Urteil des VerfGH Rheinland-Pfalz vom 05.07.2007

VerfGH Rheinland-Pfalz: unechte rückwirkung, wirkung ex tunc, vertrauensschutz, abrechnung, körperschaft, rechtsschein, ungültigkeit, umwelt, rückwirkungsverbot, gemeinde

VerfGH
Rheinland-Pfalz
05.07.2007
VGH N 18/06
Verfassungsrecht
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
Beschluss
Im Namen des Volkes
In dem Normenkontrollverfahren
betreffend: Artikel 12 Abs. 2 des Ersten Landesgesetzes zur Stärkung der kommunalen
Selbstverwaltung durch Flexibilisierung landesrechtlicher Standards vom 5. April 2005 (GVBl. S. 98),
Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 23. Juni
2006 - 4 K 466/06.NW -,
Beteiligte des Ausgangsverfahrens:
1. Verbandsgemeinde Cochem-Land, vertreten durch den Bürgermeister, Ravenéstr. 61, 56812
Cochem,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Schaffranek, Fox, Metternich & Adler,
Löhrrondell 5, 56068 Koblenz,
2. Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Präsidenten der Struktur- und Genehmigungsdirektion
Süd, Zentralstelle Forstverwaltung,
Friedrich-Ebert-Str. 14, 67433 Neustadt an der Weinstraße,
hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 5. Juli 2007, an
der teilgenommen haben
Präsident des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Meyer
Präsident des Oberlandesgerichts Dury
Präsident des Oberlandesgerichts Bartz
Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling
Universitätsprofessor Dr. Dr. Merten
Kreisverwaltungsdirektorin Kleinmann
Präsidentin des Verwaltungsgerichts Dr. Freimund-Holler
Landrätin Röhl
Bürgermeister Dr. Saftig
beschlossen:
Artikel 12 Absatz 2 des Ersten Landesgesetzes zur Stärkung der kommunalen
Selbstverwaltung durch Flexibilisierung landesrechtlicher Standards vom 5. April 2005 (GVBl. S. 98) ist
insoweit mit Artikel 77 Absatz 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz unvereinbar und nichtig, als darin
angeordnet wird, dass die Verteilung der Personalausgaben beim Revierdienst in Forstrevieren mit
Körperschaftswald für die Abrechnungsjahre 2002 bis 2004 nach § 9 Absatz 2 Halbsatz 2 der
Landesverordnung zur Durchführung des Landeswaldgesetzes vom 15. Dezember 2000 (GVBl. S. 587)
erfolgt.
A.
Das Vorlageverfahren betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Art. 12 Abs. 2 des Ersten
Landesgesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch Flexibilisierung landesrechtlicher
Standards (Erstes Standardflexibilisierungsgesetz – SFG) vom 5. April 2005 (GVBl. S. 98). Die Vorschrift
ändert ab dem Jahr 2002 die Bemessungsgrundsätze der Erstattung von Personalkosten kommunaler
Revierförster durch das Land; den Gemeinden mit körperschaftseigenen Forstbediensteten stehen
danach geringere Ausgleichsbeträge zu.
I.
1. § 28 Abs. 2 Satz 3 Landeswaldgesetz – LWaldG – in der bis zum 11. April 2005 geltenden Fassung vom
30. November 2000 (GVBl. S. 504) verpflichtete das Land, den Körperschaften beim Revierdienst durch
deren Bedienstete für die Durchführung der sonstigen forstlichen Aufgaben anteilige Personalausgaben
in Form eines Hundertsatzes der durchschnittlichen Personalausgaben je Hektar reduzierter
Holzbodenfläche zu erstatten. § 28 Abs. 4 LWaldG ermächtigte das fachlich zuständige Ministerium, das
Nähere über die Erstattung der Personalausgaben durch Rechtsverordnung zu regeln. Der auf der
Grundlage dieser Norm erlassene § 9 Abs. 2 der Landesverordnung zur Durchführung des Landeswald-
gesetzes – LWaldGDVO – vom 15. Dezember 2000 (GVBl. S. 587) lautete:
(2) Für die Durchführung der sonstigen forstlichen Aufgaben beim Revierdienst durch Bedienstete der
Körperschaft erstattet das Land den Körperschaften 30 v. H. der durchschnittlichen Personalausgaben je
Hektar reduzierter Holzbodenfläche für den Revierdienst, für jede Bedienstete und jeden Bediensteten der
Körperschaft im Revierdienst eines Forstreviers jedoch höchstens 30 v. H. der durchschnittlichen Per-
sonalausgaben je Person.
2. Für das Jahr 2001 reduzierte das Land Rheinland-Pfalz den der Verbandsgemeinde Cochem-Land –
der Klägerin des Ausgangsverfahrens – für die Durchführung der sonstigen forstlichen Aufgaben beim
kommunalen Revierdienst zustehenden Betrag entsprechend der Kappungsgrenze des § 9 Abs. 2
Halbsatz 2 LWaldGDVO. Hiergegen erhob die Verbandsgemeinde Klage. Das Verwaltungsgericht
Neustadt an der Weinstraße verpflichtete das Land mit Urteil vom 5. Dezember 2002 (Az.: 4 K
1429/02.NW), ihr die Personalausgaben ohne die Einschränkung des § 9 Abs. 2 Halbsatz 2 LWaldGDVO
zu ersetzen. Die zugelassene Berufung wies das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz durch Urteil
vom 9. Juli 2003 (Az.: 8 A 10429/03.OVG; auszugsweise veröffentlicht in NuR 2004, 484) mit der
Begründung zurück, die personenbezogene Erstattung in Gestalt der Kappungsgrenze sei nicht von § 28
Abs. 4 LWaldG gedeckt. Diese Norm ermächtige zu einer näheren Ausgestaltung der Vorgaben des § 28
Abs. 2 Satz 3 LWaldG, mithin nur zu einer ausschließlich flächenbezogenen Abrechnung. Die
anspruchsbegrenzende Regelung des § 9 Abs. 2 Halbsatz 2 LWaldGDVO sei deshalb nichtig.
3. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2003 teilte die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd – Zentralstelle
der Forstverwaltung – (im Folgenden: SGD Süd) den anspruchsberechtigten Körperschaften mit, es sei
beabsichtigt, die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Halbsatz 2 LWaldGDVO rückwirkend für den
Abrechnungszeitraum von 2001 bis 2004 als Übergangsvorschrift gesetzlich zu regeln. Für die Jahre
2002 bis 2004 ersetzte das Land der Verbandsgemeinde Cochem-Land die Kosten für die Durchführung
sonstiger forstlicher Aufgaben ohne Beschränkung auf 30 v.H. der durchschnittlichen Personalausgaben
je Person. Die SGD Süd wies hierbei darauf hin, die diesbezüglichen Differenzbeträge würden nach
erfolgter Änderung der Gesetzeslage zurückgefordert oder verrechnet werden. Mit Schreiben an die
Anstellungskörperschaften kommunaler Bediensteter im Forstdienst vom 27. Januar 2004 bekräftigte das
Ministerium für Umwelt und Forsten die Absicht, eine Übergangsvorschrift zu schaffen, nach der das
bisherige Abrechnungsverfahren einschließlich der Kappungsgrenze als gesetzliche Grundlage ab dem
Jahr 2001 Anwendung finden solle.
4. Am 14. September 2004 brachte die Landesregierung den Gesetzentwurf zum Ersten
Standardflexibilisierungsgesetz in den rheinland-pfälzischen Landtag ein (LT-Drucks. 14/3407). Dessen
Artikel 12 Abs. 2 lautete:
Die Verteilung der Personalausgaben beim Revierdienst in Forstrevieren mit Körperschaftswald erfolgt für
die Abrechnungsjahre 2001 bis 2004 nach § 9 der Landesverordnung zur Durchführung des
Landeswaldgesetzes (LWaldGDVO) vom 15. Dezember 2000 (GVBl. S. 587, BS 790-1-1). Für das
Abrechnungsjahr 2001 findet die Regelung „für jede Bedienstete oder jeden Bediensteten der
Körperschaft im Revierdienst eines Forstreviers jedoch höchstens 30 v.H. der durchschnittlichen
Personalausgaben je Person“ des
§ 9 Abs. 2 LWaldGDVO
keine Anwendung.
Der Innenausschuss stimmte dem Entwurf mit der Maßgabe zu, dass in Art. 12 Abs. 2 Satz 1 SFG die Zahl
„2004“ durch die Zahl „2005“ ersetzt wird (LT-Drucks. 14/3923). In dieser Fassung verabschiedete der
Landtag das Gesetz in seiner Sitzung vom 16. März 2005 (Plenarprotokoll 14/90, S. 6021), welches am
11. April 2005 (GVBl. S. 98) verkündet wurde und gemäß Art. 15 SFG am darauf folgenden Tag in Kraft
trat.
5. Durch Schreiben vom 8. November 2005 verrechnete die SGD Süd die der Verbandsgemeinde
Cochem-Land im Jahr 2005 zu gewährende Abschlagszahlung mit den für die Jahre 2002 bis 2004 nur
unter Vorbehalt geleisteten Beträgen. Hiergegen erhob die Verbandsgemeinde Klage.
II.
Mit Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 23. Juni 2006 hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der
Weinstraße dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die
Regelung in Art. 12 Abs. 2 SFG mit Art. 77 der Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV - zu vereinbaren ist.
Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Art. 12 Abs. 2 SFG sei entscheidungserheblich. Im Falle der
Ungültigkeit der Norm stehe der Klägerin ein höherer Abschlagsbetrag zu. Art. 12 Abs. 2 SFG beinhalte
eine echte Rückwirkung, die weder durch zwingende Gründe des Gemeinwohls noch durch ein fehlendes
schutzwürdiges Vertrauen gerechtfertigt sei. Das in Art. 77 LV verankerte Rechtsstaatsprinzip schütze
auch Gemeinden vor rückwirkenden Gesetzen. § 28 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 LWaldG seien nicht unklar
oder verworren gewesen, so dass es keiner rückwirkenden Klärung bedurft habe. Allerdings könne sich
der Rechtsbetroffene nicht auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Das
Vertrauen der Erstattungsberechtigten habe jedoch nicht auf der vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-
Pfalz für nichtig erklärten Norm des § 9 Abs. 2 Halbsatz 2 LWaldGDVO, sondern auf § 28 Abs. 2 Satz 3
LWaldG und § 9 Abs. 2 Halbsatz 1 LWaldGDVO gegründet. Zwar könne schon der Rechtsschein der
Gültigkeit einer später aufgehobenen Regelung das Vertrauen auf die wirkliche Rechtslage ausschließen.
Hiervon unterscheide sich der vorliegende Fall jedoch dadurch, dass durch das Urteil des
Oberverwaltungsgerichts vom 9. Juli 2003 eine umfassende Klärung herbeigeführt worden sei. § 9 Abs. 2
Halbsatz 2 LWaldGDVO habe damit keinen Rechtsschein der Gültigkeit mehr entfalten können. Die
Hinweise der SGD Süd auf die beabsichtigte rückwirkende Neuregelung hätten die Schutzwürdigkeit des
Vertrauens der Gemeinden nicht entfallen lassen.
