Urteil des VerfGH Rheinland-Pfalz vom 29.11.2010

VerfGH Rheinland-Pfalz: schüler, realschule, schulpflicht, besuch, verfassungsbeschwerde, beförderung, gymnasium, grundversorgung, qualifikation, oberstufe

VerfGH
Rheinland-Pfalz
29.11.2010
VGH B 11/10
Verfassungsrecht
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
betreffend die Verfassungsbeschwerde
des Herrn …,
gegen § 69 Abs. 4 Satz 4 des Schulgesetzes vom 30. März 2004 (GVBl. S. 239) in der Fassung vom
22. Dezember 2008 (GVBl. S. 340) – Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten nach der
Schulstrukturreform –
hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
29. November 2010, an der teilgenommen haben
Präsident des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Meyer
Präsident des Oberlandesgerichts Bartz
Präsident des Oberlandesgerichts Kestel
Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling
Landrat Dr. Saftig
Universitäts-Professor Dr. Hufen
Universitäts-Professor Dr. Robbers
Kreisverwaltungsdirektorin Nagel
Rechtsanwältin JU Dr. Theis LL.M.
für Recht erkannt:
1. § 69 Abs. 4 Satz 4 des Schulgesetzes in der Fassung des Landesgesetzes zur Änderung der
Schulstruktur vom 22. Dezember 2008 (GVBl. S. 340) ist mit Art. 17 Abs. 1 und 2 der Landesverfassung
unvereinbar.
2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 1. August 2012 eine verfassungs-
gemäße Regelung zu treffen. § 69 Abs. 4 Satz 4 des Schulgesetzes bleibt bis zum In-Kraft-Treten einer
Neuregelung, längstens bis zum 31. Juli 2012, weiter anwendbar.
3. Dem Beschwerdeführer sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren verursachten
notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten.
A.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen § 69 Abs. 4 Satz 4 des Schulgesetzes -
SchulG - vom 30. März 2004 (GVBl. S. 239) in der Fassung des Landesgesetzes zur Änderung der
Schulstruktur vom 22. Dezember 2008 (GVBl. S. 340). Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die darin
enthaltene Regelung der Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten, die nach der Schul-
strukturreform im Bereich der Sekundarstufe I - allein - für Schülerinnen und Schüler der Gymnasien und
Integrierten Gesamtschulen eine solche Eigenbeteiligung vorsieht.
I.
1. Nach § 69 Abs. 1 SchulG obliegt den Landkreisen und kreisfreien Städten als Pflichtaufgabe der
Selbstverwaltung die Beförderung der Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz, denen
der Schulweg ohne Benutzung eines Verkehrsmittels nicht zumutbar ist. Die Aufgabe umfasst die
Beförderung zu Grund- und Förderschulen, zur nächstgelegenen Realschule plus sowie der
Sekundarstufe I (Klassenstufen 5 bis 10) der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen. Sie wird
vorrangig durch Übernahme der notwendigen Fahrkosten für öffentliche Verkehrsmittel erfüllt (vgl. § 69
Abs. 4 Sätze 1 und 2 SchulG).
2. Im Bereich der Sekundarstufe I (Klassenstufen 5 bis 10) sieht § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG bei der
Übernahme der Schülerbeförderungskosten für einen Teil der Schüler eine Eigenbeteiligung vor. Danach
soll für Schülerinnen und Schüler der Integrierten Gesamtschulen und Gymnasien ein angemessener
Eigenanteil an den Beförderungskosten gefordert werden, wenn eine Einkommensgrenze überschritten
wird, deren Ausgestaltung unter Berücksichtigung der sozialen Belastbarkeit der Betroffenen durch
Rechtsverordnung geregelt wird. Die Einkommensgrenze, ab der eine Kostenbeteiligung verlangt wird,
liegt derzeit - vereinfacht dargestellt - bei einem Jahreseinkommen der Eltern von 26500 € bzw. bei Allein-
erziehenden von 22750 € zuzüglich 3750 € für jedes Geschwisterkind (vgl. Landesverordnung vom
18. Mai 2009, GVBl. S. 206).
Die Schüler der Realschule plus werden hingegen nicht an den Beförderungskosten beteiligt. Ihre
Beförderungskosten werden - wie im Bereich der Primarstufe (Klassenstufen 1 bis 4) die der Grund- und
Förderschüler - ohne Eigenbeteiligung übernommen.
3. Die angegriffene Vorschrift des § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG erhielt ihre gegenwärtige Fassung mit dem
dargelegten Inhalt durch Art. 1 des Landesgesetzes zur Änderung der Schulstruktur vom 22. Dezember
2008 (GVBl. S. 340), das insoweit am 1. August 2009 in Kraft getreten ist.
Mit diesem Gesetz wurde die Schulstruktur des Landes im Bereich der Sekundarstufe I wie folgt reformiert:
Die Realschule plus wurde als neue Schulart in das Schulgesetz aufgenommen (§ 9 Abs. 3 Nr. 2 SchulG).
Die im Schuljahr 2008/2009 bestehenden Hauptschulen und Realschulen wurden bzw. werden bis
spätestens zum 1. August 2013 in Realschulen plus überführt; danach wird es keine Haupt- und
Realschulen mehr geben (vgl. §§ 2 Abs. 1, 5 des Landesgesetzes zur Einführung der neuen Schulstruktur
im Bereich der Sekundarstufe I ‑ SchulstrukturEinfG -, Art. 7 des Landesgesetzes vom 22. Dezember
2008). Ebenso werden die Regionalen Schulen, die bereits einen Zusammenschluss von Haupt- und
Realschule darstellten (vgl. § 10 Abs. 4 SchulG in der bis zum 31. Juli 2009 geltenden Fassung; im
Folgenden: SchulG a.F.), seit dem 1. August 2009 als Realschulen plus geführt (vgl. § 2 Abs. 2
SchulstrukturEinfG).
Die Realschule plus führt nach § 10 Abs. 3 Satz 1 SchulG zur Qualifikation der Berufsreife wie zuvor die
Hauptschule (vgl. § 10 Abs. 3 SchulG a.F.) und zum qualifizierten Sekundarabschluss I wie zuvor die
Realschule (vgl. § 10 Abs. 5 SchulG a.F.). Sie umfasst gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 SchulG Schüler der Bil-
dungsgänge zur Erlangung der Berufsreife und zur Erlangung des qualifizierten Sekundarabschlusses I
und vereinigt damit die ehemaligen Haupt- und Realschulen in einer Schulart.
Während der Übergangszeit bis zum 31. Juli 2013 richtet sich die Schülerbeförderung für die Schüler der -
noch bestehenden - Haupt- und Realschulen im Wesentlichen nach den bisherigen Bestimmungen (vgl.
§ 9 SchulstrukturEinfG).
4. Vor der Neufassung durch das Gesetz zur Änderung der Schulstruktur bestimmte § 69 Abs. 4 Satz 4
SchulG a.F. hinsichtlich der Schülerbeförderungskosten im Bereich der Sekundarstufe I, dass für die
Schüler der Realschulen, Integrierten Gesamtschulen und Gymnasien ein angemessener Eigenanteil
gefordert werden soll. Die Schüler der Hauptschulen, Regionalen Schulen und Förderschulen wurden
hingegen nicht an den Beförderungskosten beteiligt.
II.
Der Beschwerdeführer ist Vater zweier Kinder, die gegenwärtig die Jahrgangsstufen 7 und 9 eines
Gymnasiums in … besuchen.
