Urteil des VG Aachen vom 14.05.2007

VG Aachen: anerkennung, unternehmen, ermächtigung, kreis, ausbildung, widerruf, zahl, praktikant, wache, auflage

Verwaltungsgericht Aachen, 5 K 2735/05
Datum:
14.05.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 2735/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in der
beizutreibenden Höhe abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin betreibt ein Rettungsdienst- und Krankentransportunternehmen in N. .
Gemäß Vereinbarung vom Dezember 1998 zwischen dem Kreis Aachen und der
Arbeitsgemeinschaft Rettungsdienst/Krankentransporte im Kreis B. (ARGE) war die
Klägerin als Mitglied der ARGE am Rettungsdienst als Verwaltungshelfer des Kreises B.
gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 des Rettungsgesetzes NRW in der Fassung vom 24. Nov.
1992 (GV NW S. 458) beteiligt. Die Vereinbarung wurde für die Dauer von 5 Jahren,
beginnend ab dem 1. Januar 1999, geschlossen. Die Arbeitsgemeinschaft endete
aufgrund einer Kündigung zum Ablauf des Jahres 2003. Seit dem 1. Januar 2004 ist die
Klägerin als privates Unternehmen im Rettungsdienst gemäß §§ 18 ff. RettG NRW tätig,
d.h. sie wird nicht mehr über die Leitstelle des Beklagten alarmiert, sondern nur noch auf
unmittelbare Anforderung Privater.
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Auf den Antrag der Klägerin erkannte der Beklagte diese gemäß Bescheid vom 25.
August 1999 als Lehrrettungswache im Sinne des § 7 Abs. 2 Rettungsassistentengesetz
(RettAssG) an. Er verband die Anerkennung u.a. mit der Auflage, dass für jeden
Praktikanten der Nachweis zu führen sei, dass er an mindestens 120 Notfalleinsätzen
teilgenommen habe.
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Der Beklagte wies die Klägerin im Juni 2004 darauf hin, dass aufgrund der
eingetretenen Änderungen überprüft werden müsse, ob die Voraussetzungen für eine
Anerkennung als Lehrrettungswache weiterhin gegeben seien, und bat sie mitzuteilen,
wie viele RTW-Einsätze im ersten Halbjahr 2004 in der Lehrrettungswache angefallen
seien. Mit Schreiben vom 27. August 2004 gab er der Klägerin Gelegenheit zur
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Stellungnahme zu dem nach Prüfung der Einsatzzahlen möglichen Eingriff in
bestehende Rechte. Er führte aus, dass in den vom Bund/Länderausschuss
"Rettungswesen" im Mai 1993 aufgestellten Anforderungen an Lehrrettungswachen
vorgeschrieben worden sei, dass eine Lehrrettungswache mindestens 800
Notfalleinsätze jährlich durchführen solle. Im Jahr 1999 habe die statistische
Auswertung der Einsatzzahlen ergeben, dass im Wachbereich N1. 734 Notfalleinsätze
angefallen seien. In den Jahren von 1999 bis 2003 hätten die Notfalleinsätze zwischen
645 und 742 Einsätzen geschwankt. Dies habe einen Mittelwert von 710 ergeben. Seit
dem 1. Januar 2004 habe sich die Situation grundlegend verändert. Der Kreis B.
unterhalte nach wie vor die Rettungswache N1. , durchführende Organisation sei das
DRK. Die Klägerin sei daneben als private Unternehmerin tätig. Im ersten Halbjahr
seien beim Kreis B. für die Rettungswache N1. 148 Notfalleinsätze angefallen. Es
könne für das Jahr 2004 ein leichter Rückgang der Fallzahlen erwartet werden. Die im
ersten Halbjahr für den öffentlichen Rettungsdienst erreichte Zahl könne für das ganze
Jahr 2004 auf rund 300 Einsätze hochgerechnet werden. Der Klägerin könnten danach
ca. 400 bis maximal 500 Einsätze zugerechnet werden. Damit würden die
Anforderungen des Bund/Länderausschusses bei weitem nicht erreicht.
Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 30. September 2004 mit, dass ihr
Einsatzaufkommen dank des hohen Vertrauenszuspruchs in ihr Unternehmen durch die
Bevölkerung der Stadt N1. dasjenige der Rettungsstelle I. I1.----straße 000 um ein
Mehrfaches überschreite. Sie könne zusichern, dass ihre Rettungswache die
maßgeblichen Anforderungen erfülle. Darüber hinaus erklärte die Klägerin, dass sie aus
datenschutzrechtlichen Gründen nicht bereit sei, ihre Einsatzzahlen bekanntzugeben.
Sie versichere aber, dass jedem Praktikanten die vorgegebenen Einsatzzahlen geboten
würden.
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Der Beklagte widerrief mit an jeden der vier Gesellschafter der Klägerin gerichtetem
Bescheid vom 21. Januar 2005 die der Klägerin erteilte Anerkennung als
Lehrrettungswache. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung drohte er ein Zwangsgeld von
10.000 EUR an. In der Begründung führte er aus, dass er mangels Angabe der
Einsatzzahlen der Klägerin gezwungen sei, die erforderliche Überprüfung anhand
geschätzter Werte vorzunehmen. Selbst bei günstigster Prognose für das Jahr 2004
werde in der Betriebstätte der Klägerin das geforderte Einsatzaufkommen von
mindestens 800 Notfalleinsätzen deutlich unterschritten. Danach sei nicht mehr
gewährleistet, dass ein Praktikant an mindestens 120 Notfalleinsätzen teilnehmen
könne. Wenn eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Ausbildung nicht mehr
gewährleistet sei, liege es im öffentlichen Interesse, die Anerkennung als
Lehrrettungswache zu entziehen.
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Die Klägerin erhob am 15. Februar 2005 Widerspruch. Sie machte geltend, auch ein
Betrieb, der über eine Genehmigung nach § 18 RettG NW verfüge, könne grundsätzlich
als Lehrrettungswache anerkannt werden. Die Behauptung des Beklagten, ihre
Einsatzzahlen hätten sich im Jahre 2004 drastisch vermindert, sei unzutreffend. Zwar sei
eine gewisse Reduzierung dadurch eingetreten, dass durch den Kreis B. in N1. -I. eine
nicht genehmigte Rettungsstelle betrieben werde, die von Mitarbeitern des DRK besetzt
sei. Ihre zu Beginn des Jahres 2004 selbst gehegten Befürchtungen hinsichtlich eines
erwarteten Einsatzrückgangs hätten sich im Laufe des Jahres nicht bewahrheitet. Einen
erheblichen Teil ihrer Einsätze machten die Notfallverlegungen des Krankenhauses T.
aus. Die durchschnittliche Einsatzzahl aus den vergangenen Jahren sei damit nicht
erheblich unterschritten worden. Die entsprechende Auflistung der Einsätze sei der
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beigefügten Anlage zu entnehmen. Die Vorgabe des Bund/Länderausschusses von 800
Einsätzen stelle lediglich eine Empfehlung, nicht aber eine gesetzliche Vorschrift dar.
Dementsprechend sei ihr in der Vergangenheit auch die Anerkennung als
Lehrrettungswache erteilt worden, obwohl sie die Vorgabe von 800 Einsätzen
unterschritten habe. Das Erfordernis, dass jeder Praktikant an 120 Einsätzen teilnehme,
sei immer gewährleistet gewesen. In der Folgezeit führte die Klägerin aus, dass sie
nach der aktuellen Aufstellung im Jahr 2004 679 Notfalleinsätze durchgeführt habe. Die
Einsätze könnten jederzeit durch Vorlage der Einsatzprotokolle belegt werden. Aus der
Aufstellung ergebe sich, dass die Einsatzzahlen im ersten Halbjahr 2004 deutlich
geringer als im zweiten Halbjahr gewesen seien. Im ersten Halbjahr habe sie 263, im
zweiten Halbjahr 416 Einsätze durchgeführt. Dies habe daran gelegen, dass sie
zunächst nicht mehr über den Notruf zu erreichen gewesen sei, dann aber allmählich
von der Bevölkerung akzeptiert worden sei.