III.
Zu der Vorlage haben der Landtag Rheinland-Pfalz, das Ministerium der Justiz für die Landesregierung,
die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände und die Klägerin des Ausgangsverfahrens
Stellung genommen.
1. Der Landtag Rheinland-Pfalz führt aus, Art. 12 Abs. 2 SFG ordne mit der nachträglichen Reduzierung
der Erstattungsbeträge eine echte Rückwirkung an. Das Rechtsstaatsprinzip entfalte seine
verfassungsrechtliche Schutzwirkung auch zugunsten kommunaler Gebietskörperschaften. Die Nichtigkeit
des § 9 Abs. 2 Halbsatz 2 LWaldGDVO sei jedoch erst durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 9. Juli 2003 festgestellt worden. Für die davor liegende Zeit gebe es kein Vertrauen
auf die Unwirksamkeit der Kappungsgrenze. Auch danach habe sich kein schutzwürdiges Vertrauen
bilden können. Die Gemeinden hätten mit einer rückwirkenden Neuregelung rechnen müssen, weil die
Nichtigkeit der verordnungsrechtlichen Bestimmung lediglich auf einem Überschreiten des gesetzlichen
Ermächtigungsrahmens und damit auf einem formellen, durch den Normgeber jederzeit auch rückwirkend
heilbaren Fehler beruht habe. § 28 Abs. 4 LWaldG ermächtige dazu, das Nähere zur Erstattung der
Personalausgaben durch Verordnung zu regeln. Der Gesetzgeber habe dies durch § 9 LWaldGDVO
entschieden geglaubt, jedoch nach der Feststellung der Teilnichtigkeit der Vorschrift als nicht geregelt
vorgefunden. In dieser Situation verbiete der Vertrauensschutz eine rückwirkende Neuregelung erst von
dem Zeitpunkt an, in dem die Betroffenen davon ausgehen dürften, dass es bei der festgestellten
Ungültigkeit verbleibe. In der zwischen dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz und der
Verabschiedung des Gesetzes liegenden Zeitspanne von 20 Monaten habe sich ein solches Vertrauen
nicht bilden können.
2. Nach Ansicht des Ministeriums der Justiz beinhaltet Art. 12 Abs. 2 SFG eine echte Rückwirkung.
Kommunale Gebietskörperschaften seien jedoch nicht in gleicher Weise wie der Staatsbürger gegen
rückwirkende gesetzliche Regelungen geschützt. Neben der Anknüpfung an das objektive Prinzip der
Rechtstaatlichkeit finde das Rückwirkungsverbot seine Verankerung auch in den Grundrechten.
Juristische Personen des öffentlichen Rechts könnten jedoch grundsätzlich nicht Inhaber materieller
Grundrechte sein. Das Vertrauen von Gemeinden in eine gesetzliche Regelung sei deshalb nur dann
schutzwürdig, wenn ihr durch Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 49 LV geschützter Selbstverwaltungsbereich
betroffen sei. Art. 12 Abs. 1 SFG tangiere die Gewährleistung einer angemessenen Finanzausstattung.
Hieraus könne ein schutzwürdiges Vertrauen der Gemeinde jedoch nur so weit anerkannt werden, als die
für die übernommenen Aufgaben anfallenden Kosten nicht mehr in angemessenem Umfang erstattet
würden. Trotz der Kappungsgrenze des § 9 Abs. 2 Halbsatz 2 LWaldGDVO sei jedoch gewährleistet, dass
die der Körperschaft entstehenden Personalaufwendungen für die sonstigen forstlichen Aufgaben abge-
deckt seien. Ein Vertrauen darauf, dass der darüber hinausgehende Kostenersatz unangetastet bleibe, sei
nicht schützenswert. Dessen ungeachtet ersetze Art. 12 Abs. 2 SFG eine sachgerechte, lediglich an einem
formellen Fehler leidende Regelung. Die hierdurch rückwirkend in Kraft gesetzte Kappungsgrenze stelle
sicher, dass sich die Kostenerstattung auf die tatsächlich entstehenden Personalkosten beschränke. Ein
schutzwürdiges Vertrauen habe sich darüber hinaus erst ab der Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz entwickeln können. Ihm stehe jedoch entgegen, dass die
Gebietskörperschaften bereits unter dem 30. Oktober 2003 auf die beabsichtigte rückwirkende Neurege-
lung hingewiesen worden seien.
3. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Rheinland-Pfalz und die Klägerin des
Ausgangsverfahrens teilen die rechtliche Einschätzung des Verwaltungsgerichts Neustadt an der
Weinstraße.
B.
Die Vorlage ist zulässig.
Gemäß Art. 130 Abs. 3 LV, § 24 Abs. 2 Landesgesetz über den Verfassungsgerichtshof – VerfGHG – muss
das Gericht in seiner Begründung angeben, inwiefern die Entscheidung des Gerichts von der Gültigkeit
des Landesgesetzes abhängig und mit welcher Vorschrift der Landesverfassung es unvereinbar ist. Das
Verwaltungsgericht hat die Entscheidungserheblichkeit der Geltung des Art. 12 Abs. 2 SFG hinsichtlich der
Abrechnungsjahre 2002 bis 2004 dargestellt und die Verfassungsmäßigkeit unter Einbeziehung der
hierzu ergangenen Rechtsprechung verneint. Die Vorlage entspricht damit Art. 130 Abs. 3 LV und § 24
Abs. 2 VerfGHG.
