Urteil des VG Arnsberg vom 05.12.2002

VG Arnsberg: grundstück, treu und glauben, pflicht zur duldung, obligatorisches recht, eigentümer, wasserversorgung, gemeinde, duldungspflicht, erdwärme, eingriff

Verwaltungsgericht Arnsberg, 7 K 68/02
Datum:
05.12.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 68/02
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, die nordöstlich auf dem Grundstück des
Klägers E-str. in I1. (Gemarkung I1. , Flur 48, Flurstück 697) über eine
Länge von ca. 13,5 m und in einem Abstand von ca. 6 cm bis ca. 50 cm
zur Grundstücksgrenze zur Straße "E.-straße" verlegte gemeindliche
Wasserleitung zu entfernen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die durch die Anrufung
des unzuständigen Gerichts verursachten Mehrkosten trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungs-
schuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheits-
leistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden,
wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
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Der Kläger ist Eigentümer des 2.884 qm großen Grundstücks E-str. in I1. (Gemarkung I1.
, Flur 48, Flurstück 697).
2
In den 60er Jahren hat die Beklagte das Wasserversorgungsnetz des damaligen
Wasserbeschaffungsverbandes I2. übernommen. Im Jahr 1992 ließ die Beklagte einen
Teilbereich der alten Versorgungsleitung im Bereich der E-str. erneuern.
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Im Februar 1996 erwarb der Kläger das vorbezeichnete Grundstück und fragte im
gleichen Jahr anlässlich von Bauarbeiten bei der Beklagten an, ob sich auf seinem
Grundstück gemeindliche Leitungen befinden. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1996
teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die auf seinem Grundstück verlegten Wasser-
und Kanalleitungen nicht im Eigentum der Gemeinde stünden. Im weiteren Verlauf teilte
der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 9. Dezember 1996 mit, dass er
zwischenzeitlich festgestellt habe, dass die Beklagte entgegen der bisherigen
schriftlichen Auskunft doch auf seinem Grundstück Anlagen verlegt habe. Im Rahmen
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des Bescheids vom 3. Januar 1997 - der im Wesentlichen die Errichtung eines
Wasserzählers an der Grundstücksgrenze des Klägers zum Regelungsgegenstand
hatte - teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass hinsichtlich der Inanspruchnahme seines
Grundstücks durch verlegte öffentliche Leitungen noch eine genaue Prüfung erforderlich
sei. Sie werde zu gegebener Zeit unaufgefordert auf die Angelegenheit zurückkommen.
Auf die weitere Anfrage des Klägers vom 12. März 1999, teilte die Beklagte mit
Schreiben vom 17. März 1999 mit, dass die Behauptung, die gemeindliche
Wasserleitung befinde sich auf dem Grundstück des Klägers, zweifelhaft sei. Nach den
vorliegenden Wasserleitungsplänen befinde sich die öffentliche Versorgungsleitung im
Randbereich der E-str. . Aufgrund der bestehenden Sachlage sei sie zurzeit nicht bereit,
die öffentliche Leitung zu verlegen.
Mit Schreiben vom 30. Juli 2001 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er in ca. 3
Wochen Abgrabungsarbeiten auf seinem Grundstück vornehmen werde. In diesem
Zusammenhang würden auch Leitungen für Erdwärme verlegt. Die Abgrabungen
würden an der Grundstücksgrenze zur E-str. bis in eine Tiefe von 3 m erfolgen. Aufgrund
der von der Beklagten erteilten Informationen gehe er davon aus, dass der Unternehmer
"schweres Gerät" einsetzen könne. Mit einem mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen
Schreiben vom 8. August 2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie nochmals
prüfen werde, ob öffentliche Ver- und Entsorgungsleitungen im Bereich der
Grundstücksgrenze zur E-str. verlegt sind. Abgrabungen seien aber nur bis zu einer
Tiefe von 2 m genehmigungsfrei, so dass hinsichtlich des geplanten Vorhabens eine
entsprechende Baugenehmigung beantragt werden müsse. Unabhängig davon dürften
in diesem Bereich erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von
Grundstücken und baulichen Anlagen aufgrund der vom Rat der Beklagten erlassenen
Veränderungssperre bezüglich des Bebauungsplangebiets "H.weg " nicht
vorgenommen werden.