Mit der am 22. März 2010 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt er eine Verletzung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes. Die Regelung über die Eigenbeteiligung an den Schülerbeförde-
rungskosten nach der Schulstrukturreform stelle eine unzulässige Benachteiligung der Schüler der
Gymnasien in der „Mittelstufe“ (Sekundarstufe I) gegenüber den Schülern der neuen Realschule plus dar.
Als Vater von zwei das Gymnasium besuchenden Töchtern, für die der vorliegend zuständige Landkreis
monatlich einen Eigenanteil von derzeit 21,-- € je Kind erhebe, sei er hiervon unmittelbar betroffen.
III.
Der Landtag Rheinland-Pfalz und die Landesregierung haben zu der Verfassungsbeschwerde Stellung
genommen.
1. Nach Ansicht des Landtags ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
Der Beschwerdeführer sei durch die angegriffene Vorschrift des § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG nicht
unmittelbar betroffen. Sie bedürfe der Umsetzung durch einen Vollzugsakt, da sie sowohl auf der
Tatbestandsseite mit dem unbestimmten Rechtsbegriff „angemessener Eigenanteil“ als auch auf der
Rechtsfolgenseite als Soll-Vorschrift offen formuliert sei. Der Beschwerdeführer sei auf den Rechtsweg
gegen einen etwaigen Vollzugsakt zu verweisen. Eine Ausnahme vom Grundsatz der
Rechtswegerschöpfung nach § 44 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof -
– VerfGHG – wegen allgemeiner Bedeutung der Verfassungsbeschwerde liege nicht vor, weil die
aufgeworfene Frage der Verfassungsmäßigkeit der differenzierten Eigenbeteiligung an den
aufgeworfene Frage der Verfassungsmäßigkeit der differenzierten Eigenbeteiligung an den
Schülerbeförderungskosten bereits im Jahre 1990 durch das Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz
und das Bundesverwaltungsgericht bejaht worden sei. Des Weiteren sei zumindest fraglich, ob die für
Gesetzesverfassungsbeschwerden geltende Jahresfrist des § 46 Abs. 3 VerfGHG gewahrt sei. Die
gegenständliche Regelung sei zwar erst mit Gesetz vom 22. Dezember 2008 – in dem hier maßgeblichen
Teil – am 1. August 2009 in Kraft getreten. Die Kostenbeteiligung für Schüler der Gymnasien – wie für die
Kinder des Beschwerdeführers – bestehe jedoch bereits seit 1980 und sei durch die aufgenommene
Regelung zur Einkommensgrenze lediglich eingeschränkt worden. Überdies genüge die
Verfassungsbeschwerde nicht den Formerfordernissen des § 45 VerfGHG, da die Angaben des
Beschwerdeführers nicht ausreichend seien, um auf dieser Grundlage eine verlässliche Beurteilung zu
ermöglichen.
Die Verfassungsbeschwerde habe auch in der Sache keinen Erfolg. Der gesetzlichen Regelung der
Schülerbeförderungskosten habe von Anfang an ein sachlich nachvollziehbares Prioritätenverhältnis
zwischen Pflicht- und Wahlschülern zugrunde gelegen. Der Gesetzgeber habe wegen der beschränkten
finanziellen Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand zu keinem Zeitpunkt eine vollumfängliche Kosten-
freiheit für alle Schüler, sondern lediglich eine Grundversorgung gewähren wollen, die mit der Schulpflicht
und dem Erreichen des schulischen Mindestabschlusses durch den Einzelnen inhaltlich korreliert habe.
Diese Konzeption der Schülerbeförderung sei mit Eintritt in die Schulstrukturreform im Jahre 2009
systemgerecht fortentwickelt worden. Der Gesetzgeber habe sich von folgenden Erwägungen leiten
lassen (vgl. LT-Drs. 15/2514, S. 43f.): Die Realschule plus übernehme künftig die Funktion der Haupt-
schulen und Regionalen Schulen als Pflichtschulen und biete den Bildungsgang zur Erreichung der
Berufsreife an. Der den bisherigen Bestimmungen zugrunde liegende Grundsatz, dass die Beförderung zu
der Schule, die den Mindestabschluss (Berufsreife) verleihe, kostenlos sein solle, bedinge, künftig alle
Schüler der Realschulen plus wie die der bisherigen Hauptschulen und Regionalen Schulen zu
behandeln. Daher werde hier kein angemessener Eigenanteil gefordert, sondern nur noch von den
Schülern der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen. Diese Entscheidung des Gesetzgebers, die
bisherige Rechtslage für Schüler der Hauptschulen und Regionalen Schulen auf alle Schüler der
Realschule plus zu übertragen, sei folgerichtig und beruhe auf sachlichen Erwägungen.
2. Die Landesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für zulässig, aber unbegründet. Dem
Gesetzgeber stehe bei der Gestaltung finanzieller Förderungsbedingungen ein weiter Spielraum zu, der
durch die angegriffene Regelung nicht überschritten worden sei. Hintergrund der Entwicklung der
Schülerbeförderungskostenregelung sei das Bestreben des Gesetzgebers, eine Standardeinrichtung für
die Regelbedürfnisse zu schaffen, die mit der schulischen Grundversorgung und der Erfüllung der
Schulpflicht verbunden seien. Zwar habe auch der Besuch einer Realschule oder eines Gymnasiums die
gesetzliche Schulpflicht erfüllt, die Schularten vermittelten jedoch eine qualifizierte Ausbildung mit jeweils
eigenständigen höherwertigen Bildungsabschlüssen. Daher seien nur diese Schulen Wahlschulen
gewesen. Die Hauptschule sei demgegenüber Pflichtschule gewesen, an der im Sinne einer
Grundversorgung die über den Besuch der Grundschule hinausgehende Schulpflicht habe erfüllt werden
müssen, wenn der Schüler nach Begabung und Leistung nicht für den Besuch einer anderen Schulart
geeignet erschienen sei. Mit der Schulstrukturreform übernehme die Realschule plus die Funktion der
Hauptschule als Pflichtschule. Sie sei künftig die einzige Schulart, an der abschlussbezogene Klassen zur
Erlangung der Berufsreife gebildet werden könnten. Sie sei auch ihrem Pflichtschulcharakter
entsprechend die einzige Schulart, die die Aufnahme von Schülern nicht verweigern könne, weil z.B. die
Kapazitäten nicht ausreichten. Die neue Regelung der Schülerbeförderungskosten folge der bisherigen
gesetzlichen Systematik. Vor dem Hintergrund der andauernd angespannten Haushaltslage habe sich der
Gesetzgeber dafür entschieden, die bisher bestehende Rechtslage für Schüler der Hauptschulen und
Regionalen Schulen auf alle Schüler der Realschulen plus zu übertragen, damit der bisher begünstigte
Personenkreis nicht benachteiligt werde. Für weitere Verbesserungen der Schülerbeförderung habe kein
finanzieller Spielraum bestanden. Im Schuljahr 2009/10 hätten rund 85 v.H. der Schüler, die einen
„Hauptschulabschluss“ erworben haben, diesen an einer - schon bestehenden oder künftigen -
Realschule plus erlangt. An den schon bestehenden Realschulen plus hätten 37 v.H. der Absolventen
einen „Hauptschulabschluss“ und 63 v.H. einen qualifizierten Sekundarabschluss I erreicht.
