Urteil des VG Aachen vom 29.01.2008

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Verwaltungsgericht Aachen, 2 K 709/05
Datum:
29.01.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 709/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin ist ledig und Mutter der am 20. Januar 1993, 20. Februar 1996 und 19.
September 2004 geborenen Kinder L. , N. und K. . Vater der Kinder ist Herr N1. S. , mit
dem die Klägerin ausweislich ihrer Erklärung vom 29. September 1999 gegenüber dem
Landrat des Kreises I. (ehemals Beklagter) bis einschließlich April 1999 in einer
Haushaltsgemeinschaft in der M. Straße in I. zusammenlebte. In dem Zeitraum von April
1999 bis Oktober 2007 wohnte die Klägerin mit ihren Kindern unter der Anschrift I1.----
straße 26 in H. .
2
Der ehemalige Beklagte erbrachte für die Kinder L. und Meike ab dem 1. Mai 1999
Unterhaltsvorschussleistungen bis zur Erreichung des Höchstleistungszeitraums im
Januar 2005 und April 2005.
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Im Juni 2004 teilte die Klägerin ausweislich eines Vermerkes des Sozialamtes H. mit,
dass sie erneut schwanger sei und sie davon ausgehe, dass der Kindesvater Herr N1.
S. sei. Als Vater komme jedoch noch ein weiterer Mann, mit dem sie in dieser Zeit
befreundet gewesen sei, in Betracht. Das Zusammensein mit Herrn S. betrachte sie als
sentimentale Anwandlung. Eine feste Beziehung habe sie zuletzt vor fünf Jahren zu ihm
gehabt. Sie lebe mit den Kindern alleine. Materielle Zuwendung habe sie von ihm nicht
erhalten. Die Klägerin beantragte am 20. Oktober 2004 die Gewährung von
Unterhaltsvorschussleistungen für das Kind K. , dessen Vaterschaft der Kindesvater am
29. Oktober 2004 anerkannte. Das Einwohnermeldeamt der Stadt H. bescheinigte unter
dem 29. November 2004 die Anmeldung der Klägerin und ihrer drei Kinder unter der
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oben genannten Anschrift mit alleiniger Wohnung. Der ehemalige Beklagte bewilligte
unter dem 31. Januar 2005 Unterhaltsvorschussleistungen für das Kind K. ab dem 23.
September 2004 in Höhe von 122,00 EUR monatlich.
Im Januar 2005 wurde anlässlich eines Gespräches zwischen der Beistandschaft des
Jugendamtes und der Klägerin in deren Wohnung auch der Kindesvater Herr S. in der
Wohnung der Klägerin angetroffen. Die Klägerin erklärte bei diesem Gespräch die
Beistandschaft für ihre Kinder N. und L. für beendet. Der ehemalige Beklagte führte
daraufhin unter dem 16. März 2005 einen Hausbesuch bei der Klägerin durch, bei dem
er die Klägerin persönlich nicht antraf. Vielmehr wurde die Wohnung von den beiden
älteren Kindern geöffnet, die erklärten, dass ihr Vater im Keller des Hauses sei. Dieser
habe auf Nachfrage erklärt, dass er sich nur zufällig in der Wohnung aufhalte, um nach
den Kindern zu sehen. Er sei weiterhin in H1. gemeldet und wohne auch dort. Er
verrichte im Haus der Klägerin lediglich Aushilfstätigkeiten als Hausmeister, für die er
jedoch nicht entlohnt werde. Er halte sich mehrfach bei der Kindesmutter (bis zu vier
Übernachtungen) auf, dies sei ihm vom Jugendamt ausdrücklich erlaubt worden. Am
darauffolgenden Tag sprach der Kindesvater persönlich bei dem ehemaligen Beklagten
vor und erklärte, dass er nicht dauerhaft mit der Kindesmutter zusammenlebe.