5
Am 17. August 2001 hat der Kläger die vorliegende Klage bei dem Landgericht I3.
erhoben, mit der er die Beseitigung der gemeindlichen Wasserleitung von seinem
Grundstück begehrt.
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Die Beklagte ließ am 23. August 2001 von dem Vermessungsbüro F.
Wasserleitungspläne für den in Rede stehenden Bereich anfertigen. Hieraus ergibt sich,
dass die gemeindliche Wasserleitung im nordöstlichen Grundstücksbereich in einer
Länge von ca. 13,5 m und in einem Abstand von ca. 6 cm bis ca. 50 cm zur Grenze über
das Grundstück des Klägers verläuft.
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Mit Beschluss vom 17. November 2001 erklärte sich das Landgericht I3. für sachlich
unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Arnsberg.
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Zur Begründung der Klage trägt der Kläger im Wesentlichen folgendes vor: Die Beklagte
habe vor einigen Jahren, zu einem Zeitpunkt als er noch nicht Eigentümer des
Grundstücks war, entlang der Grenze zur E-str. eine Hauptwasserleitung verlegt.
Irgendwelche Grunddienstbarkeiten seien nicht eingetragen. Auch eine schuldrechtliche
Gestattung liege nicht vor. Er beabsichtige nunmehr in diesem Bereich seines
Grundstücks Leitungen für die Versorgung mit Erdwärme zu verlegen. Die
Wasserleitung störe in diesem Zusammenhang. Als Eigentümer könne er verlangen,
dass die auf seinem Grundstück liegende gemeindliche Wasserleitung entfernt wird. Auf
irgendwelche Leitungsrechte könne sich die Beklagte nicht berufen.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, die nordöstlich auf seinem Grundstück E-str. in I1.
(Gemarkung I1. , Flur 48, Flur- stück 697) über eine Länge von ca. 13,5 m und in einem
Abstand von ca. 6 cm bis ca. 50 cm zur Grundstücksgrenze zur Straße "E. verlegte
gemeindliche Wasserleitung zu entfernen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung ihres Antrages führt sie aus: Die Wasserversorgung im
Gemeindegebiet werde von ihr als öffentliche Einrichtung betrieben. Der Kläger sei
Anschlussnehmer bzw. Wasserabnehmer und sei auf der Grundlage der geltenden
Wasserversorgungssatzung verpflichtet, die Verlegung der Wasserleitung über sein
Grundstück unentgeltlich zuzulassen. Wer als Anschlussnehmer oder Kunde an den
Vorteilen der öffentlichen Wasserversorgung teilnehme, sei aufgrund der
verfassungsrechtlichen Sozialbindung des Eigentums auch verpflichtet, grundsätzlich
seine Grundstücke zur Verlegung von Versorgungseinrichtungen zur Verfügung zu
stellen. Im vorliegenden Fall sei dies dem Kläger schon deshalb zumutbar, da die
Wasserleitung lediglich über wenige Meter im Abstand von nur wenigen Zentimetern
von der Straßengrundstücksfläche verlaufe. Zudem sei die vom Kläger verfolgte Absicht,
auf seinem Grundstück Erdwärmeleitungen zu verlegen, wegen fehlender
Baugenehmigung zurzeit nicht durchführbar. Auch sei der Voreigentümer des Klägers
mit der Verlegung der Wasserleitung auf dem Grundstück einverstanden gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte 7 K 1333/97, 4 K
530/02, 4 K 531/02, 4 K 357/00 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
16
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig.
