Urteil des VG Aachen vom 19.01.2011

VG Aachen (antragsteller, bundesrepublik deutschland, fremdsprache, verwaltungsgericht, international, englisch, anerkennung, deutsch, staatsangehörigkeit, antrag)

Verwaltungsgericht Aachen, 9 L 431/10
Datum:
19.01.2011
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 L 431/10
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, das
International Baccalaureate Diploma des Antragstellers vom 3. August 2010 als
deutsche Hochschulzugangsberechtigung anzuerkennen,
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ist zulässig, aber unbegründet.
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Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in
Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass
ihm der geltend gemachte Anspruch zusteht (Anordnungsanspruch) und es der
sofortigen Durchsetzung seines Anspruchs mittels gerichtlicher Entscheidung bedarf,
weil ihm ansonsten unzumutbare Nachteile entstehen (Anordnungsgrund), § 123 Abs. 1
und 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.
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Der Antragsteller kann zwar auf einen Anordnungsgrund verweisen, weil er die
Aufnahme eines Studiums an einer Hochschule noch im laufenden Wintersemester
beabsichtigt, sodass ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar
erscheint.
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Der Antragsteller hat aber einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
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Rechtsgrundlage für die Anerkennung eines International Baccalaureate Diploma (IB-
Diploma) als Vorbildungsnachweis zur Aufnahme eines Hochschulstudiums ist § 49
Abs. 4 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen
(Hochschulgesetz - HG) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der Verordnung über die
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Gleichwertigkeit ausländischer Vorbildungsnachweise mit dem Zeugnis der
Hochschulreife (Qualifikationsverordnung über ausländische Vorbildungsnachweise -
AQVO). Nach § 2 Abs. 1 AQVO erfolgt die Feststellung der Gleichwertigkeit auf der
Grundlage der Bewertungsvorschläge der Zentralstelle für ausländisches
Bildungswesen beim Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder
in der Bundesrepublik Deutschland, soweit diese vom Kulturminister für das Land
Nordrhein-Westfalen für verbindlich erklärt worden sind. In Ermangelung von
Bewertungsvorschlägen der Zentrale für ausländisches Bildungswesen für das IB-
Diploma ist dabei im Rahmen des § 2 Abs. 1 AQVO in gleichwertiger Weise auf den
Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. März 1986 in der Fassung vom 25. Juni
2010 zur Vereinbarung über die Anerkennung des "International Baccalaureate
Diploma/Diplôme du Baccalauréat International" (KMK-Beschluss) und die dort
verbindlich für die Anerkennung des Abschlusses "International Baccalaureate
Diploma" aufgestellten Kriterien zurückzugreifen.
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Juli
2010 - 19 A 463/09 -; Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 19. August 2009 - 10 K
2107/08 -, NRWE; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 18
L 1414/08 -, NRWE.
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Danach wird ein nach den Bestimmungen der "International Baccalaureate
Organisation" erworbenes IB-Diploma als Hochschulzugangsberechtigung anerkannt,
wenn es nach einem Besuch von mindestens zwölf aufsteigenden Jahrgangsstufen an
Schulen mit Vollzeitunterricht erworben worden ist - dies ist vorliegend gegeben, da der
Antragsteller nach seinen Angaben sechs Jahre an deutschen und weitere sechs Jahre
an finnischen Schulen verbracht hat - und die weiter unter Nr. 1 a) bis e) aufgeführten
Bedingungen erfüllt sind. Hierzu zählt gemäß Nr. 1 a) erster Spiegelstrich unter
anderem, dass unter den sechs Prüfungsfächern des IB-Diploma zwei Sprachen (davon
mindestens eine fortgesetzte Fremdsprache als "Language A") bescheinigt sein
müssen.
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Das IB-Diploma des Antragstellers vom 3. August 2010 weist im sprachlichen Bereich
neben dem Prüfungsfach Deutsch mit der Niveaustufe A1 und der Note 4 auch das
Prüfungsfach Englisch mit der Niveaustufe B und der Note 5 aus. Dies erfüllt indessen
die genannte Anforderung des KMK-Beschlusses nicht. Dies beruht darauf, dass der
Antragsteller als deutscher Staatsangehöriger nicht auf den Abschluss des
Prüfungsfaches Deutsch auf der Niveaustufe A1 verweisen kann, weil Deutsch für ihn
keine fortgesetzte Fremdsprache ist und die weiter bescheinigte Sprache Englisch nur
die Niveaustufe B ausweist.
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Soweit der Antragsteller vorgetragen hat, die Frage Muttersprache oder Fremdsprache
sei nach finnischen Verhältnissen zu beurteilen, weil er in Finnland seinen
Schulabschluss gemacht habe und zudem die finnische Staatsbürgerschaft besitze,
ergibt sich aus § 4 Abs. 4 AQVO bindend, dass für deutsche Staatsangehörige, die
neben der deutschen auch eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen, die
Bestimmungen für deutsche Staatsangehörige gelten und mithin - wie von dem
Antragsgegner auch vorgetragen - die Anerkennung der Gleichwertigkeit ausländischer
Zeugnisse ausschließlich nach deutschem Landesrecht zu beurteilen ist. Kann sein
Prüfungsfach Deutsch mit der Niveaustufe A1 aber für ihn nicht als Fremdsprache
berücksichtigt werden, fehlt es an einer Fremdsprache auf dieser Niveaustufe, weil
Englisch nur mit der Niveaustufe B ausgewiesen ist.
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Eine Ungleichbehandlung mit Ausländern, die - anders als der Antragsteller - nicht
zusätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit innehaben, ergibt sich mit Blick auf Art. 3
Abs. 3 des Grundgesetzes nicht, da die Staatsangehörigkeit nicht zu den dort
aufgezählten Kriterien gehört, derentwegen niemand benachteiligt oder bevorzugt
werden darf. Demnach kann - wie vorliegend geschehen - die Staatsangehörigkeit zur
Beurteilung der Frage, ob eine Sprache als Mutter- oder Fremdsprache einzuordnen ist,
in wirksamer Weise herangezogen werden.
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So auch Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 18 L
1414/08 -, NRWE.
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Anhaltspunkte dafür, dass es dem Antragsteller nicht möglich oder nicht zumutbar
gewesen wäre, die Sprache Englisch im "A-Level" oder auch die Sprachen Finnisch
oder Schwedisch zu belegen, die er nach seinem Vorbringen ebenfalls beherrscht und
in Finnland als Unterrichtssprache gehabt hat und mit denen er das
Fremdsprachenkriterium des KMK-Beschlusses hätte erfüllen können, sind weder
vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Soweit der Antragsteller des Weiteren beantragt hat, ihn für die Aufnahme eines
Studiums an einer deutschen Hochschule vorläufig zuzulassen, bleibt dies ebenfalls
ohne Erfolg, da die Antragsgegnerin hierfür nicht zuständig ist; ein Antrag auf
(vorläufige) Zulassung zum Studium ist gegen die betreffende Hochschule zu richten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 des
Gerichtskostengesetzes und richtet sich angesichts des vorläufigen Charakters des
Verfahrens an der Hälfte des gesetzlichen Anhaltswertes aus.
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