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Der ehemalige Beklagte stellte mit Bescheid vom 17. März 2005 die
Unterhaltsvorschussleistungen für das Kind K. zum 1. April 2005 ein und hob seinen
Bewilligungsbescheid vom 31. Januar 2005 gemäß § 48 SGB X ab diesem Zeitpunkt
auf. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) bestehe
nur dann, wenn die beiden Elternteile nicht zusammenleben. Die Überprüfung habe
aber ergeben, dass der Kindesvater bei der Klägerin angetroffen worden sei. Bereits der
Umstand, dass Herr S. erneut Vater eines Kindes der Klägerin ist, erzeuge die
Vermutung eines tatsächlichen Zusammenlebens mit dem Kindesvater. Auch bei dem
letzten Ortstermin der zuständigen Beistandschaft sei Herr S. bei der Klägerin
angetroffen worden. Zwar sei gegen die Betreuung der Kinder durch beide Elternteile
grundsätzlich nichts einzuwenden, jedoch schließe dies die Anspruchsvoraussetzungen
für die Unterhaltsvorschussleistungen aus, wenn sich beide Elternteile in gleicher Weise
um die Erziehung der Kinder kümmern würden. In ihrem dagegen erhobenen
Widerspruch führte die Klägerin aus, dass sie nicht mit dem Kindesvater
zusammenlebe. Dieser besuche lediglich zeitweise das Kind und nehme damit sein
Sorgerecht wahr. Ferner besuche der Kindesvater daneben auch weitere Mitbewohner
in dem Haus. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2005 - zugestellt am 8. April 2005 -
wies die Bezirksregierung L1. den Widerspruch zurück. Gemäß § 1 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3
UVG habe nur derjenige Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen, der im
Geltungsbereich des Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet
oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebt, d. h. keine
häusliche Gemeinschaft mehr mit ihm hat und diese auch nicht wiederherstellen will.
Unter Zugrundelegung des Ermittlungsergebnisses des ehemaligen Beklagten und der
Aussagen des Kindesvaters sei jedoch auszugehen, dass die Klägerin entgegen ihrer
Behauptung mit dem Kindesvater tatsächlich in häuslicher Gemeinschaft lebe und der
Kindesvater in nicht unerheblichem Umfange an der Erziehung und Betreuung des
Kindes mitwirke. Der Kindesvater sei mehrfach bei der Klägerin angetroffen worden. Ins
Gewicht falle auch die Erklärung des Kindesvaters, dass er bis zu viermal wöchentlich
bei der Klägerin übernachte.
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Unter dem 5. September 2005 teilte die Klägerin gegenüber der ARGE des Kreises I.
mit, dass die Leistungen der Unterhaltsvorschusskasse eingestellt worden seien, weil
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sie angeblich mit dem Kindesvater zusammenlebe. Dieser habe jedoch an dem Tag des
Hausbesuches lediglich Fahrräder der Kinder repariert. Der Kindesvater habe seine
Kinder in der Vergangenheit zu unregelmäßigen Zeiten besucht. Es treffe jedoch in
keiner Weise zu, dass er sich bei ihr aufhalte. Ihres Wissens wohne er bei seinen Eltern.
Wegen dieser Angelegenheit habe sie inzwischen über das Jugendamt eine
Besuchsregelung treffen lassen, so dass sich der Kindesvater an feste Besuchszeiten
halten müsse. In einem gemeinsamen Gespräch zwischen der Klägerin und des
Kindesvaters im Jugendamt am 29. August 2005 trafen beide Eltern
Umgangsregelungen für alle drei Kinder. Für das Kind K. ist danach vorgesehen, dass
der Kindesvater seinen Sohn jeden Samstag in der Zeit von 13.00 Uhr bis 19.00 Uhr zu
sich holt.
