag
abstimmen, der bei einer Gegenstimme des Klägers mehrheitlich angenommen wurde.
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Unter dem TOP 9 stellte der Landrat wiederum nach einzelnen Änderungen der
zugrundeliegenden Verwaltungsvorlagen zunächst den (so modifizierten)
interfraktionellen Wahlvorschlag für die Bestellung der Vertreter des Kreises zur
Wahrnehmung von Mitgliedschaftsrechten in Drittorganisationen zur Abstimmung.
Nachdem der Kläger auch gegen diesen Wahlvorschlag gestimmt hatte, forderte der
Landrat wiederum die Fraktionen auf, Wahlvorschläge für die Besetzung abzugeben.
12
Daraufhin stellte der Fraktionsvorsitzende der CDU- Fraktion abermals den
interfraktionellen Wahlvorschlag als Wahlvorschlag der CDU- Fraktion erneut zur
Abstimmung und die anderen Fraktionen machten keine eigenen Wahlvorschläge.
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Der Kläger meldete sich zu Wort und betonte seine Absicht, für die Gesellschaft für
Abfallwirtschaft einen eigenen Wahlvorschlag einreichen zu wollen. Er fragte den
Landrat, ob dieser seinen Wahlvorschlag zulasse, was der Landrat verneinte.
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Anschließend wurde der seitens der CDU vorgetragene Wahlvorschlag mehrheitlich bei
einer Gegenstimme des Klägers angenommen.
15
Der Kläger forderte den Landrat unter dem 8. November 2009 auf, die
Kreistagsbeschlüsse vom 6. November 2009 zu den TOP 8.4 und 9 zu beanstanden
und führte hierzu aus:
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Ein einheitlicher Wahlvorschlag für die Ausschussbesetzung gelte nach § 35 Abs.3 KrO
NRW nur dann als angenommen, wenn er einstimmig beschlossen werde. Obwohl er
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gegen den einheitlichen Wahlvorschlag gestimmt habe, sei ein und derselbe
Wahlvorschlag erneut zur Abstimmung gestellt und dann mit Mehrheit beschlossen
worden. Hierdurch sei seiner Gegenstimme die Sperrwirkung genommen und eine
echte Wahl mit mehreren Vorschlägen verhindert worden.
Er sei zudem als einzelnes Kreistagsmitglied berechtigt gewesen, eigene
Wahlvorschläge einzubringen, wie sich aus einem kommunalrechtlichen Kommentar
ergebe. Der Landrat habe insofern seinen Wahlvorschlag zunächst auch selbst
zugelassen.
18
Es habe zudem ein eigener Wahlgang für jeden Ausschuss durchgeführt und auch
geheim abgestimmt werden müssen.
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Der Landrat entgegnete dem: Die gerügten Beschlüsse seien rechtmäßig zustande
gekommen. Ein einzelnes Kreistagsmitglied könne nach der gesetzlichen Regelung bei
der Besetzung der Ausschüsse keinen Wahlvorschlag machen. Lägen nach Ablehnung
eines einheitlichen Wahlvorschlags keine weiteren Wahlvorschläge vor, zu deren
Vorlage die Fraktionen und Gruppen nicht gezwungen werden könnten, könne
schwerlich eine Verhältniswahl durchgeführt werden. Es sei daher gerechtfertigt
gewesen, über den wiederholten einzigen Wahlvorschlag abstimmen zu lassen, der die
Ansprüche der einzelnen Fraktionen auf Sitze in den Ausschüssen berücksichtigt und
damit gleichzeitig die Spiegelbildlichkeit des Meinungs- und Kräfteverhältnisses aus
dem Kreistag in seinen Ausschüssen abgebildet habe.
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Zur Begründung seiner am 3. Dezember 2009 erhobenen Klage vertieft der Kläger sein
bisheriges Vorbringen und weist ergänzend darauf hin, dass man im Rahmen einer
weiteren Ausschussbesetzung im Februar 2010 über einen von ihm unterbreiteten
Wahlvorschlag abgestimmt habe.
