Urteil des VG Arnsberg vom 27.12.2007

VG Arnsberg: besoldung, erworbenes recht, anpassung, befund, minderung, streichung, bestreitung, lebenshaltungskosten, eingriff, fürsorge

Verwaltungsgericht Arnsberg, 2 K 2366/06
Datum:
27.12.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 K 2366/06
Tenor:
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage
eingeholt, ob das Gesetz über die Gewährung einer Sonderzahlung an
Beamte, Richter und Versorgungsempfänger für das Land Nordrhein-
Westfalen - SZG NRW - (Artikel I des Gesetzes über die Gewährung
einer Sonderzahlung und über die Bezüge der Staatssekretäre und
entsprechender Versorgungsempfänger in den Jahren 2003 und 2004
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2003 - GV NRW
S. 696 - ) mit Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes in der bis zum
Inkrafttreten (1. September 2006) des Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes vom 28.
August 2006 (BGBl. I S. 2034) gültigen Fassung - GG a. F. - vereinbar
ist, soweit es bewirkt, dass das Gesetz über die Gewährung eines
jährlichen Urlaubsgeldes (UrlGG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 16.
Mai 2002 - BGBl. I S. 1780 - nicht mehr weiter anzuwenden ist, wodurch
der Anspruch auf Urlaubsgeld nach dem UrlGG ersatzlos entfallen ist.
Gründe:
1
I.
2
Der Kläger steht als Justizamtsinspektor (Bes.Gr. A 9 BBesO) im Dienst des beklagten
Landes; er ist bei der Staatsanwaltschaft B. tätig. Die Beförderung des Klägers zum
Justizamtsinspektor erfolgte am 25. September 1998.
3
Mit Schreiben vom 19. Mai 2006 beantragte der Kläger bei dem Landesamt für
Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV), ihm für das Jahr 2006
Urlaubsgeld zu zahlen.
4
Mit Bescheid vom 23. Mai 2006 lehnte das LBV den Antrag des Klägers ab.
5
Den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch wies das LBV mit
Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 2006 zurück. Es führte u.a. aus:
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Für die Gewährung eines Urlaubsgeldes oder einer vergleichbaren Leistung für das
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Jahr 2006 bestehe keine gesetzliche Grundlage. Die Regelungen zur Gewährung des
Urlaubsgeldes seien entfallen. Die entsprechende Gesetzesänderung sei in einem
ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren zustande gekommen und verstoße nicht
gegen höherrangiges Recht. Der Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation sei
nicht verletzt. Der Wegfall des Urlaubsgeldes sei sachlich gerechtfertigt. Zur
Konsolidierung des Landeshaushalts seien Sparmaßnahmen in allen Bereichen
erforderlich und insbesondere bei den Personalausgaben, die den größten Anteil der
Gesamtausgaben des Landesetats bildeten, unumgänglich. Ein Bestandsschutz für die
Gewährung eines Urlaubsgeldes bestehe nicht, da das Urlaubsgeld als sonstiger Bezug
nicht zum Kernbestand der Alimentation gehöre.
Der Kläger hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben. Zu deren Begründung verweist
er auf seinen Vortrag in den bei der Kammer anhängigen Verfahren gleichen Rubrums 2
K 3224/04 (Urlaubsgeld 2004) und 2 K 480/06 (Urlaubsgeld 2005). Ergänzend führt er
aus: Der ersatzlose Wegfall des Urlaubsgeldanspruchs verstoße gegen höherrangiges
Recht. In den Blick zu nehmen seien der Grundsatz der amtsangemessenen
Alimentation und - nachrangig - das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Das SZG
NRW sei Ausdruck der Haushaltszwänge des Landes. Die Personalausgaben für den
öffentlichen Dienst seien jedoch keine "freie Masse", auf die der Haushaltsgesetzgeber -
je nach Bedarf - einschränkend zurückgreifen dürfe. Es sei dem Dienstherrn verwehrt,
sozusagen "schleichend" durch ein stetiges, immer weiteres Absenken ergänzender
fürsorgerischer Leistungen einseitig zu Lasten der Beamten Haushaltsengpässe zu
lösen. Den Dienstherrn treffe eine besondere Darlegungs- und Abwägungslast, wenn er
sich auf Haushaltszwänge berufe und damit vorgesehene Einschnitte in die bisher
gewährte Alimentation rechtfertigen wolle. Geboten sei vorliegend eine Gesamtschau:
Es seien nicht - einengend - lediglich der Wegfall des Urlaubsgeldes und die
beachtliche Kürzung der Sonderzuwendung / Sonderzahlung in den Blick zu nehmen;
vielmehr seien diese Einzelkürzungen im Kontext mit allen anderen
Leistungsreduzierungen und Einschränkungen, die in neuerer Zeit verfügt worden
seien, zu gewichten und zu bewerten. In diese Gesamtschau seien die
gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die Entwicklung der Besoldungsbezüge der
Beamten im Verhältnis zu den Bezügen der Angestellten und der in der freien Wirtschaft
Tätigen einzustellen. Ausschließlicher Anlass für das SZG NRW seien
Haushaltszwänge gewesen. Dies verdeutliche die Gesetzesbegründung. Seiner
Darlegungs- und Abwägungslast habe der Landesgesetzgeber unzureichend
entsprochen. Der Gesetzentwurf der Landesregierung lasse nicht erkennen, dass die
vorliegenden finanziellen Einschnitte in die bisherige Alimentation im Kontext mit den
vorangegangenen Einschnitten gesehen und gewichtet worden seien. Allein die Größe
des Haushaltsblocks - Personalkosten - sei kein entscheidendes Auswahl- und
Gewichtungskriterium. Der Gesetzgeber sei sich, was sich aus der entsprechenden
Formulierung der Gesetzesbegründung ergebe, nicht voll im Klaren gewesen, ob die
vorgesehene Kürzung nicht doch schon die unterste Grenze amtsangemessener
Alimentation tangiere.
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Der Kläger beantragt,
9
das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Besoldung
und Versorgung NRW vom 23. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 1. Juni 2006 zu verpflichten, ihm, dem Kläger, für das Jahr 2006 Urlaubsgeld in
vergleichbarer Höhe wie im Jahr 2003 zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er führt aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Urlaubsgeld für das
Jahr 2006, da es dafür an einer Rechtsgrundlage fehle.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte,
die Akten 2 K 664/04, 2 K 3224/04 und 2 K 480/06 sowie die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
14
II.
15
Das Verfahren ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 GG auszusetzen, um die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob das SZG
NRW mit Art. 33 Abs. 5 GG a. F. vereinbar ist. Die Beteiligten haben in der mündlichen
Verhandlung vom 19. Dezember 2007 Gelegenheit gehabt, hierzu Stellung zu nehmen.
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Die Kammer hält das SZG NRW, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung des
vorliegenden Rechtsstreits ankommt (A.), für unvereinbar mit den hergebrachten
Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG a. F. und damit für
verfassungswidrig, soweit es bewirkt, dass das UrlGG nicht weiter anzuwenden ist mit
der Folge, dass der Anspruch auf Urlaubsgeld ersatzlos entfallen ist (B.).
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A. Die Entscheidung über die Klage hängt davon ab, ob das SZG NRW in dem im
Entscheidungsausspruch bezeichneten Umfang verfassungswidrig ist.
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Ist das SZG NRW in dem genannten Umfang mit dem Alimentationsprinzip als
Ausprägung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne des Art.
33 Abs. 5 GG a. F. unvereinbar und damit verfassungswidrig, ist der Klage stattzugeben.
Denn in diesem Falle ist das UrlGG weiter anzuwenden mit der Folge, dass der vom
Kläger geltend gemachte Anspruch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 2. Alt. UrlGG i.V.m.
§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 Halbsatz 1, § 5 UrlGG begründet ist.
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Die Fortgeltung des UrlGG im Falle der - teilweisen - Verfassungswidrigkeit des SZG
NRW resultiert aus Folgendem: Zwar bestimmt Art. 18 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über
die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004
sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (BBVAnpG 2003/2004) - BGBl. I S.
1798 -, der gemäß Art. 21 Abs. 3 BBVAnpG 2003/2004 am 16. September 2003 in Kraft
getreten ist, dass das UrlGG aufgehoben wird. Gemäß Art. 18 Abs. 2 BBVAnpG
2003/2004 ist das UrlGG jedoch bis zum Inkrafttreten bundes- oder landesgesetzlicher
Regelungen zur Gewährung von jährlichen Sonderzahlungen weiter anzuwenden. In
Nordrhein-Westfalen ist mit dem SZG NRW am 30. November 2003 (vgl. Art. VIII Abs. 1
des o. g. Gesetzes vom 20. November 2003 - GV. NRW. S. 696 -) eine
landesgesetzliche Regelung im Sinne des Art. 18 Abs. 2 BBVAnpG 2003/2004 in Kraft
getreten. Diese Regelung, die nach Maßgabe der "Öffnungsklausel" des § 67 des
Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) erfolgte, sieht die Gewährung eines jährlichen
Urlaubsgeldes nicht vor. Wird das SZG NRW allerdings durch das
Bundesverfassungsgericht gemäß § 78 des Gesetzes über das
Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) für mit Art. 33 Abs. 5 GG a. F. unvereinbar und
nichtig erklärt, soweit es bewirkt, dass das UrlGG nicht weiter anzuwenden ist mit der
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Folge, dass der Anspruch auf Urlaubsgeld nach dem UrlGG ersatzlos entfallen ist, so ist
es insoweit mit Wirkung inter omnes aus der Rechtsordnung eliminiert.
Vgl. Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge, Kommentar zum BVerfGG, Stand: Juli
2007, § 81 Rdnr. 23.
21
Dies hat zur Folge, dass es an einer landesgesetzlichen Regelung im Sinne von Art. 18
Abs. 2 BBVAnpG 2003/2004 fehlt, die bewirkt, dass das UrlGG nicht weiter anzuwenden
ist.
22
Der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage kann auch nicht die Bestimmung des
Art. 18 Abs. 1 Nr. 2 BBVAnpG 2003/2004 entgegengehalten werden. Ist die Grenze der
nach Art. 33 Abs. 5 GG a. F. gebotenen Alimentation unterschritten bzw. ein schon
vorhandenes Unterschreiten weiter vertieft worden, weil durch das SZG NRW die
Grundlage für die Zahlung von Urlaubsgeld nach dem UrlGG beseitigt worden ist, so ist
das SZG NRW insoweit verfassungswidrig und damit nichtig. Bei diesem Ablauf der
Gesetzgebungsverfahren läge der verfassungsrechtliche Mangel nämlich nicht darin,
dass sich der Bund, soweit es ein spezielles Urlaubsgeld betrifft, von der Gesetzgebung
zurückgezogen hat. Vielmehr standen allein die Länder (und für seine Beamten und
Richter der Bund) in der Verantwortung, bei einer Abschaffung des Urlaubgeldes
verfassungskonform zu verfahren.
23
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2007 - 21 A 1634/05 -, NWVBl 2007, S. 474.
24
Die Entscheidungserheblichkeit der Frage der Verfassungswidrigkeit des SZG NRW
lässt sich auch nicht mit der Erwägung verneinen, selbst wenn mit dem Fortfall des
Urlaubsgeldes der amtsangemessene Lebensunterhalt der Beamten - und mithin auch
der des Klägers - gefährdet sein sollte, wäre verfassungsrechtlich nicht eine
Rückgängigmachung der "Streichung" des Urlaubsgeldes geboten, sondern eine
entsprechende Korrektur der Besoldungs- und Versorgungsgesetze, die das
Alimentationsprinzip konkretisieren.
25
Vgl. dazu in Bezug auf die Beihilfe: BVerfG, Beschlüsse vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR
1715/03 u. a. -, ZBR 2007, S. 416, vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 -, BVerfGE
106, S. 225 (233), und vom 23. Juni 1981 - 2 BvR 1067/80 -, BVerfGE 58, S. 68 (78); in
Bezug auf die jährliche Sonderzahlung ("Weihnachtsgeld"): OVG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 17. Januar 2007 - OVG 4 N 76.05 -, DÖD 2007, S. 255 (255); OVG
Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. April 2007 - 1 L 453/05 -, JURIS; VG des Saarlandes,
Urteil vom 30. Oktober 2007 - 3 K 351/07 -, JURIS.
26
Es trifft zwar zu, dass das Urlaubsgeld - gleiches gilt für die Sonderzahlung - zu den
Regelungen bzw. Leistungen zählt, die nicht den Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG a. F.
genießen, weil es insoweit keinen zu beachtenden hergebrachten Grundsatz des
Berufsbeamtentums gibt.
27
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039, 1045/75 -, BVerfGE 44, S. 249
(263); OVG NRW, Urteil vom 10. September 2007 - 1 A 4955/05 -, DVBl 2007, S. 1297 =
NWVBl 2007, S. 478; VG Düsseldorf, Urteil vom 11. März 2005 - 26 K 1144/05 -, JURIS;
VG Hannover, Urteil vom 16. November 2006 - 2 A 50/04 -, JURIS; VG Köln, Urteil vom
23. März 2006 - 15 K 1212/05 -, JURIS; VG des Saarlandes, Urteil vom 10. Januar 2006
- 3 K 241/04 -, NVwZ-RR 2006, S. 517 (518); Jarass / Pieroth, Kommentar zum
28
Grundgesetz, 7. Aufl. 2004, Art. 33 Rdnr. 45; vgl. - in Bezug auf das Weihnachtsgeld -
auch BVerfG, Beschluss vom 29. November 1967 - 2 BvR 668/67 -, JZ 1968, S. 61 (61);
BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1977 - VI C 24.75 -, Buchholz, 237.0 § 90 LBG Baden-
Württemberg Nr. 1, S. 1 (2 f.); BayVGH, Beschluss vom 26. Oktober 2007 - 3 ZB 06.1908
-, JURIS.