Die Klägerin führte im Widerspruchsverfahren weiter aus, sie könne nicht mehr sagen,
ob es sich bei den Verlegungsfahrten und den übrigen Einsätzen um Notfallrettung
gehandelt habe oder nicht. Ihre Aufstellungen habe sie auch in der Vergangenheit wie
nunmehr gefertigt, diese seien nie beanstandet worden. Kopien von Einsatzberichten
könne sie aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht übersenden. Sie sei aber bereit,
Mitabeitern des Beklagten Einsicht zu gewähren, wenn sie zuvor Gelegenheit habe, die
Patientendaten zu schwärzen.
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Die Bezirksregierung Köln änderte mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2005
die Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung der Anerkennung des Betriebssitzes der
Klägerin als Lehrrettungswache in § 48 Abs. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz NW
(VwVfG) und deutete die vier ergangenen Bescheide in einen Bescheid um. Im Übrigen
wies sie den Widerspruch der Klägerin zurück. In der Begründung heißt es, die
Voraussetzungen des § 48 Abs. 3 VwVfG für die Rücknahme eines rechtswidrigen
Verwaltungsaktes lägen vor. Die der Klägerin erteilte Anerkennung als
Lehrrettungswache sei rechtswidrig gewesen. Die Klägerin sei nicht eine Einrichtung
des Rettungsdienstes im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 RettAssG. In Ermangelung einer
Definition dieses Begriffs sei auf die Rettungsgesetze der Länder zurückzugreifen. Das
RettG NW unterscheide strikt zwischen dem öffentlichen, hoheitlich verantworteten
Rettungsdienst nach dem 2. Abschnitt und der Wahrnehmung von Aufgaben der
Notfallrettung durch Unternehmen nach dem 3. Abschnitt. Betriebssitze von
Unternehmen stellten keine Einrichtung des Rettungsdienstes dar. Dies entspreche
auch der derzeitigen Erlasslage. Soweit einem Unternehmer die Durchführung der
Aufgaben einer Rettungswache nach § 13 RettG übertragen worden sei, bleibe der
Kreis Träger der Wache. Eine Anerkennung als Lehrrettungswache müsste von diesem
beantragt werden. Die Durchführung auch dieser Aufgaben durch den Unternehmer
müsste in der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung nach § 13 RettG geregelt werden.
Danach sei es unerheblich, ob das private Unternehmen aufgrund einer Genehmigung
nach §§ 18 ff. RettG oder aufgrund einer Beauftragung nach § 13 RettG mitwirke. Die
Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG stehe der Rücknahme nicht entgegen. Der Beklagte
habe nämlich erst in einer Dienstbesprechung am 20. Oktober 2005 erfahren, dass bei
Einbindungen nach § 13 RettG die staatliche Anerkennung als Lehrrettungswache nur
gegenüber dem Träger der Wache ausgesprochen werden könne. Bis zu diesem
Zeitpunkt habe der Beklagte eine andere Rechtsauffassung vertreten. Soweit sich der
Beklagte auf den Rückgang des jährlichen Einsatzaufkommens der Klägerin beziehe,
schließe sie sich diesen Ausführungen an. Zwar würde die Klägerin in dem Fall
Vertrauensschutz genießen, dass die von ihr angegebenen Notfalleinsätze tatsächlich
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stattgefunden hätten. Dieser Nachweis sei von der Klägerin aber nicht erbracht worden.
An der Plausibilität der Schätzungen des Beklagten habe sie angesichts im Bereich N1.