B.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
1. Der Beschwerdeführer ist beschwerdebefugt. Er beruft sich auf die Verletzung eigener, in der
Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV - enthaltener Rechte im Sinne des Art. 130a LV, § 44 Abs. 1 VerfGHG.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz sowie das Willkürverbot, deren Verletzung der Beschwerdeführer der
Sache nach geltend macht, sind in Art. 17 Abs. 1 und 2 LV landesverfassungsrechtlich verbürgt.
Er kann auch geltend machen, durch die angegriffene gesetzliche Regelung selbst, gegenwärtig und
unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen zu sein (vgl. hierzu VerfGH RP, AS 31, 348 [350]; 34, 169
[180]).
a) Der Beschwerdeführer trägt vor, als Vater von zwei Töchtern, die ein Gymnasium in … besuchen, durch
die mit der Schulstrukturreform verbundene Neuregelung der Eigenbeteiligung an den
Schülerbeförderungskosten, die die Schüler an Gymnasien in der „Mittelstufe“ gegenüber den Schülern
der Realschule plus benachteilige, unmittelbar betroffen zu sein. Für seine Töchter, die sich derzeit in den
Klassenstufen 7 und 9 befinden, werde er vom zuständigen Landkreis zu einem Eigenanteil an den
Beförderungskosten von 21,-- € je Kind herangezogen. Der Begründung seiner Verfassungsbeschwerde
ist damit im Sinne von § 45 VerfGHG hinreichend deutlich zu entnehmen, dass seine Rechtsstellung durch
die Eigenbeteiligungsregelung des § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG berührt wird.
b) Gegenwärtig ist die Betroffenheit, wenn die angegriffene Vorschrift auf die Rechtsstellung des
Beschwerdeführers aktuell einwirkt (vgl. VerfGH RP, AS 31, 348 [350]). Dies ist hier der Fall. Dem steht
nicht entgegen, dass nach § 9 SchulstrukturEinfG während der Übergangszeit bis zum 31. Juli 2013 sich
die Schülerbeförderung für die Schüler der - noch bestehenden - Haupt- und Realschulen im
Wesentlichen nach den bisherigen Bestimmungen richtet. Die zum 1. August 2009 in Kraft getretene
Neuregelung der Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten in § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG gilt
für die Schüler der derzeit bereits errichteten Realschulen plus nicht erst nach Ablauf der genannten
Übergangszeit, so dass die vom Beschwerdeführer gerügte Ungleichbehandlung dieser Schüler
gegenüber den Schülern der Sekundarstufe I der Gymnasien schon gegenwärtig besteht.
c) Die Sachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof scheitert auch nicht am Erfordernis unmittelbarer
Betroffenheit.
Unmittelbare Betroffenheit verlangt, dass die Rechtsstellung des Beschwerdeführers durch die
angegriffene Rechtsnorm und nicht erst durch ihren Vollzug berührt wird. Bedarf ein Gesetz
rechtsnotwendig oder nach der tatsächlichen Vollzugspraxis der Umsetzung durch einen besonderen
Vollzugsakt, muss der Beschwerdeführer grundsätzlich zunächst diesen Akt angreifen und den gegen ihn
eröffneten Rechtsweg erschöpfen, bevor er die Verfassungsbeschwerde erhebt (vgl. VerfGH RP, AS 31,
348 [351] m.w.N.).
Da die angegriffene Norm in § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG lediglich zur Forderung eines angemessenen
Eigenanteils als Soll-Vorschrift ermächtigt, bedarf sie zu ihrer Umsetzung - neben der Bestimmung der
Einkommensgrenze durch die Landesverordnung vom 18. Mai 2009 (GVBl. S. 206) - noch eines
Vollzugsakts. Gegen diese Heranziehung zu einer Kostenbeteiligung könnte der Beschwerdeführer vor
den Verwaltungsgerichten um fachgerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen.
Jedoch schließt dies die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht aus. Mit dem Erfordernis
unmittelbarer Betroffenheit wird dem in § 44 Abs. 3 VerfGHG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der
Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde Rechnung getragen (vgl. VerfGH RP, AS 31, 348 [351]. Deshalb
ist die unmittelbare Betroffenheit trotz Vollzugsbedürftigkeit eines Gesetzes dann zu bejahen, wenn die
vorherige Klärung der tatsächlichen und einfachrechtlichen Grundlagen des Normvollzugs entbehrlich
und eine Vorabentscheidung über die verfassungsrechtlichen Fragen sachgerecht ist (vgl. VerfGH RP, AS
31, 348 [351]; 37, 292 [303]; Beschluss vom 12. Juli 2010 – VGH B 74/09, juris, Rn. 20). So liegt der Fall
hier, so dass der Beschwerdeführer nicht darauf verwiesen werden muss, zunächst die Verwaltungs-
gerichte anzurufen.
Die Beurteilung der erhobenen Rüge setzt nicht die Prüfung einfachrechtlicher oder tatsächlicher Fragen
voraus. Es ist zwar zutreffend, dass im Rahmen der Anwendung des § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG sowohl der
unbestimmte Rechtsbegriff des „angemessenen Eigenanteils“ ausgefüllt als auch das mit der Soll-
Vorschrift eröffnete ‑ intendierte - Ermessen ausgeübt werden muss. Diese Punkte werden mit der Ver-
fassungsbeschwerde jedoch nicht angegriffen. Der Beschwerdeführer hält nicht die Höhe der
Eigenbeteiligung für unangemessen und trägt auch keinen atypisch gelagerten Fall vor, um ein
Abweichen von der durch die Soll-Bestimmung für den Regelfall vorgegebenen Ermessensausübung zu
begründen. Er wendet sich auch nicht gegen die Höhe der in der genannten Landesverordnung
festgelegten Einkommensgrenzen für die Heranziehung zu einem Eigenanteil. Vielmehr rügt der
Beschwerdeführer die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Unterscheidung zwischen den
Schularten bei der Eigenbeteiligung an den Kosten der Schülerbeförderung, wonach im Bereich der
Sekundarstufe I für die Schüler der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen ein Eigenanteil gefordert
werden soll, nicht hingegen für die Schüler der neuen Realschule plus. Damit ist die Frage, ob die nach
§ 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG nur für bestimmte Schularten in der Sekundarstufe I vorgesehene
Kostenbeteiligung mit dem Gleichbehandlungsgebot und dem Willkürverbot vereinbar ist, allein nach
verfassungsrechtlichen Kriterien zu beantworten.
Wegen der großen Zahl der von der Regelung Betroffenen kommt der Verfassungsbeschwerde
allgemeine Bedeutung zu, weshalb eine Vorabentscheidung entsprechend § 44 Abs. 3 Satz 2 VerfGHG
angezeigt ist (vgl. VerfGH RP, AS 31, 348 [351]. Dem steht nicht entgegen, dass das
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 15. Mai 1990 (AS 23, 49) und das Bundesverwal-
tungsgericht mit Beschluss vom 22. Oktober 1990 (NVwZ-RR 1991, 197) die damals geltende Regelung
der Schülerbeförderungskosten, wonach für Schüler der Realschulen und Gymnasien ein Eigenanteil
gefordert werden kann, für vereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz erachtet haben. Diese
Entscheidungen betreffen zwar auch die Ungleichbehandlung der Schularten bei der Eigenbeteiligung an
den Schülerbeförderungskosten, sind jedoch noch auf Grundlage der seinerzeit bestehenden Schul-
struktur ergangen und treffen damit keine Aussage darüber, ob - wie vom Beschwerdeführer geltend
gemacht - die Neuregelung der Eigenbeteiligung nach der Schulstrukturreform mit Einführung der
Realschule plus gegen das Gleichbehandlungsgebot und Willkürverbot verstößt.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des
§ 46 Abs. 3 VerfGHG
erhoben
worden.