Dennoch führt dieser rechtliche Ansatz hier nicht weiter. Mit ihm lässt sich die Annahme,
die in Rede stehende Vorlagefrage sei nicht entscheidungserheblich, nicht begründen.
Ist nämlich das SZG NRW in dem im Entscheidungsausspruch bezeichneten Umfang
verfassungswidrig, so hat dies, wie bereits im Einzelnen erläutert, zur Folge, dass das
UrlGG weiter anzuwenden ist. Auf dieses Gesetz kann der Kläger dann den
streitgegenständlichen Anspruch unmittelbar stützen, ohne dass er sich auf die
Möglichkeit verweisen lassen müsste, eine dem Urlaubsgeld entsprechende
Besoldungsleistung geltend zu machen, die zu den verfassungsverbürgten, d. h. dem
Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG a. F. unterfallenden Leistungen zählt.
29
Ist das SZG NRW hingegen verfassungsgemäß, so ist die Klage abzuweisen. In diesem
Falle folgt aus Art. 18 Abs. 1 Nr. 2 BBVAnpG 2003/2004, dass das UrlGG zum 16.
September 2003 aufgehoben worden ist und dementsprechend im Jahre 2006 nicht
mehr fortgegolten hat. Aus Art. 18 Abs. 2 BBVAnpG 2003/2004 ergäbe sich dann eine
weitere Anwendbarkeit nicht mehr, weil mit dem SZG NRW am 30. November 2003 eine
- wirksame - landesgesetzliche Regelung im Sinne des Art. 18 Abs. 2 BBVAnpG
2003/2004 in Kraft getreten wäre.
30
B. Das SZG NRW verstößt nach Überzeugung der Kammer gegen Art. 33 Abs. 5 GG a.
F., soweit es bewirkt, dass das UrlGG nicht weiter anzuwenden ist mit der Folge, dass
der Anspruch auf Urlaubsgeld nach dem UrlGG ersatzlos entfallen ist.
31
Nach Art. 33 Abs. 5 GG a. F. ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter
Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln. Mit
den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5
GG a. F. ist der Kernbestand von Strukturprinzipien gemeint, die allgemein oder doch
ganz überwiegend während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens
unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden
sind.
32
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 -, BVerfGE 107, S. 218
(237), m. w. N.
33
Hierzu gehört auch das Alimentationsprinzip. Es verpflichtet den Dienstherrn, den
Beamten und seine Familie lebenslang angemessen zu alimentieren und ihm nach
seinem Dienstrang, nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach
Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend
der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des
allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren.
34
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24. September 2007 - 2 BvR 1673/03 u. a. -, a.a.O., vom
12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 -, BVerfGE 107, S. 218 (237), und vom 3. Juli 1985 - 2
BvL 16/82 -, BVerfGE 70, S. 251 (267), jeweils m. w. N.
35
Das Berufsbeamtentum kann seine Aufgabe nur dann erfüllen, wenn die Beamten und
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ihre Familien nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich gesichert sind.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Oktober 1957 - 1 BvL 1/57 -, BVerfGE 7, S. 155 (163);
BVerwG, Beschluss vom 27. September 2007 - 2 C 21.06, 2 C 26.06 und 2 C 29.07 -,
JURIS.
37
Der durch das SZG NRW bewirkte - ersatzlose - Fortfall des Anspruchs auf Urlaubsgeld
nach Maßgabe des UrlGG führt zu einem mit Art. 33 Abs. 5 GG a. F. nicht zu
vereinbarenden, mithin verfassungswidrigen Zustand, weil er - im Zusammenhang mit
anderen, die Beamtenbezüge negativ beeinflussenden Maßnahmen des Landes - in
den Kernbestand der verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation eingreift. Die
"Streichung" des Urlaubsgeldes stellt sich in einem Gesamtkonzept des Landes zur
angestrebten Haushaltskonsolidierung als eine Einzelmaßnahme dar, die im
Zusammenhang mit zahlreichen nachhaltigen finanziellen Einbußen der
Besoldungsempfänger des Landes Nordrhein-Westfalen ab dem Jahr 2003 steht. In der
(materiell-rechtlich) gebotenen Zusammenschau führen die Einbußen - entgegen § 14
BBesG - nicht nur zu einer Nichtanpassung der Bezüge; sie stellen sich vielmehr als
eine unzulässige, weil greifbare Abkopplung der Alimentation (einschließlich
alimentationsergänzender Fürsorgeleistungen) der Besoldungsempfänger des Landes
von der allgemeinen Einkommensentwicklung dar. In dieser Situation bewirkt der
Wegfall des Urlaubsgeldes eine weitere spürbare Minderung des den Beamten zur
Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts zur Verfügung stehenden Einkommens -
gleich, ob durch den Fürsorge- oder Besoldungsgesetzgeber veranlasst -. Der - nicht
anderweitig kompensierte - Anspruchsverlust führt im Ergebnis zu einem unzulässigen
Eingriff in den Kernbestand der zu gewährenden Alimentation. Die unterste Grenze der
(Mindest-) Alimentation, deren Unterschreitung durch den Gesetzgeber und den
Dienstherrn ohne jede einzustellende Prärogative zu einer Verfassungswidrigkeit der
Maßnahme führt, ist nicht mehr gewahrt.
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Die greifbare Abkopplung der Alimentation der Beamten des Landes Nordrhein-
Westfalen von der allgemeinen Einkommensentwicklung ist für die Zeit ab 2003
festzustellen. Dieser Befund gilt für die Besoldung aller nach den
Bundesbesoldungsordnungen A, B und R besoldeten Beamten und Richter des Landes
Nordrhein-Westfalen. Soweit die Bezüge in den unteren Besoldungsgruppen der
Bundesbesoldungsordnung A - vor allem im Bereich der jährlichen Sonderzahlung -
"milder" abgesenkt worden sind als in den höheren Besoldungsgruppen der
Bundesbesoldungsordnung A und in den Bundesbesoldungsordnungen B und R, fallen
die Unterschiede, soweit es um die Frage der Abkopplung i.S.d. § 14 Abs. 1 BBesG
geht, nicht ausschlaggebend ins Gewicht.
39
Die Feststellung, dass die Besoldungsempfänger des Landes NRW seit 2003 von der
allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt sind, hat der 1. Senat des OVG
NRW mit
40
Urteil vom 10. September 2007 - 1 A 4955/05 -, a.a.O.
41
in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend begründet. Die genannte
Entscheidung betrifft die Kostendämpfungspauschale nach § 12a Abs. 1 BVO NRW für
das Jahr 2003. Parallelentscheidungen (Urteile vom 10. September 2007) hat der 1.
Senat des OVG NRW in Bezug auf die Kostendämpfungspauschale für die Jahre 2004
(1 A 1180/06), 2005 (1 A 3529/06) und 2006 (1 A 1063/07) getroffen.
42
In dem Urteil des 1. Senates des OVG NRW vom 10. September 2007 - 1 A 4955/05 -
a.a.O., ist u. a. ausgeführt:
43
" .........Das Land verletzt das beamtenrechtliche Fürsorgeprinzip - ein Rechtsgut von
Verfassungsrang -, indem es in Ansehung der seine Beamten und Richter exklusiv
treffenden Besoldungsabsenkung seit dem Jahr 2003 an der Anwendung von § 12a
Abs. 1 BVO NRW festhält. ..........
44
Das Land hat ............ nicht berücksichtigt, dass es seinen Beamten und Richtern seit
dem Jahr 2003 eine sich allenfalls am äußersten Rande des verfassungsrechtlich
Zumutbaren bewegende Besoldung gewährt. Die durch die Anwendung der
Kostendämpfungspauschale auch im Jahr 2003 verursachte weitergehende Belastung
führt zur Unterschreitung dessen, was an angemessener Alimentation zu erwarten war.
45
Diese Unterschreitung beruht darauf, dass die Besoldung der Beamten- und
Richterschaft des Landes beginnend mit dem Jahr 2003 in nicht zu rechtfertigender
Weise greifbar von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und der
Einkommensentwicklung vergleichbarer Beschäftigter abgekoppelt worden ist. ..........
46
Die Amtsangemessenheit der Alimentation bestimmt sich nach internen und externen
Maßstäben, insbesondere im Vergleich zu den tariflich Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes und der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung. ............. Das
Alimentationsprinzip ist ....... nicht nur Grundlage, sondern auch Grenze der
Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.
47
Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -, BVerfGE 114, 258.
48
Die in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Garantie eines amtsangemessenen Unterhalts stellt
eine den Besoldungsgesetzgeber (und hier dem Grunde nach entsprechend auch den
Fürsorgegeber) in die Pflicht nehmende verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive dar.
49
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. März 2007 - 2 BvR 556/04 -, IÖD 2007, 77.
50
Dem Beamten steht, wenn auch nicht hinsichtlich der Höhe und der sonstigen
Modalitäten, so doch hinsichtlich des Kernbestands seines Anspruchs auf
standesgemäßen (amtsgemäßen) Unterhalt ein durch seine Dienstleistung erworbenes
Recht zu. Dieses ist durch Art. 33 Abs. 5 GG ebenso gesichert wie das Eigentum durch
Art. 14 GG.
51
Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -, a. a. O.
52
Grenzen der Gestaltungsfreiheit bzw. indisponible Direktiven setzt das
Alimentationsprinzip dem Besoldungs- wie dem Fürsorgegeber in allen
beamtenrechtlichen Zusammenhängen. Dies gilt vor allem bei generellen
Einsparungsbemühungen der öffentlichen Hand. Finanzielle Erwägungen und das
Bemühen, Ausgaben zu sparen, sind für sich genommen in aller Regel nicht als
ausreichende Legitimation für eine Kürzung anzusehen. So begründen allein die
Finanzlage der öffentlichen Haushalte, die Herausforderungen durch die Globalisierung,
der demographische Wandel und die finanziellen Nachwirkungen der
Wiedervereinigung eine Einschränkung des Grundsatzes amtsgemäßer Besoldung
53
nicht. Die vom Dienstherrn geschuldete Alimentierung ist keine dem Umfang nach
beliebig variable Größe, die sich einfach nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten der
öffentlichen Hand, nach politischen Dringlichkeitsbewertungen oder nach dem Umfang
der Bemühungen um die Verwirklichung des allgemeinen Sozialstaatsprinzips
bemessen lässt. Alimentation des Beamten und seiner Familie ist etwas anderes und
Eindeutigeres als staatliche Hilfe zur Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung
und eines sozialen Standards für alle und findet ihren Rechtsgrund nicht im
Sozialstaatsprinzip, sondern in Art. 33 Abs. 5 GG. Könnte die finanzielle Situation der
öffentlichen Hand für sich bereits eine Veränderung des Grundsatzes der
amtsangemessenen Alimentierung rechtfertigen, so wäre diese dem uneingeschränkten
Zugriff des Gesetzgebers eröffnet. Die Schutzfunktion des Art. 33 Abs. 5 GG liefe ins
Leere.
Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -, a. a. O., sowie
Beschlüsse vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 -, IÖD 2007, 125, vom 20. Juni 2006 - 2
BvR 361/03 -, IÖD 2006, 237, und vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 -, BVerfGE 107,
218; Lindner, ZBR 2007, 221, 224.
54
Gleichwohl stehen das Alimentations- ebenso wie das Fürsorgeprinzip finanziellen
Einsparungsbemühungen nicht schlechthin abwehrend gegenüber; sie müssen jedoch
im Ergebnis und zu jedem Zeitpunkt die Amtsangemessenheit der Alimentation
unberührt lassen. Bei dieser Beurteilung hat die Höhe des (Netto-)Einkommensniveaus
der privatrechtlich beschäftigten Arbeitnehmer, vor allem der Angestellten des
öffentlichen Dienstes, eine besondere Bedeutung für die Bestimmung der Wertigkeit des
Amtes der Beamten und - hieran anschließend - der (Amts)Angemessenheit der
Alimentation. Diese bestimmt sich zunächst maßgeblich nach innerdienstlichen,
unmittelbar auf das Amt bezogenen Kriterien wie dem Dienstrang, der mit dem Amt
verbundenen Verantwortung und der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die
Allgemeinheit. Durch das Gebot, bei der Besoldung dem Dienstrang des Beamten
Rechnung zu tragen, soll - dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG folgend -
einerseits sichergestellt werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen
Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. In dieser Hinsicht bestimmt sich die
Amtsangemessenheit im Verhältnis zur Besoldung anderer Beamtengruppen.
Andererseits kommt darin zum Ausdruck, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist,
die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Diese Wertigkeit wird durch die mit
dem Amt verbundene Verantwortung und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers
bestimmt. Bezugsrahmen für die betragsmäßige Konkretisierung dieses abstrakten
Wertes der vom Beamten erbrachten Leistung sind die Einkommen der Arbeitnehmer
mit vergleichbarer Ausbildung und Tätigkeit, vor allem des öffentlichen Dienstes.
55
Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -, a. a. O.
56
Hinter deren materieller Ausstattung darf die Alimentation der Beamten nicht greifbar
zurückbleiben.
