Urteil des VG Aachen vom 07.12.2006

VG Aachen: treu und glauben, gesellschaft mit beschränkter haftung, öffentlich, eigenes verschulden, staatliche aufgabe, hauptsache, beendigung, kreis, übernahme, personalentwicklung

Verwaltungsgericht Aachen, 2 L 611/06
Datum:
07.12.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 L 611/06
Tenor:
1. Im Wege der einstweiligen Anordnung wird vorläufig festgestellt, dass
der Antragsgegner dem Grunde nach verpflichtet ist, der Antragstellerin
alle Lohn- und Gehaltsansprüche der von ihr im Rettungsdienst zur
Durchführung des Vertrages vom 22. Dezember 1982 und dessen
späteren Ergänzungen bisher Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis
über den 31. Dezember 2006 hinaus fortbesteht, einschließlich des
Gehaltes des Geschäftsführers bis zur Beendigung dieser
Arbeitsverhältnisse, längstens jedoch einstweilen bis zum 30. Juni 2007
zu erstatten. Im übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 375.000 EUR festgesetzt.
G R Ü N D E :
1
Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
2
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu
verpflichten, der Antragstellerin ab Januar 2007 bis zu einer etwaigen gegenteiligen
Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum Ausscheiden aller Arbeitnehmer
der Antragstellerin, die Lohn- und Gehaltsansprüche ihres im Rettungsdienst
beschäftigten Personals einschließlich des Gehalts des Geschäftsführers zu erstatten,
3
hat ganz überwiegend - in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - Erfolg.
4
Der Antrag, der gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor einer Klageerhebung gestellt
werden kann, ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 und 2
VwGO gegeben, da es sich um eine Streitigkeit im Zusammenhang mit einem öffentlich-
rechtlichen Vertrag handelt. Der zwischen dem Antragsgegner und dem Deutschen
Roten Kreuz (DRK) Kreisverband I. e.V. am 22. Dezember 1982 geschlossene und in
der Folgezeit ergänzte Vertrag stellt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S. des § 54
des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordhein-Westfalen (VwVfG NRW)
dar. Für die Abgrenzung von Verträgen "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" von
5
den privatrechtlichen Verträgen ist entscheidend auf den Gegenstand des Vertrages und
die Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses, das durch den Vertrag begründet, geändert
oder aufgehoben wird, abzustellen, vgl. etwa Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 2.
Auflg.2006, § 40 Rz. 393 ff und Bonk in Stelkens/Bonk, VwVfG, 6. Auflg. 2001, § 54 Rz.
76 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung.
Danach ist ein Vertrag öffentlich-rechtlich, wenn sein Gegenstand sich auf einen
öffentlich-rechtlich geregelten Sachverhalt bezieht bzw. wenn ihm Rechtssätze
zuzuordnen sind, deren berechtigtes oder verpflichtetes Zuordnungssubjekt ein Träger
öffentlicher Gewalt ist. Insoweit ist maßgebend, ob der wesentliche Vertragsgegenstand
dem öffentlichen oder zivilen Recht zugeordnet ist oder mit ihm in einem engen
Zusammenhang steht. Allerdings reicht allein das Bestehen von öffentlich-rechtlichen
Aufgabenzuweisungs- oder Zuständigkeitsnormen für eine öffentlich-rechtliche
Zuordnung in der Regel nicht aus; dies stelllt jedoch ein Indiz für den öffentlich-
rechtlichen Charakter des Vertrages dar. Vor diesem Hintergrund ist das
Vertragsverhältnis zwischen den Beteiligten dem öffentlichen Recht zuzuordnen. vgl. so
auch Prütting, Rettungsgesetz für das Land Nordrhein- Westfalen, 3. Auflg. 2001, § 13
Rz. 21.
6
Gegenstand des ursprünglichen Vertrages, in den die Antragstellerin eingetreten ist, war
die übernahme der Durchführung der dem Antragsgegner nach § 7 des Gesetzes über
den Rettungsdienst von 1974 - RettG a.F. - obliegenden Aufgaben (inhaltlich derzeit
geregelt in § 9 des Rettungsgesetzes NRW - RettG NRW -) durch den DRK
Kreisverband I. , den Rechtsvorgänger der Antragstellerin. Die Vorschriften des § 7 Abs.