17
Insbesondere wird das Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage nicht dadurch
berührt, dass nach den Angaben der Beklagten der derzeitige Entwurf des
Bebauungsplangebietes Nr. 30 "H.-weg " eine neue Erschließungsanlage über das
Grundstück des Klägers vorsieht und hierdurch ggf. ohnehin eine Leitungsumverlegung
erfolgen müßte. Denn jedenfalls in dem für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage
maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist es noch völlig offen, ob
überhaupt und wenn ja, wann dieser Bebauungsplan entsprechend dem Entwurf
beschlossen und auch wirksam in Kraft treten wird. Das Gericht kann indes seine
Entscheidung nicht auf eine künftige, tatsächlich oder rechtlich nur mögliche
Entwicklung stützen.
18
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 6. September 1988 - 4 C 26/88 -,
in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1989, S. 118 (119); Verwaltungsgerichtshof
(VGH) München, Urteil vom 24. April 1996 - 4 B 95.1804 -, in: NJW 1996, S. 3163
(3163).
19
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der bis zur Mitte des Jahres 2003 geltenden
Veränderungssperre für den Bereich dieses Bebauungsplangebietes. Danach darf der
Kläger zwar kein Vorhaben i.S.d. § 29 des Baugesetzbuchs (BauGB) durchführen bzw.
erhebliche oder wertsteigernde Veränderungen von baulichen Anlagen, deren
Veränderung nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind,
vornehmen. Aber abgesehen davon, dass auch hiervon Ausnahmen zugelassen
werden können, wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen,
beinhaltet jedenfalls die Veränderungssperre selbst keine Regelung, wonach der Kläger
verpflichtet wäre, die hier in Rede stehende Wasserversorgungsleitung über seinem
privaten Grundstück für die Dauer der Geltung der Veränderungssperre zu dulden, so
dass er hierdurch auch nicht in der Ausübung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten
eingeschränkt ist.
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Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Beseitigung der gemeindlichen
Wasserversorgungsleitung von seinem Grundstück.
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Dieser Anspruch ergibt sich zwar nicht schon aus § 14 Abs. 3 der Satzung über den
Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und die Versorgung der
Grundstücke mit Wasser - Wasserversorgungssatzung - der Gemeinde I1. vom 14.
Dezember 1981, zuletzt geändert durch 1. Änderungssatzung vom 15. Dezember 1997
(im Folgenden WVS), wonach der jeweilige Grundstückseigentümer auf Kosten der
Gemeinde die Verlegung der Einrichtungen verlangen kann, wenn sie an der bisherigen
Stelle für ihn nicht mehr zumutbar sind.
23
Denn der insoweit darlegungspflichtige Kläger hat weder substantiiert vorgetragen noch
ist dies sonst ersichtlich, weshalb die gemeindliche Wasserversorgungsleitung, die
lediglich über wenige Meter im Abstand von nur wenigen Zentimetern über das
Grundstück des Klägers verläuft, für ihn nicht mehr "zumutbar" ist. Zwar hat der Kläger
vorgetragen, dass er in dem in Rede stehenden Bereich des Grundstücks Leitungen für
die Versorgung mit Erdwärme verlegen möchte und das die Wasserversorgungsleitung
in diesem Zusammenhang "störe". Aber abgesehen davon, dass die Beklagte für diesen
Bereich eine Veränderungssperre beschlossen hat, die bis Mitte des Jahres 2003
verlängert worden ist, ist insbesondere nicht ersichtlich, inwieweit der Bau einer
Erdwärmeleitung durch die Wasserversorgungsleitung unzumutbar beeinträchtigt sein
soll. Insoweit hat der darlegungspflichtige Kläger insbesondere nicht vorgetragen noch
ist dies sonst ersichtlich, weshalb es nicht möglich sein soll, die Erdwärmeleitung je
nach Tiefe der Wasserversorgungsleitung entweder darunter, darüber oder parallel zu
der Wasserleitung zu führen. Dass hierdurch etwa unverhältnismäßige und mithin
unzumutbare Mehrkosten verursacht werden, ist vom Kläger ebenfalls weder
vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
24
Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Beseitigung der gemeindlichen
Wasserversorgungsleitung ergibt sich aber aus dem allgemeinen öffentlich- rechtlichen
Folgenbeseitigungsanspruch. Dieser aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3
des Grundgesetzes (GG) abgeleitete und inhaltlich im wesentlichen der zivilrechtlichen
Regelung des § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nachgebildete bzw.