21
Der Kläger beantragt,
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1. festzustellen, dass er durch die zu den Tagesordnungspunkten 8.4 und 9 in der
Kreistagssitzung des Hochsauerlandkreises vom 6. November 2009 gefassten
Beschlüsse in seinen Wahl- und Mitwirkungsrechten als Kreistagsmitglied verletzt
worden ist,
23
2. festzustellen, dass die vom Kreistag des Hochsauerlandkreises am 6. November
2009 zu TOP 8.4 und TOP 9 gefassten Beschlüsse daher rechtswidrig sind.
24
Der Beklagte beantragt,
25
die Klage abzuweisen.
26
Er vertieft zur Begründung die bisherigen Ausführungen des Landrates.
27
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die Gerichtsakte nebst Beiakten verwiesen.
28
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
29
Die Klage ist unbegründet.
30
Die Kreistagsbeschlüsse vom 6. November 2009 zu den TOP 8.4 und 9 verletzen den
Kläger nicht in seinen wehrfähigen Organrechten, so dass der Klageantrag zu 1. ohne
Erfolg bleibt.
31
Eine rügefähige Verletzung der Organrechte des Klägers lag zunächst nicht darin, dass
eine Abstimmung über die von ihm gemachten bzw. angekündigten Wahlvorschläge zur
Besetzung der Kreistagsausschüsse und weiterer Gremien unterblieb.
32
Der Kläger war als einzelnes Kreistagsmitglied nach § 35 Abs.3 KrO NRW nämlich nicht
berechtigt, Wahlvorschläge zur Besetzung der hier in Rede stehenden Gremien
einzureichen.
33
Gemäß § 35 Abs.3 KrO NRW ist, wenn sich die Kreistagsmitglieder zur Besetzung der
Ausschüsse auf einen einheitlichen Wahlvorschlag geeinigt haben, der einstimmige
Beschluss der Kreistagsmitglieder über die Annahme dieses Wahlvorschlags
ausreichend (S.1). Kommt ein einheitlicher Wahlvorschlag nicht zustande, so wird nach
den Grundsätzen der Verhältniswahl in einem Wahlgang abgestimmt (S.2). Dabei sind
die Wahlstellen - nach näherer Maßgabe der Sätze 4 bis 6 im Verfahren Hare /
Niemeyer - auf die Wahlvorschläge der Fraktionen und Gruppen des Kreistags
entsprechend dem Verhältnis der Stimmenzahlen, die auf die einzelnen
Wahlvorschläge entfallen, zur Gesamtzahl der abgegebenen gültigen Stimmen zu
verteilen (S.3).
34
Gemäß § 35 Abs.4 S.1 KrO NRW ist das Verfahren nach Abs.3, wenn der Kreistag zwei
oder mehr Vertreter oder Mitglieder im Sinne des § 26 Abs.5 und 6 KrO NRW zu
bestellen oder vorzuschlagen hat, die nicht hauptberuflich tätig sind, entsprechend
anzuwenden.
35
Hiernach stand dem Kläger als einzelnem Kreistagsmitglied kein Recht zu,
Wahlvorschläge für solche Gremien zu unterbreiten, bezüglich derer die Regelung des §
35 Abs.3 KrO NRW unmittelbare bzw. entsprechende Anwendung zu finden hatte, was
bei den hier in Rede stehenden Wahlen weitgehend der Fall war.