Zwar war eine der angegriffenen Bestimmung des § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG vergleichbare Vorschrift, die
von Schülern (auch) des Gymnasiums einen Eigenanteil an den Schülerbeförderungskosten festlegte,
bereits seit Inkrafttreten des Landesgesetzes zur Neuregelung der Schülerbeförderung und der
Kindergartenfahrten vom 2. Juli 1980 (GVBl. S. 146) zum 1. August 1980 im Schulgesetz enthalten (vgl.
§ 56 Abs. 4 Satz 5 SchulG in der seinerzeit geltenden Fassung). Die Frist des § 46 Abs. 3 VerfGHG ist
durch das Inkrafttreten des Landesgesetzes zur Änderung des Schulgesetzes vom 22. Dezember 2008
(GVBl. S. 340) am 1. August 2009 jedoch erneut ausgelöst worden, womit die am 22. März 2010
eingegangene Verfassungsbeschwerde fristgerecht erhoben ist.
Die Änderung eines Gesetzes setzt die Jahresfrist für die geänderten Vorschriften grundsätzlich neu in
Lauf. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Änderung rein redaktioneller Natur ist und den sachlichen
Gehalt der Norm unberührt lässt (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. März 2010 - VGH B 60/09, VGH B 70/09 -,
juris, Rn. 66 m.w.N. = LKRZ 2010, 216). Mit der Neufassung des § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG durch das
Landesgesetz vom 22. Dezember 2008 ist die Regelung über die Eigenbeteiligung an den Schüler-
beförderungskosten nicht nur redaktionell, sondern inhaltlich geändert worden. Während § 69 Abs. 4
Satz 4 SchulG in der bis 31. Juli 2009 geltenden Fassung noch Schüler der Realschulen in die Kosten-
pflicht mit einbezogen hat, sieht die Neufassung nur noch für Schüler der Integrierten Gesamtschulen und
Gymnasien eine Kostenbeteiligung vor. Wenngleich für Schüler der Gymnasien unverändert ein
Eigenanteil gefordert wird, hat die Regelung in § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG insoweit eine inhaltliche
Änderung erfahren, als die Schüler der bisherigen Realschulen, die mit der Schulstrukturreform in die
Realschulen plus überführt werden, nunmehr in die kostenlose Schülerbeförderung einbezogen worden
sind. Damit hat der Gesetzgeber die Gruppen der Schüler der Sekundarstufe I, für die ein Eigenanteil an
den Beförderungskosten gefordert werden soll, neu bestimmt.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG in der Fassung des
Landesgesetzes zur Änderung der Schulstruktur vom 22. Dezember 2008 (GVBl. S. 340) ist mit Art. 17
Abs. 1 und 2 LV nicht vereinbar.
1. a) Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 17 Abs. 1 und 2 LV) gebietet, Gleiches gleich und
Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Hieraus ergeben sich je nach
Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber,
die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse
reichen. Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es
wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten
auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Genauere Maßstäbe und Krite-
rien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht
abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und
Regelungsbereiche bestimmen. Der Gleichheitssatz ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich – bezogen auf
die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs – ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder
sonstwie einleuchtender Grund für die betreffende Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden
lässt (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. März 2010 und Beschluss vom 12. Juli 2010, a.a.O., jeweils m.w.N.;
BVerfGE 112, 164 [174]).
b) Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für
ungleiche Begünstigungen. Unzulässig ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss,
bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen aber vorenthalten wird. Bei der
Überprüfung, ob eine Regelung, die allein eine Begünstigung gewährt, den begünstigten vom nicht
begünstigten Personenkreis im Einklang mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz abgrenzt, ist
nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat,
sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner hierbei grundsätzlich weiten
Gestaltungsfreiheit eingehalten hat. Dem Gesetzgeber ist aber auch im Rahmen der gewährenden Ver-
waltung nicht gestattet, bei der Abgrenzung der Leistungsberechtigten sachwidrig zu differenzieren (vgl.
BVerfGE 112, 164 [174 f.] m.w.N.).
2. Nach diesen Maßstäben verstößt § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG in der Fassung des Landesgesetzes zur
Änderung der Schulstruktur vom 22. Dezember 2008 (GVBl. S. 340) gegen den allgemeinen
Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 17 Abs. 1 und 2 LV.
Die Neuregelung über die Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten nach der am 1. August
2009 in Kraft getretenen Schulstrukturreform sieht in § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG vor, dass im Bereich der
Sekundarstufe I (Klassenstufen 5 bis 10) allein für Schüler der Integrierten Gesamtschulen und
Gymnasien ein angemessener Eigenanteil an den Schülerbeförderungskosten gefordert werden soll,
wenn eine vom zuständigen Ministerium festzusetzende Einkommensgrenze überschritten wird. Für die
Benachteiligung dieser Schüler ‑ und deren unterhaltspflichtigen Eltern - gegenüber den Schülern der neu
eingeführten Realschule plus, deren Beförderungskosten vollständig ohne Eigenbeteiligung übernommen
werden, fehlen hinreichende sachliche Gründe.
Die historische Entwicklung der Regelung der Schülerbeförderungskosten zeigt zwar einleuchtende
Gründe auf für die ursprüngliche Differenzierung zwischen Hauptschülern einerseits und Schülern der
Realschulen und Gymnasien andererseits (a). Nach der Schulstrukturreform besteht jedoch für die
Schlechterstellung der Schüler der Sekundarstufe I der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen
gegenüber den Schülern der Realschule plus keine tragfähige Grundlage (b). Daher ist die angegriffene
Vorschrift mit Art. 17 Abs.1 und 2 LV nicht vereinbar (c).
a) Die aus öffentlichen Mitteln finanzierte Schülerbeförderung war nach der vom Landesgesetzgeber
verfolgten Konzeption anfänglich als Ausgleich dafür gedacht, dass die Neuorganisation des
Volksschulwesens im Jahre 1964 durch die Zusammenfassung von Schulen und Klassenstufen in großem
Umfang zu längeren Schulwegen führte. Daher wurde mit der Änderung des Volksschulgesetzes
– VSchG – vom 1. Juli 1964 (GVBl. S. 111) in § 57 Abs. 4 VSchG bestimmt, dass die Kosten für die
Beförderung der Schüler, die durch die Zusammenfassung entstehen, das Land trägt.
Mit der Überführung der Volksschule in die Grund- und Hauptschule im Jahre 1968 wurde diese
Regelung dahin ausgeweitet, dass sich das Land allgemein zur Tragung der angemessenen Kosten der
Beförderung von Schülern zur zuständigen Grund- oder Hauptschule verpflichtete, wenn ihnen der
Schulweg ohne Benutzung eines Verkehrsmittels nicht zumutbar war (vgl. § 52 des Landesgesetzes über
öffentliche Grund-, Haupt- und Sonderschulen - GHS SchG - vom 9. Mai 1968, GVBl. S. 73). Für die
Sonderschulen galt dies entsprechend (vgl. § 70 GHS SchG).