57
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 34.01 -, BVerwGE 117, 305.
58
Die Bereitschaft des Beamten, sich mit ganzem Einsatz seinem Dienst zu widmen, und
seine Immunität gegenüber politischer und finanzieller Einflussnahme durch Dritte
hängen wie im Tarifbereich maßgeblich davon ab, dass die von ihm geleisteten Dienste
adäquat gewürdigt werden. Maßstab hierfür wie auch für das Ansehen des Amtes sind
59
nicht zuletzt die Einkünfte, die im Vergleich zu den Einkommen ähnlich ausgebildeter
Arbeitnehmer mit vergleichbarer beruflicher Verantwortung erzielt werden. Hinzu kommt,
dass der Gesetzgeber das Beamtenverhältnis für qualifizierte Kräfte anziehend
ausgestalten muss. Dies setzt u. a. voraus, dass der öffentliche Dienst mit Konditionen
wirbt, die insgesamt einem Vergleich mit denen der privaten Wirtschaft standhalten.
Denn die Alimentation dient nicht allein dem Lebensunterhalt des Beamten, sie hat
zugleich eine qualitätssichernde Funktion. Bei der Bestimmung der Höhe der
amtsangemessenen Besoldung hat sich der Gesetzgeber vor allem an der Entwicklung
der einschlägigen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse sowie dem allgemeinen
Lebensstandard zu orientieren.
Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -, a. a. O., und Beschluss
vom 6. März 2007 - 2 BvR 556/04 -, a. a. O.
60
........ Auch die wachsende Nachfrage staatlicher Leistungen und die Belastungen, die
durch eine frühere Aufstockung der Zahl der Beamten verursacht werden, können für
sich genommen eine Absenkung der Besoldung zur Einsparung staatlicher Ausgaben
nicht als Sachgrund tragen.
61
Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -, a. a. O., zum
Versorgungsniveau.
62
Dies leuchtet ungeachtet aller dogmatischen Schwierigkeiten bei der rechtlichen
Einordnung der Bestandteile der Alimentation (im engeren Sinn), der
alimentationsgleichen Leistungen (wie Sonderzahlung nebst Urlaubsgeld) und der
hierauf bezogenen ergänzenden fürsorgerischen Leistungen unmittelbar ein. Kosten
lassen sich durch jede Kürzung von Leistungen - gleich welcher Art - und besonders
umfangreich bei den Personalausgaben reduzieren; als (alleiniges) Argument für die
Zulässigkeit, dieses Ziel zu verfolgen, taugt diese Begründung nicht.
63
Die demgegenüber erforderliche Auseinandersetzung seitens des Landes mit der Frage
der amtsangemessenen Alimentation stellte sich jedoch um so dringlicher, als der
bislang allein zuständige Besoldungsgesetzgeber Bund - wie noch darzulegen sein
wird - offensichtlich bis zum Jahr 2002 seine Prärogativen ausgeübt hat und in der von
ihm vorgenommenen Weise von einer Amtsangemessenheit der bislang gewährten
(Gesamt-)Besoldung ausgegangen ist. Noch mit dem BBVAnpG 2000 hat dieser durch
Besoldungsanpassungen im Zeitraum von 1999 bis 2002 langfristig für alle
Statusgruppen im öffentlichen Dienst - also Beamte/Richter und tariflich Beschäftigte -
eine gleichgerichtete Entwicklung der Bezüge sichern und die Einheit des öffentlichen
Dienstes stärken wollen (BT-Drucks. 14/5198, S. 9).
64
Das Land kann sich in Anbetracht dieser offenliegenden, vom damals allein
zuständigen Kompetenzträger ausgeübten Prärogative nicht darauf zurückziehen,
Erwägungen hinsichtlich der Amtsangemessenheit seien bereits deswegen entbehrlich,
weil es sich bei der Sonderzahlung oder dem Urlaubsgeld um keine den spezifischen
verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG genießende Leistungen handeln
würde. Es trifft zwar zu, dass der Beamte keinen Anspruch auf eine Leistung gerade in
dieser Form hat. Entscheidend ist aber allein, ob die dem Beamten insgesamt gewährte
Alimentation - gleich in welcher Weise sich diese aus einzelnen Komponenten
zusammensetzt - den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Es sind die
Nettobezüge maßgeblich, mithin das, was sich der Beamte von seinem Gehalt
65
einschließlich jahresbezogener Sonderzahlungen in der Summe tatsächlich leisten
kann. Der Gesetzgeber kann zwar die Struktur der Beamtenbesoldung und die
Zahlungsmodalitäten pro futuro ändern. Dies setzt aber voraus, dass nicht die
verfassungsrechtlich garantierte Alimentierungspflicht und die hierdurch gesicherte
Untergrenze einer amtsangemessenen Besoldung verletzt werden.
Vgl. BVerfG, Urteil vom 6. März 2007 - 2 BvR 556/04 -, a. a. O.
66
........(Nach) ...... § 14 Abs. 1 BBesG ....... wird die Besoldung entsprechend der
Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und unter
Berücksichtigung der mit den Dienstaufgaben verbundenen Verantwortung durch
Bundesgesetz regelmäßig angepasst. Auch § 14a Abs. 5 BBesG verpflichtet bei der
Beurteilung der Auswirkungen der Versorgungsrücklagen zur Berücksichtigung der
allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse. Das Land hat an dieser
laufenden Verantwortung - vermittelt über die ihm seit dem Jahr 2003 eingeräumte
Kompetenz hinsichtlich der Gewährung von Sonderzahlungen - teil; seit dem 1.
September 2006 trägt es diese Verantwortung alleine. .............
67
Angesichts der - beginnend mit dem Jahr 2003 Wirksamkeit erlangenden - über die
Kostendämpfungspauschale hinausgehenden besoldungsrelevanten Maßnahmen des
Landes überschreitet das Festhalten an der Kostendämpfungspauschale und erst recht
ihre Erhöhung ab dem Jahr 2003 die verfassungsrechtlichen Grenzen
gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit. Die Kostendämpfungspauschale führt auf einen
mit Art. 33 Abs. 5 GG nicht vereinbaren, mithin verfassungswidrigen Zustand, weil sie -
im Zusammenhang mit anderen negativen besoldungswirksamen Eingriffen des Landes
- in den Kernbestand der verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation eingreift. Die
Kostendämpfungspauschale stellt sich in einem Gesamtkonzept des Landes zur
angestrebten Haushaltskonsolidierung als eine Einzelmaßnahme dar, die im
Zusammenhang mit zahlreichen gravierenden finanziellen Einbußen der
Besoldungsempfänger des Landes Nordrhein-Westfalen ab dem Jahr 2003 steht. In der
(materiell-rechtlich) gebotenen Zusammenschau
68
vgl. Senatsurteile vom 12. November 2003 - 1 A 4755/00 u. a. -, a. a. O. -
69
führen die Einbußen - entgegen § 14 BBesG - nicht nur zu einer Nichtanpassung der
Bezüge. Sie leiten vielmehr eine unzulässige, weil greifbare Abkopplung der
Alimentation (einschließlich alimentationsergänzender Fürsorgeleistungen) der
Besoldungsempfänger des Landes von der allgemeinen Einkommensentwicklung ein.
In Anbetracht dieses Zustands stellt sich die Kostendämpfungspauschale als eine
spürbare weitere Minderung des den Beamten zur Bestreitung des allgemeinen
Lebensunterhalts zur Verfügung stehenden Einkommens - gleich, ob durch den
Fürsorge- oder Besoldungsgesetzgeber veranlasst - dar. Jedenfalls diese weitere
Minderung führt im Ergebnis auf einen unzulässigen Eingriff in den Kernbestand der zu
gewährenden Alimentation. Die unterste Grenze der (Mindest-)Alimentation, deren
Unterschreitung durch den Gesetzgeber und den Dienstherrn ohne jede einzustellende
Prärogative auf eine Verfassungswidrigkeit der Maßnahme führt, ist hierdurch nicht mehr
gewahrt. Die greifbare Abkopplung der Alimentation der Beamten des Landes
Nordrhein-Westfalen von der allgemeinen Einkommensentwicklung ist für die Zeit ab
2003 festzustellen.
70
Zum Gesichtspunkt der Abkopplung vgl. auch OVG Rheinland- Pfalz, Urteil vom 10.
71
August 2007 - 2 A 10516/07 -, Juris, und OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. April 2007
- 1 L 453/05 -, Juris.
Es ist nicht zu erkennen, dass die Besoldung der Beamten seitdem noch an der
allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung teilhat. Ganz im Gegenteil zielen die
besoldungswirksamen Maßnahmen, die das Land sowohl als Fürsorge- als auch als
Besoldungsgesetzgeber ergriffen hat, auf eine Sonderbehandlung seiner Beamten im
Sinne eines unzulässigen Sonderopfers. .............Die rechtliche Bewertung der
Besoldungslage im hier relevanten Zeitraum wird ferner durch die Betrachtung der
Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen (Lebens)Verhältnisse und durch weitere in
diesem Zusammenhang Bedeutsamkeit erlangende Begleitumstände gestützt.
72
Die Entwicklung der Beamtenbesoldung ist für die Zeit ab 1991 in den Blick zu nehmen.
Dies rechtfertigt sich vor allem daraus, dass sich der Besoldungsgesetzgeber aus
Anlass der Herstellung der Einheit Deutschlands wiederholt mit der Frage zu befassen
hatte, wie diejenigen Beamten - amtsangemessen - besoldet werden könnten, die im
Beitrittsgebiet von ihrer erstmaligen Ernennung an beschäftigt werden. Die Lösung der
Problemstellung wurde zunächst mit der aufgrund des § 73 BBesG ermöglichten
Absenkung der Dienstbezüge angegangen. Die Verordnungsermächtigung in § 73
BBesG erstreckt sich allerdings u. a. auch darauf, die Besoldung entsprechend den
allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen und ihrer Entwicklung in
dem Beitrittsgebiet abweichend vom BBesG festzusetzen und regelmäßig anzupassen.
Die Dienstbezüge der im Beitrittsgebiet davon betroffenen Beamten, Richter und
Soldaten wurden dementsprechend schrittweise erhöht. Der maßgebliche
Vomhundertsatz belief sich ab 1. Juli 1991 zunächst auf 60, wurde in der Folgezeit
regelmäßig erhöht und belief sich ab 1. Januar 2002 auf 90, ab 1. Januar 2003 auf 91
und zuletzt ab 1. Januar 2004 auf 92,5 der Besoldung, welche die in den "alten"
Bundesländern beschäftigten Beamten erhielten.
73
Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 -, a. a. O.
74
Der Bund als damals alleiniger Besoldungsgesetzgeber war also in der Zeit ab dem
Jahr 1990 mehrfach genötigt, sich mit der Amtsangemessenheit der Besoldung zu
befassen. Die Festlegung der Besoldungshöhe für in den Beitrittsgebieten verwendete
Besoldungsempfänger setzte notwendigerweise eine Bewertung der bislang im Übrigen
gewährten Alimentation hinsichtlich ihrer Amtsangemessenheit voraus. Der
Besoldungsgesetzgeber gab, indem er diese als Bezugspunkt festsetzte, zu erkennen,
dass er die im bisherigen Bundesgebiet gewährte Alimentation für amtsangemessen
ansah, angesichts der ausdrücklich in Bezug genommenen wirtschaftlichen und
finanziellen Verhältnisse im Beitrittsgebiet dort jedoch Abschläge für (amts)angemessen
erachtete. Der Besoldungsgesetzgeber ging keineswegs von einer Überalimentation der
im bisherigen Bundesgebiet beschäftigten Besoldungsempfänger aus, die ggf.
Abschläge gegenüber neu beschäftigten Beamten, Soldaten und Richtern im
Beitrittsgebiet hätte rechtfertigen können. Dies belegen die gleichzeitig vorgenommenen
deutlichen linearen Einkommenserhöhungen durch die Bundesbesoldungs- und
Versorgungsanpassungsgesetze der Jahre 1991, 1992 und 1993. Sie betrugen 6,0 %,
5,4 % und 3,0 %. Diesen Befund teilt in der Sache auch das Bundesverfassungsgericht,
das für die Jahre 1978 bis 1996 jedenfalls eine Überalimentation nicht hat erkennen
können.
75
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 u. a. -, a. a. O.; an diese
76
Bewertung anschließend OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2007 - 21 A 1634/05 -, a. a. O.
Im Einzelnen stellt sich - unter Außerachtlassung der im Wesentlichen vergleichbaren
Einmalzahlungen - die Entwicklung der Beamtenbesoldung im Verhältnis zu derjenigen
der Einkommen der im öffentlichen Dienst des Landes und der Gemeinden
Beschäftigten ab 1991 wie folgt dar:
77
Zeitliche Auswirkung ab Tariflicher Bereich (Nachweise bei Böhm/ Spiertz, BAT, Teil III)
Beamtenbereich 01.01.91 +6,0 % 01.03.91 +6,0 % : BBVAnpG 91 vom 21.02.92 (BGBl. I
S. 266) 01.05.92 01.06.92 +5,4 % +5,4 % : BBVAnpG 92 vom 23.03.93 (BGBl. I S. 342)
01.01.93 +3,0 % 01.05.93 +3,0 % : BBVAnpG 93 vom 20.12.93 (BGBl. I S. 2139)
01.01.94 +2,0 % 01.10.94 01.01.95 +2,0 % : BBVAnpG 94 vom 24.08.94 (BGBl. I S.