1 RettG a.F. bzw. § 9 Abs. 1 RettG NRW enthalten eine Regelung zu den
Rettungswachen als einer mit Rettungsmitteln und Personal ausgestatteten, stationären
Organisationseinheit des Rettungsdienstes, von der die Hilfeleistung unmittelbar
ausgeht bzw. die Rettungsfahrzeuge i.d.R. ausrücken. Träger des Rettungsdienstes als
Gesamtaufgabe ist der Antragsgegner gemäß § 6 Abs. 1 RettG NRW, der gemäß § 6
Abs. 2 RettG NRW auch grundsätzlich Träger der Rettungswachen ist. Die Aufgaben
des Rettungsgesetzes erfüllt der Antragsgegner gemäß § 6 Abs. 3 RettG NRW als
Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung. Der Rettungsdienst, insbesondere die
Notfallrettung, ist eine staatliche Aufgabe der Gesundheitsvorsorge und
Gefahrenabwehr, vgl. Prütting, Rettungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 3. Auflg. 2001, § 6
Rz. 5 ff., und auch etwa BGH, Urteil vom 9. Januar 2003 - III ZR 217/01 -, NJW 2003,
1186.
7
Die Antragstellerin ist auf Grund der mit dem Antragsgegner geschlossenen
Vereinbarung funktional als eine am Rettungsdienst Beteiligte in den Bereich der
staatlichen Aufgabenerfüllung auf dem Gebiet des Rettungswesens eingegliedert und
auch an dessen gesetzliche Vorgaben gebunden. Gemäß § 13 Abs. 1 RettG NRW
(zuvor: § 9 Abs. 1 RettG a.F.) kann die Durchführung von Aufgaben nach § 9 Abs. 1
RettG NRW durch Vereinbarung Dritten (enger: § 9 Abs. 1 RettG a.F.: freiwillige
Hilfsorganisationen) übertragen werden. Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 RettG NRW
handeln die nach Abs. 1 am Rettungsdienst Beteiligten als Verwaltungshelfer nach den
Anweisungen der Träger (so auch § 9 Abs. 2 Satz 1 RettG a.F.). Auch die Grundlagen
für die Organisation, den Aufgabenbereich, die personelle und sächliche Ausstattung
der Rettungswachen sowie die personellen und sächlichen Voraussetzungen bzw.
Qualitätsanforderungen sind bzw. werden eingehend auf Grund der öffentlich-
rechtlichen Vorschriften des Rettungsgesetzes geregelt (vgl. etwa §§ 3 - 5, 7 Abs. 1
RettG NRW sowie die Erstellung der Bedarfspläne nach § 12 RettG NRW). Schließlich
8
haben die Träger rettungsdienstlicher Aufgaben auch die Kosten für die ihnen nach dem
RettG NRW obliegenden Aufgaben gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 RettG NRW zu tragen.
Der Antrag ist entgegen der Annahme des Antragsgegners auch nicht mangels
Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da nicht ersichtlich ist, dass die Antragstellerin
ihr Rechtsschutzziel sachgerechter auf anderem Wege erreichen könnte, der
einstweilige Rechtsschutz entbehrlich wäre oder dieser die Rechtsstellung der
Antragstellerin nicht verbessern könnte. vgl. zum allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis
auch Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: April 2006, Vorb. § 40
Rz. 81 ff. und Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflg. 2006, § 42 Rz. 335 ff..
9
Allein der Umstand, dass die Antragstellerin gemäß Gesellschafterbeschluss vom 30.
Oktober 2006 im Hinblick auf die negative Vergabeentscheidung ihren Betrieb zum 31.