Die Klägerin hat am 6. Mai 2005 Klage erhoben und ausgeführt, dass die Annahme, sie
lebe mit dem Kindesvater in häuslicher Gemeinschaft, nicht zutreffend sei. Sie
beabsichtige auch nicht, diese häusliche Gemeinschaft mit dem Kindesvater
wiederherzustellen. Der Kindesvater besuche lediglich im Rahmen des ihm
zustehenden Besuchs- und Umgangsrechts das Kind K. bei der Klägerin.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landrates des Kreises I. vom 17.
März 2005 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung L1. vom 6. April
2005 zu verpflichten, ihr für das Kind K. Wetzler für den Zeitraum vom 1. April 2005
(Einstellung der Unterhaltsvorschussleistungen) bis zum 30. April 2005 (Ende des
Monats, in dem der Widerspruchsbescheid erlassen wurde)
Unterhaltsvorschussleistungen zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist er auf die Gründe der angefochtenen Bescheide.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von dem Beklagten vorgelegten
Verwaltungsvorgänge.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass die Klägerin den Anspruch auf
Unterhaltsvorschussleistungen geltend macht; die Klägerin ist klagebefugt i.S. von § 42
Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Zwar steht gemäß § 1 Abs. 1 des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) dem jeweiligen
Kind der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss zu. Das Gericht geht jedoch davon aus,
dass auch die Klägerin als der Elternteil, bei dem das Kind lebt, bzw. als gesetzliche
Vertreterin des Kindes, den Anspruch gerichtlich im eigenen Namen geltend machen
kann. Dieses Recht der Klägerin kann aus der Vorschrift des § 9 Abs. 1 UVG abgeleitet
werden, die ein eigenständiges Antragsrecht des oben genannten Elternteils bzw. des
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gesetzlichen Vertreters enthält,
vgl. auch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil
vom 23. September 1999 - 16 A 461/91 -, NWVBl 2000 S. 99, m.w.Nw. zur Rspr. und
Helmbrecht, UVG, 5. Auflg. 2004, § 9 Rz. 3.
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Die Klage ist jedoch nicht begründet.
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Der angefochtene Einstellungsbescheid des Beklagten vom 17. März 2005 und der
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung L1. vom 6. April 2005 sind rechtmäßig und
verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO. Der Klägerin
steht für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. April 2005 bis zum 30. April
2005 (Ende des Monats, in dem der Widerspruchsbescheid erlassen wurde) kein
Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen für ihren Sohn K. zu.
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Soweit in Ziffer 2. des Bescheids vom 17. März 2005 auch der Bewilligungsbescheid
vom 31. Januar 2005 gemäß § 48 des Sozialgesetzbuches 10. Buch (SGB X) ab dem 1.
April 2005 aufgehoben worden ist, geht diese Teilaufhebung ins Leere, da die
Unterhaltsvorschussleistungen ab diesem Zeitpunkt bereits mit Ziffer 1. des Bescheides
eingestellt worden sind. Die Einstellung der Unterhaltsvorschussleistungen stellt
insoweit keinen Eingriff in eine durch den Bewilligungsbescheid vom 31. Januar 2005
eingeräumte Rechtsposition, sondern eine Versagung noch zu bewilligender -
zukünftiger - Leistungen. dar. Unterhaltsvorschussleistungen sind - wie auch Leistungen
der Sozialhilfe - keine rentengleichen wirtschaftlichen Dauerleistungen. Sie werden nur
gewährt, soweit und solange die Leistungsvoraussetzungen vorliegen (vgl. auch
Bescheid vom 31. Januar 2005). Daraus folgt, dass die Behörde die für die
Leistungsgewährung maßgeblichen Verhältnisse regelmäßig überprüfen muss.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Januar 2001 - 8 A 2029/80 - juris; VGH Baden-
Württemberg, Urteil vom 9. Dezember 1992 - 6 S 760/91 -, juris; OVG Schleswig-
Holstein, Beschluss vom 3. Februar 2004 - 2 MB 153/03, 2 O, NJW 2005, 523.