jahrelang konstant gebliebener Einsatzzahlen sowie des im Vergleich zu den
vorangegangenen Jahren nunmehr reduzierten Einsatzradius der Klägerin keinen
Zweifel. Die Klägerin habe keine ernstgemeinte Mitwirkungsbereitschaft gezeigt. Sie
könne dem Beklagten insoweit keine Bedingungen diktieren. Der Klägerin könne nicht
darin gefolgt werden, dass es lediglich auf die Teilnahme des Praktikanten an 120
Notfalleinsätzen ankomme. Mit der ministeriellen Anforderung von mindestens 800
Notfalleinsätzen solle ein gewisses Mindestmaß an Notfalleinsätzen vorgeschrieben
werden, um u.a. den Ausbildern selbst genügend Erfahrung an die Hand zu geben. Bei
einem Notfallaufkommen von maximal 500 Einsätzen käme ein Praktikant rechnerisch
im Durchschnitt nur noch auf eine Einsatzteilnahme von 91 Einsätzen. Danach lägen
mehrere Aufhebungsgründe vor. Erst recht aber in der Summe dieser Gründe überwiege
im Rahmen der Ermessensabwägung das öffentliche Interesse an der Aufhebung der
Anerkennung gegenüber dem etwaigen Vertrauen der Klägerin auf den Fortbestand der
Anerkennung. Angesichts der Hochwertigkeit der hier in Rede stehenden Rechtsgüter
dürften Notfallpatienten nur in die Obhut von solchen Rettungsassistenten gelangen, die
über die ausreichende Qualifikation verfügten. Dies setze voraus, dass auch die
praktische Ausbildungsstätte diese Qualifikation hinreichend zu vermitteln in der Lage
sei. Hierbei sei auch das Interesse der Praktikanten zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat am 28. Dezember 2005 Klage erhoben. Sie macht über ihr Vorbringen
im Widerspruchsverfahren hinaus geltend, entgegen der Auffassung des Beklagten
könne auch ein privater Unternehmer als Lehrrettungswache anerkannt werden. Dies
sei etwa im Fall des Wuppertaler Unternehmers L. erfolgt. Sie berufe sich insoweit auf
den Gleichbehandlungsgrundsatz. Sie genieße Vertrauensschutz. Ihr Unternehmen sei
seit über 25 Jahren im Krankentransportdienst und seit 20 Jahren im Rettungsdienst
tätig. Sie habe sich auch bei der Ausbildung der Praktikanten immer an die gesetzlichen
Bestimmungen gehalten. Der Beklagte habe keine nachvollziehbare
Ermessensentscheidung getroffen. Es reiche nicht aus, lediglich floskelhaft auf eine
Ermessensausübung hinzuweisen. Soweit der Beklagte die Anforderungen des
Bund/Länderausschusses "Rettungswesen" zitiere, müsse beachtet werden, dass es
sich hier lediglich um Empfehlungen handele. So sei schon in der Vergangenheit nicht
eine starre Anzahl von 800 Notfalleinsätzen praktiziert worden. In anderen
Bundesländern würden auch deutlich geringere Notfalleinsatzzahlen für ausreichend
gehalten. Schließlich berufe sie sich darauf, dass das tätig gewordene Amt für
Rettungswesen und Katastrophenschutz beim Beklagten für die Entscheidung nicht
zuständig gewesen sei. Zuständiges Amt wäre die Untere Gesundheitsbehörde
gewesen.
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Der Beklagte hat seinen Bescheid vom 21. Januar 2005 und den Widerspruchsbescheid
der Bezirksregierung Köln vom 28. November 2005 in der mündlichen Verhandlung
dahingehend abgeändert, dass die der Klägerin erteilte Anerkennung als
Lehrrettungswache wirderrufen wird.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 21. Januar 2005 und den Widerspruchsbescheid der
Bezirksregierung Köln vom 28. November 2005 in der Fassung der Änderung vom 14.
Mai 2007 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er führt über das Vorbringen im Vorverfahren hinaus aus, Bedenken an seiner
Zuständigkeit für die getroffene Entscheidung seien unberechtigt. Gemäß § 1 Ziffer 11
der Verordnung zur Regelung der Zuständigkeiten nach Rechtsvorschriften für
nichtärztliche und nichttierärztliche Heilberufe seien die Kreisordnungsbehörden für die
Durchführung des Rettungsassistentengesetzes zuständig. Dies sei der Beklagte, für
den das Amt für Rettungswesen und Katastrophenschutz als Sonderordnungsbehörde
handele. Auch bestimme der Erlass des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales
vom 4. Dezember 1991 (V C 6-0717.1), dass der Träger des Rettungsdienstes für die
Erteilung der Ermächtigung nach § 7 Abs. 2 RettAssG zuständig sei. Gegenüber den
von der Klägerin behaupteten Einsatzzahlen seien erhebliche Bedenken vozubringen.
