Urteil des VG Aachen vom 06.09.2006

VG Aachen: verbot der diskriminierung, grundsatz der gleichbehandlung, eugh, staatsangehörigkeit, öffentlich, ausschreibung, sicherstellung, vergabeverfahren, parking, gemeinschaftsrecht

Verwaltungsgericht Aachen, 6 L 133/06
Datum:
06.09.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 L 133/06
Tenor:
1. Soweit die Antragstellerin den Antrag zurückgenommen hat, wird das
Verfahren eingestellt. Die Kosten des - im Übrigen in der Hauptsache
übereinstimmend für erledigt erklärten - Verfahrens tragen - mit
Ausnahme der außergerichtliche Kosten der Beigeladenen, die diese
selbst trägt - die Antragstellerin und der Antragsgegner je zur Hälfte.
2. Der Streitwert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Soweit die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 26. Juli 2006 den Antrag - konkludent -
insoweit zurückgenommen hat, als beantragt worden war,
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die Antragsgegnerin zu verpflichten, vor Vertragsschluss mit der Beigeladenen ein
öffentliches Ausschreibungsverfahren durchzuführen,
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war das Verfahren nach § 93 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
einzustellen. Die Kostenfolge ergibt sich hier aus § 155 Abs. 2 VwGO.
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Soweit die Antragstellerin noch beantragt hat,
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der Antragsgegnerin bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu untersagen,
Errichtung und Betrieb der Feuerbestattungsanlage gem. § 1 Abs. 5 des Gesetzes über
das Friedhofs- und Bestattungswesen (Bestattungsgesetz - BestG NRW -) einem
Übernehmer zu übertragen,
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war aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Antragstellerin vom
5. September 2006 und des Antragsgegners vom 1. September 2006 gemäß § 161 Abs.
2 VwGO über die Kosten zu entscheiden. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach-
und Streitstandes entspricht es billigem Ermessen, insoweit dem Antragsgegner die
Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Antrag der Antragstellerin hätte insoweit
voraussichtlich Erfolg gehabt. Es dürfte zunächst wohl nicht schon am
Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO gefehlt haben. Der Verwaltungsrechtsweg ist
in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art eröffnet, die
nicht ausdrücklich einer anderen Gerichtsbarkeit zugewiesen wurden. Eine
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Sonderzuweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit nach den Vorschriften des
Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ist nicht gegeben; insoweit wird
zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des Beschlusses des
Vergabesenates des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 10. Mai 2006 in der
Sache VII-Verg12/06 verwiesen. Das Gericht teilt auch die Auffassung des OLG
Düsseldorf, dass es sich bei der Übertragung von Errichtung und Betrieb einer
Feuerbestattungsanlage um die Vergabe einer öffentlichen Dienstleistungskonzession
handelt. Das damit in Rede stehende Vergabeverhältnis, dessen Natur für die
Rechtswegzuweisung maßgeblich ist, ist öffentlich-rechtlicher Art, und zwar ungeachtet
dessen, ob der beabsichtigte Konzessionsvertrag mit der Beigeladenen selbst
privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich einzuordnen wäre. Errichtung und Betrieb einer
Feuerbestattungsanlage sind gem. § 1 Abs. 2 BestG grundsätzlich öffentliche Aufgaben
der Gemeinden. Indem der Antragsgegner beabsichtigte, diese Aufgabe durch
Übertragung zu privatisieren, reduzierte sich diese Aufgabe auf deren sachgerechte
Regulierung insbesondere durch Auswahl des Kooperationspartners. Diese
Regulierungsaufgabe, für die das Privatrecht im Übrigen auch keine Maßstäbe aufstellt,
teilt die Rechtsnatur der ursprünglich zu Grunde liegenden gemeindlichen Aufgabe.
Vgl. hierzu m.w.N.: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG
NRW); Beschluss vom 4. Mai 2006 - 15 E 453/06 -
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Der Antrag wäre voraussichtlich auch begründet gewesen. Die einstweilige Sicherung
des "status quo" wäre erforderlich gewesen, um die Vereitelung eines Rechts der
Antragstellerin zu verhindern. Die Antragstellerin hat gegenüber dem Antragsgegner
einen im Gemeinschaftsrecht gründenden Anspruch auf die Gewährleistung und
Sicherstellung eines angemessenen Grades von Öffentlichkeit, der die öffentliche
Dienstleistungskonzession dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob
das Vergabeverfahren unparteiisch - insbesondere unter Beachtung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes - durchgeführt worden ist. Diesem Anspruch korreliert
die dem Antragsgegner obliegende Transparenzpflicht.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH),
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vgl. Urteile vom 7. Dezember 2000 - C-324/98(Teleaustria) -, vom 21. Juli 2005 - C-
231/03(Co.Na.Me), vom 13. Oktober 2005 - C-458/03(Parking Brixen) - und zuletzt vom
6. April 2006 - C- 410/04(ANAV) -, hier insbesondere Rdnr. 18 bis 22 des
Urteilsabdrucks; sämtlich zu recherchieren unter www.curia.eu.int.,
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haben öffentliche Stellen, die einen Vertrag über öffentliche
Dienstleistungskonzessionen abschließen - ungeachtet des Umstandes, dass diese
nach deren Art. 17 nicht der Richtlinie 2004/18/EG vom 31. März 2004 über die
Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und
Dienstleistungsaufträge unterfallen - die Grundregeln des EG-Vertrages im Allgemeinen
und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im
Besonderen zu beachten. Dies gilt wohl nur dann nicht, wenn - anders als hier - die
konzessionserteilende Stelle wirtschaftlich mit dem Konzessionsträger identisch ist und
ihr damit umfassende Kontrollbefugnisse zustehen.