2229) 01.05.95 +3,2 % +3,2 % : BBVAnpG 95 vom 18.12.95 (BGBl. I S. 1942) 01.01.97
+1,3 % 01.03.97 01.07.97 +1,3 % : BBVAnpG 96/97 vom 24.03.97 (BGBl. I S. 590)
01.01.98 +1,5 % +1,5 % : BBVAnpG 98 vom 06.08.98 (BGBl. I S. 2026) 01.04.99 +3,1 %
01.06.99 01.01.00 +2,9 % : BBVAnpG 99 vom 19.11.99 (BGBl. I S. 2198) 01.08.00 +2,0
% 01.01.01 +1,8 % : BBVAnpG 00 vom 19.04.01 (BGBl. I S. 618) 01.09.01 +2,4 %
01.01.02 +2,2 % : BBVAnpG 00 vom 19.04.01 (BGBl. I S. 618) 01.01.03 01.04.03 +2,4 %
01.04.03 01.07.03 +2,4 % : BBVAnpG 03/04 vom 10.09.03 (BGBl. I S. 1798) 12/03
Kürzung der Sonderzahlung auf 84,29 % (A2 - A6), 70 % (A7, A8), 50 % (sonstige):
Sonderzahlungsgesetz vom 20.11.03 - SZG NRW - (GV NRW S. 696) 01.01.04 +1,0 %
01.04.04 +1,0 % : BBVAnpG 03/04 vom 10.09.03 (BGBl. I S. 1798) 01.05.04 +1,0 %
07/04 Streichung Urlaubsgeld , bisher 332,34 EUR (A2 - A8), 255,65 EUR (sonstige):
BBVAnpG 03/04 i. V. m. SZG NRW 01.08.04 +1,0 % : BBVAnpG 03/04 12/06
Landesbereich: Kürzung der Sonderzahlung auf 95 % (E1 - E8), 80 % (E9 - E11), 50 %
(E12 - E13), 35 % (E14 - E15), Regelung von Leistungsentgelten : TV-L vom 12.10.06
Kommunaler Bereich: Neufestlegung der Sonderzahlung auf 90 % (E1 - E8), 80 % (E9 -
E12), 60 % (E13 - E 15), Regelung von Leistungsentgelten : TVÖD vom 13.09.06
Kürzung der Sonderzahlung auf 60 % (A2 - A6), 45 % (A7, A8), 30 % (sonstige):
Haushaltsbegleitgesetz 2006 vom 23.05.06 (GV NRW S. 197)
78
Die Darstellung zeigt: Der Bund als Besoldungsgesetzgeber ist sich im Sinne der
bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung des Umstands bewusst gewesen,
dass die Besoldung der Beamten an die allgemeine Einkommensentwicklung
anzupassen ist, wie sie u. a. in den Tarifabschlüssen für den öffentlichen Dienst ihren
Ausdruck fand. Er hat ferner seine Prärogativen bei der Bestimmung der
Amtsangemessenheit der Besoldung dementsprechend (zunächst) ausgeübt. Die
Bezüge wurden, wenn auch nicht unter identischer Übernahme, was
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist,
79
vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 34.01 -, a. a. O.; BVerfG, Urteil vom
27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -, a. a. O.,
80
so aber doch regelmäßig jedenfalls "unter Berücksichtigung" der Tarifabschlüsse für
den Arbeitnehmerbereich des öffentlichen Dienstes angepasst (Gesetzentwürfe der
Bundesregierung zu den BBVAnpG der Jahre 1991 bis 1995, 1996/97, 1998 bis 2000
und 2003/2004, BT-Drucks. 12/732, S. 1, 23; 12/3629, S. 1, 25; 12/5472, S. 1; 12/7706,
S. 1, 23; 13/2210, S. 1, 22; 13/5983, S. 1, 7; 13/10722, S. 1, 7; 14/1088, S. 1, 9; 14/5198,
S. 1, 9, und 15/1186, S. 1, 64). So sind für die Zeit von 1991 bis 1999 die
Tarifabschlüsse für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit Blick auf die linearen
Steigerungsraten unverändert übernommen worden. Allerdings waren bereits seit 1991
81
verschiedentlich und seit 1999 durchgängig zeitliche Verschiebungen der Erhöhung um
einige Monate zu verzeichnen.
Vgl. hierzu auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. August 2007 - 2 A 10516/07 -, a.
a. O.
82
Bereits hiermit sollten die Beamten nach den Gesetzesmaterialien einen Beitrag zu
allgemeinen Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen erbringen (BT- Drucks. 12/7706, S.
23; 13/5983, S. 7; 14/5198, S. 1, 9), die zum Teil im Zusammenhang mit besonderen
wirtschaftlichen Belastungen im Rahmen der Wiedervereinigung Deutschlands als
erforderlich angesehen wurden (BT- Drucks. 12/732, S. 1, 23), die zum Teil ihren Grund
aber auch in der Gegenfinanzierung der Umsetzung bundesverfassungsgerichtlicher
Entscheidungen hatten (erhöhter Familienzuschlag für kinderreiche Beamtenfamilien,
vgl. BT-Drucks. 14/1088, S. 1, 9). Für das Jahr 1999 wurde für den Beamtenbereich
erstmals die lineare Steigerungsrate des Tarifabschlusses des Jahres 1999 nicht in
voller Höhe übernommen. Begründet wurde dies mit den hieraus zu erbringenden
Beiträgen der Beamten für die Ausstattung des Sondervermögens
"Versorgungsrücklagen des Bundes und der Länder" (BT-Drucks. 14/1088, S. 1, 9;
14/5198, S. 1, 9).
83
Ergebnis dieser Feststellungen ist, dass die Erhöhung der Besoldung im Zeitraum von
1991 bis 2002 bereits nach der Vorstellung des damals allein zuständigen
Gesetzgebers Bund allenfalls eine unvollständige Anpassung an die allgemeine
Einkommensentwicklung darstellt. Sie führte dazu, dass die Beamten mit der
allgemeinen Einkommensentwicklung schon nicht mehr Schritt halten konnten.
Gleichwohl ist eine greifbare Abkopplung von der allgemeinen Einkommensentwicklung
im Tarifbereich der im öffentlichen Dienst Beschäftigten unter Berücksichtigung der
Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse zu keinem Zeitpunkt zu
erkennen gewesen; sie war durch den Besoldungsgesetzgeber auch ausdrücklich nicht
beabsichtigt. Nach seiner zum Ausdruck gebrachten Intention hat weiterhin ein
Ausgleich für die allgemeine Preissteigerung und ein (Noch)Schritthalten mit den
Ansprüchen an eine Lebensführung stattgefunden, wie sie auch die Entlohnung für
vergleichbare Tätigkeiten im sonstigen öffentlichen Dienst ermöglicht. Der Bund ist
ersichtlich davon ausgegangen, dass er bis zum Jahr 2002 seiner Alimentationspflicht in
einem dem absoluten Mindestmaß zumindest genügenden Umfang nachgekommen ist.
Die Bundesregierung hat anlässlich der parlamentarischen Beratungen zum BBVAnpG
2000 betont, in einer Gesamtschau der Jahre 1999 bis 2002 würden die Dienst- und
Versorgungsbezüge mit den vorgeschlagenen Erhöhungen um 2 % und 2,4 % (jeweils
unter Einbehalt von 0,2 % für die Versorgungsrücklage) um insgesamt 7,5 % linear
angehoben und damit an die Entwicklung der allgemeinen und wirtschaftlichen
Verhältnisse angepasst. Hierbei sei das Tarifergebnis für die Arbeiternehmer des
öffentlichen Dienstes Grundlage und Leitziel der vorgeschlagenen Erhöhungen. Diese
Anknüpfung sichere langfristig für alle Statusgruppen im öffentlichen Dienst eine
gleichgerichtete Entwicklung der Bezüge und stärke damit die Einheit des öffentlichen
Dienstes. Zusammen mit der Steuerentlastung und der Erhöhung des Kindergeldes
seien die Nettoeinkommen der Beamten real deutlich gestiegen und würden auch weiter
angemessen steigen (BT-Drucks. 14/5198, S. 14).
84
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2003 - 2 BvL 19/02 -, ZBR 2004, 47.
85
Entscheidend ändern sich die Verhältnisse demgegenüber ab 2003. Die bis zum Jahr
86
2002 verfolgten, im allgemeinen Konsens angewandten und verfassungsrechtlich
fundierten Parameter werden ausdrücklich verworfen. Der Bund hat mit dem BBVAnpG
2003/2004 das Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung in der
Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3642) und das
Urlaubsgeldgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2002 (BGBl. I S.
1780) aufgehoben und bestimmt, dass diese Gesetze (lediglich) bis zum Inkrafttreten
bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen zur Gewährung von jährlichen
Sonderzahlungen weiter anzuwenden sind. Zur Begründung hat der Innenausschuss
des Bundestages auf die beabsichtigte Stärkung der Länderkompetenzen im Bereich u.
a. der Beamtenbesoldung verwiesen. Den Ländern werde mehr Gestaltungsspielraum
eingeräumt, um eigenständige Regelungen im Bereich des Weihnachts- und
Urlaubsgeldes erlassen zu können. Unter Beibehaltung einheitlicher Standards in der
Besoldung erfolge eine auf den Bereich des Weihnachts- und Urlaubsgeldes begrenzte
Flexibilität, die von den Ländern ausdrücklich gewünscht werde (Beschlussempfehlung
vom 2. Juli 2003, BT-Drucks. 15/1347, S. 1, 27). Der Bundesrat hatte zuvor einen
entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht, zu dessen Begründung auf die schwierige,
teils extrem belastete Situation der Landeshaushalte und auf die regionalen, sozialen
und leistungsbezogenen Handlungsmöglichkeiten verwiesen worden ist. Die den
Ländern einzuräumenden Regelungsmöglichkeiten sollten der unterschiedlichen
finanziellen Leistungskraft in begrenzter, dem Alimentationsprinzip entsprechender
Weise Rechnung tragen (BT-Drucks. 15/1021, S. 7).
Das Land hat von der ihm eingeräumten Kompetenz mit dem Erlass des SZG NRW
zeitnah Gebrauch gemacht und Sonderzahlungen in dem oben in der Tabelle
dargestellten Umfang verringert. Dies hat bereits im Jahr 2003 für die Beamten des
Landes eine Besoldungskürzung zur Folge, die sowohl in absoluten, als auch in
relativen Beträgen spürbar und erheblich ist. Mit einer bloßen Marginalität, die ggf. durch
schlichte Berufung auf ausgeübte Einschätzungsprärogativen erklärt und auch
gerechtfertigt werden mag, kann dieser Befund nicht abgetan werden.
87
Jahreseinkommen in EUR ........ Jahreseinkommen in EUR fiktiv (Jahresgrundgehalt der
ersten Dienstaltersstufe zzgl. Sonderzahlung unter Beibehaltung des
Bemessungsfaktors 0,8631 nebst Urlaubsgeld abzgl. Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag
und Kirchensteuer) Differenz a) absolut b) relativ A 7 17.878,37 1.620,19 x 3 + 1.659,07
x 9 = 19.792,20 zzgl. 1.431,94 + 332,34 = 21.556,48 abzgl. 3.048,00 + 167,64 + 274,32 =
18.066,52 a) 188,15 b) 1,04 A 12 24.286,50 2.450,28 x 6 + 2.509,09 x 6 = 29.756,22
zzgl. 2.165,60 + 255,65 = 32.177,47 abzgl. 6.405,00 + 352,27 + 576,45 = 24.843,75 a)
557,25 b) 2,24 R 2 32.549,11 3.610,23 x 6 + 3.696,88 x 6 = 43.842,66 zzgl. 3.190,78 +
255,65 = 47.289,09 abzgl. 12.269,00 + 674,79 + 1.104,21 = 33.241,09 a) 691,98 b) 2,08
B 4/ R 4 47.181,92 6.138,96 x 6 + 6.286,30 x 6 = 74.551,56 zzgl. 5.425,71 + 255,65 =
80.232,92 abzgl. 27.972,00 + 1.538,46 + 2.517,48 = 48.204,98 a) 1.023,06 b) 2,12 B 8/ R
8 55.584,36 7.632,22 x 6 + 7.815,39 x 6 = 92.685,66 zzgl. 6.745,46 + 255,65 = 99.686,77
abzgl. 37.418,00 + 2.057,99 + 3.367,62 = 56.843,16 a) 1.258,80 b) 2,21
88
Die monatliche Belastung liegt in Anlehnung an die in § 12a Abs. 1 BVO NRW
vorgesehene Staffelung nach Besoldungsgruppen hiernach in absoluten Beträgen
zwischen 15,68 EUR und 104,90 EUR, im Verhältnis zum Jahreseinkommen beläuft
sich die Kürzung auf 1,04 % bis 2,24 %. Die Erheblichkeit der Kürzungsbeträge lässt
sich insbesondere daran messen, dass noch unmittelbar vor der vorgenommenen
Kürzung die Besoldung der Beamten bis zur Besoldungsgruppe A 11 ab dem 1. April
2003 und für die übrigen Beamten ab dem 1. Juli 2003 linear um 2,4 % erhöht worden
89
ist, womit nach der oben dargelegten Intention des Bundesbesoldungsgesetzgebers
(lediglich) eine notwendige Anpassung der Bezüge bewirkt werden sollte; bezogen auf
das gesamte Jahr 2003 bedeutet dies für die Beamten der Besoldungsgruppen bis A 11
eine Steigerung um rund 1,8 %, für alle übrigen eine solche um rund 1,2 %. Dem stehen
bereits bei generalisierender und pauschalierender Betrachtung im Jahr 2003
Kürzungen in teils überschießendem Umfang gegenüber.