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Der Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen ist gemäß § 1 Abs. 3, 1. Halbsatz UVG
ausgeschlossen. Danach besteht ein Anspruch nicht, wenn der in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG
bezeichnete Elternteil, bei dem das Kind lebt, mit dem anderen Elternteil zusammenlebt.
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Der Begriff des Zusammenlebens ist im Gesetz nicht näher definiert. Nach Sinn und
Zweck der Regelung ist der Begriff jedoch weit auszulegen und setzt nicht voraus, dass
eine sog. eheähnliche Lebens- oder Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft oder
gegenseitige Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft besteht. Anders als in
vergleichbaren Vorschriften wie etwa den § 7 Abs. 3 Nr. 3 b und Abs. 3a SGB II, § 20
SGB XII (früher § 122 BSHG) knüpft das Gesetz dem Wortlaut nach nicht an eine
derartige Gemeinschaft an. Aus dem Gesetzeszweck des Unterhaltsvorschussgesetzes
ergibt sich vielmehr, dass diese Sozialleistung (nur) für die Kinder derjenigen Elternteile
erfolgen soll, die Alltag und Erziehung auf sich gestellt bewältigen müssen,
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vgl. dazu eingehend für die Fälle der Wiederverheiratung: Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG), Urteil vom 7. Dezember 2000 - 5 C 42/99 -, DVBl 2001, 1697 und zuletzt:
OVG NRW, Beschluss vom 7. September 2004 - 16 A 2275/03 -, NJW-RR 2005 S. 1092
und juris, m.w.Nw. zur Rechtsprechung des OVG NRW und anderer
Oberverwaltungsgerichte.
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Ferner lässt sich der Begründung der Fassung des § 1 Abs. 3 UVG im maßgebenden
Ausschussbericht folgendes entnehmen: "Diese im Entwurf enthaltene
Ausschlussvorschrift wurde erweitert 1. um den Fall, dass der alleinstehende Elternteil
mit dem anderen Elternteil zusammenlebt, ohne mit diesem verheiratet zu sein, und 2.
um den Fall, dass er nicht die für die Durchführung des Gesetzes erforderlichen
Auskünfte erteilt. Die erste Erweiterung ist erforderlich, weil in diesem Fall - trotz
förmlichen Alleinstehens des den Berechtigten betreuenden Elternteils - faktisch eine
vollständige Familie vorhanden ist."
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Vgl. zitiert nach Scholz, Unterhaltsvorschussgesetz, 1979, § 1 S. 29.
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Davon ausgehend ist bei der Auslegung des Begriffes des Zusammenlebens i.S. v. § 1
Abs. 3 UVG entscheidend darauf abzustellen, ob die Eltern eines Kindes nur in der
Weise Kontakt haben, die eher der Situation eines alleinstehenden Elternteils entspricht
oder ob unter Berücksichtigung der verschiedenen Formen familiären Zusammenlebens
eher von einer faktisch vollständigen Familie auszugehen ist.,
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vgl. so auch VG Schleswig, Urteil vom 12. September 2007 - 15 A 180/06 -, juris.
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Dementsprechend geht auch die Kommentierung von Helmbrecht zum
Unterhaltsvorschussgesetz
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vgl. 5. Auflg.2004, § 1 Rz. 32,
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davon aus, dass ein Zusammenleben der Elternteile anzunehmen ist, wenn der andere
Elternteil dort einen Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen - nicht notwendig den
einzigen - hat.
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Ob fortbestehende Kontakte zwischen früheren Partnern die Voraussetzungen für ein
Zusammenleben erfüllen, ist demnach von den Umständen des Einzelfalles abhängig.
Dabei sind allerdings gelegentliche Besuche des Kindesvaters bei seiner Partnerin und
den Kindern nicht ausreichend. Andererseits ist jedoch nicht erforderlich, dass die
beiden Elternteile ihre Zeit ständig gemeinsam verbringen.