36
Ein einstimmiger Beschluss über einen einheitlichen Wahlvorschlag im Sinne des § 35
Abs.3 S.1 KrO NRW war in der Kreistagssitzung vom 6. November 2009 nicht zustande
gekommen. Ob der von sämtlichen Kreistagsfraktionen eingebrachte Wahlvorschlag
einen einheitlichen Wahlvorschlag im Sinne des § 35 Abs.3 S.1 KrO NRW darstellte,
kann insofern dahin stehen,
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vgl. zu den Anforderungen an einen einheitlichen Wahlvorschlag etwa
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom
27. September 2002 - 15 B 855/02 -, abrufbar in JURIS
38
denn jedenfalls stimmte der Kläger dagegen, so dass kein einstimmiger Beschluss aller
Kreistagsmitglieder hierüber vorlag.
39
Bei der danach gebotenen Abstimmung nach den Grundsätzen der Verhältniswahl nach
Maßgabe der Sätze 2 bis 6 war der Kläger nicht befugt, Wahlvorschläge einzubringen.
Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut der in § 35 Abs.3 S.3 KrO NRW
getroffenen Regelung, nach der die Wahlstellen auf die "Wahlvorschläge der Fraktionen
40
und Gruppen des Kreistags" zu verteilen sind. Da ein einzelnes Kreistagsmitglied dem
Wortsinn nach keine "Fraktion" oder "Gruppe" des Kreistags darstellt, sind
Kreistagsmitglieder als solche vom Wahlvorschlagsrecht ausgeschlossen.
Offen gelassen von OVG NRW, Urteil vom 26. November 2002 - 15 A 662/02 -, JURIS.
41
Auch aus den Gesetzesmaterialien, der Systematik der Regelung oder unter sonstigen
Auslegungsgesichtspunkten ergeben sich im Übrigen keine Anhaltspunkte für ein dem
eindeutigen Wortlaut widersprechendes Verständnis der Norm. Ebenso wenig
rechtfertigt die klägerseitige Erwägung, dass die im Gesetz enthaltene Formulierung
noch aus einer Zeit vor dem Wegfall der 5 %- Sperrklausel stamme, eine mit dem
Wortlaut unvereinbare Auslegung. Dies gilt schon weil die in § 35 Abs.3 S.3 KrO NRW
enthaltene Begrenzung auf Wahlvorschläge der Fraktionen und Gruppen des Kreistags
auch im Rahmen der nach Wegfall der Sperrklausel vorgenommenen Änderungen der
Kreisordnung beibehalten worden ist.
42
Die hiermit getroffene Regelung, die allein Fraktionen oder Gruppen des Kreistags, nicht
aber einzelnen Kreistagsmitgliedern ein Wahlvorschlagsrecht einräumt, ist auch unter
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.
43
Vgl. zur Verfassungskonformität der früheren Regelung zur Besetzung der
Ratsausschüsse auch OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2005 - 15 B 673/05 -, JURIS.
44
Insbesondere liegen wesentliche, eine Ungleichbehandlung rechtfertigende
Unterschiede zwischen einer Gruppe bzw. einer Fraktion und einem einzelnen
(insbesondere fraktionslosen) Kreistagsmitglied vor. Eine Fraktion oder Gruppe besteht -
gleichviel wie man den Begriff der Gruppe in § 35 Abs.3 S.3 KrO NRW im Übrigen
versteht - aus mindestens zwei Personen und bildet damit eine Gruppierung des
Kreistags aus einer Mehrheit von Kreistagsmitgliedern zur Bündelung der
Willensbildung. Demgegenüber steht der einzelne Abgeordnete nur für sich alleine.
45
Vgl. zu diesen Erwägungen etwa OVG NRW, Urteil vom 15. September 2004 - 15 A
4544/02 -, JURIS.
46
Diese Unterschiede in der Bedeutung für die Willensbildung des Kreistags rechtfertigen
gerade auch die hier vorgenommene Differenzierung beim Wahlvorschlagsrecht für die
Ausschüsse und andere Gremien, zumal sich aus dem Grundsatz der
Spiegelbildlichkeit von Plenum und Ausschüssen etwa ergebende Ansprüche des
einzelnen Kreistagsmitglieds auf einen Sitz in einzelnen Gremien hiervon unberührt
bleiben (vgl. dazu näher unten).