Die Besoldungskürzung fällt auch für einen Beamten bzw. Richter in einer dem Kläger
vergleichbaren Position nicht marginal aus. Verfügte ein Richter in der Stufe 12 der
Besoldungsgruppe R 1 mit einem Familienzuschlag der Stufe 5 bei Wahl der
Steuerklasse 3 ohne Kirchensteuerpflicht mit 4 Kinderfreibeträgen im Jahr 2003
tatsächlich über ein Jahresbruttogrundgehalt von 58.628,58 EUR (4.827,78 EUR x 6 +
4.943,65 EUR x 6), Familienzuschlag von 8.679,12 EUR (714,68 EUR x 6 + 731,84
EUR x 6), Sonderzahlung von 2.939,99 EUR und Urlaubsgeld von 255,65 EUR, wovon
nach Abzug von Lohnsteuer (15.372,00 EUR) und Solidaritätszuschlag (419,10 EUR)
noch insgesamt 54.712,24 EUR verblieben, wäre ihm unter Anlegung des bisherigen
Bemessungsfaktors eine Sonderzahlung von 5.000,76 EUR gewährt worden, was nach
Abzug von Steuern (16.114,00 EUR, 452,76 EUR) zu einer Nettojahresbesoldung von
55.997,35 EUR (brutto: 72.564,11 EUR) geführt hätte. Dies bedeutet allein bezogen auf
das Jahr 2003, dass dem Kläger 1.285,11 EUR (monatlich 107,09 EUR) weniger
Besoldung für die Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts gewährt wurde. In
Relationen ausgedrückt handelt es sich um 2,29 % des Jahreseinkommens; unter
notwendiger Hinzurechnung der den Kläger zusätzlich treffenden und vorliegend gerade
auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu untersuchenden Kostendämpfungspauschale liegt
die Belastung bei 1.425,11 EUR (monatlich 118,76 EUR) oder 2,54 %. Mittelfristig -
allein für den Zeitraum 2003 bis 2007 - gesehen bedeutet dies eine
Einkommenseinbuße von über 9.000 EUR.
90
Diese nach absoluten und relativen Maßstäben gravierende, weil auch keine nur
entfernte Entsprechung in der vergleichbaren allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung
findende Belastung des Klägers - als insoweit repräsentativer Teil der Betroffenen - lässt
sich nicht dahingehend marginalisieren, es könne ihm zugemutet werden, seinen
(bislang) amtsangemessenen Lebensstandard durch Konsumverzicht abzusenken.
Denn zu einem derartigen Verzicht kann der Beamte jedenfalls so lange nicht
verpflichtet werden, wie solches in der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung keine
Rechtfertigung findet. Auch Zusammenhänge zwischen dem - den Beamten nicht
zustehenden - Streikrecht und der Auferlegung eines Sonderopfers im Wege der
Besoldungsabsenkung gerade der Beamtenschaft sind nicht erkennbar. Völlig
unerheblich ist schließlich, ob der Kläger als Richter der Besoldungsgruppe R 1 in
Anbetracht der ihm nach den Kürzungen noch gewährten Besoldung "ein Leben
deutlich oberhalb des sozialhilferechtlichen Existenzminimums führen" kann.
91
Vgl. aber OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2007 - 21 A 1634/05 -, a. a. O.; offenlassend
OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. April 2007 - 1 L 453/05 -, a. a. O.
92
Der Anspruch auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation wurzelt - für jeden
Beamten jeder Besoldungsgruppe - in Art. 33 Abs. 5 GG und nicht im
Sozialstaatsprinzip. Sozialhilferechtliche Erwägungen taugen nur dann als evidenter
Kontrollmaßstab, wenn die gewährte Besoldung nicht einmal das Existenzminimum
sichert.
93
Vgl. zu den unzureichenden familienbezogenen Bezügebestandteilen BVerfG,
Beschluss vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 u. a. -, a. a. O.
94
Ansonsten ist das sozialhilferechtlich gewährleistete Existenzminimum schlechthin
ungeeignet, als Parameter für die Amtsangemessenheit der Beamtenbesoldung zu
dienen. Sozialhilfe dient der Sicherung menschenwürdiger Existenz für eine
Bevölkerungsgruppe, die sich diese aus eigener Kraft, namentlich wegen fehlender
eigener Mittel aus Erwerbstätigkeit, nicht selbst verschaffen kann. Damit in keinerlei
Zusammenhang steht die Frage, welche "Gegenleistung" einem Beamten bzw. Richter
geschuldet wird, dem die "volle Hingabe an seinen Beruf" abverlangt ist (vgl. § 36
BRRG, § 57 LBG NRW, § 4 Abs. 1 Satz 1 LRiG). Vergleichsgruppe ist demgemäß nicht
die auf Inanspruchnahme von Sozialhilfe (bzw. - jetzt - Arbeitslosengeld II) angewiesene
Gruppe der Erwerbslosen, sondern diejenige Gruppe von Erwerbstätigen, die nach
Ausbildung und Anforderung an ihr jeweiliges "Amt" mit den Beamten vergleichbar ist.
Jene Gruppe gibt bei notwendig pauschalierender Sicht den nach den Zeitläufen
unterschiedlichen Lebensstandard vor, an dem die Beamtenbesoldung zu orientieren
ist.
95
Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -, a. a. O.; die gedankliche
Bezugnahme auf das sozialhilferechtliche Existenzminimum in dem Beschluss des
BVerfG vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 -, a. a. O., ist danach als überholt zu erachten
und betrifft im Übrigen außergewöhnliche Umstände.
96
Aus den dargelegten finanziellen Einbußen erschließt sich, dass die Beamten des
Landes allgemein und mit ihnen auch der Kläger beginnend mit dem Jahr 2003 nicht
mehr an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilhatten. Ungeachtet dessen hat
das Land die ursprünglich lediglich für einen Zeitraum von drei Jahren vorgesehene
Absenkung der Sonderzahlung mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2006 vertieft. Die
vorgesehene Wiederangleichung an das bundesrechtliche Niveau wurde nicht
zugelassen, sondern eine nach Ansicht der Landesregierung zur
Haushaltskonsolidierung erforderliche noch weitergehende Absenkung vorgenommen
(LT-Drucks. 14/1000, S. 4, 73 ff., 102). Überdies tritt das SZG NRW mit Ablauf des 31.
Dezember 2009 außer Kraft (§ 11 SZG NRW).
97
Das Land hat danach sowohl die Struktur der Beamtenbesoldung mit Blick auf die
vollständige Abschaffung des Urlaubsgeldes verändert - dieser ursprüngliche
Bestandteil der Besoldung ist mit Wirkung ab 2004 weggefallen - als auch in
Verbindung mit weiteren Begleitmaßnahmen das Jahreseinkommen gekürzt, was - auch
dies ist dem Land zuzugestehen - nicht per se verfassungswidrig ist. Der Beamte hat
grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm die für die Bemessung der Bezüge
maßgeblichen Regelungen, unter denen er in das Beamtenverhältnis eingetreten ist,
unverändert erhalten bleiben. Jederzeit geändert werden können u. a. das sog. 13.
Monatsgehalt oder das Urlaubsgeld. Art. 33 Abs. 5 GG stellt keinen Grundsatz auf,
wonach sich die Besoldung des Beamten aus bestimmten Komponenten
zusammensetzen müsste, und er garantiert auch nicht die unverminderte Höhe der
Bezüge. Der Beamte hat allerdings Anspruch darauf, unbeschadet von Änderungen
oder Kürzungen, die einer sachlichen Rechtfertigung bedürfen, amtsangemessen
alimentiert zu werden.
98
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u. a. -, BVerfGE 44, 249,
vom 6. März 2006 - 2 BvR 2443/04 -, Juris, und vom 20. Juni 2006 - 2 BvR 361/03 -, a. a.
99
O.
Vorliegend fehlt es - abgesehen davon, dass in den einschlägigen parlamentarischen
Verfahren ein verfassungsrechtlich tragfähiger Grund für die Eingriffe in die Besoldung
nicht dargelegt worden ist - auch bei objektiver Betrachtung an einem sachlichen Grund
für die Kürzungen, der vor Art. 33 Abs. 5 GG Bestand hätte. Darüber hinaus führen die
besoldungswirksamen Kürzungen zur Gefährdung der amtsangemessenen
Alimentation.
100
Als alleiniger Grund für die Kürzungen ist nach allem nur die Einsparung von Kosten zu
erkennen. Hierauf allein lassen sich - wie schon mehrfach betont - in
beamtenrechtlichen Zusammenhängen Eingriffe in die Besoldung jedoch nicht stützen.
Hinzu kommen muss ein für den Eingriff systemimmanenter Grund. So muss
beispielsweise der Grund für die Beschränkung von Versorgungsleistungen im
Versorgungssystem selbst angelegt sein,
101
vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -, a. a. O.;
102
bei Änderungen im Besoldungsgefüge ist dem Gesetzgeber zuzugestehen, das
gesamte Gefüge und übergreifende Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen.
103
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2004 - 2 BvL 16/02 -, BVerfGE 110, 353.
104
Hinsichtlich der Absenkung der den Beamten des Landes zu gewährenden
(Jahresnetto-)Besoldung ist ein im Besoldungsgefüge liegender Grund ebenso wenig
ersichtlich wie ein hierfür sprechender übergreifender Gesichtspunkt. Namentlich die
insoweit in Betracht zu ziehende Erwägung, die Beamten könnten bislang zu hoch
alimentiert gewesen sein, greift aus den dargelegten Gründen nicht.
105
Auch im Übrigen gibt es keine empirischen Anhaltspunkte für einen das
Besoldungsgefüge übergreifenden Gesichtspunkt, der eine Absenkung der Bezüge
rechtfertigen würde. Die bislang gewährte Besoldung der Beamten ist angesichts der
Einkommensentwicklung vergleichbarer Beschäftigter und der allgemeinen
wirtschaftlichen Entwicklung ab dem Jahr 2003 nicht zu hoch angesetzt, sodass sie im
Wege der Reduzierung mehrerer Komponenten der Besoldung (hier: Sonderzahlung
einschließlich Urlaubsgeld) nunmehr - nach unten - angepasst werden müsste. Die den
Beamten verweigerte Teilhabe an der allgemeinen Einkommensentwicklung ist danach
weder vom Land tragfähig begründet noch sonst begründbar. Sie führt zur
diesbezüglichen "Abkopplung" und der hiermit verbundenen Gefährdung der
amtsangemessenen Alimentation.
106
Eine vergleichbar negative Einkommensentwicklung vergleichbarer Beschäftigter ist im
Land Nordrhein-Westfalen nicht zu verzeichnen. Auch das Land als im Rahmen der
Sonderzahlung tätig werdender Gesetzgeber geht hiervon nicht aus. Das Land hat -
beginnend ab 2003 - die Sonderzahlungen vielmehr planmäßig in einem deutlichen
Umfang zur Herbeiführung eines Sonderopfers gekürzt. Denn weder sind im
gedanklichen Ansatz entsprechende Kürzungen im Bereich der tariflich Beschäftigten
gegenüber gestellt worden noch sind diese tatsächlich erfolgt. Die Landesregierung hat
zum geplanten SZG NRW im Jahr 2003 vorgetragen, entsprechende Tarifverträge seien
zwar gekündigt worden. Die Kündigung gelte allerdings nur für neu eingestellte
Arbeitnehmer des Landes; für die bestehenden Arbeitsverhältnisse entfalte der
107
gekündigte Tarifvertrag eine Nachwirkung. Bis zum Jahr 2005 solle über eine
Neuregelung der Sonderzuwendungen im tariflichen Bereich verhandelt werden (LT-
Drucks. 13/4572, S. 16). Tatsächlich erfolgt ist eine Neuregelung der
Sonderzuwendungen für die im öffentlichen Dienst des Landes stehenden
Beschäftigten erst auf der Grundlage des TV-L vom 12. Oktober 2006 mit Wirkung zum
1. November 2006. Diese erweist sich gegenüber den Verhältnissen im Bereich der
Beamtenschaft überdies deutlich günstiger; so fallen die prozentualen Beträge für die
Sonderzuwendung signifikant höher aus und werden überdies ab dem 1. Januar 2007
zum Tabellenentgelt zusätzlich Leistungsentgelte eingeführt. Ein Anteil von 12 v. H. des
Tabellenentgelts, das für den Monat September jeweils zusteht, ist mit Ausgabezwang
garantiert und wird mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember ausgezahlt (§ 18
Abs. 2 und 5 TV-L). Noch günstigere Konditionen ergeben sich im Bereich der
Sonderzuwendung für die Beschäftigten in den Kommunen, in welchen der TVÖD vom
13. September 2006 Anwendung findet.
Nach den eigenen Ausführungen des Landes steht demnach auch im Zeitraum von
1996 bis 2007 einer Erhöhung der tariflichen Einkommen um 17,3 % eine Erhöhung der
Beamtenbesoldung um lediglich 9,9 % gegenüber. Der vom Land ........ vorgelegten
Aufstellung über die Entwicklung der linearen (Tarif-)Bezüge in NRW von 1990 bis 2007
............ lässt sich ohne Berücksichtigung der Kürzungen bei der Sonderzahlung ein
Zuwachs der Beamtenbezüge von ca. 39,3 % entnehmen; für die tariflich im öffentlichen
Dienst Beschäftigten beträgt der Zuwachs 40,1 %. Dies ist Beleg für eine im Grunde -
bis zum Jahr 2002 - erfolgte gleichförmige Einkommensentwicklung jedenfalls aller
Statusgruppen im öffentlichen Dienst. Die Zuwachsraten der übrigen tariflich
Beschäftigten im Land liegen bereits nach dem eigenen Kenntnisstand und Vortrag des
Landes ohnehin deutlich, zum Teil sogar weit darüber (zwischen 44,4 % und 63,4 %).