Das Schulgesetz vom 6. November 1974 (GVBl. S. 487) übernahm diese Regelung der Fahrkostenfreiheit
für den Besuch von Grund-, Haupt- und Sonderschulen (vgl. § 56 Abs. 1). Darüber hinaus sah es in § 56
Abs. 3 erstmals die Möglichkeit vor, die Beförderungskosten für andere Schularten nach Maßgabe des
Landeshaushaltsplans als freiwillige Leistung des Landes zu übernehmen. Eine Regelung dieses
Bereichs als Pflichtleistung - wie bei den Grund-, Haupt- und Sonderschulen – wurde im Hinblick auf die
Höhe der Finanzmittel, die damit gesetzlich festgeschrieben worden wären, seinerzeit als nicht vertretbar
angesehen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, LT-Drs. 7/2751, S. 76, zu § 55).
Im Jahre 1980 wurde die Schülerbeförderung den Landkreisen und kreisfreien Städten als Pflichtaufgabe
der Selbstverwaltung übertragen. Hierbei wurde nicht nur die Beförderung von Schülern der Grund-,
Haupt- und Sonderschulen, sondern auch der Realschulen und der Klassenstufen 5 bis 10 der
Gymnasien zur nächstgelegenen Schule zur Pflichtaufgabe erklärt (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 SchulG in
der Fassung des Landesgesetzes zur Neuregelung der Schülerbeförderung und der Kindergartenfahrten
vom 2. Juli 1980, GVBl. S. 146). Zugleich wurden die Aufgabenträger ermächtigt, für Schüler der
Realschulen und Gymnasien einen Eigenanteil von monatlich bis zu 15 DM, jedoch nur für höchstens
zwei Schüler in einer Familie, festzulegen. Für die Schüler der Grund-, Haupt- und Sonderschulen wurden
die Fahrkosten hingegen - wie bisher - ohne Eigenbeteiligung übernommen (vgl. § 56 Abs. 4 Satz 1 und 5
SchulG in der Fassung des Gesetzes vom 2. Juli 1980). Als eine Maßnahme des Landesgesetzes zur Ver-
besserung der Haushaltsfinanzierung vom 18. Dezember 1981 (GVBl. S. 331) wurde die gesetzliche
Regelung in § 56 Abs. 4 Satz 5 SchulG dahin geändert, dass nunmehr ein „angemessener Eigenanteil“ -
ohne Begrenzung auf 15 DM monatlich - für Schüler der Realschulen und Gymnasien gefordert werden
sollte (vgl. zur Entwicklung der Regelung der Schülerbeförderungskosten auch OVG Rheinland-Pfalz, AS
23, 49 [51 ff.]).
Diese Differenzierung zwischen Hauptschülern einerseits und Schülern der Realschulen und Gymnasien
andererseits erachteten sowohl das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (AS 23, 49 [53 f.]) als auch
ihm folgend das Bundesverwaltungsgericht (NVwZ-RR 1991, 197) für verfassungsrechtlich zulässig,
insbesondere für vereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem daraus folgenden Willkür-
verbot. Die Regelung knüpfe an den sachlichen Umstand an, dass die aus öffentlichen Mitteln finanzierte
Schülerbeförderung als eine Standardeinrichtung für Regelbedürfnisse entstanden sei, die für jedes Kind
ohne zusätzliche Anforderungen grundsätzlich durch den Besuch der Hauptschule erfüllt werden könnten,
in deren Schulbezirk es wohne. Soweit die Bildungsbedürfnisse eines Schulkindes wegen seiner über
das zum Hauptschulabschluss erforderliche Maß hinausreichenden Begabung jene Regelbedürfnisse
überstiegen, könne der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gesondert prüfen und abwä-
gen, ob es die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand unter Berücksichtigung ihrer zahlreichen
sonstigen Aufgaben rechtfertige, auch die Eltern solcher Kinder ganz oder teilweise von den zur Erfüllung
dieser besonderen Bedürfnisse notwendigen Kosten freizustellen. Es sei sachlich vertretbar, dass der
Staat unter dem Zwang zu sparen seine finanziellen Leistungen für die Kosten der Schülerbeförderung in
erster Linie solchen Schülern zuwende, die mangels der für den Besuch einer „höheren“ Schule
erforderlichen Begabung oder wegen der Entscheidung ihrer Erziehungsberechtigten verpflichtet seien,
sich bei der Erfüllung ihrer Schulpflicht mit der von ihm vorgehaltenen Standardeinrichtung für
Regelbedürfnisse zu begnügen.
Hiergegen ist aus landesverfassungsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden. Es war auch nach
Einschätzung des Verfassungsgerichtshofs sachlich begründet, dass ursprünglich - zu Zeiten des
dreigliedrigen Schulsystems (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) - angesichts der begrenzten
finanziellen Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand die Beförderungskosten von Schülern der
Realschulen und Gymnasien nicht im gleichen Umfang übernommen wurden wie die von Schülern der
Hauptschulen, weil an diesen im Sinne einer „Grundversorgung“ grundsätzlich jeder schulpflichtige
Schüler seine Schulpflicht erfüllen konnte.
b) Die Neuregelung der Eigenbeteiligung in § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG nach der am 1. August 2009 in
Kraft getretenen Schulstrukturreform unterscheidet nunmehr zwischen den Schülern der Sekundarstufe I
der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen einerseits, für die ein angemessener Eigenanteil an den
Schülerbeförderungskosten gefordert werden soll, wenn eine vom zuständigen Ministerium fest-
zusetzende Einkommensgrenze überschritten wird, und den Schülern der neu eingeführten Realschule
plus, deren Beförderungskosten vollständig ohne Eigenbeteiligung übernommen werden. Für diese
Schlechterstellung der Schüler der Sekundarstufe I der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen
gegenüber den Schülern der Realschule plus bestehen keine hinreichenden sachlichen Gründe.
aa) Für die unterschiedliche Behandlung der Schüler der Sekundarstufe I (Klassen 5 – 10) der
verschiedenen Schularten hat sich der Gesetzgeber ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs von
folgenden Überlegungen leiten lassen (vgl. LT-Drs. 15/2514, S. 44):
„Die Änderung der Schulstruktur bedingt eine Anpassung der Regelungen zur Schülerbeförderung. Nach
Abschluss der Schulstruktur im Jahre 2013 wird es keine Hauptschulen und Regionale Schulen als
sogenannte Pflichtschulen mehr geben. Diese Rolle nimmt künftig die Realschule plus ein, die den
Bildungsgang zur Erreichung der Berufsreife entweder integrativ oder abschlussbezogen anbietet. Der bil-
dungspolitische Grundsatz, der den bisherigen Bestimmungen zugrunde liegt, dass die Beförderung zu
der Schule, die den Mindestabschluss (Berufsreife) verleiht, kostenlos sein soll, bedingt, dass künftig alle
Schülerinnen und Schüler der Realschule plus so behandelt werden wie die Schülerinnen und Schüler
der bisherigen Regionalen Schulen und der Hauptschulen. (…) Ausgehend von dem bisherigen
Grundsatz, dass die Beförderung zur Schule, die den Mindestabschluss (Berufsreife) anbietet, kostenlos
sein soll, wird künftig nur noch von Schülerinnen und Schülern der Integrierten Gesamtschulen und
Gymnasien ein angemessener Eigenanteil gefordert. Da die Realschule plus künftig quasi die Funktion
einer Pflichtschule übernimmt, wird hier kein Eigenanteil gefordert. Damit wird die bisher bestehende
Rechtslage für Schülerinnen und Schüler der Hauptschulen und Regionalen Schulen auf alle
Schülerinnen und Schüler der Realschule plus übertragen.“
Mit der Neuregelung der Eigenbeteiligung verfolgt der Gesetzgeber demnach als „bildungspolitischen
Grundsatz“ das Ziel, - wie bisher - eine kostenlose Beförderung zu der Schulart zu gewähren, die den
Mindestabschluss (Berufsreife) verleiht. Maßgeblich für die Ungleichbehandlung ist mithin in erster Linie
der von der Schulart angebotene Abschluss, nämlich der Mindestabschluss der Berufsreife.