47
Ist ein einzelnes Kreistagsmitglied demnach nicht berechtigt, im Verfahren nach § 35
Abs.3 S.2 ff. KrO NRW Wahlvorschläge zu unterbreiten, so rechtfertigen auch die vom
Kläger herangezogenen Ausführungen von
48
Plückhahn in: Held / Becker / Decker / Kirchhof / Krämer / Wansleben / Winkel, Praxis
der Kommunalverwaltung, Kommunalverfassungsrecht NRW, Stand: Dezember 2009, §
50 GO NRW, Anm. 6.8
49
keine andere Beurteilung. Soweit die Ausführungen tatsächlich dahin zu verstehen sein
sollten, dass auch ein einzelnes Rats- bzw. Kreistagsmitglied wahlvorschlagsberechtigt
50
sei, stünde dies, wie dargelegt, mit geltendem Recht nicht in Einklang. Im Übrigen
bezieht sich das dortige Bemerken - es stehe dem Ratsmitglied frei, für die Besetzung
der Ausschüsse Wahlvorschläge einzureichen und nach freier Überzeugung
abzustimmen und zu wählen - auf die inhaltliche Entscheidungsfreiheit des einzelnen
Ratsmitglieds im Rahmen der Ausschussbesetzung und nicht auf die Frage, ob ein
Ratsmitglied Wahlvorschläge auch alleine oder nur gemeinsam mit anderen
Ratsmitgliedern als Gruppe oder Fraktion unterbreiten kann. Die vom Kläger
herangezogenen Ausführungen dürften daher - ohne dass es hierauf ankäme - auch
nicht in seinem Sinne zu verstehen sein.
Hatte der Kläger mithin nach § 35 Abs.3 KrO NRW keinen Anspruch auf eine
Abstimmung über die von ihm gemachten bzw. avisierten Wahlvorschläge, weil diese
unzulässig waren, so ergibt sich ein solcher Anspruch auch nicht etwa daraus, dass der
Landrat seine Vorschläge zunächst zur Abstimmung zugelassen hatte. Die zunächst
rechtsfehlerhafte Behandlung seines Wahlvorschlags hinderte weder den Landrat noch
den beklagten Kreistag, den Wahlvorschlag des Klägers nach erneuter Erörterung der
Frage seines Vorschlagsrechts dem Gesetz entsprechend unberücksichtigt zu lassen.
Ebenso wenig ändert die faktische Berücksichtigung eines anderen Wahlvorschlags
des Klägers im Februar 2010 etwas daran, dass ihm als einzelnem Kreistagsmitglied
gemäß § 35 Abs.3 KrO NRW kein Vorschlagsrecht für die hier in Rede stehenden
Wahlen zustand und die angegriffenen Kreistagsbeschlüsse ihn folglich dieserhalb nicht
in seinen Organrechten verletzen.
51
Soweit nach Abhandlung des TOP 8.4 unter dem späteren TOP 9 nicht allein über die
Besetzung von Gremien in Drittorganisationen mit zwei oder mehr Vertretern des
Kreises im Sinne des § 35 Abs.4 S.1 KrO NRW beschlossen wurde, sondern auch über
die Entsendung nur eines Vertreters in derartige Gremien, ist eine rügefähige Verletzung
von Organrechten des Klägers ebenfalls nicht ersichtlich. Insofern kann dahin stehen,
ob der Kläger in diesen Fällen, in denen das Verfahren nach § 35 Abs.3 KrO NRW
keine entsprechende Anwendung findet, zu Wahlvorschlägen berechtigt gewesen wäre,
weil insoweit § 35 Abs.2 KrO NRW anwendbar sein könnte.
52
Denn selbst wenn man hinsichtlich dieser Gremien von einem Wahlvorschlagsrecht des
Klägers ausginge, hätte er dieses in der Kreistagssitzung vom 6. November 2009
jedenfalls nicht in der ihm obliegenden Weise geltend gemacht.