Danach hätte die Klägerin im Jahr 2004 annähernd so viele Einsätze wie in den Jahren
zuvor durchgeführt, obwohl sie nicht mehr in den öffentlichen Rettungsdienst
eingebunden gewesen sei. Bei der Bewertung der Angaben der Klägerin sei auch ihr
Vorbringen in dem Eilverfahren 2 L 607/04 zu berücksichtigen. In diesem Verfahren
habe die Klägerin die Erweiterung ihres Betriebsbereichs für die Notfallrettung erstrebt
und geltend gemacht, dass sie nach dem Ausscheiden aus dem öffentlichen
Rettungsdienst und der damit verbundenen Reduzierung ihres Einsatzradius in solcher
Weise beschränkt sei, dass sie im wesentlichen Umfang Einsätze nicht mehr
durchführen könne; sie sei dadurch nicht mehr konkurrenzfähig. Dies habe der
Geschäftsführer der Klägerin noch im August 2004 eidesstattlich versichert. Den
nunmehr vorgelegten Zahlen der Klägerin lasse sich nicht entnehmen, ob es sich
durchweg um Notfalleinsätze gehandelt habe. Der Beklagte habe im Rahmen des
öffentlichen Rettungsdienstes im Jahr 2004 im Einsatzbereich der Rettungswache N1.
317 Einsätze durchgeführt. Nach dem durchschnittlichen Einsatzaufkommen von 710
hätten danach noch 393 Einsätze auf die Klägerin entfallen können, selbst an der
maximalen Einsatzzahl des Jahres 2002 in Höhe von 742 orientiert, würden für die
Klägerin nur noch 425 Einsätze verbleiben. Danach sei ausgeschlossen, dass die
Klägerin im Jahr 2004 trotz eines deutlich reduzierten Einsatzradius 663 Einsätze
durchgeführt haben könnte. Die Einsatzzahlen für den öffentlichen Rettungsdienst seien
in den Jahren 2005 und 2006 noch erheblich angestiegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten in diesem und in dem Verfahren 5 L 100/05 und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.
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Der Bescheid des Beklagten vom 21. Januar 2005 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 28. November 2005 und der
Änderung vom 14. Mai 2007 ist rechtmäßig, § 113 Abs. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Der Beklagte war insbesondere für die getroffene
Maßnahme zuständig. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus § 1 Satz 2 Nr. 11 der
Verordnung zur Regelung der Zuständigkeiten nach Rechtsvorschriften für nichtärztliche
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und nichttierärztliche Heilberufe vom 31. Januar 1995 (GV NRW 1994, 87). Hiernach
sind die Kreisordnungsbehörden zuständige Behörden für die Durchführung des
Rettungsassistentengesetzes.
Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
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Rechtsgrundlage des Bescheides ist § 49 Abs. 2 VwVfG. Gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 3
VwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er
unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen
werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt
wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das
öffentliche Interesse gefährdet würde.
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Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Dabei ist unerheblich, ob der Bescheid über die
Anerkennung der Klägerin als Lehrrettungswache von Anfang an deshalb rechtswidrig
war, weil die Klägerin als privates Unternehmen nicht Adressat eines solchen
Bescheides sein konnte. Diese von der Bezirksregierung Köln in ihrem
Widerspruchsbescheid vertretene Rechtsauffassung begegnet allerdings gewichtigen
rechtlichen Bedenken. Dies bedarf aber keiner weiteren Vertiefung. Denn der Beklagte
ist auch in dem Fall des von Anfang an rechtswidrigen Verwaltungsakts nicht gehindert,
diesen im Wege des Widerrufs gemäß § 49 VwVfG aus der Welt zu schaffen. Er ist in
einem solchen Fall nicht etwa darauf beschränkt, den Bescheid gemäß § 48 VwVfG
zurückzunehmen.
24
Vgl. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 9. Auflage, 2005, § 49
Rn. 12; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 6.
Auflage, 2001, § 49 Rn. 6.