C.
Art. 12 Abs. 2 SFG ist insoweit mit Art. 77 Abs. 2 LV unvereinbar und nichtig, als darin für die Jahre 2002
bis 2004 der den Kommunen gemäß § 9 Abs. 2 Halbsatz 1 LWaldGDVO zustehende flächenbezogene
Erstattungsbetrag auf 30 v.H. der durchschnittlichen Personalausgaben je Person beschränkt wird. Die
Vorschrift beinhaltet insoweit eine echte Rückwirkung (I.). Die dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen
für eine solche Rückwirkung gezogenen Grenzen gelten auch gegenüber Gemeinden und
Gemeindeverbänden, soweit sie in ihren Selbstverwaltungsrechten betroffen sind (II.). Diese Grenzen sind
vorliegend nicht gewahrt (III.).
I.
Die verfassungsrechtliche Beurteilung des Art. 12 Abs. 2 SFG bestimmt sich nach den Regeln über die
Rückwirkung von Rechtsnormen (1.). Die Vorschrift ändert die vor dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens
geltende Rechtslage (2.). Sie beinhaltet für den Abrechnungszeitraum 2002 bis 2004 eine echte, für das
Jahr 2005 hingegen eine unechte Rückwirkung (3.).
1. Bei der verfassungsrechtlichen Bewertung rückwirkender Regelungen ist zu unterscheiden, ob es sich
um eine echte oder eine unechte Rückwirkung handelt. Eine – verfassungsrechtlich grundsätzlich
unzulässige – echte Rückwirkung setzt voraus, dass ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der
Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Eine unechte Rückwirkung hingegen liegt vor, wenn
eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die
Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet; sie ist
verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig (vgl. BVerfGE 95, 64 [86]).
2. Art. 12 Abs. 2 SFG bestimmt, dass die Verteilung der Personalausgaben beim Revierdienst – und
folglich ihre Erstattung – für die Abrechnungsjahre 2001 bis 2005 nach § 9 LWaldGDVO und damit auch
nach dessen Absatz 2 Halbsatz 2 erfolgt, wobei die Kappungsgrenze für das Abrechnungsjahr 2001 keine
Anwendung finden soll. Damit ändert die Vorschrift die bis zum 12. April 2005 geltende Gesetzeslage.
Zwar ist sie gemäß Art. 15 SFG erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten. Sie entfaltet jedoch bereits für
den davor liegenden Zeitraum Wirkung, indem sie anordnet, dass für diesen die Erstattungsbeträge neu
zu berechnen sind.
Hierin liegt eine nachträgliche Änderung, auch wenn § 9 Abs. 2 Halbsatz 2 LWaldGDVO bereits am 1.
Januar 2001 in Kraft gesetzt wurde. Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 110 Abs. 1 Satz 1 LV bedurfte
der Erlass dieser Rechtsverordnung einer gesetzlichen Ermächtigung. Der Verordnungsgeber war
aufgrund der ihm hierdurch gezogenen Grenzen gebunden; er durfte keine darüber hinausgehenden
Bestimmungen erlassen (vgl. BVerfGE 42, 374 [387 f.]; 101, 1 [37 ff.]). Der Verstoß hiergegen führte zur
Nichtigkeit der Vorschrift mit Wirkung ex tunc: Die personenbezogene Abrechnung in Gestalt der
Kappungsgrenze war nicht von der Ermächtigungsnorm des § 28 Abs. 4 LWaldG gedeckt; sie widersprach
der in § 28 Abs. 2 Satz 3 LWaldG angeordneten flächenbezogenen Erstattung und war deshalb nichtig
(vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. Juli 2003, 8 A 10429/03.OVG).
3. Für die Jahre 2002 bis 2004 greift Art. 12 Abs. 2 SFG damit in abgewickelte Tatbestände ein. Gemäß §
10 LWaldGDVO werden die Beträge nach § 28 Abs. 2 LWaldG (kalender-)jährlich zum 1. April des
Folgejahres abgerechnet. Für den vorgenannten Zeitraum war folglich mit dessen Abschluss der
Anspruch der Gemeinden auf eine ungeminderte Erstattung entstanden. Art. 12 Abs. 2 SFG ist erst nach
diesem Zeitpunkt, nämlich am 12. April 2005, in Kraft getreten. Indem er den Umfang der Ausgleichszah-
lungen nachträglich mindert, erfüllt er somit die Voraussetzungen einer echten Rückwirkung. Für 2005 war
der Abrechnungstatbestand hingegen noch nicht abgeschlossen, so dass insoweit lediglich eine unechte
Rückwirkung vorliegt.
II.
Rechtsstaatlichkeit in dem von Art. 77 Abs. 2 LV verbürgten Sinne bedeutet vorrangig auch Schutz des
Vertrauens in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der Rechtsordnung. Die nach der
verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung daraus folgende nur eingeschränkte Zulässigkeit rückwirkend
belastender Rechtsnormen (s. o. unter C. I. 1.) gilt auch zugunsten der Adressaten des § 28 Abs. 2 Satz 3
LWaldG und des § 9 Abs. 2 Halbsatz 1 LWaldGDVO. Dem steht nicht entgegen, dass Begünstigte dieser
Vorschriften juristische Personen des öffentlichen Rechts sind (vgl. § 28 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 3 Abs. 6, § 2
Nr. 2 LWaldG). Ob für juristische Personen des öffentlichen Rechts der Grundsatz des Vertrauensschutzes
allgemein gilt, kann hier dahinstehen (vgl. i. Ü. zu deren Grundrechtsfähigkeit BVerfG [1. Kammer des 2.
