Urteil des VerfGH Rheinland-Pfalz vom 25.01.2006

VerfGH Rheinland-Pfalz: verfassungsbeschwerde, öffentliche gewalt, zahl, gemeinde, finanzausgleich, daten, verfügung, ergänzung, vergleich, scheidung

VerfGH
Rheinland-Pfalz
25.01.2006
VGH B 1/05
Verfassungsrecht, Lasten- und Finanzausgleich
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
betreffend die Verfassungsbeschwerde
der Ortsgemeinde Bann, vertreten durch den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Landstuhl,
Kaiserstr. 49, 66849 Landstuhl,
gegen 1. das Urteil des Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom
8. Juni 2004 - 7 A 11227/03.OVG -
2. mittelbar die zugrunde liegende Rechtsvorschrift des § 11 Abs. 4 Nr. 1 des
Landesfinanzausgleichsgesetzes
Bevollmächtigter: Universitätsprofessor Dr. Willy Spannowsky,
Auf dem Kleehügel 17, 67706 Krickenbach,
hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
25. Januar 2006, an der teilgenommen haben
Präsident des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Meyer
Präsident des Oberlandesgerichts Dr. Bamberger
Präsident des Oberlandesgerichts Dury
Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling
Universitätsprofessor Dr. Dr. Merten
Präsidentin des Verwaltungsgerichts Dr. Freimund-Holler
Landrätin Röhl
Rechtsanwalt Schnarr
Chemielaborant i.R. Obenauer
für Recht erkannt:
1. a) § 11 Abs. 4 Nr. 1 des Landesfinanzausgleichsgesetzes - LFAG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom
22. Dezember 2004 (GVBl. S. 579), ist mit Art. 49 Abs. 6 Satz 1 in Verbindung mit Art. 49 Abs. 1 und 3 der
Landesverfassung unvereinbar, soweit zur Festsetzung des nach dieser Regelung zu bemessenden
Leistungsansatzes die nicht kasernierten Soldaten der ausländischen Stationierungsstreitkräfte im
Gegensatz zu den Familien- und Zivilangehörigen der ausländischen Stationierungsstreitkräfte unberück-
sichtigt bleiben.
b) Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2007 eine verfassungsgemäße Regelung zu
treffen.
2. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2004 - 7 A 11227/03.OVG -
verletzt die Beschwerdeführerin in ihrer Selbstverwaltungs- und Finanzausstattungsgarantie gemäß Art.
49 Abs. 6 Satz 1 in Verbindung mit Art. 49 Abs. 1 und 3 der Landesverfassung. Das Urteil wird auf-
gehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
zurückverwiesen.
3. Der Beschwerdeführerin sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren verursachten
notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten.
A.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz,
durch das die Berufung der Beschwerdeführerin gegen ein klageabweisendes Urteil des
Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße zurückgewiesen worden ist. Mit ihrer Klage hatte sie die
Festsetzung höherer Schlüsselzuweisungen B 2 für das Jahr 2001 mit der Begründung begehrt, im
Rahmen des Leistungsansatzes für die ausländischen Stationierungsstreitkräfte müsse auch die Zahl der
nicht kasernierten Soldaten berücksichtigt werden. Hilfsweise erstrebt die Beschwerdeführerin die
Feststellung, der Gesetzgeber habe es in verfassungswidriger Weise unterlassen, § 11 Abs. 4 Nr. 1 des
Landesfinanzausgleichsgesetzes vom 30. November 1999 - LFAG 1999 - (GVBl. S. 415) entsprechend zu
ergänzen.
I.