Dezember 2006 stilllegt und danach ihre Geschäfte lediglich noch abwickelt, rechtfertigt
nicht die Annahme eines fehlenden Rechtsschutzinteresses. Vielmehr ist gerade die
streitige Kostenerstattung für diesen Abwicklungszeitraum Gegenstand dieses
Verfahrens, und es besteht im Gegenteil angesichts der finanziellen Situation der
Antragstellerin und der dargelegten arbeitsrechtlichen Gegebenheiten der beschäftigten
Arbeitnehmer ein besonderes berechtigtes Interesse der Antragstellerin an der positiven
Bescheidung ihres Antrags, welches zugleich auch ein Feststellungsinteresse der
Antragstellerin begründet. Es ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand - auch unter
Berücksichtigung des Schriftsatzes des Antragsgegner vom 6. Dezember 2006 - ferner
nicht davon auszugehen, dass zum 31. Dezember 2006 alle Arbeitsverhältnisses der
bisher im Rettungsdienst Beschäftigten - sei es auf Grund Befristung, Kündigung oder
etwaiger übernahme von Arbeitnehmern durch die ab dem 1. Januar 2007 beauftragten
Organisationen - beendet sein werden. Auch ist die Rechtsfrage eines
"Betriebsüberganges nach § 613 a BGB" nach dem derzeitigen Erkenntnisstand aus der
Sicht der Kammer noch nicht abschließend zu beurteilen.
10
Der Antrag ist auch begründet.
11
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige
Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn ein Antragsteller glaubhaft
macht, dass ihm ein Anspruch auf ein bestimmtes Handeln zusteht
(Anordnungsanspruch) und dieser Anspruch gefährdet ist und durch vorläufige
Maßnahmen gesichert werden muss (Anordnungsgrund). Der Antragsteller hat
Anordnungsgrund und -anspruch glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§
920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO).
12
Die Antragstellerin hat zunächst einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da sie auf
Grund ihrer dargelegten finanziellen Situation als gemeinnützige Gesellschaft mit
beschränkter Haftung, die in der Vergangenheit nicht gewinnorientiert tätig war und
lediglich über 25.000 EUR Stammkapital als Vermögen verfügt, nicht in der Lage ist, die
Löhne und Gehälter ihrer Beschäftigten ab dem 1. Januar 2007 zu zahlen. Es droht
insoweit eine Zahlungsunfähigkeit, die mit einer Insolvenzantragspflicht nach § 64 des
GmbH-Gesetzes verbunden ist.
13
Der Antragstellerin steht auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ein
Anordnungsanspruch zu. Ein Anspruch der Antragstellerin auf Erstattung der nach dem
1. Januar 2007 anfallenden Lohn- und Gehaltszahlungen an die dort noch beschäftigten
Arbeitnehmer kann sich nach der im einstweiligen Anordnungsverfahren allein
14
möglichen summarischen Prüfung aus verschiedenen Anspruchsgrundlagen ergeben.
Zum einen kommt ein vertraglicher Anspruch auf Erstattung der im Tenor bezeichneten
Lohn- und Gehaltsansprüche auf Grund einer ergänzenden Vertragsauslegung der
vereinbarten Regelungen von 1982 (hier: § 9 Kosten) gemäß § 157 i.V.m § 242 BGB,
die gemäß § 62 Satz 2 VwVfG NRW auch entsprechend auf den öffentlich-rechtlichen
Vertrag anzuwenden sind, in Betracht. Bei dem zwischen dem Rechtsvorgänger der
Antragstellerin und dem Antragsgegener im Jahr 1982 geschlossenen und mit
Ergänzungen fortgesetzten Vertrag handelt es sich um einen entgeltlichen
Dienstvertrag, der nunmehr auch die Antragstellerin dazu verpflichtet, die ihr
übertragenen Aufgaben mit eigenem Personal gegen Kostenerstattung durchzuführen.