108
Vergleichbar der Befund bei OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2007 - 21 A 1634/05 -, a. a.
O.
109
Demgegenüber fällt unter Berücksichtigung der Kürzungen bei der Sonderzahlung ab
dem Jahr 2003 der Zuwachs bei der Beamtenbesoldung mit 34,8 % (gegenüber 40,1 %)
deutlich geringer aus. Unerheblich ist in Anbetracht dieser Einkommensentwicklung
eine ggf. ab dem Jahr 2003 zum Zuge kommende allgemeine (einkommen)steuerliche
Entlastung, auch wenn es in Alimentationsfragen grundsätzlich auf die gewährte
Nettobesoldung ankommt. Die hier in Betracht zu ziehenden steuerlichen Entlastungen
wirken sich für Beamte und tariflich Beschäftigte des Landes gleichermaßen aus,
ändern also an dem Befund einer greifbaren Abkopplung der Einkommen nichts und
lassen damit bei der hier anzustellenden vergleichenden Betrachtung die Bewertung
der Amtsangemessenheit der Alimentation unberührt.
110
Hinzu kommt, dass die Beamten des Landes seit dem 1. Januar 2004 grundsätzlich eine
wöchentliche Arbeitszeit von 41 Stunden zu verrichten haben (§ 78 Abs. 1 Satz 1 LBG
NRW, § 2 Abs. 1 Satz 1 c ArbZV). Bei tariflich Beschäftigten verbleibt es selbst nach
dem Abschluss des TV-L bei 39 Stunden und 50 Minuten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 a TV-L, vgl.
auch § 6 TVÖD); zuvor galt für die Arbeitnehmer, die bereits vor der Kündigung des BAT
durch die Länder im Jahr 2004 in einem Beschäftigungsverhältnis zum Land standen,
eine Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden.
111
Vgl. Bundesministerium des Innern, Der öffentliche Dienst in Deutschland, Stand April
2006, S. 62, www.bmi.bund.de.
112
Das Land kann sich in Anbetracht dieses Befundes nicht darauf zurückziehen, es habe
lediglich aus tariflichen Gründen eine Einkommensreduzierung im Bereich der tariflich
Beschäftigten nicht bereits im Jahr 2003 erreichen können. Die Gesetzesabhängigkeit
der Beamtenbesoldung dient nicht dem Ausgleich (bislang) nicht erreichter
Verhandlungserfolge im tariflichen Bereich.
113
Vgl. Wolff, DÖV 2003, S. 498.
114
Das Land ist auch nicht berechtigt, zur Durchsetzung künftiger tarifpolitischer Ziele unter
Außerachtlassung der oben erschöpfend dargestellten verfassungsrechtlichen
Parameter amtsunangemessen zu alimentieren und sei es auch nur vorübergehend, bis
die gewünschten tariflichen Verhandlungsergebnisse erzielt worden sind.
Dementsprechend unbeachtlich wäre auch ein etwaiger - im Übrigen in der Sache nicht
zutreffender - Einwand, die Absenkung der Einkommen für die tariflich im öffentlichen
Dienst Beschäftigten sei jedenfalls in der Folgezeit - ab dem Jahr 2006 - zumindest zum
Teil nachgeholt worden. Unabhängig von der an einen solchen Befund anknüpfenden
Frage, ob allein eine Absenkung der Entlohnung dieser Beschäftigtengruppe auch eine
Senkung der Beamtenbesoldung zu rechtfertigen in der Lage wäre, ändert dies nichts
daran, dass jedenfalls beginnend mit dem Jahr 2003 bis zu einer Ankopplung eine
unzulässige Sonderbehandlung der Beamten des Landes erfolgt ist. Dies verstößt in
seiner Zielrichtung gegen den Kern der verfassungsrechtlich zu erwartenden Fürsorge.
115
Es ist auch keine nachhaltige Verschlechterung der wirtschaftlichen Gesamtsituation ab
dem Jahr 2003 zu erkennen, auf deren Grundlage gefolgert werden könnte, die
Besoldung der Beamten halte sich unter Berücksichtigung dieses Umstands ab dieser
Zeit nicht mehr im Rahmen des Amtsangemessenen, sondern sei überzogen. Das gilt
auch in Ansehung des wiederholten Hinweises des Landes auf die bestehende
"Haushaltsnotlage". Denn für deren Vorliegen im Sinne einer finanzverfassungsrechtlich
bedeutsamen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder einer
vergleichbaren exzeptionellen Ausnahmesituation sind - auch durch die Vertreter des
beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - Anhaltspunkte nicht
aufgezeigt worden und mit Blick auf die einschlägige Rechtsprechung des
Verfassungsgerichthofs des Landes auch sonst nicht ersichtlich.
116
Vgl. für die Haushaltsjahre 2001 und 2002 sowie 2004/2005 VerfGH NRW, Urteile vom
2. September 2003 - 6/02 -, NVwZ 2004, 217, und 24. April 2007 - 9/06 -, Juris.
117
Mit dem aufgezeigten rechtlichen Ansatz bewegt sich der Senat in völliger
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die dem
Gesetzgeber zugestanden hat, sich bei der Bemessung der Besoldung an der
Finanzlage der öffentlichen Haushalte zu orientieren. Dies gilt jedoch nur insoweit, als
die Finanzlage die wirtschaftliche Gesamtsituation widerspiegelt,
118
vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 -, a. a. O.,
119
also nicht der oben zugrundegelegte Regel- sondern ein Ausnahmefall vorliegt.
Vergleichbare außergewöhnliche Umstände sind im hier maßgeblichen Zeitraum in
Nordrhein-Westfalen nicht festzustellen. Im Unterschied zu den Dienstbezügen der
Beamten
120
- vgl. zu deren Zurückbleiben hinter den Lebenshaltungskosten im Sinne realer
Einkommensverluste etwa Kenntner, ZBR 2007, 230 (dort bezogen auf den Zeitraum
1991 bis 2003) -
121
sind die allgemeinen Einkommen sowohl im Bundesdurchschnitt als auch im Land im
Zeitraum von 1990 bis 2002, aber auch in der Folgezeit regelmäßig stärker gestiegen
als die Preise (Jahrbücher des Statistischen Bundesamtes 1991, S. 534; 1996, S. 546 f.;
1997, S. 566 f.; 2003, S. 572).
122
Vgl. für den Zeitraum von 1978 bis 1996 BVerfG, Beschluss vom 24. November 1998 - 2
BvL 26/91 u. a. -, a. a. O.
123
Das Land ......... hat im vorliegenden Verfahren selbst darauf verwiesen, dass in der Zeit
von 1996 bis 2007 der Preisindex eine Steigerung um ca. 20 % ausweise; die
durchschnittliche Lohnsteigerung betrage ca. 29,8 %.
124
Auch ein Blick auf das Volkseinkommen je Einwohner, das die Veränderungen am
Arbeitsmarkt einbezieht, weist nicht auf eine allgemeine Verschlechterung der
wirtschaftlichen Bedingungen im Bundesdurchschnitt hin, sondern zeigt eine
regelmäßige, ununterbrochene Steigerungstendenz auf. Ähnliches gilt für die
Verhältnisse im Land Nordrhein-Westfalen. Die Arbeitnehmerentgelte haben seit dem
Jahr 1993 eine kontinuierliche Steigerung erfahren. Erst im Jahr 2005 ist kein Zuwachs
mehr zu verzeichnen, was durch die Entgelteinbußen der öffentlichen und privaten
Dienstleister in den Jahren 2004 und 2005 mitbedingt ist. Das verfügbare Einkommen
der privaten Haushalte im Land Nordrhein-Westfalen ist dementsprechend im Zeitraum
von 1993 bis 2004 jährlich deutlich und kontinuierlich gestiegen; dies betrifft sogar die
erwerbslosen Haushalte. Abgerundet wird dieses Bild durch die Ausgaben und
Aufwendungen privater Haushalte für den privaten Verbrauch. Die privaten
Konsumausgaben sind in der Zeit von 1998 bis 2003 im Bundesdurchschnitt ebenfalls
kontinuierlich angestiegen. Dasselbe gilt für die Verhältnisse im Land Nordrhein-
Westfalen, wie die Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichproben der Jahre
1998 und 2003 belegen (Jahrbücher des Statistischen Bundesamtes 1993, S. 694;
1996, S. 655; 1997, S. 680; 2001, S. 566; 2004, S. 635, 729; 2005, S. 625, und 2006, S.
556, 641; Statistische Jahrbücher NRW 2004, S. 621, 658, und 2006, S. 624, 654, 664).
125
Die Bewertung der allgemeinen wirtschaftlichen Gesamtsituation als auf einer weiterhin
fortschreitenden positiven Entwicklung beruhend teilt auch das Land. Dies ist im
gegebenen Zusammenhang unmittelbar aufschlussreich, wenngleich diese Bewertung
lediglich im Rahmen der Neuordnung der Abgeordnetenentschädigung erfolgt ist.
Anlässlich des Systemwechsels bei der Festsetzung der Abgeordnetenentschädigung
sind im Jahr 2001 umfangreiche parlamentarische Untersuchungen zur
Amtsangemessenheit der Diäten durchgeführt worden. Sie mündeten in Empfehlungen
der Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts vom 7. März 2002. Zu künftigen
Diätenerhöhungen wurde eine Orientierung an der allgemeinen Lohn- und
Gehaltsentwicklung oder der Veränderung der Lebenshaltungskosten erwogen. Es läge
nahe, die allgemeine Einkommensentwicklung als Vergleichsmaßstab zu wählen (LT-
Drucks. 13/2330). Anhaltspunkte für negative wirtschaftliche Veränderungen unter den
genannten Ansatzpunkten (allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung, Veränderung der
Lebenshaltungskosten) zeigen die Empfehlungen dieser sachverständig besetzten sog.
Diätenkommission nicht auf. Parlamentarisch wurden diese Empfehlungen mit einem
Gesetzentwurf aller Fraktionen unter dem 21. Februar 2005 zum - später entsprechend
126
geänderten - Abgeordnetengesetz NRW umgesetzt (LT-Drucks. 13/6596). In der Folge
knüpft hieran der bereits erwähnte Angemessenheitsbericht der Landtagspräsidentin
vom 27. November 2006 an und stellt unter Auswertung der vom Präsidenten des LDS
übermittelten Feststellungen über die allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung sowie
die Lebenshaltungskosten und Einzelhandelspreise im Jahr 2005 einen
Erhöhungsfaktor von 1,39 fest (LT-Drucks. 14/3009). Die im November 2006 bereits
bekannte - nämlich unter dem 23. Mai 2006 beschlossene - weitere Absenkung der
Sonderzahlung für die Beamten und Richter des Landes ist bei dieser Betrachtung
allerdings ausgeblendet worden. Bezeichnenderweise wird im Angemessenheitsbericht
auch bei der Ermittlung der durchschnittlichen Einkommenserhöhung der ausdrücklich
festgehaltene Umstand, dass die Beamtenbesoldung nicht erhöht worden ist, nicht
berücksichtigt, sodass von einer Erhöhung von 0,67 v. H. (statt bei entsprechender
rechnerischer Mittelung von lediglich 0,50 v. H.) ausgegangen worden ist. Hieraus folgt
eine Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung um den Faktor 1,39 (statt von lediglich
1,30). Angesichts des Umstands, dass im Land und in den Kommunen im maßgeblichen
Zeitraum eine keineswegs zu vernachlässigende Anzahl von insgesamt rund 320.000
Beamten beschäftigt gewesen ist (Statistisches Jahrbuch NRW 2006, S. 526 ff., sowie
Personalstandsstatistik des LDS unter www.lds.nrw.de), lässt sich diese
Vorgehensweise nur damit erklären, dass die Besoldung dieser Berufsgruppe an der
Betrachtung der wirtschaftlichen Entwicklung nach dem Vorstellungsbild der
parlamentarisch Verantwortlichen ausdrücklich keinen Anteil mehr haben soll. Dies
untermauert die vom Senat getroffene Einschätzung, dass die Besoldung der Beamten
des Landes bereits im Jahr 2003 von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung
abgekoppelt werden sollte und konsequent auch beginnend mit diesem Zeitpunkt
abgekoppelt worden ist. Hiervon geht auch der Finanzminister des Landes aus. Er hat
am 22. August 2007 vor dem Landtag die für 2008 beabsichtigte Besoldungserhöhung
u. a. mit der Wendung begründet, "eine weitere Abkopplung von der Lohn- und
Gehaltsentwicklung in unserem Lande" sei "nicht verantwortbar" (Plenarprotokoll 14/66,
S. 7469).
Soweit das Land seine Auffassung, die Beamten des Landes seien auch ab dem Jahre
2003 amtsangemessen alimentiert worden, darauf stützt, das Bundesverfassungsgericht
habe noch im Jahr 2005 die Absenkung der Versorgungsleistungen für rechtmäßig
gehalten, ist ein zielführender Zusammenhang mit den hier einschlägigen Problemen
nicht zu erkennen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom
27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -, a. a. O., ausschließlich mit der Frage befasst, ob
die gegenüber dem Rentenbereich überschießende Versorgungsanpassung den
Anspruch auf angemessene Versorgung der Versorgungsempfänger verletzt, und diese
Frage im Ergebnis verneint. Eine Aussage zu der hier zu klärenden Frage, ob die
Beamten des Landes ab 2003 amtsangemessen besoldet werden, kann dieser
Entscheidung weder unmittelbar noch auch nur sinngemäß entnommen werden. Ihr ist
im Gegenteil eindeutig zu entnehmen, dass es auch im Versorgungsbereich auf die
Frage entscheidend ankommt, ob eine greifbare Abkopplung von vergleichbaren
Bereichen der Altersvorsorge vorliegt. Wenn das Bundesverfassungsgericht unter
diesem Gesichtspunkt eine derartige Abkopplung als vorübergehende nicht
beanstandet, wohl aber als Dauerzustand nicht gebilligt hat, beruht dies im
Wesentlichen darauf, dass dort Spezialprobleme des Versorgungsrechts und der -
angespannten - Rentensituation zu betrachten gewesen sind, die Rückschlüsse auf die
Richtigkeit der Tatsachenermittlungen und Tatsachenbewertungen durch den Senat
hinsichtlich der Einkommenssituation von Erwerbstätigen, einschließlich der Beamten
des Landes Nordrhein- Westfalen nicht zulassen. ...........