angelehnte Anspruch setzt voraus, dass der Bürger durch ein schlicht-hoheitliches
Verwaltungshandeln in seinen geschützten Grundrechtsgütern rechtswidrig
beeinträchtigt wird und eine Pflicht zur Duldung dieser Beeinträchtigung nicht besteht.
25
Dieser Anspruch richtet sich seinem Inhalt nach grundsätzlich auf die Wiederherstellung
des Zustandes, der im Zeitpunkt des rechtswidrigen Eingriffs bestand bzw. der
Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes in natura.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. September 1988 - 4 C 26/88 -, in: NJW 1989, S. 118 (118);
BVerwG, Urteil vom 29. April 1988 - 7 C 33.87 -, in: NJW 1988, S. 2396; BVerwG, Urteil
vom 19. Juli 1984 - 3 C 81.82 -, in: Ent- scheidungen des BVerwG (BVerwGE) 69, S.
366 (371); BVerwG, Urteil vom 2. November 1973 - IV C 36/72 -, in: NJW 1974, S. 817;
Oberver- waltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 21.
April 1983 - 11 A 424/82 -, in: NJW 1984, S. 1982.
26
Ausgehend von diesen Grundsätzen beruht zunächst der Einbau und der Betrieb der
Wasserversorgungsleitung auf einem hoheitlichen Handeln. Nach Maßgabe des § 1
Abs. 1 WVS betreibt die Beklagte die Wasserversorgung als öffentliche Einrichtung zur
Versorgung der Grundstücke ihres Gebietes mit Trink- und Betriebswasser. In
Wahrnehmung dieser öffentlichen Aufgabe hat die Beklagte die hier streitbefangene
Wasserversorgungsleitung als Bestandteil der technischen Wasserversorgungsanlagen
verlegt und an das Wasserversorgungssystem angeschlossen.
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Im vorliegenden Fall ist die gemeindliche Wasserversorgungsleitung ausweislich der
Feststellungen des Vermessungsbüros F. vom 23. August 2001 im nordöstlichen
Grundstücksbereich in einer Länge von ca. 13,5 m und in einem Abstand von ca. 6 cm
bis ca. 50 cm zur Grenze über das Grundstück des Klägers verlegt worden.
28
Diese Maßnahme stellt - auch vor dem Hintergrund, dass der Überbau im Verhältnis zur
Größe des Grundstücks nur einen relativ kleinen Bereich umfasst - jedenfalls einen
Eingriff in das Grundeigentum des Klägers dar und kann nicht nur als bloße Belästigung
angesehen werden. Ist nämlich die Eigentumsverletzung - wie im vorliegenden Fall - in
dem Sinne unmittelbar, dass sie in die Substanz des von den §§ 903 und 905 Satz 1
BGB umschrieben ("Säulen"-)Eigentums eingreift, kommt es im Übrigen auf die Frage
wie "schwer" oder "unerträglich" er den Eigentümer trifft, nicht an.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. September 1992 - 7 B 11.92 -, in: Bucholz, Sammel-
und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des BVerwG, 406.16, Nr. 59.
30
Dieser Eingriff in das Grundeigentum ist auch rechtswidrig, da der Kläger nicht
verpflichtet ist, die gemeindliche Wasserversorgungsleitung auf seinem Grundstück zu
dulden.