Zwar geht die Kammer davon aus, dass es bei derartigen Verträgen grundsätzlich dem
Dienstleistungserbringer obliegt, die Vertragsverhältnisse zu seinen Arbeitnehmern zu
regeln, und dass die im Falle einer Beendigung der Beauftragung entstehenden
wirtschaftlichen Folgen etwaiger zeitlich darüber hinausgehender Arbeitsverträge seiner
Risikosphäre zuzuordnen sind. Auf Grund der Besonderheiten der bisherigen
Vertragsbeziehung zwischen den Beteiligten und unter Berücksichtigung des
Grundsatzes von Treu und Glauben bestehen jedoch gewichtige Anhaltspunkte dafür,
dass davon abweichend hier eine Kostenerstattungspflicht - jedenfalls bezüglich der
streitgegenständlichen Personalkosten - im Falle der Beendigung der Beauftragung des
Antragsgegners besteht. So gab es zwischen den Beteiligten bereits über mehrere
Jahrzehnte eine gleichartige enge Vertragsbeziehung. Der diesem Rechtsstreit
zugrunde liegende Vertrag stammt bereits aus dem Jahr 1982, der wiederum einen
Vertrag aus dem Jahr 1976 ablöste. Aber auch schon vor diesem ersten Vertrag war der
Vorgänger der Antragstellerin seit 1963 mit dem Rettungsdienst im Kreis des
Antragsgegners beauftragt. Der Antragsgegner hatte zudem gerade auf die
Personalbewirtschaftung durch die Antragstellerin und ihren Rechtsvorgänger großen
Einfluss und hat zudem die Abwicklung der Vergütungszahlungen durchgeführt. Bereits
aus § 6 des Vertrages von 1982 ergibt sich, dass Neueinstellungen und sonstige die
Personalkosten betreffende Entscheidungen der vorherigen Zustimmung des Kreises
bedurften. Auch waren die Antragstellerin und ihr Rechtsvorgänger verpflichtet,
geeignete Bedienstete des Antragsgegners oder seiner Städte und Gemeinden in einem
Abordnungsverhältnis zu beschäftigen. Insbesondere die personellen Vorgaben
hinsichtlich der Zahl der im Rettungsdienst zu beschäftigenden Personen und deren
Qualifikation wurden von dem Antragsgegner auf Grund der erstellten Bedarfspläne
vorgegeben. Die Gehaltsabrechnung nach Bundesangestelltentarif oder Tarifvertrag des
öffentlichen Dienstes und die Bezahlung erfolgten unmittelbar durch den Antragsgegner,
der auch etwaige Höhergruppierungen vornahm. Die Kosten für die ehrenamtlichen
Mitarbeiter oder Zivildienstleistenden wurden ebenfalls vom Antragsgegner "1:1"
erstattet. Der Antragsgegner hatte auf Grund dieser Einflussnahme auf die
Personalbewirtschaftung bei der Antragstellerin und ihrem Rechtsvorgänger sowie auf
Grund seiner Mitwirkung bei der Personalkostenverwaltung nicht nur genaue Kenntnis
von der Personalentwicklung bei der Antragstellerin, sondern hat daran auch aktiv
mitgewirkt. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des
damaligen Vertragsschlusses sowie in der Folgezeit bis zur Gegenwart enge personelle
Verknüpfungen zwischen den Vertragsparteien bestanden und bestehen. So war etwa
der damals für den Kreis handelnde Oberkreisdirektor zugleich Vorsitzender des
Kreisverbandes des Deutschen Roten Kreuzes und hat auch der Kommission, die
diesen Vertrag entworfen hat, angehört. Dies legt bei einer Gesamtschau den Schluss
nahe, dass bereits zum damaligen Zeitpunkt die Vertragsschließenden von einer
umfassenderen Kostenerstattungspflicht des Antragsgegner ausgegangen sind, als dies
heute von diesem zugestanden wird. Diese Erwägung sowie das beschriebene
Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung werden ferner durch den Umstand
gestützt, dass der Antragsgegner mit Schreiben vom 12. März 2002 bezüglich des
damals im Raum stehenden neuen Vertrages eine Regelung für den Fall einer
Betriebsaufgabe wegen Wegfalls des Auftrages - insbesondere mit Blick auf die
Notwendigkeit von betriebsbedingten Kündigungen - in Aussicht stellte. Unter
Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben, der die Vertragsparteien zur
Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Interessen des anderen Vertragspartners
sowie zu einem redlichen und loyalen Verhalten bei der Durchführung des Vertrages
verpflichtet, sprechen gewichtige Anhaltspunkte für das Bestehen des geltend
gemachten Anspruches der Antragstellerin.