53
Es entspricht insofern der ständigen Rechtsprechung des OVG NRW, dass sich aus
dem wechselseitig geltenden Grundsatz der Organtreue die Obliegenheit ergibt,
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Verfahrensgestaltung in der
verfahrensrechtlich gebotenen Form geltend zu machen. Wird diese Obliegenheit
verletzt, so ist die spätere Geltendmachung der Rechtsverletzung treuwidrig und
deshalb unzulässig.
54
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Mai 2006 - 15 A 817/04 -; Beschlüsse vom 25. Mai 2007 -
15 B 634/07 - und vom 6. Dezember 2007 - 15 B 1744/07 -; Urteil vom 2. September
2008 - 15 A 2426/07 -; Beschlüsse vom 12. September 2008 - 15 A 2129/08 - und vom
16. Juli 2009 - 15 B 945/09 -; alle abrufbar in JURIS.
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Der Kläger hat in der Kreistagssitzung vom 6. November 2009 jedoch der Sache nach
allein geltend gemacht, bei einer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl im
Sinne des § 35 Abs.3 S.2 ff. KrO NRW zum Unterbreiten von Wahlvorschlägen
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berechtigt zu sein. Demgegenüber hat er, insbesondere auch im Rahmen der
Behandlung des TOP 9, nicht ansatzweise zu erkennen gegeben, dass er sich in den
jetzt z.T. in Rede stehenden Fällen der Entsendung nur eines Kreisvertreters aus
anderen Gründen für wahlvorschlagsberechtigt halte, worauf er sich im Übrigen bis
heute nicht berufen hat.
Begründet die unterbliebene Abstimmung über Wahlvorschläge des Klägers nach
alledem keine rügefähige Verletzung seiner Organrechte, so ergibt sich eine solche
auch nicht aus der dann erfolgten Wahl der Ausschuss- und Gremienmitglieder
entsprechend den zunächst interfraktionell und dann von der CDU- Fraktion
unterbreiteten Wahlvorschlägen.
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Wie bereits ausgeführt, handelte es sich bei dem schließlich mehrheitlich
beschlossenen Wahlvorschlag wegen der Gegenstimme des Klägers nicht um einen
einstimmig angenommenen einheitlichen Wahlvorschlag im Sinne des § 35 Abs.3 S.1
KrO NRW, so dass eine Abstimmung nach den § 35 Abs.3 S.2 ff. KrO NRW über die
Wahlvorschläge (allein) der Fraktionen und Gruppen erforderlich war.
58
Beim Wahlvorschlag der CDU- Fraktion handelte es sich trotz der inhaltlichen
Übereinstimmung mit dem zuvor gescheiterten interfraktionellen Wahlvorschlag um den
Wahlvorschlag einer Fraktion. Insofern sprach grundsätzlich nichts dagegen, dass die
CDU- Fraktion sich den von ihr bereits zuvor befürworteten interfraktionellen
Wahlvorschlag zu eigen machte und als eigenen Vorschlag der Fraktion einbrachte.
Ebenso wenig unterlag es für sich genommen rechtlichen Bedenken, dass die übrigen
Fraktionen diesem Wahlvorschlag, der inhaltlich auch ihren Vorstellungen entsprach,
keine eigenen Wahlvorschläge entgegensetzten.
