Urteil des VG Aachen vom 16.12.2010

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Verwaltungsgericht Aachen, 9 Nc 34/10
Datum:
16.12.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 Nc 34/10
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
G R Ü N D E :
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I.
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Der Antragsteller besitzt die allgemeine Hochschulreife und erstrebt die Zulassung zum
Studium der Zahnmedizin im Wintersemester 2010/2011 an der Rheinisch-
Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen.
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Mit der Begründung, die verordnungsrechtlich festgesetzte Zulassungszahl für das erste
Fachsemester erschöpfe die tatsächlich vorhandene Ausbildungskapazität nicht,
beantragt der Antragsteller,
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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihn - ggf. nach
Maßgabe eines gerichtlich anzuordnenden Losverfahrens - zum Studium der
Zahnmedizin im Wintersemester 2010/2011 als Studienanfänger zuzulassen.
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Der Antragsgegner hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten; er hat in diesem
Rahmen die kapazitätsrelevanten Berechnungsunterlagen zur Generalakte
Zahnmedizin vorgelegt.
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II.
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Der Antrag ist unbegründet.
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Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners zur
vorläufigen Zulassung im ersten Fachsemester, da die zur Verfügung stehenden Plätze
kapazitätsdeckend besetzt sind.
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Die Zahl der Studienplätze hat der Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und
Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen (MIWFT) durch Verordnung über die
Festsetzung von Zulassungszahlen und die Vergabe von Studienplätzen im ersten
Fachsemester für das Wintersemester 2010/2011 vom 25. Juni 2009 (GV. NRW. S. 354),
geändert durch Verordnung vom 15. November 2010 (GV. NRW. S. 626) auf 58
festgesetzt.
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Nach Mitteilung des Antragsgegners vom 25. Oktober 2010 sind 59 Studenten für das
erste Fachsemester eingeschrieben.
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Die Ausbildungskapazität ermittelt sich gemäß der von der Rechtsprechung als
geeignet anerkannten Verordnung über die Kapazitätsermittlung, die
Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen (Kapazitätsverordnung
- KapVO -) in der Neufassung vom 25. August 1994 (GV NRW S. 732), zuletzt geändert
durch Verordnung vom 12. August 2003 (GV NRW S. 544), aus einer
Gegenüberstellung von Lehrangebot und Lehrnachfrage, ausgedrückt jeweils in
Deputatstunden (DS). Das Berechnungsergebnis ist nach den Vorschriften des Dritten
Abschnitts der KapVO zu überprüfen, gemäß § 19 Abs. 1 KapVO für den Studiengang
Zahnmedizin u.a. anhand der klinischen Behandlungseinheiten der Lehreinheit
Zahnmedizin.
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Bei der Berechnung der Lehrangebotsseite geht die Kammer nach der im vorliegenden
Verfahren lediglich möglichen summarischen Prüfung auf Grund der vom Antragsgegner
vorgelegten Unterlagen und Erläuterungen von 46 Personalstellen der Lehreinheit
Zahnmedizin aus. Diese schon in den Vorjahren in Ansatz gebrachten und dem
Stellenplan des Wissenschaftlichen Personals entsprechenden Stellen verteilen sich
auf 4 W3-Professoren (je 9 DS), 2 W2-Professoren (je 9 DS), 1 Akademischen Rat A 15
- 13 ohne ständige Lehraufgaben (5 DS), 5 Akademische Oberräte A 14 auf Zeit (je 7
DS), 8 Akademische Räte A 13 auf Zeit (je 4 DS), 20 Wissenschaftliche Angestellte
(befristet, je 4 DS), 5 Wissenschaftliche Angestellte (unbefristet, je 8 DS) und 1 W1-
Juniorprofessor in der zweiten Anstellungsphase (5 DS). Dabei entsprechen die
angesetzten Lehrverpflichtungen der Verordnung über die Lehrverpflichtung an
Universitäten und Fachhochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung - LVV) vom 24. Juni
2009 (GV. NRW. S. 409).
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Anhaltspunkte dafür, dass weitere gemäß § 8 KapVO einzubeziehende Personalstellen
in der Lehreinheit Zahnmedizin vorhanden sein könnten, sind angesichts der vom
Antragsgegner vorgelegten aktuellen Stellenbesetzungsübersicht nicht ersichtlich.
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Aus den vorhandenen Stellen und dem jeweiligen Deputatstundenansatz hat der
MIWFT ein Brutto-Lehrangebot in Höhe von 251 DS ermittelt.
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Da Verminderungen - wie schon in den Vorjahren - nicht angesetzt sind, beträgt das
durchschnittliche Lehrdeputat demnach (251 : 46 =) 5,46 DS.
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Nach summarischer Prüfung ist das Brutto-Lehrangebot auch nicht wegen einer in
Ansatz zu bringenden individuell höheren Lehrverpflichtung der Stelleninhaber zu
erhöhen. Insbesondere ergibt sich aus den vom Antragsgegner vorgelegten Kopien der
Arbeitsverträge befristet beschäftigter Wissenschaftlicher Angestellter, die den
Bestimmungen des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft -
Wissenschaftszeitvertragsgesetz - [Art. 1 des Gesetzes vom 12. April 2007 (BGBl. I 506)]
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entsprechen und jeweils insbesondere auch die Befristungsdauer angeben, kein
Hinweis auf eine individuell höhere Lehrverpflichtung.