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Vgl. hierzu etwa EuGH, Urteil vom 21. Juli 2005 - C- 231/03(Co.Na.Me.).
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Zu den Vertragsbestimmungen, die speziell auf öffentliche Dienstleistungskonzessionen
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anwendbar sind, gehören auch die Art. 43 und 49 des EG-Vertrages. Das dort normierte
Diskriminierungsverbot erfasst neben dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der
Staatsangehörigkeit (offenen Diskriminierungen) auch den allgemeinen Grundsatz der
Gleichbehandlung der Bieter (sog. Beschränkungsverbot). Dieser Grundsatz verlangt,
dass alle Bieter unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit bei der Aufstellung ihrer
Angebote über die gleichen Chancen verfügen müssen. Der allgemeine
Gleichbehandlungsgrundsatz greift als Ausfluss des Beschränkungsverbotes auch
dann, wenn - wie hier - keine offen an die Staatsangehörigkeit anknüpfende
Diskriminierung vorliegt. Wird - wie in dem hier zu entscheidenden Falle - bei der
Vergabe einer öffentlichen Dienstleistungskonzession eine Ausschreibung gänzlich
unterlassen, entspricht dies weder den Anforderungen der Art. 43 und 49 EG noch den
Grundsätzen der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz. Bei
einem solchen "Totalausfall" ist jedenfalls im Eilrechtsschutzverfahren auch nicht
abschließend zu klären, ob das gemeinschaftsrechtlich aus
Transparenzgesichtspunkten geforderte Vergabeverfahren vorliegend in jeder Hinsicht -
wie es wohl die Antragstellerin zunächst meinte - den förmlichen Anforderungen einer
Ausschreibung im engeren Sinne entsprechen muss. Insoweit wird allerdings auf die
o.a. Entscheidung des EuGH vom 21. Juli 2005 ("Co.Na.Me.") verwiesen, wo unter
Rdnr. 28 ausgeführt wird, dass die Vergabe solchen Transparenzerfordernissen
genügen muss, die, ohne notwendigerweise eine Verpflichtung zur Vornahme einer
Ausschreibung zu umfassen, geeignet sind, einem Mitbewerber vor der Vergabe
Zugang zu angemessenen Informationen über die Konzession zu ermöglichen. Es
dürfte vorliegend auch nicht deshalb an dem für die Anwendbarkeit von
Gemeinschaftsrecht erforderlichen Gemeinschaftsbezug gefehlt haben, weil es sich um
einen rein nationalen und damit allein inländischen Sachverhalt
("Inländerdiskriminierung") handelt. Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass auch
Bewerber aus anderen Mitgliedstaaten an dem Abschluss eines Übertragungsvertrages
interessiert gewesen wären. Wird eine öffentliche Dienstleistungskonzession aber
weder bekannt gemacht noch ausgeschrieben, so liegt darin jedenfalls insoweit eine
dem Schutz des Diskriminierungsverbotes unterliegende Beschränkung zu Lasten der
Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten, als diese durch diese Unterlassung
potenziell daran gehindert werden, von der im EG-Vertrag vorgesehenen
Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen.
So ausdrücklich und m.w.N.: EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2005 - C.-458/03(Parking
Brixen) -, Rdnr. 54, 55 des Urteilsabdrucks.
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Der Hinweis des Antragsgegners, eines Ausschreibungsverfahrens bedürfe es für die
hier vom geplanten Vertragsschluss erfasste Feuerbestattungsanlage nicht, weil es ihm
als Vergabestelle nicht verwehrt sei, Betrieb und Errichtung weiterer
Feuerbestattungsanlagen auf Dritte zu übertragen, rechtfertigt keine andere, für den
Antragsgegner günstigere Beurteilung. Der gemeinschaftsrechtliche Anspruch eines
Konkurrenten auf Gewährung und Sicherstellung eines angemessen Grades von
Öffentlichkeit bei der Vergabe einer solchen Dienstleistungskonzession bezieht sich -
schon auf dem Hintergrund des Grundsatzes der praktischen Wirksamkeit
europarechtlicher Gewährleistungen - jeweils auf die konkret zu vergebende
Konzession. Bei anderer Sichtweise liefe der gemeinschaftsrechtliche
Konkurrentenschutz jedenfalls bei erstmaliger Vergabe einer Dienstleistungskonzession
im Bereich eines für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe an sich zuständigen
öffentlichen Trägers nämlich, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund erkennbar wäre,
völlig leer.
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Der Beigeladenen waren Kosten nicht aufzuerlegen, da sie keinen Antrag gestellt hat,
vgl. § 154 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind
allerdings nicht erstattungsfähig und werden daher von dieser selbst getragen, vgl. §
162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 63 Abs.
2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Sie erscheint mit Blick auf den nur
vorläufigen Charakter des Verfahrens angemessen und ausreichend. Sie orientiert sich
an den Empfehlungen des Streitwertkataloges 2004 zu
wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Streitigkeiten, hier insbesondere Ziff. 54.1.
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