127
Ist eine nachhaltige negative wirtschaftliche Veränderung der für die Bestimmung der
Amtsangemessenheit der Besoldung maßgeblichen Verhältnisse objektiv nicht zu
erkennen und deuten auch ausgeübte Prärogativen des Landes nicht in diese Richtung,
hält demgegenüber aber gleichwohl die Einkommensentwicklung der Beamten mit der
allgemeinen Entwicklung - nach dem Willen des Landes: planmäßig - in dem
aufgezeigten Umfang nicht mehr Schritt, sondern fällt im Wege einer deutlichen, ins
Auge springenden Zäsur hinter die allgemeinen Verhältnisse zurück, so stellt dies eine
greifbare und als solche nicht rechtfertigungsfähige Abkopplung der Besoldung dar.
Jeder weitere besoldungswirksame Zugriff durch das Land, auch und gerade wenn er im
Rahmen von Einschnitten beim Gewähren fürsorgerischer Leistungen erfolgt, ist
hiernach rechtswidrig, da den Beamten - über die Abkopplung hinaus - weitere
finanzielle Belastungen auferlegt werden, die aus der allgemein zur Bestreitung des
Lebensunterhalts gewährten - unzureichenden - Besoldung zu finanzieren sind. In
dieser Weise wird das Spannungsverhältnis zwischen Besoldung und ergänzender
fürsorgerischer Leistung nicht in verfassungskonformer Weise gelöst, sondern im
Gegenteil in verfassungswidriger Weise verschärft. Ist dieser Zustand - wie hier -
erreicht, sind vom Dienstherrn zu gewährende Besoldung und Fürsorge nicht mehr im
Sinne ergänzender Wechselseitigkeit aufeinander bezogen.
128
Diese Schlussfolgerung beruht - ebenso wie die Prüfung der Angemessenheit der
Alimentation mit Blick auf vergleichbare Entlohnung im Tarifbereich - notwendig auf
einer pauschalierenden Betrachtung. Soweit die Untergrenze des Zumutbaren in Rede
steht, geben hier die vorstehend im Einzelnen abgehandelten Gesichtspunkte greifbarer
Abkopplung, fehlender Überalimentation und notwendiger Anpassung an steigende
Einkommen im Übrigen den Ausschlag für die Bewertung, dass die Grenze des
verfassungsrechtlich Hinnehmbaren unterschritten wird, wenn zu allem noch die
Kostendämpfungspauschale auf schon vorgenommene Kürzungen aufgesattelt wird.
Vor diesem Hintergrund folgt die qualitative Gewichtung der Abkopplung als greifbar vor
allem daraus, dass sie die Beamtenschaft exklusiv getroffen hat, ohne tragfähige
Begründung und in Ansehung steigender Preise, steigender Einkommen sowie
steigender allgemeiner Prosperität erfolgt ist, der Verstoß gegen § 14 BBesG deswegen
besonders gravierend erscheint. ........"
129
Diesen tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Bewertungen schließt sich die
Kammer - nach eigener Prüfung - an. Aus ihnen folgt, dass nicht nur die von der
Entscheidung des 1. Senats unmittelbar betroffene Kostendämpfungspauschale für das
Jahr 2003, sondern auch der durch das SZG NRW bewirkte Wegfall des - hier
streitgegenständlichen - Urlaubsgelds für 2006 mit dem Alimentationsprinzip nicht in
Einklang steht. Ist schon für die Zeit ab 2003 eine greifbare Abkopplung der
Alimentation der Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen von der allgemeinen
Einkommensentwicklung festzustellen, so hat der durch das SZG NRW verursachte
(ersatzlose) Fortfall des Urlaubsgelds ab dem Jahre 2004 zu einer weiteren Minderung
des den Beamten zur Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts zur Verfügung
stehenden Einkommens und damit zu einem unzulässigen Eingriff in den Kernbestand
der zu gewährenden Alimentation geführt mit der Folge, dass Art. 33 Abs. 5 GG a. F.
verletzt ist.
130
Die dargestellte Abkoppelung der Beamtenbezüge von der allgemeinen wirtschaftlichen
Entwicklung i.S.d. § 14 Abs. 1 BBesG ist nicht nur ein objektiver Befund, sondern ein
vom Land NRW aus Gründen der Haushaltssanierung bewusst herbeigeführter
131
Tatbestand. Auch insoweit folgt die Kammer den tatsächlichen Feststellungen und
rechtlichen Bewertungen des 1. Senats des OVG NRW in der zitierten Entscheidung.
Danach hat das Land die - spätestens mit Beginn des Jahres 2003 einsetzende -
Abkoppelung der Beamtenbezüge von der allgemeinen Einkommensentwicklung
erkannt und zugunsten der Zielsetzung, Personalkosten zu sparen, zumindest billigend
in Kauf genommen. Die bewusste Vernachlässigung der Alimentation zugunsten der
angestrebten Haushaltssanierung kommt z.B. in der Begründung des Gesetzentwurfs
der Landesregierung vom 15. September 2003 betreffend das Gesetz über die
Gewährung einer Sonderzahlung und über die Bezüge der Staatssekretäre und
entsprechender Versorgungsempfänger in den Jahren 2003 und 2004 für das Land
NRW, LT-Drucks. 13/4313 S. 17, zum Ausdruck. Dort heißt es u.a.:
"Bei der Bestimmung der Höhe (der Sonderzahlung) muss die Landesregierung der
äußerst angespannten und sich auch mittelfristig nicht wesentlich verbessernden
Haushaltssituation im Land und bei den Kommunen Rechnung tragen. Die notwendige
Entlastung der Haushalte muss angesichts des hohen Personalkostenanteils auch
einen angemessenen Beitrag der Beamten und Versorgungsempfänger einschließen...
Damit wird den haushaltsmäßigen Erfordernissen Rechnung getragen."
132
In dieselbe Richtung geht die Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung
vom 26. Januar 2006 zum Haushaltsstrukturgesetz 2006, LT- Drucks. 14/1000, S. 4,
102:
133
"Die damit verbundene Anhebung (der Sonderzahlung) ist angesichts der äußerst
angespannten Haushaltslage nicht vertretbar. Im Gegenteil bedarf es als notwendigen
Beitrag der Beamtinnen und Beamten... zur Haushaltskonsolidierung einer über das
Niveau des Jahres 2005 hinausgehenden weiteren Absenkung... Mit der Absenkung
wird der notwendige Beitrag der Beamtinnen und Beamten zur Haushaltskonsolidierung
erbracht, der unter Berücksichtigung des hohen Anteils der Besoldungsaufwendungen
am Gesamthaushalt und mit Blick auf die Größenordnung der Sparmaßnahmen in den
anderen Ausgabenbereichen als noch vertretbar angesehen werden kann."
134
Diese Ausführungen belegen, dass das Land seine Alimentationsverpflichtung
gegenüber den Beamten und deren Familien auf die - pauschale und nicht substantiiert
begründete - These reduziert hat, die Absenkung der Bezüge sei "angemessen" und
"vertretbar". Dass diese Begründung die Einschnitte in die Beamtenbezüge
verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen vermag, hat der 1. Senat des OVG NRW in
der zitierten Entscheidung ausführlich dargelegt. Die bewusste Vernachlässigung der
Alimentation der Beamtenschaft ist umso bemerkenswerter, als die parlamentarischen
Vorgänge zur Neugestaltung der Abgeordnetenentschädigung im Landes NRW zeigen,
dass dort - im Gegensatz zur Beamtenbesoldung - der politische Wille explizit
vorhanden gewesen ist, die Anpassung der Entschädigungen an die Entwicklung der
allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnis sicherzustellen. Der 1. Senat
des OVG NRW hat hierzu im Urteil vom 10. September 2007 - 1 A 4955/05 - a.a.O., u.a.
ausgeführt:
135
"So hat der Landtag im März 2001 auf Antrag aller Fraktionen eine Kommission zu
Fragen des Abgeordnetenrechts eingesetzt. Die Kommission ließ sich anlässlich der
Reform des Systems der Abgeordnetenentschädigung u. a. von der ausdrücklich
benannten Zielsetzung der Sicherstellung einer amtsangemessenen Bezahlung leiten.
Ziel und Maßstab der Beratungen der Kommission waren u. a. (amts)angemessene
136
Bezüge der Abgeordneten (Gesetzentwurf aller Fraktionen vom 21. Februar 2005, LT-
Drucks. 13/6596, S. 1, 35). Dieses Verfahren mündete in eine Neugestaltung des
Systems der Abgeordnetenentschädigung. Die festgelegten Entschädigungen werden
nunmehr in einem durch § 15 Abgeordnetengesetz NRW vorgesehenen Verfahren mit
Blick auf ihre Angemessenheit jährlich überprüft. Auf diese Weise hat die Präsidentin
des Landtags den Landtag unter dem 27. November 2006 unter Auswertung der vom
Präsidenten des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik (LDS) übermittelten
Indexwerte über die Erhöhung der Bruttoverdienste, der Renten der gesetzlichen
Rentenversicherung und der Lebenshaltungskosten unterrichtet (LT-Drucks. 14/3009).
Diesen ermittelten Grundlagen und den hierauf gestützten Berechnungen einer
Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung im sog. Angemessenheitsbericht folgte der
Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU, SPD und FDP vom 6. März 2007 (LT-Drucks.
14/3913).
Ein ähnliches Verfahren sieht - der lediglich die verfassungsrechtlichen Vorgaben des
Art. 33 Abs. 5 GG konkretisierende - § 14 Abs. 1 BBesG vor. Hiernach wird die
Besoldung entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und
finanziellen Verhältnisse und unter Berücksichtigung der mit den Dienstaufgaben
verbundenen Verantwortung durch Bundesgesetz regelmäßig angepasst. Auch § 14a
Abs. 5 BBesG verpflichtet bei der Beurteilung der Auswirkungen der
Versorgungsrücklagen zur Berücksichtigung der allgemeinen wirtschaftlichen und
finanziellen Verhältnisse. Das Land hat an dieser laufenden Verantwortung - vermittelt
über die ihm seit dem Jahr 2003 eingeräumte Kompetenz hinsichtlich der Gewährung
von Sonderzahlungen - teil; seit dem 1. September 2006 trägt es diese Verantwortung
alleine. ............"
137
Der Befund, dass das Land NRW die seit 2003 vorhandene "Abkoppelung" der
Beamtenbezüge i.S.d. § 14 Abs. 1 BBesG billigend in Kauf genommen hat und
gegenwärtig weiterhin in Kauf nimmt, wird schließlich auch durch den aktuellen
Gesetzentwurf der Landesregierung zur Anpassung der Besoldungs- und
Versorgungsbezüge im Jahre 2008 (LT-Drucks. 14/5198) bestätigt. Dort heißt es u.a.:
138
"Die Bezahlung der Beamten und Versorgungsempfänger ist zuletzt zum 01.08.2004 um
1% linear verbessert worden. ........ Die zwischenzeitlichen Tarifverbesserungen in der
Wirtschaft und die allgemeinen Preissteigerungen erfordern für das Jahr 2008
(Hervorhebung durch das Gericht) auch eine Anpassung der Dienst- und
Versorgungsbezüge.
139
Der für die Tarifbeschäftigten des Landes ausgehandelte Erhöhungssatz von 2,9 % soll
auf die Beamten und Versorgungsempfänger übertragen werden. Damit wird eine
Teilhabe der Beamtenschaft an der allgemeinen Gehaltsentwicklung weitgehend
(Hervorhebung durch das Gericht) sichergestellt. Allerdings kann wegen des
fortbestehenden Konsolidierungszwangs eine zeitgleiche Übernahme des
Tarifabschlusses zum 01.01.2008 nicht erfolgen. Die ......... Haushaltssituation lässt eine
Anhebung nur mit einer Verschiebung um 6 Monate zum 1. Juli 2008 zu."