31
Nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 1 u. 2 WVS, der inhaltsgleich dem § 8 Abs. 1 Satz
1 u. 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser
(AVBWasserV) entspricht, haben zwar Grundstückseigentümer, deren Grundstücke im
Gemeindegebiet der Beklagten an die Wasserversorgung angeschlossen sind, u.a. für
Zwecke der örtlichen Versorgung das Anbringen und Verlegen von Leitungen
einschließlich Zubehör zur Zu- und Fortleitung von Wasser über ihre im gleichen
Versorgungsgebiet liegenden Grundstücke unentgeltlich zuzulassen. Das Grundstück
des Klägers liegt insoweit zwar auch im Versorgungsgebiet der Beklagten und ist an
deren öffentliches Wasserversorgungsnetz angeschlossen.
32
Diese Duldungspflicht entfällt jedoch nach § 14 Abs. 1 Satz 3 WVS (vgl. auch § 8 Abs. 1
Satz 3 AVBWasserV), wenn die Inanspruchnahme des Grundstücks den Eigentümer
33
"mehr als notwendig" oder in "unzumutbarer" Weise belasten würde.
Diese Regelung trägt im Hinblick auf die Grenzen der Sozialpflichtigkeit des durch Art.
14 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentumsrecht auf der einen Seite dem
Allgemeininteresse an einer möglichst kostengünstigen und leistungsfähigen
Versorgung und auf der anderen Seite den betroffenen Eigentümerinteressen
Rechnung. Entscheidendes Abwägungskriterium ist dabei im Einzelfall das Gebot der
Verhältnismäßigkeit, nach dem die Einschränkung der Eigentümerbefugnisse zur
Erreichung des angestrebten Ziels insbesondere geeignet und notwendig sein muss.
Auch der Wortlaut dieser Regelung ("... mehr als notwendig ...") macht vor diesem
Hintergrund deutlich, dass der jeweilige Eigentümer als Mitglied der
Solidargemeinschaft innerhalb eines Versorgungsgebietes nur so gering belastet
werden soll, wie dies unbedingt, z.B. aus technisch-wirtschaftlichen Gründen,
erforderlich ist.
34
Vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 11. März 1992 - VIII ZR 219/91 -, in: Betriebs-
Berater (BB) 1992, S. 812 (813) m.w.N.; Tegtehoff/ Büdenbender/Klinger, Das Recht der
öffentlichen Energieversorgung, Band II, Rdnr. 20 u. 22 zur wortgleichen Regelung in §
8 AVBGasV.
35
Im Hinblick auf diese Grundsätze ist seitens der Beklagten jedoch weder substantiiert
vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, weshalb die Inanspruchnahme des
klägerischen Grundstücks überhaupt "notwendig" ist und nicht die Möglichkeit besteht
bzw. bestanden haben soll, die Wasserleitung auf dem direkt angrenzenden
gemeindeeigenen Grundstücken zu verlegen. Allein der Vortrag der Beklagten, man
habe "unnötige Aufbruchkosten der neuen Fahrbahndecke der E- str. vermeiden
wollen", reicht zur Begründung der Notwendigkeit dieser Maßnahme ersichtlich nicht
aus. Zum einen erfordern etwaige Planungsdefizite der Gemeinde nicht die
(rechtmäßige) Inanspruchnahme von Privateigentum. Zum anderen ist kein technischer
Hinderungsgrund ersichtlich oder seitens der Beklagten vorgetragen worden, weshalb
die Wasserleitung nicht unterhalb der E-str. oder in deren Randbereich auf
Gemeindegebiet hätte verlegt werden können. Dass hierdurch in wirtschaftlicher
Hinsicht etwa unverhältnismäßige Kosten angefallen wären, ist ebenfalls nicht
ersichtlich, zumal die Beklagte selbst die Kosten für eine Umverlegung der
Wasserleitung mit 3.000,00 Euro beziffert hat, wobei darin sogar noch die Kosten der
Freilegung und Beseitigung der Wasserleitung auf dem Grundstück des Klägers
enthalten sind, die jedenfalls nicht entstanden wären, wenn die Beklagte die Leitung
von Anfang an auf Gemeindegebiet verlegt hätte.
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Eine Pflicht des Klägers, die hier in Rede stehende gemeindliche
Wasserversorgungsleitung auf seinem Grundstück zu dulden, ergibt sich auch nicht aus
etwaigen Individualvereinbarungen mit der Beklagten.