Senats], DVBl. 2007, 901; Schnapp, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. II, § 52). Jedenfalls
Gemeinden und Gemeindeverbände können sich gegenüber dem Landesgesetzgeber hierauf – und
damit auch auf das Rückwirkungsverbot – berufen, wenn und soweit sie durch ein rückwirkendes Gesetz
in ihrer durch Art. 49 Abs. 5 und 6 LV geschützten Finanzhoheit betroffen werden.
1. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 77 Abs. 2 LV) folgende grundsätzliche Rückwirkungsverbot
schützt zwar in erster Linie die mit den Grundrechten verbürgte Freiheit des Einzelnen. Es ist indessen
nicht auf den Schutzbereich der Individualgrundrechte beschränkt. Eine echte Rückwirkung muss sich
vielmehr auch außerhalb dieser Grundrechte an den elementaren rechtsstaatlichen Grundsätzen
insbesondere des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit messen lassen. Dies gilt jedenfalls dann,
wenn die Verfassung einem Hoheitsträger eine eigenständige und unabhängige Stellung zuweist, die
hinsichtlich der durch das Rechtsstaatsprinzip geschützten Interessen der eines Grundrechtsträgers
vergleichbar ist und die deshalb aufgrund der Vorgaben der Verfassung auch gleichwertigen Schutz
genießt.
2. Das in Art. 49 LV garantierte Selbstverwaltungsrecht weist den Gemeinden und Gemeindeverbänden
eine solche Stellung zu. Die Gewährleistung sichert einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der
örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zur eigenverantwortlichen
Führung der ihn betreffenden Geschäfte zu (vgl. VerfGH Rh-Pf, AS 27, 231 [235 f.]; 32, 251 [258]).
Diese verfassungsrechtlich herausgehobene Stellung bedarf der Absicherung durch die Grundsätze der
Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Das gilt jedenfalls im Blick auf eine der wesentlichsten
Ausprägungen des Selbstverwaltungsrechts, die in Art. 49 Abs. 5 und 6 LV geregelte kommunale
Finanzhoheit, welche den Gemeinden und Gemeindeverbänden die Befugnis zu einer
eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten
Haushaltswesens einräumt und ihnen eine angemessene Finanzausstattung verbürgt (vgl. VerfGH Rh-Pf,
AS 15, 66 [68]; 32, 251 [269 f.]). Gerade in finanzieller Hinsicht erfordert deshalb die gemeindliche
Selbstverwaltung Planungssicherheit. Nur dann, wenn die Kommunen nicht befürchten müssen, dass
ihnen nachträglich die Grundlagen ihres Handelns entzogen und damit ihre Dispositionen entwertet
werden, können sie ihre Aufgaben eigenverantwortlich wahrnehmen. Daher genießen sie
Vertrauensschutz und können sich auf das Rückwirkungsverbot berufen, wenn sie in diesem Sinn in ihren
Selbstverwaltungsrechten betroffen sind.
3. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der rückwirkenden Änderung forstrechtlicher
Erstattungsvorschriften bestimmt sich somit anhand der in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung
entwickelten Grundsätze über die Verfassungsmäßigkeit rückwirkender Rechtsnormen. Dem steht nicht
entgegen, dass der Revierdienst, dessen Kostentragung § 28 Abs. 2 Satz 3 LWaldG regelt, nicht zu den
freien Selbstverwaltungsaufgaben zählt, sondern die Gemeinden ihn gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 LWaldG als
Auftragsangelegenheit durchführen. Auch insoweit dürfen nachträgliche Änderungen der finanziellen
Ausstattung der Kommunen nur unter Wahrung des Vertrauensschutzes erfolgen. Dies ergibt sich aus der
Verpflichtung des Landes gemäß Art. 49 Abs. 6 Satz 1 LV, den Gemeinden die zur Erfüllung ihrer
Aufgaben erforderlichen Mittel zu sichern. Die Vorschrift beinhaltet eine einheitliche Finanzgarantie und
geht vom Grundsatz einheitlicher Aufgabenerfüllung und einheitlicher Ausgleichsleistung aus (vgl. VerfGH
Rh-Pf, AS 15, 66 [71, 73]; 29, 75 [81]; 33, 66 [69 f.]). Sie schließt deshalb nicht aus, dass je nach
Finanzlage staatliche Auftragsangelegenheiten aus eigenen Einnahmequellen der Gemeinden oder
umgekehrt Selbstverwaltungsangelegenheiten aus staatlichen Finanzzuweisungen finanziert werden (vgl.
VerfGH Rh-Pf, AS 15, 66 [71]). Damit berühren rückwirkende Kürzungen der Mittelzuweisung den Schutz-
bereich der Selbstverwaltungsgarantie unabhängig davon, ob sie den Bereich der Auftrags- oder der
freien Selbstverwaltungsangelegenheiten betreffen.
4. Die verfassungsrechtliche Notwendigkeit der Einbeziehung der Gemeinden in den rechtsstaatlichen
Vertrauensschutz und das aus ihm resultierende Rückwirkungsverbot sowie dessen Erstreckung auf
Erstattungszahlungen im Bereich der Auftragsverwaltung wird bestätigt durch die am 25. Juni 2004 (GVBl.