Aus den seitens des Antragsgegners dem MIWFT mitgeteilten Zahlen zur Berechnung
des Krankenversorgungsabzuges nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 b) und c) KapVO hat dieser 0,12
Stellen für den stationären und 13,76 Stellen für den ambulanten
Krankenversorgungsabzug ermittelt.
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Hinsichtlich des ersteren sind 325 Pflegetage (ohne Pflegetage mit Wahlarztabschlag)
gemeldet, die - dividiert durch 365 Tage - 0,89 tagesbelegte Betten und bei Division
durch 7,2 den Wert von 0,1236, gerundet 0,12 ergeben.
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Auch der Wert des Abzugs für die ambulante Krankenversorgung (13,76 Stellen)
entspricht nach der Änderungsverordnung vom 31. Januar 2002 der neugefassten
Regelung des § 9 Abs. 3 Nr. 2 c) KapVO, wonach der Personalbedarf für die ambulante
Krankenversorgung durch einen pauschalen Abzug in Höhe von 30 vom Hundert der
um den Personalbedarf für die stationäre Krankenversorgung nach Buchstabe b)
verminderten Gesamtstellenzahl berücksichtigt wird (das heißt im vorliegenden Falle: 46
- 0,12 = 45,88; davon 30 % = 13,76). Somit verbleiben 32,12 Reststellen (= 46 - 0,12 -
13,76).
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Deren Multiplikation mit dem durchschnittlichen Lehrdeputat in Höhe von 5,46 DS führt
zu 175,38 DS.
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Richtigerweise ist dieses Lehrangebot um 1,00 DS vermindert. Bei der Verminderung
handelt es sich um den so genannten Dienstleistungsexport gemäß § 11 KapVO, d. h.
um Lehrleistungen der Lehreinheit Zahnmedizin an nicht zugeordnete Studiengänge,
hier den Klinischen Teil des Studienganges Humanmedizin. Bei der Berechnung ist der
MIWFT von - rechnerisch - 99,5 Studienanfängern (= festgesetzte halbjährliche
Zulassungszahl für das erste Studienjahr des Studienganges Medizin, Klinischer Teil)
und vom denkbar kleinsten CAq von 0,01 ausgegangen.
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Somit ergibt sich ein bereinigtes jährliches Lehrangebot von (175,38 - 1,00) x 2 = 348,76
DS. Nach Formel 5 der Anlage 1 zur KapVO führt dies zu einer personellen
Aufnahmekapazität von [348,76 DS : 6,06 (Eigenanteil des Curricularnormwerts gemäß
der Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 KapVO, der im summarischen Verfahren nicht zu
beanstanden ist und den Vorjahreswerten entspricht) = 57,55, gerundet:] 58
Studienplätzen. Eine Erhöhung nach §§ 14 Abs. 3 Nr. 3, 16 KapVO (Schwundquote) ist
in diesem Semester nicht vorzunehmen, weil die Ermittlung nach dem "Hamburger
Modell" anhand der Studentenstatistiken der RWTH Aachen einen
Schwundausgleichsfaktor von 1,00 ergeben hat.
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Die Überprüfung des Berechnungsergebnisses nach den Vorschriften des Dritten
Abschnitts gemäß 19 KapVO ergibt - ausgehend von 53 für die studentische Ausbildung
geeigneten klinischen Behandlungseinheiten - die sachausstattungsbezogene
Studienanfängerzahl von (53 : 0,67 = 79,10, gerundet =) 79. Gemäß § 19 Abs. 2 KapVO
ist der niedrigere Wert zugrunde zu legen. Demnach besteht im ersten Fachsemester
eine Kapazität von 58 Studienplätzen, die indessen vergeben sind.
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Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die für das Wintersemester 2010/2011
durch die Stiftung für Hochschulzulassung (Stiftung) als Nachfolgeeinrichtung der
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Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) vorgenommenen Zulassungen
fehlerhaft seien, weil es noch an einer wirksamen Stiftungssatzung fehle mit der Folge,
dass diese Plätze für Bewerber um außerkapazitäre Studienplätze zur Verfügung
stünden und an diese zu verteilen seien. Denn die Stiftungssatzung betrifft nur den
Binnenbereich der Stiftung und hat demzufolge keine unmittelbare Außenwirkung auf
das für das Wintersemester 2010/2011 durchgeführte Zulassungs- und
Vergabeverfahren. Ein Rechtsfehler ist auch nicht darin zu erblicken, dass das
Vergabeverfahren nach den Regelungen durchgeführt worden ist, die sich an die -
inzwischen aufgelöste - ZVS gerichtet haben. Mangels entsprechender Regelungen für
die Stiftung selbst konnten die bisher geltenden Regelungen (wieder) zur Grundlage
des Verfahrens gemacht werden, weil ansonsten ein geordnetes Zulassungsverfahren
nicht gewährleistet gewesen wäre.
Vgl. hierzu: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom
17. August 2010 - 13 B 1065/10 -, NRWE, und Verwaltungsgericht Düsseldorf,
Beschluss vom 10. November 2010 - 15 Nc 18/10 -, juris.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 des
Gerichtskostengesetzes (GKG). Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung
des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in seinen Beschlüssen
vom 26. Januar 2009 - 13 B 1922/08 - und 4. Februar 2009 - 13 C 4/09 - an, wonach der
Auffangwert von 5.000,-- EUR in Verfahren der hier vorliegenden Art nicht mehr wie
bislang verringert wird, weil die begehrte Entscheidung die Entscheidung in der
Hauptsache regelmäßig vorwegnimmt. Dies gilt auch unabhängig davon, ob der Antrag
auf die Teilnahme an einem Losverfahren beschränkt worden ist.
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