Die Schlüsselzuweisung B 2 gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 LFAG stellt nach Funktion und Umfang ein zentrales
Element des kommunalen Finanzausgleichs dar. Mit ihr wird den kommunalen Gebietskörperschaften die
Hälfte des Unterschiedsbetrages zwischen der Bedarfsmesszahl und der Finanzkraftmesszahl gewährt,
die nach einem in den §§ 11 und 12 LFAG geregelten Verfahren errechnet werden. Das Verfahren
bewirkt, dass dem ermittelten Finanzbedarf einer Kommune ihre errechnete Finanzkraft gegenübergestellt
und eine sich daraus ergebende Unterdeckung zur Hälfte ausgeglichen wird.
Zur Bestimmung der Bedarfsmesszahl wird der sogenannte Gesamtansatz mit einem einheitlichen
Grundbetrag gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 LFAG vervielfacht. Der maßgebliche Gesamtansatz setzt sich
seinerseits nach § 11 Abs. 1 Satz 2 LFAG aus der Summe des Hauptansatzes gemäß § 11 Abs. 3 LFAG
und der Leistungsansätze gemäß § 11 Abs. 4 LFAG zusammen. Der vorrangige Hauptansatz entspricht im
Grundsatz gemäß § 11 Abs. 3 in Verbindung mit § 29 Abs. 1 LFAG der Einwohnerzahl der
Gebietskörperschaft, deren prozentualer Ansatz zwischen den drei Gruppen der Verbandsgemeinden,
verbandsfreien Gemeinden und großen kreisangehörigen Städten (36 v.H.), der Landkreise (64 v.H.) und
der kreisfreien Städte (100 v.H.) differiert. Ergänzt wird der Hauptansatz gegenwärtig durch insgesamt fünf
Leistungsansätze gemäß § 11 Abs. 4 Nr. 1 bis 5 LFAG, die kommunale Sonderbedarfe erfassen sollen.
Die hier maßgebliche Regelung des § 11 Abs. 4 Nr. 1 LFAG lautet wie folgt:
1. Ansatz für Familienangehörige und Zivilangehörige der ausländischen Stationierungsstreitkräfte
Der Ansatz beträgt bei Gemeinden 35 v.H. der nach dem Stand vom 30. Juni des Vorjahres ermittelten
Zahl der Familienangehörigen und Zivilangehörigen der ausländischen Stationierungsstreitkräfte, soweit
diese nicht den deutschen Meldevorschriften unterliegen.
2. ...
Soweit eine Ortsgemeinde die Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 Nr. 1 LFAG erfüllt, wird der jeweilige
Leistungsansatz gemäß § 11 Abs. 5 Satz 1 LFAG der Verbandsgemeinde gewährt. Allerdings hat gemäß §
11 Abs. 5 Satz 2 LFAG die Verbandsgemeinde den auf den Leistungsansatz der Ortsgemeinde
entfallenden Teilbetrag ihrer Schlüsselzuweisungen im Falle des Abs. 4 Nr. 1 zu 60 v.H. an die
Ortsgemeinde weiterzuleiten.
II.
Mit Bescheid vom 22. August 2001 setzte das Ministerium des Innern und für Sport gegenüber der
Verbandsgemeinde Landstuhl, der die Beschwerdeführerin als Ortsgemeinde angehört, die
Schlüsselzuweisungen für das Jahr 2001 fest. Bei der Bestimmung des Leistungsansatzes gemäß § 11
Abs. 4 Nr. 1 LFAG blieb die Zahl der nicht kasernierten Soldaten der ausländischen
Stationierungsstreitkräfte unberücksichtigt. Sie beträgt nach Angaben der Beschwerdeführerin, bezogen
auf das Jahr 2001, 165 bei einer Gesamtzahl der berücksichtigungsfähigen Familien- und
Zivilangehörigen von 285.
Mit ihrer in der Folge beim Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße erhobenen Klage hat die
Beschwerdeführerin das Ziel verfolgt, das beklagte Land zu verpflichten, unter Aufhebung seines
Bescheides vom 22. August 2001 für die Verbandsgemeinde Landstuhl, bezogen auf das Jahr 2001,
zusätzlich 13.087,-- € als an sie auszukehrende Schlüsselzuweisung B 2 unter Berücksichtigung eines
Leistungsansatzes für nicht kasernierte Soldaten festzusetzen. Der Betrag entspricht 60 v.H. des auf die
Verbandsgemeinde entfallenden erhöhten Leistungsansatzes.
Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hat die Klage durch Urteil vom 21. Mai 2003
abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, der Gesetzgeber besitze bei der Ausgestaltung des
Finanzausgleichs einen weiten Handlungsspielraum, dessen Grenzen er bei der Festsetzung des
besonderen Leistungsansatzes für ausländische Stationierungsstreitkräfte nicht überschritten habe.
Die gegen das Urteil eingelegte Berufung der Beschwerdeführerin hat das Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz durch Urteil vom 8. Juni 2004 mit im Wesentlichen folgender Begründung
zurückgewiesen:
Die Klage erweise sich als unbegründet, da der angefochtene Festsetzungsbescheid der Rechtslage ent-
spreche. Die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen lägen noch im Rahmen des gesetzgeberischen
Ermessens. Aus der Finanzausstattungsgarantie nach Art. 49 Abs. 5 LV a.F. und dem
Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde nach Art. 49 Abs. 3 LV ergebe sich unter Berücksichtigung des
Rechtsstaatsprinzips das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung hinsichtlich der Teilhabe an den
Mitteln des Finanzausgleichs. Dem Gesetzgeber obliege es im Rahmen seiner verhältnismäßig weiten
Gestaltungsfreiheit, den Finanzbedarf von Land, Gemeinden und Gemeindeverbänden zu gewichten, die
Maßstäbe zu bestimmen, die die Unterschiede hinsichtlich des Finanzbedarfs und der vorhandenen
Finanzausstattung ausmachten, sowie die Maßstäbe festzulegen, nach denen die Differenzen
auszugleichen seien. Die dabei selbst gesetzten Maßstäbe dürften nicht in Widerspruch zueinander
stehen und nicht ohne einleuchtende Gründe verlassen werden. Als Kriterium für die Bestimmung des
Finanzbedarfs biete sich im Ausgangspunkt die Einwohnerzahl an. Hiervon sei auch das dem
Landesfinanzausgleichsgesetz zugrunde liegende Bemessungssystem gekennzeichnet, dem in erster
Linie der Einwohnerhauptansatz zugrunde liege. Bei der sachgerechten Ergänzung des Hauptbedarfs-
kriteriums, d.h. der Einwohnerzahl, durch Leistungsansätze habe der Gesetzgeber einen Spielraum,
dessen Grenzen im vorliegenden Fall noch nicht überschritten seien. Hinsichtlich des Tatbestands des
Stationierungsstreitkräfteansatzes dürfe nicht verkannt werden, dass der Gesetzgeber nicht dem Vor-
schlag des von ihm eingeholten ifo-Gutachtens für ein Auslaufen der Regelung gefolgt sei, sondern nur
eine verhältnismäßig leichte Korrektur vorgenommen habe. Von vornherein stelle sich bei den dem
Melderecht nicht unterliegenden Angehörigen der ausländischen Stationierungsstreitkräfte die Frage, in
welchem Maß sie die Leistungen und Vorhaltungen der Gemeinde geringer beanspruchten als normale
Einwohner. Die ausländischen Streitkräfte würden in der Regel in vielfältiger Hinsicht Einrichtungen und
Angebote für ihre Angehörigen bereithalten. Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass dies im Hinblick
auf die Soldaten selbst sogar verstärkt der Fall sei, erscheine nicht unvertretbar. Seine Entscheidung stelle
keine Verkennung einer zu berücksichtigenden Sonderbelastung dar; vielmehr werde der gesamte
anzuerkennende Belastungstatbestand noch hinreichend erfasst.