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Der Beklagte wäre aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt, den
Bescheid über die Anerkennung der Klägerin als Lehrrettungswache nicht zu erlassen.
26
Um eine nachträglich eingetretene Tatsache handelt es sich zwar insoweit, als die
Klägerin seit dem 1. Januar 2004 aufgrund der Kündigung über die Vereinbarung über
die ARGE nicht mehr gemäß § 13 RettG am Rettungsdienst beteiligt ist. Sie nimmt
seitdem Aufgaben der Notfallrettung und des Krankentransports, ohne am
Rettungsdienst beteiligt zu sein, und damit gemäß § 18 RettG wahr. Folgt man der
Rechtsauffassung, dass für den Begriff der Einrichtung des Rettungsdienstes im Sinne
des § 7 Abs. 1 Satz 2 RettAssG auf den landesrechtlichen Begriff nach dem
Rettungsgesetz zurückzugreifen ist,
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vgl. Verwaltungsgericht (VG) Köln, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 9 K 390/96 -, und
VG Minden, Gerichtsbescheid vom 16. Januar 1998 - 4 K 232/96 -,
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- diese Frage lässt die Kammer hier ausdrücklich offen -, war die Klägerin seit ihrem
Ausscheiden aus der ARGE keine Einrichtung des Rettungsdienstes gemäß § 7 Abs. 1
RettAssG mehr.
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Der Beklagte war jedoch gehindert, den Widerruf auf die beschriebene Tatsache zu
stützen. Ihm war das Auslaufen der Vereinbarung über die ARGE zum Ende des Jahres
2003 und damit das Tätigwerden der Klägerin als Verwaltungshelferin seit dem 1.
Januar 2004 bekannt. Der Widerrufsbescheid erging unter dem 21. Januar 2005. Damit
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war die Jahresfrist für den Widerruf gemäß §§ 49 Abs. 3 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG
abgelaufen.
Eine nachträglich eingetretene Tatsache, die den Beklagten zum Widerruf der
Ermächtigung gegenüber der Klägerin berechtigte und an deren Geltendmachung der
Beklagte nicht wegen Ablaufs der Jahresfrist gehindert ist, lag aber insoweit vor, als die
Zahl der Notfalleinsätze der Klägerin im Jahr 2004 erheblich zurückgegangen war. Dies
folgert das Gericht aus der Auswertung der von der Klägerin vorgelegten
Einsatzprotokolle des Jahres 2004 einerseits und aus der von der Klägerin nicht
überzeugend widerlegten Einschätzung andererseits, dass sich ihr Einsatzaufkommen
aufgrund der neuen Sachlage in ihrem Einsatzgebiet notwendig zu ihrem Nachteil
verändert haben muss; so ist nach ihrem Ausscheiden aus der ARGE in ihrem
bisherigen Einsatzgebiet eine weitere, nämlich die in I. vom DRK betriebene Wache
hinzugekommen, außerdem ist der Einsatzradius für ihren RTW von 12 Minuten auf 6
Minuten reduziert worden.
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Der Rückgang der Zahl der Notfalleinsätze hatte zur Folge, dass die Rettungswache der
Klägerin nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen des § 7 Abs. 2 RettAssG
entsprach. Hiernach setzt die Ermächtigung zur Annahme von Praktikanten nach § 7
Abs 1 RettAssG voraus, dass die Einrichtung aufgrund ihres Einsatzbereichs, ihrer
personellen Besetzung und ihrer der medizinischen Entwicklung entsprechenden
technischen Ausstattung geeignet ist, eine dem Ausbildungsziel des § 3 RettAssG und
der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungsassistentinnen und
Rettungsassistenten gemäße praktische Tätigkeit unter Aufsicht einer
Rettungsassistentin oder eines Rettungsassistenten zu ermöglichen. Gemäß § 3
RettAssG soll die Ausbildung entsprechend der Aufgabenstellung des Berufs als Helfer
des Arztes insbesondere dazu befähigen, am Notfallort bis zur Übernahme der
Behandlung durch den Arzt lebensrettende Maßnahmen bei Notfallpatienten
durchzuführen, die Transportfähigkeit solcher Patienten herzustellen, die
lebenswichtigen Körperfunktionen während des Transports zum Krankenhaus zu
beobachten und aufrechtzuerhalten sowie kranke, verletzte und sonstige hilfsbedürftige
Personen, auch soweit sie nicht Notfallpatienten sind, unter sachgerechter Betreuung zu
befördern (Ausbildungsziel).