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Insbesondere besteht insoweit für die Beklagte kein entsprechendes dingliches
Leitungsrecht in Form einer im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit bzw. einer
beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (§§ 1018 ff, 1090 ff. BGB).
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Nachdem der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung bezüglich des hier in
Rede stehenden Grundstücks den Kaufvertrag vom 23. Februar 1996 sowie eine
Bescheinigung der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Q. vom 28. November 2002 zur
Gerichtsakte gereicht hatte, bedurfte es insoweit auch keiner Beweiserhebung mehr
39
durch Vernehmung des Herrn I2. als Zeugen. Denn selbst wenn man - unabhängig von
den Erklärungen der Beklagten in ihren Schreiben vom 18. Oktober 1996 und 17. März
1999, in denen sie noch die Lage der Wasserleitung auf dem Grundstück des Klägers in
Zweifel gezogen hat - den nunmehr mit Schriftsatz vom 26. November 2002
vorgetragenen Sachverhalt der Beklagten als wahr unterstellen würde, dass Herr I2. im
Jahr 1992 sein Einverständnis zur Verlegung der Wasserleitung auf dem heutigen
Grundstück des Klägers erteilt habe, ergibt sich hieraus jedenfalls keine entsprechende
rechtliche Duldungspflicht des Klägers.
Auf der Grundlage des zu den Akten gereichten Kaufvertrages vom 23. Februar 1996
und der Auskunft der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Q. vom 28. November 2002 steht
fest, dass Herr I2. - entgegen der Behauptung der Beklagten - zum fraglichen Zeitpunkt
überhaupt nicht Eigentümer des hier in Rede stehenden Grundstücks war und
demgemäß im eigenen Namen auch keine dieses Grundstück betreffende rechtlich
verpflichtenden Erklärungen abgeben konnte.
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Selbst wenn man noch weitergeht und unterstellt, dass Herr I2. als Stellvertreter gemäß
den §§ 164 ff. BGB für die damalige Grundstückseigentümerin T. , die von der Beklagten
behauptete Einverständniserklärung abgegeben hat, ergibt sich hieraus ebenfalls keine
entsprechende Duldungspflicht des Klägers. Denn zum einen würde es sich bei einer
solchen Einverständniserklärung von ihrem Rechtscharakter her ersichtlich nicht um
einen wirksamen öffentlich-rechtlichen Vertrag handeln, da insoweit schon nicht die
Formerfordernisse des § 57 VwVfG NRW gewahrt sind. Zum anderen ist eine dingliche
Wirkung mangels entsprechender Eintragung im Grundbuch nicht gegeben, so dass ihr
lediglich eine schuldrechtliche Wirkung zwischen der Voreigentümerin und der
Beklagten beigemessen werden könnte. Ein derartiges obligatorisches Recht entfaltet
aber nur dann Rechtswirkungen gegenüber dem nachfolgenden Erwerber eines
Grundstücks, wenn dem Schuldverhältnis durch eine gesonderte gesetzliche Regelung
eine gewisse dingliche Wirkung beigelegt wird, wie es z.B. bei der Miete und der Pacht
der Fall ist (vgl. §§ 571, 581 BGB aF bzw. §§ 566, 581 Abs. 2 BGB nF).
41
Vgl. Grunewald in Erman, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band I, 10.
Auflage, Köln 2000, § 434 Rdnr. 3.
42
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass
irgendwelche Vereinbarungen oder Zahlungen für die mögliche Inanspruchnahme des
Grundstücks mit den Voreigentümern nicht erfolgt seien, so dass insoweit allenfalls von
einer unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung ausgegangen werden kann. Auf eine
solche unentgeltliche Gebrauchsüberlassung ist jedoch die (eng auszulegende)
Regelung des § 571 BGB aF bzw. § 566 BGB nF nicht anwendbar.