Zum anderen drängt sich mit Blick auf die zeitliche Durchführung des
Vergabeverfahrens und des Vergabetermins zum 1. Januar 2007 auch ein
Erstattungsanspruch als Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von
Nebenpflichten (hier: Rücksichts- und Schutzpflichten) durch den Antragsgegner aus
der entsprechenden Anwendung des § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 242, 241 Abs. 2 BGB
auf. Insoweit sprechen gewichtige Anhaltspunkte ebenfalls dafür, dass der
Antragsgegner auf Grund der oben bereits dargestellten langjährigen besonderen
Vertragsbeziehung, seiner Einflussnahme auf die Personalentwicklung, der Kenntnis
der personellen Situation der Antragstellerin und der in den vergangen Jahren erörterten
Personal- und Kostenproblematik im Falle einer Vertragsbeendigung verpflichtet war,
bei der sich aus damaliger Sicht möglicherweise anbahnenden Beendigung des
Vertragsverhältnisses auf die besondere Interessenlage der Antragstellerin bei der
zeitlichen Planung und Ausgestaltung des Vergabeverfahrens bzw. der Festlegung des
Vergabetermins Rücksicht zu nehmen. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin
das Fortbestehen der betroffenenen Arbeitsverhältnisse über den 1. Januar 2007 und
damit die zukünftig anfallenden Personalkosten durch eigenes Verschulden (mit-
)verursacht haben könnte, sind derzeit nicht erkennbar. Die Antragstellerin hat die
arbeitsrechtliche Situation unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichtes nachvollziehbar dargelegt; Anhaltspunkte für ein
unangemessenes Hinauszögern der Kündigungen sind derzeit nicht ersichtlich.
15
Die Kammer lässt in diesem Eilverfahren offen, welche Anspruchsgrundlage letztlich die
Position der Antragstellerin rechtfertigen wird, da beide rechtlichen Ansatzpunkte unter
Berücksichtung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu dem Ergebnis führen, dass
ein Anspruch der Antragstellerin auf Erstattung der im Tenor bezeichneten Kosten
überwiegend wahrscheinlich ist.
16
Dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung steht auch nicht das Verbot der
Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Zwar kann im Wege der einstweiligen
Anordnung grundsätzlich nur die vorläufige Sicherung eines Rechts begehrt werden.
17
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW), Beschluss
vom 4. November 1994 - 17 B 1870/93 -; kritisch: Schoch in Schoch/ Schmidt-
Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand : April 2006, Rdnr. 141ff, 146.
18
Im Hinblick auf die Gewährleistungen aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes kommt
jedoch ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache in Betracht, weil eine
anderweitige vorläufige Regelung schlechterdings nicht möglich ist und die tenorierte
Feststellung zur Sicherung des Anspruches gerechtfertigt erscheint. Eine Vorwegnahme
der Hauptsache rechtfertigt sich hier zudem auch im Hinblick auf die ganz
19
überwiegenden Erfolgsaussichten für die Antragstellerin in einem Hauptsacheverfahren.
Soweit die Antragstellerin über die tenorierte Feststellung hinaus eine Verurteilung des
Antragsgegners zur Zahlung der Lohn- und Gehaltskosten beantragt hat, ist der Antrag
abzulehnen, da zum einen derzeit überhaupt noch nicht absehbar ist, an wieviele
Arbeitnehmer künftig ab dem 1. Januar 2007 Lohn- und Gehaltszahlungen erfolgen
werden und über welchen Zeitraum dies der Fall sein wird. Die insoweit erforderliche
Bezifferung der anfallenden Lohn- und Gehaltskosten ist derzeit nicht möglich und kann
aus Sicht der Kammer auch konkret erst in jedem einzelnen Monat erfolgen.
20
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Da die Antragstellerin
lediglich im Hinblick auf ihre Antragsfassung und mit Blick auf die von der Kammer (nur)
ausgesprochene Feststellung unterliegt, im übrigen aber hinsichtlich des geltend
gemachten Anspruches obsiegt, hält es die Kammer in Ausübung ihres Ermessens für
sachgerecht, die Kosten dem Antragsgegner insgesamt aufzuerlegen.
21
Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m.
§ 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetztes in der Fassung vom 5. Mai 2004 und geht von
einem Wert für ein Hauptsacheverfahren in Höhe von rund 750.000 EUR aus. Dabei
berücksichtigt die Kammer die von der Antragstellerin geschätzten Personalkosten für
den Monat Januar 2007 in Höhe von rund 150.000 EUR; unter Berücksichtigung einer
voraussichtlichen Verringerung des betroffenen Personals ist für einen Zeitraum bis zum
30. Juni 2007 eine Degression angesetzt. Mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter
dieses Verfahrens erscheint das Antragsinteresse sodann in Höhe der Hälfte dieses
Wertes ausreichend und angemessen berücksichtigt.
22