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Demgegenüber können die zu § 1567 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches
(BGB) entwickelten Grundsätze zu dem Getrenntleben von Eheleuten nicht auch für die
Frage des Zusammenlebens i.S. von § 1 Abs. 3 UVG herangezogen werden,
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vgl. so etwa Bay.VGH, Beschluss vom 10. September 1998 - 12 ZB 97.2588 -, juris,
wonach auf das Vorliegen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft abgestellt wird.
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Diese Vorschrift ist vielmehr mit Blick auf das Eintreten der Scheidungsvoraussetzungen
auf das dafür vorausgesetzte Getrenntleben von Eheleuten zugeschnitten und nicht auf
die Frage des Zusammenlebens von Eltern eines Kindes, die nicht verheiratet sind. Der
Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 3 UVG ist jedoch gerade auf die Gruppe der nicht
verheirateten Eltern eines Kindes ausgerichtet,
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vgl. dazu auch VG Schleswig, Urteil vom 12. September 2007 - 15 A 180/06 -, juris.
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Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und den vorliegenden Akten steht zur
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Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin jedenfalls in dem hier
streitgegenständlichen Zeitraum mit dem Kindesvater, dem Zeugen N1. S. , i.S. des § 1
Abs. 3 UVG zusammengelebt hat. Zwar ist nach dem in der mündlichen Verhandlung
gewonnen Eindruck nicht davon auszugehen, dass die Klägerin und der Zeuge zum
damaligen Zeitpunkt dauerhaft in einem gemeinsamen Haushalt lebten bzw. eine feste
partnerschaftliche Lebensbeziehung miteinander führen wollten. Die Klägerin hat
insoweit deutlich gemacht, dass sie eine neue feste Partnerbeziehung nicht mehr mit
dem Zeugen eingehen wollte. Dennoch ist nach den obigen Ausführungen und dem
Ergebnis der mündlichen Verhandlung von einem Zusammenleben beider Personen
i.S. von § 1 Abs. 3 UVG, d.h. von einer faktisch vollständigen Familie, auszugehen, da
der Zeuge in diesem Zeitraum zumindestens einen Mittelpunkt seiner Lebensbeziehung
in der von der Klägerin gemieteten Wohnung in der Heinstraße 26 geführt und sich dort
auch mit Willen der Klägerin aufgehalten hat. Dafür spricht zunächst der Umstand, dass
die Angaben des Zeugen und der Klägerin zum damaligen Wohnort des Zeugen, keine
Anhaltspunkte dafür geben, dass der Zeuge seinen Lebensmittelpunkt ausschließlich
an einem anderen Wohnort geführt hat. So hat der Zeuge zunächst zu seinem
damaligen Wohnort entgegen der Angaben der Klägerin angeben, er habe bei seinen
Vettern in S1. - I2. gewohnt bis zu seinem späteren Umzug in die C. /H. . Erst auf
Nachfrage zu der von der Klägerin angegebenen Wohnanschrift des Zeugen im Haus
seiner Mutter in H1. - wohl auch seine damalige Meldeanschrift -, hat der Zeuge
ausgeführt, dass er sich auch bei seiner Mutter aufgehalten habe, es dort aber nicht
lange habe aushalten können. Dies unterstreicht den in der mündlichen Verhandlung
gewonnen Eindruck des Gerichts, dass der Zeuge jedenfalls im Frühjahr 2005 zwischen
mehreren Wohngelegenheiten hin und her pendelte und insoweit auch in der Wohnung
der Klägerin und seiner drei Kinder ein und aus ging. Je nach "Stimmungslage" der
Beteiligten oder Bedarf hielt er sich dort kürzere oder längere Zeit auf, nahm an
Mahlzeiten teil und übernachtete auch dort. So hat die Klägerin insbesondere
ausgeführt, dass der Zeuge "ständig vor der Tür gestanden und nach den Kindern
gefragt habe" und auch gekommen sei, wenn sie nicht anwesend gewesen und dann
von den Kindern reingelassen worden sei. Er sei in ihren Haushalt gekommen, wenn er
gerade keine Freundin gehabt habe und habe auch gelegentlich bei ihr übernachtet.