59
Insofern bestand namentlich keine Pflicht der anderen Fraktionen, zumindest einen
weiteren Wahlvorschlag einzubringen, nur um eine Verteilung der Stimmen auf zwei
Wahlvorschläge nach näherer Maßgabe der Regelungen nach § 35 Abs.3 S.3 ff. KrO
NRW zu ermöglichen. Vielmehr ergibt sich aus der in § 35 Abs.3 S.2 ff. KrO NRW
getroffenen Regelung in Übereinstimmung mit allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen,
dass eine verhältnismäßige Aufteilung der abgegebenen Stimmen von vorneherein nur
in Betracht kommt, wenn es zwei oder mehr gültige Wahlvorschläge gibt. Bei Vorliegen
nur eines Wahlvorschlages erübrigt sich hingegen die nach den § 35 Abs.3 S.3 ff. KrO
NRW vorgesehene Verteilung der Wahlstellen auf die Wahlvorschläge und es ist der
einzige Wahlvorschlag jedenfalls dann angenommen, wenn dieser - wie hier - die
Mehrheit der Stimmen erhält.
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Vgl. hierzu etwa Kirchhof / Plückhahn in: Held / Becker / Decker / Kirchhof / Krämer /
Wansleben / Winkel, Praxis der Kommunalverwaltung, Kommunalverfassungsrecht
NRW, Stand: Dezember 2009, § 46 KrO NRW, Anm. 6.4.
61
Dem steht auch nicht entgegen, dass damit im vorliegenden Fall faktisch ein
Wahlvorschlag mehrheitlich beschlossen wurde, der zuvor, womöglich zutreffend als
einheitlicher Wahlvorschlag eingebracht, noch an der Gegenstimme des Klägers
gescheitert war. Insbesondere wurde hierdurch entgegen der Ansicht des Klägers nicht
die in § 35 Abs.3 S.1 KrO NRW vorgesehene "Sperrwirkung" seiner Stimme unterlaufen.
Die in § 35 Abs.3 S.1 KrO NRW normierte "Sperrwirkung" der Stimme des einzelnen
Kreistagsmitglieds beschränkt sich vielmehr darauf, die einstimmige Annahme eines
einheitlichen Wahlvorschlags im Sinne des § 35 Abs.3 S.1 KrO NRW zu verhindern und
62
ein Abstimmungsverfahren über die sodann zulässigerweise eingebrachten
Wahlvorschläge der Fraktionen und Gruppen des Kreistags herbeizuführen, wobei sich
das einzelne Kreistagsmitglied bemühen kann, dass auch seine eigenen Vorstellungen
in einen gültigen Wahlvorschlag Eingang finden.
Eine weitergehende Wirkung der im Verfahren nach § 35 Abs.3 S.1 KrO NRW
abgegebenen Gegenstimme dahin, dass im sich anschließenden Verfahren nach § 35
Abs.3 S.2 ff. KrO NRW - jedenfalls bei Einbringung nur eines Fraktionswahlvorschlags -
entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auch ein einzelnes Kreistagsmitglied
wahlvorschlagsberechtigt ist bzw. einzelne Fraktionen oder Gruppen entgegen ihrem
Willen gar wahlvorschlagsverpflichtet sind, ist dem Gesetz indes nicht zu entnehmen.
63
Von den vorstehenden Erwägungen zum Wahlvorschlagsrecht unabhängig ist die Frage
zu beantworten, ob namentlich in Fallgestaltungen wie der vorliegenden der
mehrheitlich angenommene einzige Wahlvorschlag einer Fraktion inhaltlich rechtmäßig
ist. Auch eine auf einem solchen Wahlvorschlag beruhende Ausschussbesetzung muss
insbesondere dem Gebot der spiegelbildlichen Zusammensetzung von Plenum und
Ausschüssen in hinreichendem Maße Rechnung tragen.
64
Vgl.dazu Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 10. Dezember 2003 - 8 C
18/03 -, JURIS.
65
Genügt ein mehrheitlich beschlossener Wahlvorschlag den sich hieraus ergebenden
Anforderungen nicht, so können korrespondierende Rechte insbesondere der
(Minderheits-)Fraktionen und im Einzelfall ggf. auch solche des einzelnen
Kreistagsmitglieds auf eine ausreichende, über sein Recht aus § 41 Abs.3 S.11 KrO
NRW hinausgehende Berücksichtigung bei der Ausschussbesetzung verletzt sein.