Dieses abschlussbezogene Kriterium bildet jedoch keine tragfähige Grundlage für die mit der
Neuregelung vorgenommene Differenzierung. Zwar bietet nach der Schulstrukturreform die Realschule
plus den Mindestabschluss an, da sie nach § 10 Abs. 3 Satz 1 SchulG - wie die ehemalige Hauptschule –
zur Qualifikation der Berufsreife führt. Dies gilt aber ebenso für die Integrierte Gesamtschule, die ebenfalls
zur Qualifikation der Berufsreife führt (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 1 SchulG). Der von der Schulart angebotene
Mindestabschluss der Berufsreife vermag daher die unterschiedliche Behandlung der jeweiligen Schüler
der Sekundarstufe I bei der Eigenbeteiligung an den Beförderungskosten nicht zu rechtfertigen.
Es kommt hinzu, dass die kostenlose Beförderung allen Schülern der Realschule plus gewährt wird, nicht
nur den Schülern des Bildungsganges zur Erlangung der Berufsreife. Die Realschule plus führt vielmehr -
wie die ehemalige Realschule - auch zum qualifizierten Sekundarabschluss I und umfasst daher auch
Schüler des Bildungsganges zur Erlangung dieses Abschlusses (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 SchulG).
Sie kann in zwei Schulformen eingerichtet werden: als Integrative Realschule und als Kooperative
Realschule (vgl. § 10 a Abs. 1 SchulG). In der Kooperativen Realschule wird ab der Klassenstufe 7 in
abschlussbezogene Klassen der Bildungsgänge zur Erlangung der Berufsreife und zur Erlangung des
qualifizierten Sekundarabschlusses I differenziert, während in der Integrativen Realschule ab der
Klassenstufe 7 Fachleistungsdifferenzierung in Kursen und in klasseninternen Lerngruppen stattfindet; ab
Klassenstufe 8 können allerdings auch hier abschlussbezogene Klassen gebildet werden (vgl. § 10 a
Abs. 2 und 3 SchulG). Demnach befindet sich ab der Klassenstufe 7 bzw. 8 ein Teil der Schüler der
Realschulen plus in abschlussbezogenen Klassen des Bildungsganges zur Erlangung des qualifizierten
Sekundarabschlusses I.
Die kostenlose Beförderung dieses Teils der Schüler der Realschulen plus kann daher nicht - jedenfalls
nicht allein - mit dem von der Schulart auch angebotenen Mindestabschluss der Berufsreife gerechtfertigt
werden, weil diesem Teil der Schüler nicht die Qualifikation der Berufsreife, sondern der qualifizierte
Sekundarabschluss I in abschlussbezogenen Klassen verliehen wird. Der diesem Teil der Schüler der
Realschulen plus verliehene Abschluss rechtfertigt insbesondere nicht deren Besserstellung gegenüber
den Schülern der Sekundarstufe I der Integrierten Gesamtschulen. Die Integrierte Gesamtschule führt
nämlich ebenso wie die Realschule plus auch - neben der Qualifikation der Berufsreife - zum qualifizierten
Sekundarabschluss I (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 1 SchulG). Gleiches gilt für die Schüler der Sekundarstufe I der
Gymnasien. Die Sekundarstufe I des Gymnasiums vermittelt ebenfalls den qualifizierten
Sekundarabschluss I, wenngleich das Gymnasium anders als die Realschule plus und die Integrierte
Gesamtschule nicht die Qualifikation der Berufsreife anbietet, sondern zur allgemeinen Hochschulreife
führt (vgl. § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SchulG).
Nach alledem kann die Besserstellung der Schüler der Realschulen plus gegenüber den Schülern der
Sekundarstufe I der Integrierten Gesamtschulen und Gymnasien nicht - allein - damit gerechtfertigt
werden, dass die Realschule plus den Mindestabschluss der Berufsreife anbietet.
bb) Ausweislich der oben wiedergegebenen Gesetzesbegründung wird für die Schüler der Realschule
plus auch deswegen keine Eigenbeteiligung gefordert, weil sie „quasi die Funktion einer Pflichtschule“
übernehme, die bisher die Hauptschulen und Regionalen Schulen gehabt hätten.
Mit der Unterscheidung zwischen Pflicht- und Wahlschule lässt sich indes zumindest seit der
Schulstrukturreform im Jahre 2009 eine unterschiedliche Behandlung bei den Kosten der
Schülerbeförderung nicht mehr begründen. Dies gilt unabhängig davon, ob man mit dem Begriff der
Pflichtschule an die Schulpflicht oder an die sogenannte Sprengelpflicht anknüpft.
Als Pflichtschulen werden herkömmlich die Schulen bezeichnet, in denen der Schüler die Schulpflicht
erfüllt (vgl. Avenarius/Heckel, Schulrechtskunde, 7. Aufl. 2000, Tz. 3.15). So sah § 5 Abs. 1 des
Schulpflichtgesetzes vom 22. Dezember 1955 (GVBl. S. 115) vor, dass die allgemeine Schulpflicht
grundsätzlich durch den Besuch der Volksschule erfüllt wird. Von der Pflicht zum Besuch der Volksschule
war gemäß § 5 Abs. 2 Buchstabe b) des Schulpflichtgesetzes „befreit“, wer eine Schule besuchte, deren
Lernziel über das der Volksschule hinausging, also die damaligen Mittelschulen oder höheren Schulen
(die späteren Realschulen und Gymnasien). Zu dieser Zeit wurde die Schulpflicht nach der gesetzlichen
Regelung daher allein durch den Besuch der Volksschule - als Pflichtschule - erfüllt, während für den
Besuch der Mittelschule oder höheren Schule eine Befreiung erfolgte, die demgemäß als Wahlschulen
bezeichnet wurden.
Allerdings wurde bereits mit Gesetz vom 28. Juli 1966 (GVBl. S. 207) das Schulpflichtgesetz dahin gehend
geändert, dass die Schulpflicht durch den Besuch sämtlicher weiterführender Schulen (Hauptschule,
Realschule und Gymnasium) erfüllt werden konnte. Dies gilt auch gegenwärtig nach der
Schulstrukturreform (vgl. §§ 56, 60 SchulG). Mit Blick auf die Schulpflicht lässt sich damit eine Unter-
scheidung zwischen Pflicht- und Wahlschulen schon seit dem Jahr 1966 nicht mehr begründen.
Als Pflichtschulen werden darüber hinaus solche Schulen bezeichnet, für die eine sogenannte
Sprengelpflicht besteht: der Schüler muss die Schule besuchen, in deren Schulbezirk er wohnt (vgl.