140
Nach alledem können keine Zweifel daran bestehen, dass die Alimentation der
Beamten des Landes NRW seit dem Jahre 2003 von der allgemeinen
Einkommensentwicklung "abgekoppelt" ist, so dass in dem hier maßgeblichen Zeitraum
- Kalenderjahr 2006 - durch den (ersatzlosen) Fortfall des Urlaubsgeldes eine weitere,
verfassungsrechtlich unzulässige Minderung des den Beamten zur Bestreitung des
141
allgemeinen Lebensunterhalts zur Verfügung stehenden Einkommens bewirkt worden
ist.
Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass das Urlaubsgeld nicht von
der Gewährleistung des Art. 33 Abs. 5 GG a. F. erfasst wird. Zwar trifft Letzteres, wie
oben bereits ausgeführt, zu. Das hat jedoch nicht zwangsläufig zur Folge, dass die
"Streichung" des Urlaubsgeldes Art. 33 Abs. 5 GG a. F. nicht tangiert. Die Kammer folgt
auch insoweit den Ausführungen des 1. Senates des OVG NRW im Urteil vom 10.
September 2007 - 1 A 4955/05 - a.a.O. Dort heißt es u.a.:
142
"Auf einem grundlegenden Missverständnis der einschlägigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts beruht vor allem die im gegebenen Zusammenhang zum
Ausdruck gebrachte Auffassung des Landes, die sich vereinzelt auch in der
obergerichtlichen Rechtsprechung findet,
143
vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Januar 2007 - 4 N 76.05 -, Juris
(bezogen auf das sog. Weihnachtsgeld),
144
die genannten Sonderzahlungen sowie die Fürsorgeleistungen (Beihilfe) seien allein
deswegen bei der Bestimmung dessen, was amtsangemessene Besoldung darstelle,
außen vorzulassen, weil diese Leistungen nicht verfassungsrechtlich verbürgt seien.
Demgegenüber ist es gesicherte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass
sich der Besoldungsgesetzgeber hinsichtlich seiner Pflicht zur Gewährleistung
amtsangemessener Bezüge gerade mit dem Hinweis auf die (anderweitige)
Sicherstellung des im Ergebnis Angemessenen durch Dritte entlasten kann - dies
gerade auch dann, wenn die Leistungen des Dritten (z. B. Fürsorgeleistungen des
Dienstherrn) ihrerseits nicht verfassungskräftig garantiert sind.
145
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 - , BVerfGE 76, 256,
und vom 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 -, a. a. O., sowie Urteil vom 7. November 2002
- 2 BvR 1053/98 -, a. a. O.
146
Dementsprechend ist weiterhin geklärt, dass die in Rede stehenden Sonderzahlungen
selbstverständlich zum Bestand derjenigen Besoldungsteile zählen, welche die
Amtsangemessenheit der Besoldung bestimmen.
147
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 u. a. -, BVerfGE 99, 300."
148
Mit der Feststellung, dass der durch das SZG NRW bewirkte ersatzlose Fortfall des
Urlaubsgeldanspruchs in den Kernbestand der verfassungsrechtlich geschuldeten
Alimentation eingreift, setzt sich die beschließende Kammer nicht in Widerspruch zu der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dies gilt insbesondere für den
rechtlichen Ansatz, dass die "Streichung" des Urlaubsgelds nicht isoliert und losgelöst
von der durch Art. 33 Abs. 5 GG a. F. geschützten Alimentation zu bewerten ist, sondern
es insoweit (materiell-rechtlich) einer Gesamt- bzw. Zusammenschau bedarf.
149
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. September 2007 - 1 A 4955/05 -, a.a.O.; im Ergebnis
ebenso Urteil vom 20. Juni 2007 - 21 A 1634/05 -; a. A. wohl BayVGH, Beschluss vom
26. Oktober 2007 - 3 ZB 06.1908 -, JURIS.
150
Aus der - jüngsten - Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich nichts
151
Gegenteiliges. Diesbezüglich ist auf den Beschluss vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR
1715/03 u. a. -, ZBR 2007, S. 416, zu verweisen, in dem u. a. Folgendes ausgeführt ist:
"Das System von Beihilfeleistung einerseits und aus allgemeiner Alimentation
finanzierter Eigenvorsorge andererseits ist daher in einem Ergänzungsverhältnis
wechselseitig aufeinander bezogen. Den Beschwerdeführern ist somit zuzugeben, dass
eine Minderung der Beihilfeleistungen - sei es durch jeweils im Einzelfall für bestimmte
Aufwendungen angeordnete Selbstbehalte oder durch eine pauschalierte jährliche
Abzugspauschale - im Ergebnis eine Absenkung des Standards bewirkt, den sich der
Beamte oder Ruhegehaltsempfänger tatsächlich aus seinen Bezügen leisten kann.
Allein aus dieser Folgewirkung kann indes die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung
nicht abgeleitet werden; maßgeblich ist vielmehr, ob die Alimentation auch in Ansehung
dieser Regelung noch als amtsangemessen bewertet werden kann (a.A. OVG für das
Land Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 18. Juli 2007 - 6 A 3535/06 -, juris, Rn. 27 ff.). Die
Alimentationsverpflichtung des Dienstherrn ist eine Gesamtleistung, die sich von ihrer
Grundlage her prinzipiell nicht aufteilen lässt und dem seiner Struktur nach als
umfassende Einheit zu verstehenden Dienstverhältnis entspricht (vgl. BVerfGE 71, 39
<60>). Sie muss die rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängigkeit des
Beamten gewährleisten und ihm über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus
einen seinem Amt angemessenen Lebenskomfort ermöglichen (vgl. BVerfG, Urteil des
Zweiten Senats vom 6. März 2007 - 2 BvR 556/04 -, Umdruck, S. 30; stRspr). Hierfür
sind die Nettobezüge maßgeblich, mithin das, was sich der Beamte von seinen
Bezügen tatsächlich leisten kann (vgl. BVerfGE 114, 258 <286>; stRspr).
152
...........
153
Abschläge bei der Beihilfengewährung, wie sie in § 87c NBG a.F. enthalten sind,
erweisen sich bei diesem, als einem die Eigenvorsorge ergänzend konzipierten
Beihilfesystem vielmehr nur als problematisch, wenn sie nicht in zumutbarer Weise
durch die Alimentation bestritten werden können und der Beamte so mit erheblichen
Aufwendungen belastet bleibt. In Betracht kommt daher eine mittelbare Verletzung des
Alimentationsprinzips im Hinblick auf eine Missachtung des Zusammenhangs zwischen
den Dienstbezügen und den eingeschränkten Beihilfeleistungen, weil durch die
Kostendämpfungspauschale der für die Behandlung von Krankheiten und Ähnliches
typischerweise aufzubringende Unterhalt verteuert wird (vgl. BVerfGE 83, 89 <99>). Bei
einer solchen Sachlage wäre jedoch verfassungsrechtlich nicht eine Anpassung der
nicht verfassungsverbürgten Beihilfesätze geboten, sondern eine entsprechende
Korrektur der Besoldungs- und Versorgungsgesetze (vgl. BVerfGE 58, 68 <77 f.>; 106,
225 <233>), die von den betroffenen Beamten durch einen Antrag auf erhöhte
Alimentation verfolgt werden müsste (vgl. BVerfGE 99, 300 <330>).
154
..........
155
Für die Annahme einer Verfassungswidrigkeit wären daher Darlegungen dafür
erforderlich, dass die Alimentation angesichts der neuerlichen Belastung durch die in §
87c NBG a.F. enthaltenen Abschläge insgesamt nicht mehr ausreichend gewesen wäre.
156
Dies ist angesichts der in der jüngeren Vergangenheit vorgenommenen
Leistungskürzungen und Einsparmaßnahmen im Recht der Beamten und
Versorgungsempfänger bei einer Gesamtschau zwar nicht von vornherein
ausgeschlossen.
157
.........
158
Um einen bereits durch die Kostendämpfungspauschale bewirkten Verstoß gegen das
Alimentationsprinzip annehmen zu können, bedürfte es jedoch substantiierter
Aufstellungen, welche Maßnahmen im Einzelnen die bestehende Alimentation in
welchem Umfang geschmälert haben. Nur aus einer dergestalt bilanzierten und in
konkreten Zahlen bezifferten Auflistung der veränderten Gesamtumstände könnten sich
Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Alimentation bestimmter Beamtengruppen
insgesamt nicht mehr den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Der pauschale
Verweis auf die generellen Sparmaßnahmen zu Lasten der Beamten genügt hierfür
nicht."
159
Der Gesichtspunkt der Gesamtbetrachtung der im Bereich des Besoldungs-,
Versorgungs- und Beihilferechts vorgenommenen Einschnitte einerseits und der
verfassungsrechtlich gebotenen Mindestalimentation andererseits wird - sinngemäß -
auch in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2007 - 2
BvR 1673/03 u. a. -, a.a.O., angesprochen. Dort ist insoweit ausgeführt:
160
"Soweit die Beschwerdeführer rügen, die Regelungen des § 14a
Bundesbesoldungsgesetz und die hieran anknüpfenden Verminderungen der
Besoldungs- und Versorgungsanpassungen durch die Bundesbesoldungs- und -
versorgungsanpassungsgesetze 1999 und 2000 führten im Zusammenspiel mit den
anderen Einschnitten im Bereich des Besoldungs-, Versorgungs- und Beihilferechts zu
einer Unterschreitung der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestalimentation und
damit zu einem Eingriff in den Kernbestand der Alimentation, sind ihre
Verfassungsbeschwerden bereits unzulässig. Allerdings erscheint es nicht von
vornherein ausgeschlossen, dass die in den letzten Jahren erfolgten finanziellen
Einschnitte in die Alimentation der Beamten dazu geführt haben, dass einzelne
Beamtengruppen oder sogar die Beamtenschaft insgesamt nicht mehr angemessen
alimentiert werden."
161
Mit der vorliegenden Entscheidung setzt die Kammer sich auch nicht in Widerspruch
zum Beschluss des BVerfG vom 29. November 1967 - 2 BvR 668/67 -, JZ 1968, S. 61.
Die dieser Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht zugrunde liegenden
Rahmenbedingungen sind nicht mit denen vergleichbar, die vorliegend in Rede stehen.
162
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde, die der vorgenannten Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zugrunde lag, war die Weihnachtszuwendung für Beamte in
Baden-Württemberg, die seit 1962 aufgrund des Landesbeamtengesetzes gewährt und
deren Höhe durch Rechtsverordnungen festgelegt wurde. Seit Dezember 1964 wurde
als Grundbetrag ein Drittel der für den Monat Dezember maßgebenden Bezüge gezahlt
(GABl BW 1964 S. 455). Mit der Vierten Verordnung des Finanzministeriums Baden-
Württemberg über die Gewährung einer Weihnachtszuwendung an Beamte und
Versorgungsempfänger vom 12. Oktober 1967 (GABl BW S. 240) wurde diese Regelung
für das Jahr 1967 dahingehend geändert, dass der Grundbetrag nur noch bis zu einem
Höchstbetrag von 60,00 DM gewährt wurde,
163
vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 28. September 2007 - 2 BvL 5/05 u. a. -, JURIS.
164
Es ist nicht ersichtlich, dass zu dem Zeitpunkt, als das Weihnachtsgeld in dem
165
damaligen Fall in dem genannten Umfang verringert wurde, in Baden-Württemberg eine
Abkopplung der Alimentation der Beamten von der allgemeinen Einkommens- und
Wirtschaftsentwicklung gegeben war. Dementsprechend hatte damals die Kürzung des
Weihnachtsgeldes auch keine weitere Minderung einer von der allgemeinen
Entwicklung abgekoppelten Beamtenalimentation zur Folge. Die Annahme, dass bei
einer derartigen Ausgangslage die Verringerung des Weihnachtsgeldes Art. 33 Abs. 5
GG a. F. nicht verletzt, ist stichhaltig. Sie führt aber im vorliegenden Fall nicht weiter und
gebietet insbesondere nicht, eine Verfassungsverletzung zu verneinen. Denn die für den
vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Tatsachenlage ist in Bezug auf den
Gesichtspunkt der Abkopplung von der allgemeinen Einkommensentwicklung eine
wesentlich andere als die, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
seinerzeit zugrunde lag.
Aus den vorgenannten Gründen ergibt sich auch kein Widerspruch der vorliegenden
Entscheidung zu dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. März 1977 - 2
BvR 1039, 1045/75 -, BVerfGE 44, S. 249 (263), und dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juli 1977 - VI C 24.75 -, Buchholz, 237.0 § 90 LBG
Baden-Württemberg Nr. 1, S. 1 (2 f.). In den genannten Entscheidungen ist zwar
ausgeführt, Regelungen über die Gewährung von Urlaubsgeld bzw. einer
Weihnachtszuwendung könnten jederzeit geändert werden, ohne dass Art. 33 Abs. 5
GG a. F. berührt werde. Eine Feststellung dergestalt, dass auch im Falle einer
Abkopplung der Alimentation der Beamten von der allgemeinen
Einkommensentwicklung, wie sie vorliegend in Rede steht, eine Kürzung bzw.
"Streichung" des Urlaubsgeldes keine (mittelbare) Verletzung des Alimentationsprinzips
zur Folge haben könne, ist hingegen in keiner dieser Entscheidungen getroffen.
166
Der Beschluss ist unanfechtbar.
167