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Die Klägerin ist aufgrund ihres Einsatzbereiches nicht (mehr) geeignet, eine dem
Ausbildungsziel des Rettungsassistenten gemäße praktische Tätigkeit zu ermöglichen.
Hierfür ist die Zahl der in ihrem Betrieb im Jahr 2004 durchgeführten Notfalleinsätze zu
gering.
33
Das RettAssG selbst regelt weder inhaltlich noch zahlenmäßig Art und Umfang der
Notfalleinsätze, die für die am Ausbildungsziel ausgerichtete praktische Tätigkeit
gewährleistet sein müssen. Der Beklagte hat insoweit die im Mai 1993 vom Bund-
Länderausschuss "Rettungswesen" formulierten "Anforderungen an
Lehrrettungswachen" herangezogen. Hiernach soll das Einsatzaufkommen der
Rettungswache jährlich mindestens 800 Notfalleinsätze betragen; durch eine
entsprechende Dienstplangestaltung ist zu gewährleisten, dass der Praktikant während
der praktischen Tätigkeit an mindestens 120 Notfalleinsätzen teilnimmt.
34
Gegenüber dieser Handhabung des Beklagten bestehen keine durchgreifenden
rechtlichen Bedenken. Die als Orientierungshilfe für die Verwaltungspraxis formulierten
"Anforderungen" sind durch Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales
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des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 1993 - V C 6 - 0717.4.2 - (Bl. 392 ff. BA
IV) in die Verwaltungspraxis in NRW eingeführt worden. Bei dem Tatbestandsmerkmal
der Eignung auf Grund des Einsatzbereichs in § 7 Abs. 2 Satz 1 RettAssG handelt es
sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Bei der Ausfüllung dieses Begriffs ist der
Verwaltung vor dem Hintergrund, dass es nicht nur eine richtige Antwort auf die Frage
gibt, ab welchem Einsatzaufkommen die Einrichtung als geeignet angesehen werden
kann, ein Einschätzungsspielraum zuzubilligen. Es ist insoweit die Aufgabe der
öffentlichen Verwaltung, unter Heranziehung des besonderen Sachverstandes und des
Erfahrungswissens derjenigen, die mit dem Rettungswesen befasst sind, die
besonderen Anforderungen für die Eignung zu bestimmen.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 27. November 1981 - 7 C 57/79 -,
juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 11. Juni 1997 - 7 K 3509/95 - , juris.
36
Wenn die Verwaltung in Wahrnehmung dieser Aufgabe darüber hinaus eine einheitliche
Handhabung in ihrem Wirkungsbereich dadurch sicherstellt, dass sie die von der
Landesregierung im Erlasswege eingeführten Empfehlungen ihren Entscheidungen
grundsätzlich zugrunde legt, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Vor dem
Hintergrund schließlich, dass im Rahmen des der Verwaltung zustehenden
Entscheidungsspielraums auch andere Regelungen als die hier gehandhabte denkbar
und vertretbar sind, kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass in anderen
Bundesländern eine abweichende Praxis besteht.
37
Die Entscheidung des Beklagten hat das Gericht daraufhin zu überprüfen, ob die
Behörde den maßgebenden Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt sowie die
entscheidungserheblichen Gesichtspunkte erkannt hat und ob die Einschätzung von der
fehlenden Eignung des Betriebs der Klägerin nicht erkennbar fehlerhaft ist.
38
Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 1981, a.a.O.