S. 321) – und damit vor Erlass des Ersten Standardflexibilisierungsgesetzes – in Kraft getretene Vorschrift
des Art. 49 Abs. 5 Satz 1 LV. Danach hat das Land, wenn es den Gemeinden die Erfüllung öffentlicher
Aufgaben überträgt, gleichzeitig Bestimmungen über die Kosten zu treffen. Ziel dieser Regelung ist es, die
kommunale Finanzsituation sowie das Miteinander von Land und Kommunen verlässlicher und stetiger zu
gestalten. Durch das Konnexitätsprinzip soll gesichert werden, dass die von der staatlichen
Aufgabenzuweisung betroffenen Kommunen die realistische Möglichkeit haben, durch zumutbare eigene
Anstrengungen, insbesondere durch einen wirtschaftlichen und sparsamen Gesetzesvollzug, zu einem
vollständigen Ausgleich der Mehrbelastungen zu gelangen (vgl. LT-Drucks. 14/3016 S. 1, 3). Der
verfassungsändernde Gesetzgeber hat dies als unerlässlich zur Sicherung der kommunalen
Selbstverwaltung erachtet (vgl. Abg. Schneiders, Plenarprotokoll 14/73 vom 26. Mai 2004, S. 4876; Abg.
Schweitzer, ebd., S. 4877) und hierdurch erneut zum Ausdruck gebracht, dass das Prinzip des
Vertrauensschutzes auch im Verhältnis des Landes zu den Kommunen, und zwar auch hinsichtlich der
Auftragsangelegenheiten, Geltung beansprucht.
III.
Soweit Art. 12 Abs. 2 SFG für den Erstattungszeitraum von 2002 bis 2004 eine echte Rückwirkung
anordnet, sind deren verfassungsrechtliche Voraussetzungen (1.) nicht erfüllt; sie ist weder aufgrund
fehlenden Vertrauensschutzes (2.) noch wegen überragender Belange des Gemeinwohls (3.)
gerechtfertigt. Die darin gleichfalls enthaltene unechte Rückwirkung für das Abrechnungsjahr 2005
begegnet hingegen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (4.).
1. Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips zählt die Rechtssicherheit, die in erster Linie
Vertrauensschutz – d. h. das Vertrauen in den Bestand von Rechtsnormen bis zu ihrer ordnungsgemäßen
Aufhebung – bedeutet (vgl.
BVerfGE 18, 429 [439]; 23, 12
[32]). Eine echte Rückwirkung ist deshalb ver-
fassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Im Grundsatz des Vertrauensschutzes findet das
Rückwirkungsverbot aber nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt dort nicht, wo sich
ausnahmsweise kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte. Das ist namentlich
dann der Fall, wenn die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine rückwirkende Klärung
erwartet werden musste. Ferner kommt ein Vertrauensschutz nicht in Betracht, wenn die Betroffenen
schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht mit dem Fortbestand der Regelungen
rechnen konnten oder wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicher-
heit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung von Normen erfordern (vgl. BVerfGE 88, 384 [404] m.w.N.).
2. Für die das Abrechnungsjahr 2002 betreffende Änderung erstattungsrechtlicher Vorschriften sind die
Voraussetzungen der in der Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit einer echten Rückwirkung
entwickelten Fallgruppen nicht erfüllt; weder der Widerspruch zwischen flächen- und
personenbezogener Abrechnung (a) noch überragende Gründe des Gemeinwohls oder ein zu
erwartender Wegfall der bisher geltenden Regelung (b) vermögen eine echte Rückwirkung zu recht-
fertigen.
a) Das Vertrauen des Betroffenen auf den Fortbestand der Rechtslage ist grundsätzlich nicht
schützenswert, wenn sie unklar ist. In diesen Fällen kann es das Rechtsstaatsprinzip selbst erfordern,
dass Rechtssicherheit und Gerechtigkeit durch eine klärende Regelung rückwirkend hergestellt werden
(vgl. BVerfGE 30, 367 [388]). Eine solche mehrdeutige Rechtslage bestand aufgrund des Widerspruchs
der Erstattungsregelungen in § 28 Abs. 2 Satz 3 LWaldG und § 9 Abs. 2 Halbsatz 2 LWaldGDVO bis zur
Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. Juli 2003, 8 A 10429/03.OVG (aa). Mit
diesem Urteil führte das Gericht jedoch eine Klärung herbei, die weder zu einer Regelungslücke noch zu
einer der Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufenden Rechtslage führte; vielmehr wurde hierdurch
dessen Willen gerade Geltung verschafft, weshalb er nicht berechtigt gewesen ist, nunmehr eine diesem
widersprechende rückwirkende Regelung zu erlassen (bb).
aa) Der Widerspruch zwischen der in § 28 Abs. 2 Satz 3 LWaldG angeordneten rein flächenbezogenen
Berechnung des Ausgleichsanspruchs der Gemeinden und der Kappungsgrenze des § 9 Abs. 2 Halbsatz
2 LWaldGDVO bewirkte bis zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. Juli 2003
eine Rechtsunsicherheit über die Höhe der den Körperschaften zustehenden Erstattung. Vorher konnten
die betroffenen Kommunen nicht auf die Ungültigkeit des § 9 Abs. 2 Halbsatz 2 LWaldGDVO vertrauen (s.
a. BVerfG [2. Kammer des 1. Senats], NVwZ-RR 2007, 433 [434]). Das Oberverwaltungsgericht hat sich
eingehend mit der Reichweite der Ermächtigungsnorm in § 28 Absatz 4 LWaldG, mit der
Entstehungsgeschichte der Vorschrift und den Zielen des Landeswaldgesetzes sowie den Auswirkungen
unterschiedlicher Erstattungsmodelle auseinandergesetzt. Demnach war die Einführung der
Kappungsgrenze nicht so offensichtlich rechtswidrig, dass sich die Betroffenen seit jeher auf deren
Unwirksamkeit hätten verlassen können (vgl. hierzu: BVerfGE 7, 89 [93]). Hinzu kommt, dass Vertrauen in
die Ungültigkeit einer Norm generell nicht schutzwürdig ist (vgl. BVerwGE 66, 116 [122]; 75, 262 [271]).