Auch sei er mit Freunden gekommen und habe sich bei ihr aufgehalten und Kaffee
getrunken. Der Zeuge sei zudem hilfsbereit gewesen und habe sie bei notwendigen
handwerklichen Arbeiten in der Wohnung (z.B.: Legen von Fliesen, Aufhängen von
Regalen, Reparatur der Kinderfahrräder) unterstützt. Auch habe sie ihm gelegentlich
Geld geliehen. Dies lässt den Rückschluss zu, dass der Zeuge nicht nur gelegentlich
die Klägerin und die Kinder besucht, sondern sich jedenfalls nach der Geburt des dritten
gemeinsamen Kindes im Oktober 2004 verstärkt bei ihnen aufgehalten hat. Dieser
Eindruck wird letztlich auch durch bestätigt, dass der Zeuge von dem Jugendamt des
Kreises I. sowohl im Januar als auch im März 2005 bei der Klägerin bzw. im Haus bei
der Reparatur der Kinderfahrräder angetroffen worden ist und angeben hat, er
übernachte bis zu viermal in der Wohnung der Klägerin. Dem steht nicht entgegen, dass
sich der Zeuge nach dem von dem Gericht gewonnenen Eindruck nicht täglich bei der
Klägerin und den Kindern aufgehalten hat und er in unregelmäßigen Abständen
erschienen ist, da eine ständige oder regelmäßige Gemeinschaft nach den obigen
Ausführungen nicht entscheidend ist. Dem Zeugen kann allerdings nicht geglaubt
werden, dass er die Klägerin und die Kinder nur gelegentlich in großen Abständen
besucht und dort seiner Erinnerung nach gar nicht übernachtet haben will. Dem stehen
zum einen schon die Angaben der Klägerin selbst entgegen, wonach der Zeuge u.a.
gelegentlich bei ihr auf der Couch übernachtet habe, und zum anderen die eigene
Erklärung des Zeugen anlässlich des Hausbesuches am 16. März 2005 zu der Anzahl
seiner Übernachtungen, die ihm von dem Jugendamt ausdrücklich erlaubt worden
seien. Soweit der Zeuge nunmehr in der mündlichen Verhandlung bestritten hat, eine
derartige Erklärung gegenüber den Vertretern des Jugendamtes abgeben zu haben, ist
dies nicht glaubhaft. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die in dem
Vermerk vom 16. März 2005 wiedergebebene Erklärung des Zeugen nicht geäußert
worden ist. Das Gericht hat nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vielmehr
den Eindruck gewonnen, dass der Zeuge versucht, aus einer heutigen Betrachtung
seiner Beziehung zur Klägerin heraus seine damalige - häufige - Anwesenheit bei der
Klägerin abzuschwächen. Vielmehr lassen die oben genannte Erklärung des Zeugen
und die angeführten Angaben der Klägerin den Rückschluss zu, dass der Zeuge damals
bestrebt war, seine häufige Anwesenheit bei der Klägerin auf Grund seiner
Rechtsstellung als Vater der drei gemeinsamen Kinder zu rechtfertigen.
Dementsprechend hat auch der Zeuge in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass
er die Klägerin lediglich wegen der Kinder aufgesucht und sich dabei mit den Kindern
beschäftigt habe (z.B.: Spielen, Unterhalten, Rausgehen, Reparaturen für die Kinder). Er
habe der Klägerin geholfen, weil er keine finanziellen Leistungen erbringen konnte.
Insgesamt lassen die dargelegte Häufigkeit und Art der Kontakte des Zeugen zu seinen
Kinder auf ein familiäres Zusammenleben im streitgegenständlichen Zeitraum
schließen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §
708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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