66
Einen dahingehenden Verstoß macht der Kläger jedoch selbst nicht geltend und er ist
angesichts einer nach den Regeln des Verfahrens Hare / Niemeyer vorgenommenen
Verteilung der Ausschuss- und Gremiensitze auch sonst nicht ersichtlich.
67
Der weitere Einwand des Klägers, es habe über die Besetzung der einzelnen
Ausschüsse bzw. sonstigen Gremien jeweils in gesonderten Wahlgängen abgestimmt
werden müssen, greift ebenfalls nicht durch.
68
Die gesetzliche Regelung in § 35 Abs.3 KrO NRW gibt für eine solche Notwendigkeit
nichts her.
69
Die allenfalls in Betracht zu ziehende Bestimmung in § 35 Abs.3 S.2 KrO NRW, nach
der, wenn ein einheitlicher W ahlvorschlag nicht zustande kommt, nach den
Grundsätzen der Verhältniswahl in einem Wahlgang abgestimmt wird, spricht - wenn
überhaupt - gegen ein solches Erfordernis. Sie dürfte sich allerdings - wie auch vom
Kläger in diesem Zusammenhang ebenfalls wiedergegebene Ausführungen des
Innenministeriums - ohnehin nur auf das Erfordernis eines einheitlichen Wahlgangs für
Kreistagsmitglieder, sachkundige Bürger und ggf. weitere Mitglieder eines Ausschusses
beziehen.
70
Vgl. hierzu etwa Wagner in: Kleerbaum / Palmen, GO NRW, 1. Auflage 2008, § 50 GO
NRW, Anmerkung IV 3.
71
Angesichts dessen, dass die Besetzung der einzelnen Ausschüsse und der weiteren
Gremien in einem Sachzusammenhang steht, der etwa in der gesetzlich vorgesehenen
Möglichkeit eines einheitlichen Wahlvorschlags zum Ausdruck kommt und auch
aufgrund des bei der Besetzung als Ganzer zu verwirklichenden Grundsatzes der
Spiegelbildlichkeit anzunehmen ist, ist die Notwendigkeit eines gesonderten
Wahlgangs für jedes in Rede stehende Gremium auch sonst nicht ersichtlich.
72
Die vom Kläger herangezogenen Ausführungen von
73
Plückhahn in: Held / Becker / Decker / Kirchhof / Krämer / Wansleben / Winkel, Praxis
der Kommunalverwaltung, Kommunalverfassungsrecht NRW, Stand: Dezember 2009, §
50 GO NRW und § 35 KrO NRW, jeweils Anm. 4.3
74
begründen hieran schon deshalb keine Zweifel, weil sie sich auf Beschlüsse und nicht
auf Wahlen (vgl. dazu Plückhahn, a.a.O., Anm. 5.2) beziehen.
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Soweit der Kläger schließlich geltend macht, es habe über die Besetzung der hier
fraglichen Gremien geheim abgestimmt werden müssen, liegt eine Verletzung seiner
Organrechte ebenfalls nicht vor.
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Zwar werden Wahlen gemäß § 35 Abs.2 KrO NRW - der im Hinblick auf die Frage der
Notwendigkeit einer geheimen Abstimmung auch auf das Wahlverfahren nach § 35
Abs.3 KrO NRW anwendbar sein mag - (nur) wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt
oder wenn niemand widerspricht, durch offene Abstimmung, sonst durch Abgabe von
Stimmzetteln vollzogen. In § 23 Abs.2 der GeschO ist insoweit unter Bezugnahme auf §
35 Abs.2 KrO NRW bestimmt, dass auf Verlangen eines Kreistagsmitglieds eine Wahl in
geheimer Abstimmung durch Abgabe von Stimmzetteln erfolgen muss.