Die Entscheidung über deren Wirksamkeit ist den Gerichten anvertraut. Der Betroffene muss damit
rechnen, dass diese seine Auffassung nicht teilen, und seine wirtschaftlichen Dispositionen deshalb
vorsorglich so treffen, als sei die Vorschrift gültig. Auf ihre Nichtigkeit kann sich der Adressat erst dann
verlassen, wenn sie in einem rechtskräftigen Urteil ausgesprochen wurde (vgl. OVG Rh-Pf, AS 13, 142
[143 und 145]).
bb) Mit der obergerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit und damit Nichtigkeit des § 9 Abs. 2
Halbsatz 2 LWaldGDVO war dieser Zustand der Rechtsunsicherheit jedoch beendet. Ab diesem Zeitpunkt
mussten die von § 28 Abs. 2 Satz 3 LWaldG erfassten Gemeinden nicht mehr mit einer rückwirkenden
Neuregelung des Erstattungsrechts durch den Gesetzgeber rechnen.
Zwar kann das Vertrauen auf die wirkliche Rechtslage schon durch den Rechtsschein der Gültigkeit, den
die noch nicht ausdrücklich aufgehobene Norm erzeugt, ausgeschlossen werden. Dies gilt insbesondere
dann, wenn die angegriffene Regelung an sich sachgerecht erscheint und ihr lediglich Bedenken for-
meller Art entgegenstehen. Der Gesetzgeber ist insoweit nicht gehindert, den formellen Fehler – auch
rückwirkend – zu beseitigen (vgl. OVG Rh-Pf, AS 29, 13 [15]; BVerfGE 22, 330 [348]). Die dem zu Grunde
liegende Rechtfertigung – der Schutz des gesetzgeberischen Gestaltungswillens – ist jedoch durch die
Nichtigkeit des § 9 Abs. 2 Halbsatz 2 LWaldGDVO gerade nicht betroffen. Sie schuf keine
Regelungslücke, die der Intention des Gesetzgebers zuwiderlief. Auch führte sie nicht dazu, dass Norm-
adressaten, die auf jeden Fall mit einer Belastung rechnen mussten, allein aufgrund eines formellen
Fehlers hiervon frei wurden oder in den Genuss von Vergünstigungen kamen, die ihnen nach dem
erkennbaren gesetzgeberischen Willen nicht zustehen sollten (vgl. hierzu: BVerfGE 22, 330 [348];
BVerwGE 67, 129 [131 f.]). Vielmehr war die Unwirksamkeit der Kappungsgrenze die Konsequenz des
parlamentarischen Willens, wie er in § 28 Abs. 2 Satz 3 LWaldG zum Ausdruck kam. Dadurch, dass dieser
Intention mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Geltung verschafft wurde, entstand gerade keine
Situation, in der der Gesetzgeber geregelt geglaubte Verhältnisse aufgrund gerichtlicher Entscheidung
nicht oder anders geregelt vorgefunden hat und in der die Gemeinden und Gemeindeverbände mit einer
rückwirkenden Einschränkung der Erstattungsansprüche durch das Parlament rechnen mussten (s. a.
BVerfGE 7, 89 [94]). Vielmehr durften sie nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts darauf vertrauen,
dass die Abrechnung für den zurückliegenden Zeitraum allein anhand des § 9 Abs. 2 Halbsatz 1
LWaldGDVO erfolgen würde.
b) Die rückwirkende Neuregelung des Erstattungsrechts ist schließlich auch nicht durch überragende
Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Soweit die Wiedereinführung der Kappungsgrenze des § 9 Abs.
2 Halbsatz 2 LWaldGDVO damit begründet wird, eine rein flächenbezogene Betrachtung führe bei großen
Forstrevieren zu einer Erstattung, die der gesetzgeberischen Wertung des Verhältnisses der
forstbetrieblichen zu den sonstigen Aufgaben von 70:30 widerspreche, hat diese Überlegung keinen
Niederschlag in § 28 LWaldG gefunden. In dessen Absatz 2 Satz 3 hat der Normgeber vielmehr festgelegt,
dass die anteiligen Personalausgaben in Form eines Hundertsatzes der durchschnittlichen
Personalausgaben je Hektar reduzierter Holzbodenfläche, mithin ausschließlich flächenbezogen erstattet
werden sollen. Der Umstand allein, dass die erlassene Vorschrift in Einzelfällen einen zusätzlichen
Regelungsbedarf auslöst, der rechtlich nicht geboten, aber vom Parlament nachträglich als notwendig
erachtet wird, berechtigt den Gesetzgeber nicht zu einer Nachbesserung durch Eingriff in abgeschlossene
Sachverhalte. Dies führte andernfalls dazu, den Ermächtigungsmissbrauch des Verordnungsgebers zu
Lasten der Gesetzesadressaten nachträglich zu prämieren.