Avenarius/Heckel, a.a.O., Tz. 3.15 und 4.34). In diesem Sinne waren die Hauptschulen Pflichtschulen, da
das Schulgesetz für sie Schulbezirke und eine entsprechende Sprengelpflicht vorsah (teilweise auch für
die Regionalen Schulen, vgl. § 62 Abs.1 und 3 Satz 3 SchulG a.F.). Die Realschule plus hat diese
Funktion der Hauptschulen jedoch nicht übernommen. Seit der Schulstrukturreform mit Gesetz vom
22. Dezember 2008 gibt es im Bereich der Sekundarstufe I keine Schulbezirke für bestimmte Schularten
mehr. Schulbezirke werden nur noch für Grundschulen gebildet (vgl. § 62 Abs. 1 SchulG); daneben
besteht lediglich für sämtliche Schularten die Möglichkeit, Einzugsbereiche zu bilden (§ 93 SchulG).
Mangels Schulbezirk und daraus folgender Sprengelpflicht kann die Realschule plus auch insofern nicht
als Pflichtschule bezeichnet werden.
Unerheblich ist der in der mündlichen Verhandlung für die Qualifizierung als Pflichtschule angeführte
Umstand, dass die Realschule plus als einzige Schulart die Aufnahme von Schülern aus
Kapazitätsgründen nicht verweigern dürfe. Selbst wenn insoweit ein Unterschied zur Integrierten
Gesamtschule bestehen sollte, ist nicht erkennbar, weshalb die Möglichkeit der Ablehnung von Schülern
wegen Kapazitätsauslastung die Schlechterstellung der von den Integrierten Gesamtschulen auf-
genommenen Schülern gegenüber den von den Realschulen plus aufgenommenen Schülern bei den
Fahrkosten sachlich rechtfertigen könnte.
cc) Es sind auch keine sonstigen Gründe ersichtlich, die die Ungleichbehandlung der Schüler der
Integrierten Gesamtschulen und Gymnasien gegenüber den Schülern der Realschulen plus sachlich
rechtfertigen.
Die Realschule plus unterscheidet sich insbesondere von der Integrierten Gesamtschule nicht dadurch,
dass allein sie eine „Standardeinrichtung für Regelbedürfnisse“ wie die ehemalige Hauptschule zu Zeiten
des dreigliedrigen Schulsystems (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) wäre, an der im Sinne einer
„Grundversorgung“ grundsätzlich jeder schulpflichtige Schüler seine Schulpflicht erfüllen kann, wenn er
nach Begabung und Leistung oder elterlicher Einschätzung für den Besuch einer Schule, an der eine mit
zusätzlichen Anforderungen verbundene Ausbildung mit weiterführendem Abschluss vermittelt wird, nicht
geeignet erscheint.
(1) Zwar unterscheidet sich die Realschule plus von der Integrierten Gesamtschule und dem Gymnasium
hinsichtlich der angebotenen Abschlüsse. Während sie nur die Qualifikation der Berufsreife und den
qualifizierten Sekundarabschluss I verleiht (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 SchulG), führt die Integrierte
Gesamtschule darüber hinaus zur Berechtigung zum Übergang in die gymnasiale Oberstufe; sie umfasst
auch in der Regel eine gymnasiale Oberstufe, die ebenso wie das Gymnasium zur allgemeinen
Hochschulreife führt (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 1 und 2 SchulG). Dies ändert aber nichts daran, dass die
Integrierte Gesamtschule ebenso wie die Realschule plus den Mindestabschluss der Berufsreife und den
qualifizierten Sekundarabschluss I anbietet. Jeder Schüler, der nach Begabung und Leistung oder
elterlicher Einschätzung für den weiterführenden Schulabschluss der allgemeinen Hochschulreife nicht
geeignet erscheint, kann daher seine Schulpflicht im Sinne einer „Grundversorgung“ nicht nur an einer
Realschule plus, sondern auch an einer Integrierten Gesamtschule erfüllen.
Im Übrigen führt die Realschule plus zwar im Gegensatz zur Integrierten Gesamtschule mangels
gymnasialer Oberstufe nicht selbst zur allgemeinen Hochschulreife. An ihr kann jedoch ebenfalls die
Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe erworben werden, wenn die Schüler den
qualifizierten Sekundarabschluss I und im Abschlusszeugnis der Klassenstufe 10 bestimmte Leistungen
erreichen (vgl. § 30 Abs. 1 und 2 der Schulordnung für die öffentlichen Realschulen plus, Integrierten
Gesamtschulen, Gymnasien, Kollegs und Abendgymnasien - Übergreifende Schulordnung - vom 12. Juni
2009, GVBl. S. 224).
Ein erheblicher Unterschied besteht danach nur zum Gymnasium, das den Mindestabschluss der
Berufsreife und damit eine schulische „Grundversorgung“ zur Erfüllung der Schulpflicht nicht anbietet (vgl.
§ 10 Abs. 4 SchulG), nicht jedoch zur Integrierten Gesamtschule.
(2) Etwas anderes lässt sich nicht aus dem von der Landesregierung angeführten Umstand herleiten, dass
die Realschule plus die einzige Schulart ist, bei der abschlussbezogene Klassen des Bildungsgangs zur
Erlangung der Berufsreife gebildet werden können (vgl. § 10a Abs. 2 und 3 SchulG), während für die Inte-
grierte Gesamtschule ein weitgehend gemeinsamer Unterricht vorgesehen ist (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 3
SchulG).
Die darin liegenden Unterschiede haben zum einen keinerlei Einfluss auf den in beiden Schularten zu
erreichenden Mindestabschluss (Berufsreife). Zum anderen sind diese Unterschiede nicht so bedeutsam,
dass sie die Funktion der Integrierten Gesamtschulen für eine „Grundversorgung“ zur Erfüllung der
Schulpflicht in Frage und ihre Schlechterstellung bei der Schülerbeförderung rechtfertigen können. So ist
in den Klassenstufen 5 und 6 für beide Schularten eine Orientierungsstufe mit Unterricht im
Klassenverband vorgesehen ist (vgl. § 9 Abs. 6 SchulG). Ab Klassenstufe 7 werden abschlussbezogene
Klassen in der Realschule plus lediglich in der Schulform der Kooperativen Realschule zwingend gebildet
(vgl. § 10a Abs. 3 SchulG), während bei der Integrativen Realschule Fachleistungsdifferenzierung in
Kursen oder in klasseninternen Lerngruppen stattfindet; ab Klassenstufe 8 können - fakultativ -
abschlussbezogene Klassen gebildet werde (vgl. § 10a Abs. 2 SchulG). Die Klassenbildung der
Realschule plus entspricht daher in den Klassenstufen 5 und 6 generell sowie ab Klassenstufe 7
Realschule plus entspricht daher in den Klassenstufen 5 und 6 generell sowie ab Klassenstufe 7
jedenfalls bei einem Teil der Schüler weitgehend dem der Integrierten Gesamtschule, bei der der
Unterricht im Klassenverband mit der Möglichkeit der inneren Differenzierung oder in Kursen mit einer
Differenzierung nach Leistung oder in klasseninternen Lerngruppen erfolgt (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 4
SchulG).
(3) Eine der Realschule plus vergleichbare Funktion der „Grundversorgung“ zur Erfüllung der Schulpflicht
lässt sich der Integrierten Gesamtschule auch nicht im Hinblick auf ihre tatsächliche Stellung absprechen.
Zwar besteht auf Seiten der Realschule plus ein deutliches Übergewicht bei der genannten
Versorgungsfunktion, da nach Angaben der Landesregierung im Schuljahr 2009/10 rund 85 v.H. der
Schüler, die den Mindestabschluss der Berufsreife erwerben, diesen an einer ‑ bereits bestehenden oder
künftigen - Realschule plus erlangen. Dies belegt aber nur die relative Bedeutung der Realschulen plus
bei der schulischen „Grundversorgung“ im Bereich der Sekundarstufe I. Es stellt indes nicht in Frage, dass
hierbei auch den Integrierten Gesamtschulen eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung zukommt.