39
Dem Beklagten sind insoweit Fehler nicht unterlaufen. Er handelte nicht erkennbar
fehlerhaft, indem er die zitierten "Anforderungen" seiner Entscheidung zugrunde legte
und hierbei darüber hinaus einen die Zahlen der "Anforderungen" unterschreitenden
Toleranzbereich zu Gunsten der Klägerin prüfte. Soweit die Bezirksregierung Köln im
Widerspruchsbescheid darauf hinweist, dass unter Zugrundelegung einer rein
statistischen Betrachtung bereits bei durchschnittlich 650 Notfalleinsätzen die
Teilnahme des Praktikanten an den geforderten und auch von der Klägerin nicht
angegriffenen 120 Notfalleinsätzen nicht mehr gewährleistet sei, sind diese
Ausführungen vertretbar und rechtlich nicht zu beanstanden.
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Gemäß den zitierten Anforderungen soll, wie ausgeführt, das Einsatzaufkommen der
Rettungswache jährlich mindestens 800 Notfalleinsätze betragen. Bei "Notfalleinsätzen"
handelt es sich bereits begrifflich, aber auch nach dem Sinnzusammenhang um solche
der Betreuung und Versorgung von Notfallpatienten im Sinne der ersten Alternative des
§ 3 RettAssG.
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Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass die Klägerin diesen Anforderungen nicht
genügte.
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Nach den von der Klägerin vorgelegten Einsatzberichten hatte es im Jahr 2004 in ihrer
Wache 679 Einsätze des RTW gegeben. Hierbei hatte es sich in erheblichem Umfang
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aber nicht um Notfalleinsätze gehandelt. Allein an Krankentransporten und Verlegungen
(nicht Notfallverlegungen), bei denen die Patienten bereits vor dem Einsatz ärztlich
vorversorgt waren, hatte es nach der Dokumentation der Klägerin mindestens 109
gegeben. Hierbei handelte es sich um solche Einsätze, für die im
Rettungsdienstprotokoll unter der Rubrik "Einsatzart" die Alternativen
"Krankentransport" oder "Verlegung" angekreuzt waren. Die Anzahl der echten
Notfalleinsätze hatte damit keinesfalls mehr als 570 betragen. Diese Zahl enspricht
etwas mehr als zwei Dritteln der geforderten 800 Notfalleinsätze. Sie liegt damit auch
nicht mehr innerhalb eines der Klägerin vor allem mit Blick auf das in den vergangenen
Jahren für ausreichend erachtete Notfalleinsatzaufkommen zwischen 645 und 752
zuzugestehenden Toleranzrahmens. Weiter ist zu berücksichtigen, dass, wie der
Beklagte zutreffend geltend macht, ein noch geringerer Anteil der von der Klägerin
belegten Einsätze unter Inanspruchnahme des für Notfälle vorgesehenen Sondersignals
erfolgte (281) und ein Notarzt nur in 117 Fällen im Einsatz war.
Ohne den Widerruf der der Klägerin erteilten Ermächtigung würde schließlich auch das
öffentliche Interesse gefährdet, § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Die hohen
Anforderungen an die Ausbildung des Rettungsassistenten dienen der bestmöglichen
Versorgung von Notfallpatienten und liegen damit im Interesse der öffentlichen
Gesundheitsversorgung. Dieses Interesse würde gefährdet, wenn man der Klägerin die
Ermächtigung zur Ausbildung von Rettungsassistenten beließe, obwohl sie aufgrund
ihres Einsatzaufkommens nicht mehr eine den dargestellten Anforderungen genügende
Ausbildung sicherstellen könnte.
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Die Ermessensbetätigung des Beklagten und der Bezirksregierung Köln ist nicht zu
beanstanden. Sie erschöpft sich nicht in der Wiedergabe formelhafter Wendungen. Vor
allem im Widerspruchsbescheid ist ausführlich und in rechtlich nicht zu beanstandender
Weise dargelegt worden, aus welchen konkreten Gründen dem öffentlichen Interesse an
der Aufhebung der Ermächtigung der Klägerin der Vorzug gegeben wird. Diese
Erwägungen halten sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens und sind inhaltlich
vertretbar.
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Die Androhung des Zwangsgeldes ist rechtmäßig. Sie beruht auf §§ 55 ff.
Verwaltungsvollstreckungsgesetz und gilt für den Fall der Zuwiderhandlung der
Klägerin gegen das mit der Verfügung konkludent zugleich ausgesprochene Verbot,
neue Ausblidungsverhältnisse zu begründen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO
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