Die gesetzgeberische Anordnung einer rein flächenbezogenen Abrechnung führt auch zu keinem
Rechtszustand, der im Interesse des Gemeinwohls nicht hinzunehmen oder dessen Sachwidrigkeit so
evident ist, dass die betroffenen Körperschaften nicht auf seinen Fortbestand hätten vertrauen dürfen. Dies
gilt selbst unter Zugrundelegung eines Verhältnisses der forstbetrieblichen und der sonstigen forstlichen
Aufgaben von 70:30. Eine Abrechnung allein nach dem Hektarsatz bewirkt zwar, dass bei einem Teil der
Kommunalreviere mit Revierdienst durch körperschaftliche Bedienstete der Erstattungsbetrag mehr als 30
v.H. beträgt. So erhält die Klägerin des Ausgangsverfahrens danach für die Jahre 2002 bis 2004 statt
212.491,16 € (= 30 v.H. der Personalkosten pro Bediensteter) 268.249,77 € erstattet, mithin 37,87 v.H. der
Personalkosten. Bezogen auf alle kommunalen Reviere mit körperschaftlichem Revierdienst führt jedoch
eine flächenbezogene Berechnung – beispielsweise unter Zugrundelegung der für das Jahr 2001
geltenden Sätze – zu einem durchschnittlichen Kostentragungsverhältnis zwischen Land und
Körperschaften von 67:33. Dieser Unterschied gegenüber dem Anteil der Aufgaben am Revierdienst ist
eher geringfügig und liegt innerhalb der Bandbreite hinnehmbarer Folgenabweichung. Die Entscheidung
für eine Pauschalierung der Erstattung und gegen eine „Spitzabrechnung“ beinhaltet stets die Möglichkeit,
dass im Einzelfall der zu erstattende Betrag über dem der Aufwendungen liegt. Dies allein führt deshalb
seitens des Erstattungsberechtigten nicht dazu, dass er mit einer rückwirkenden Neuregelung rechnen
muss.
Schließlich begegnet eine rückwirkende Korrektur der im Nachhinein als nicht sachgerecht empfundenen
Abrechnungsvorschriften unter Berufung auf das Gemeinwohl vorliegend auch deshalb
verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die Änderung nur für einen Teil der waldbesitzenden
Körperschaften erfolgt, nämlich für diejenigen, die den Revierdienst durch eigene Bedienstete
durchführen. Neben diesen gibt es jedoch auch Körperschaften, die den Revierdienst durch staatliche
Bedienstete verrichten lassen. Auch hier hat der Verordnungsgeber das Verhältnis der forstbetrieblichen
zu den sonstigen forstlichen Aufgaben mit 70:30 festgelegt, weshalb § 9 Abs. 1 LWaldGDVO die
Körperschaft verpflichtet, dem Land 70 v.H. der durchschnittlichen Personalausgaben je Hektar, für jeden
Bediensteten jedoch höchstens 70 v.H. der durchschnittlichen Ausgaben je Person, zu erstatten. Diese
Regelung führt in der Praxis zu einem durchschnittlichen Kostentragungsverhältnis von 61:39 (vgl.
Vermerk des Ministeriums für Umwelt und Forsten vom 7. Oktober 2004, S. 4; Protokoll der Besprechung
des Ministeriums für Umwelt und Forsten mit dem Gemeinde- und Städtebund vom 25. November 2003, S.
2), mithin zu einem Verhältnis, welches erheblich stärker von der Gewichtung der Aufgabenanteile
abweicht als eine rein flächenbezogene Abrechnung im körperschaftlichen Revierdienst. Diesen Teil der
Kostenerstattung hat der Gesetzgeber dennoch keiner Neuregelung zugeführt. Dies aber widerspricht der
Annahme einer unhaltbaren Erstattungssituation im Bereich des Revierdienstes durch kommunale
Bedienstete, die (nur) dort aus überragenden Gründen des Gemeinwohls eine rückwirkende Neuregelung
erforderlich machte.
3. Durften Gemeinden und Gemeindeverbände folglich darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber den
Erstattungsanspruch für die Jahre 2001 und 2002 nicht rückwirkend neu regelt, so ist die Schutzwürdigkeit
dieses Vertrauens auch in den Jahren 2003 und 2004 nicht entfallen. Insbesondere war die Ankündigung
einer Neuregelung des Erstattungsrechts durch die SGD Süd, wie sie erstmals mit Schreiben vom 30.
Oktober 2003 erfolgte, und durch das Ministerium für Umwelt und Forsten nicht geeignet, den
Vertrauensschutz entfallen zu lassen. Zwar ist eine echte Rückwirkung ausnahmsweise zulässig, wenn
die Betroffenen im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht mit dem Fortbestand des
geltenden Rechts rechnen durften. Die SGD Süd und das Ministerium konnten jedoch keine für den
Gesetzgeber verbindlichen Erklärungen abgeben. Darüber hinaus entfällt das Vertrauen in den
Fortbestand einer Vorschrift erst mit dem parlamentarischen Beschluss zu deren Neuregelung (vgl.
BVerfGE 95, 64 [87]). Der rheinland-pfälzische Landtag hat das Standardflexibilisierungsgesetz am 16.
März 2005 und damit erst nach Abschluss des Abrechnungsjahres 2004 beschlossen.
4. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen hingegen, soweit Art. 12 Abs. 2 SFG die
Kappungsgrenze für das Jahr 2005 einführt. Die unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig, sofern
nicht der Schutz des Vertrauens des Gesetzesadressaten ausnahmsweise Vorrang vor den verfolgten
Gesetzeszielen hat (vgl. VerfGH Rh-Pf, AS 29, 23 [42]). Anhaltspunkte für einen derart überwiegenden
Vertrauensschutz der Gemeinden sind vorliegend nicht ersichtlich.
gez. Prof. Dr. Meyer gez. Dury gez. Prof. Dr. Dr. Merten