Hinzu kommt, dass nach den bisherigen Erfahrungen auch an den Realschulen plus der Schwerpunkt
nicht in der Vermittlung des Mindestabschlusses der Berufsreife liegt. Vielmehr erwirbt die große Mehrheit
der Absolventen der Realschule plus nicht den Mindestabschluss (nur 37 v.H.), sondern den qualifizierten
Sekundarabschluss I (63 v.H.).
dd) Nach alledem bestehen keine hinreichenden sachlichen Gründe für die Ungleichbehandlung der
Schüler der Realschulen plus insbesondere gegenüber den Schülern der Sekundarstufe I der Integrierten
Gesamtschulen bei der Eigenbeteiligung an den Beförderungskosten in § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG. Dies
lässt auch die darin zugleich getroffene Regelung über die Eigenbeteiligung der Schüler der
Sekundarstufe I der Gymnasien nicht unberührt. Vielmehr fehlt es damit für die Regelung zur Eigenbetei-
ligung an den Schülerbeförderungskosten insgesamt an einer tragfähigen Grundlage. Der festgestellte
Gleichheitsverstoß erlaubt es nicht, allein die Eigenbeteiligung der Schüler der Sekundarstufe I der
Gymnasien aufrechtzuerhalten. Das vom Gesetzgeber zur Begründung seiner Eigenbeteiligungsregelung
zugrunde gelegte Konzept, eine kostenlose Beförderung zu der Schulart zu gewähren, die den
Mindestabschluss (Berufsreife) verleiht, könnte eine alleinige Eigenbeteiligung dieser Schüler der
Gymnasien sachlich nicht begründen: Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, diese Schüler gegenüber
denen der Sekundarstufe I der Integrierten Gesamtschulen bei der Eigenbeteiligung schlechter zu stellen.
Die Integrierte Gesamtschule führt nämlich - wie oben dargelegt - nicht nur zur Qualifikation der
Berufsreife und zum qualifizierten Sekundarabschluss I, sondern auch zur Berechtigung zum Übergang in
die gymnasiale Oberstufe, die eine Integrierte Gesamtschule in der Regel umfasst, und damit zur
allgemeinen Hochschulreife (vgl. nochmals § 10 Abs. 6 Satz 1 und 2 SchulG). Jedenfalls für den Teil der
Schüler der Sekundarstufe I der Integrierten Gesamtschulen, die dort anschließend zur allgemeinen
Hochschulreife geführt werden, wäre kein sachlicher Grund ersichtlich für eine Besserstellung gegenüber
den Schülern der Sekundarstufe I der Gymnasien, die ebenfalls zur allgemeinen Hochschulreife geführt
werden. Die dargelegten Gemeinsamkeiten zwischen den Schülern der Realschulen plus und der
Integrierten Gesamtschulen einerseits und einem nicht unbeträchtlichen Teil der Schüler der Integrierten
Gesamtschulen und Gymnasien im Bereich der Sekundarstufe I andererseits führen demnach dazu, dass
eine schulartbezogene Abgrenzung der Begünstigten bzw. zu einer Eigenbeteiligung Verpflichteten sich
als sachwidrig erweist.
Darüber hinaus liegt für die Ungleichbehandlung der Schüler der Realschulen plus gegenüber den
Schülern der Sekundarstufe I der Gymnasien auch auf der Grundlage eines unmittelbaren Vergleichs kein
hinreichender sachlicher Grund vor. Zwar besteht insofern zwischen diesen beiden Schularten ein
erheblicher Unterschied, als das Gymnasium - wie dargelegt - den Mindestabschluss der Berufsreife und
damit eine schulische „Grundversorgung“ zur Erfüllung der Schulpflicht nicht anbietet. Es vermittelt aber
zum einen ebenso wie die Realschule plus den qualifizierten Sekundarabschluss I. Zum anderen können
Schüler der Realschule plus mit dem qualifizierten Sekundarabschluss I, der einem Teil der Schüler in
abschlussbezogenen Klassen verliehen wird, die Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe
erwerben, wenn sie im Abschlusszeugnis der Klassenstufe 10 bestimmte Leistungen aufweisen (vgl.
nochmals § 30 Abs. 1 und 2 der Übergreifenden Schulordnung). Jedenfalls für diesen Teil der Schüler der
Realschule plus ist kein sachlicher Grund für ihre Besserstellung gegenüber den Schülern der Sekun-
darstufe I der Gymnasien ersichtlich. Die generelle Besserstellung der Schüler der Realschulen plus, d.h.
auch desjenigen Teils, der sich nicht mit der schulischen „Grundversorgung“ durch Verleihung des
Mindestabschlusses begnügt, erscheint daher sachlich nicht gerechtfertigt.
Verstößt demnach die gesetzliche Regelung über die Eigenbeteiligung an den
Schülerbeförderungskosten in § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG insgesamt mangels hinreichender sachlicher
Rechtfertigung gegen Art. 17 Abs. 1 und 2 LV, so wird der Beschwerdeführer, dessen Kinder ein
Gymnasium in der Sekundarstufe I besuchen, in seinen Rechten hieraus verletzt.
c) Die Verfassungswidrigkeit des gesetzgeberischen Verstoßes gegen das allgemeine
Gleichbehandlungsgebot führt dazu, die angegriffene Regelung des § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG für
unvereinbar mit Art. 17 Abs. 1 und 2 LV zu erklären.
aa) Rechtsfolge der Verfassungswidrigkeit ist nicht ausnahmslos die Nichtigkeit der Norm, es kommt auch
eine bloße Unvereinbarkeitserklärung in Betracht (vgl. VerfGH RP, AS 33, 66 [75]. Diese ist unter anderem
dann angezeigt, wenn der Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten hat, den verfassungswidrigen Zustand zu
beseitigen (vgl. BVerfGE 87, 153 [178] m.w.N.).
Das ist hier der Fall. Der Gesetzgeber ist nicht darauf beschränkt, den verfassungswidrigen Zustand
dadurch zu beseitigen, dass er die angegriffene Eigenbeteiligungsregelung für Schüler der Sekundarstufe
I der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen ersatzlos streicht und damit auch diese Gruppe von
Schülern in die Begünstigung einer kostenlosen Schülerbeförderung einbezieht. Er kann vielmehr auch
unter Berücksichtigung der begrenzten Mittel der öffentlichen Hand das Fördersystem der
Schülerbeförderung vollständig neu ausrichten und beispielsweise generell für alle Schüler der
Sekundarstufe I unabhängig von der Schulart ‑ gegebenenfalls unter Berücksichtigung der sozialen
Belastbarkeit der Betroffenen - eine Eigenbeteiligung vorsehen.
bb) Die Erfordernisse verlässlicher Finanzplanung rechtfertigen es, dass die angegriffene Regelung des
§ 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG weiter angewendet werden kann, bis der Gesetzgeber eine Neuregelung
getroffen hat, längstens bis zum 31. Juli 2012. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens mit Wirkung
zum 1. August 2012 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.
3. Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist kostenfrei (§ 21 Abs. 1 VerfGHG). Der Ausspruch
über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 21 a Abs. 1 VerfGHG.
gez. Prof. Dr. Meyer gez. Steppling gez. Dr. Saftig