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Der Kläger hat einer offenen Abstimmung über den vom Kreistag beschlossenen
Wahlvorschlag der CDU- Fraktion jedoch nicht im Sinne des § 35 Abs.2 KrO NRW
widersprochen bzw. eine geheime Abstimmung hierüber nicht im Sinne des § 23 Abs.2
GeschO verlangt. Einer geheimen Abstimmung über diesen einzig gültigen
Wahlvorschlag - hinsichtlich seiner eigenen Wahlvorschläge konnte der Kläger wegen
ihrer Unzulässigkeit weder eine offene noch eine geheime Abstimmung verlangen -
bedurfte es daher nicht.
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Der Kläger hat zum einen ausweislich der Sitzungsniederschrift zum TOP 8.4 vor der
zunächst beabsichtigten Abstimmung über die beiden Wahlvorschläge zum Ausschuss
für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten lediglich auf die Regelung des § 23 Abs.2
GeschO hingewiesen, wonach eine Wahl auf Verlangen eines Kreistagsmitglieds
geheim zu erfolgen habe. Dies kann - zumal angesichts der bereits dargestellten
Obliegenheit eines kommunalen Organs, seine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit
der Verfahrensgestaltung in der verfahrensrechtlich gebotenen Form geltend zu machen
- schon für sich genommen nicht als Widerspruch gegen eine offene Abstimmung bzw.
als Verlangen einer geheimen Abstimmung im Sinne der genannten Regelungen
verstanden werden. Es handelte sich vielmehr um den bloßen Hinweis auf ein
Verfahrensrecht, der aber noch keine Ausübung dieses Rechts darstellt. Dass die
Sitzungsniederschrift insofern unrichtig sein könnte, hat der Kläger selbst nicht
substantiiert vorgetragen.
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Unabhängig hiervon hat sich zum anderen im Anschluss an den "Hinweis" des Klägers
80
der Gegenstand der Abstimmung wesentlich geändert. War zunächst noch eine
Abstimmung über zwei Wahlvorschläge - der CDU- Fraktion und des Klägers selbst -
zur Besetzung eines bestimmten Ausschusses beabsichtigt, so stand nach der sich
anschließenden weiteren Debatte nur noch die Abstimmung über den - allein gültigen -
Wahlvorschlag der CDU- Fraktion zur Besetzung sämtlicher Ausschüsse bzw. des
Kreispolizeibeirates zur Entscheidung an. Dass der Kläger, der sein Interesse an einer
geheimen Abstimmung im Klageverfahren selbst mit der Erwägung begründet hat, seine
eigenen Wahlvorschläge seien nur bei geheim durchgeführten Wahlen aussichtsreich,
auch noch bei der dann erfolgten, aus seiner Sicht wertlosen Abstimmung über den
einzig verbliebenen Wahlvorschlag der CDU- Fraktion ein Interesse an einer geheimen
Abstimmung gehabt hätte, hat er in der Kreistagssitzung nicht ansatzweise zum
Ausdruck gebracht, geschweige denn in der verfahrensrechtlich gebotenen Form
geltend gemacht.
Verletzen die angegriffenen Kreistagsbeschlüsse den Kläger mithin nicht in seinen
wehrfähigen Organrechten, so kann auch der Klageantrag zu 2. keinen Erfolg haben.
Denn angesichts dessen, dass der Kläger hiermit in Anknüpfung an den Klageantrag zu
1. die Feststellung begehrt, die angegriffenen Kreistagsbeschlüsse seien "daher" -
nämlich wegen der Verletzung seiner Organrechte - rechtswidrig, macht der Kläger auch
mit dem Klageantrag zu 2. lediglich eine Verletzung seiner subjektiven Organrechte
geltend; nur insoweit ist der Kläger auch klagebefugt. Eine Verletzung seiner
Organrechte liegt nach dem Gesagten jedoch nicht vor.
81
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO).
82
Die Voraussetzungen des § 124 a Abs.1 S.1 VwGO liegen nicht vor.
83