43
Vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1973 - III ZR 61/70 -, in: NJW 1973, S. 508 (508); BGH,
Urteil vom 8. Januar 1964 - V ZR 93/63 -, in: NJW 1964, S. 765 (766); Voelskow in:
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 3, 1. Halbband, 2. Auflage,
München 1988, § 571 Rdnr. 5; Jendrek in: Ermann, aaO., § 571 Rdnr. 2, Da der Kläger
auch keine entsprechende Schuldübernahmeerklärung im Kaufvertrag vom 23. Februar
1996 abgegeben hat, wäre er selbst für den unterstellten Fall, dass Herr I2. eine
entsprechende Einverständniserklärung im Jahr 1992 gegenüber der Beklagten
abgegeben hätte, rechtlich nicht verpflichtet, die hier im Streit stehende gemeindliche
Wasserversorgungsleitung auf seinem Grundstück zu dulden.
44
Der mithin bestehende Folgenbeseitigungsanspruch des Klägers ist auch nicht durch
Verwirkung ausgeschlossen.
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Ein Anspruch kann zwar verwirkt sein, wenn seit der Möglichkeit seiner
Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die
die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen
lassen.
46
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 -, in: Bau- rechtssammlung (BRS) 52
Nr. 218; OVG NRW, Urteil vom 2. März 1999 - 10 A 2343/97 -, in: NWVBl. 2000, S. 128
(128).
47
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall indes nicht gegeben. Der Kläger hat
insoweit gegenüber der Beklagten keinen Vertrauenstatbestand dahingehend
geschaffen, dass diese unter Berücksichtigung von Treu und Glauben davon ausgehen
konnte, dass er eine Beseitigung der hier in Rede stehenden Wasserversorgungsleitung
von seinem Grundstück nicht begehrt. Denn - wie insbesondere die Korrespondenz
zwischen den Beteiligten zeigt - hat der Kläger seit dem Erwerb des Grundstücks von
der Beklagten wissen wollen, ob über sein Grundstück gemeindliche Leitungen
verlaufen. Dieser Sachverhalt war jedoch - wie auch das Schreiben der Beklagten vom
8. August 2001 zeigt - bis zur Klageerhebung zwischen den Beteiligten nicht geklärt und
umstritten, so dass die Beklagte kein berechtigtes Vertrauen dahingehend haben
konnte, dass der Kläger die Beseitigung der Wasserleitung von seinem Grundstück
nicht mehr im Wege einer Klage geltend machen wird.
48
Dieser Folgenbeseitigungsanspruch des Klägers ist auch nicht wegen
rechtsmissbräuchlicher Rechtsausübung ausgeschlossen, weil die Begründung eines
Leitungsrechts ggf. im Wege der Enteignung begründet werden könnte und hierdurch
(zumindest theoretisch) die Möglichkeit bestünde, den derzeit bestehende
rechtswidrigen Zustand unter bestimmten Voraussetzungen noch zu legalisieren.
49
Vgl. hierzu auch: BVerwG, Urteil vom 6. September 1988 - 4 C 26/88 -, in: NJW 1989, S.
118 (118); VGH München, Urteil vom 24. April 1996 - 4 B 95.2804 -, in: NJW 1996, S.
3163 (3163).
50
Denn im vorliegenden Fall ist - soweit ersichtlich - von der Beklagten ein
entsprechendes Enteignungsverfahren gegen den Kläger nicht eingeleitet worden.
Selbst der Bebauungsplan für diesen Bereich befindet sich noch im Planungsstadium,
so dass eine etwaig (theoretisch) mögliche Legalisierung der rechtswidrigen
Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks deshalb nicht konkret und so zeitnah
zu erwarten ist, dass dem Kläger die Geltendmachung des
Folgenbeseitigungsanspruchs wegen unzulässiger Rechtsausübung verwehrt ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 17 b Abs. 2 Satz 2 des
Gerichtsverfassungsgesetzes. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch die Kammer nach § 124 a
Abs. 1 Satz 1 VwGO sind nicht gegeben.
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