Die gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht
durch Beschluss vom 29. November 2004 zurückgewiesen. Die Beschwerde formuliere Fragen, die sich
allein auf die Auslegung des rheinland-pfälzischen Finanzausgleichsgesetzes bezögen und keine Fragen
des revisiblen Rechts bezeichneten.
III.
Mit ihrer am 18. Januar 2005 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin einen
Verstoß des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2004 gegen Art. 49 Abs. 3,
Abs. 6 in Verbindung mit Art. 77 Abs. 2 LV und beantragt eine Zurückverweisung der Rechtssache zur
erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofs.
Hilfsweise begehrt sie die Feststellung, der Gesetzgeber habe es in verfassungswidriger Weise
unterlassen, beim Leistungsansatz gemäß § 11 Abs. 4 Nr. 1 LFAG neben den Familien- und
Zivilangehörigen der ausländischen Stationierungsstreitkräfte auch die nicht kasernierten Soldaten zum
Ausgleich besonderer Belastungen zu berücksichtigen. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:
Das Oberverwaltungsgericht habe die Tragweite des Maßstabs der Lastengerechtigkeit verkannt und sich
hiermit nicht befasst. Diesem Prinzip komme gemäß Art. 49 Abs. 6 LV eine eigenständige
Maßstabsfunktion zu. Für einen eigenen rechtlichen Stellenwert des Lastenausgleichs sprächen schon
der Wortlaut der Regelung, sein rechtshistorischer Hintergrund sowie seine Stellung als grundrechts-
ähnliches Recht innerhalb der Systematik der Landesverfassung. Es korrespondiere mit der Pflicht der
Gemeinden zur Wahrnehmung der ihnen in diesem Rahmen übertragenen Aufgabe. Der Staat habe dann
aber auch ihre Leistungsfähigkeit sowie Lastengerechtigkeit zu gewährleisten. Sein Gestaltungsspielraum
gestatte es nicht, einen dem Grunde nach anerkannten Sonderlastentatbestand für bestimmte
Personengruppen auszuschließen. Nicht kasernierte Soldaten würden für die Wohngemeinden eine
Mehrbelastung auslösen, die mit derjenigen durch Familien- und Zivilangehörige vergleichbar sei. Die
betroffenen Gemeinden müssten deshalb im Vergleich zu anderen Kommunen eine zusätzliche Sonder-
belastung tragen.
IV.
1. Die Landesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Art. 49 Abs. 6 LV normiere
einen Verfassungsauftrag mit weitem Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber. Insbesondere sei er
nicht auf ein bestimmtes Verteilungssystem festgelegt. Allerdings müsse der Finanzausgleich im Hinblick
auf das interkommunale Gleichbehandlungsgebot auf sachgerechten Erwägungen beruhen, dürfe nicht
willkürlich belastend, widersprüchlich oder unklar sein. Dem Lastenausgleich komme in diesem
Zusammenhang kein eigenständiger Stellenwert zu, sondern er stelle einen integralen Bestandteil des
Finanzausgleichs dar. Die Ausgliederung der Stationierungsstreitkräfte aus dem Regelungsbereich des
§ 11 Abs. 4 Nr. 1 LFAG sei sachlich gerechtfertigt, da sie die Ursache der mit ihnen verbundenen
wirtschaftlichen Vorteile bildeten. Familien- und Zivilangehörige hätten eine geringere statusmäßige
Anbindung und lösten deshalb höhere Kosten bei ihren Wohnsitzgemeinden aus. Durch den
Anrechnungssatz von 35 v.H. werde die nach der früheren Rechtslage bei einem Leistungssatz von 50
v.H. eingetretene Übernivellierung vermieden.
Der hilfsweise gestellte Antrag der Beschwerdeführerin sei bereits unzulässig. Für die selbständige Rüge
eines gesetzgeberischen Unterlassens gelte auch im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde wie für
einen Normprüfungsantrag nach § 23 Abs. 4 Satz 1 und 2 VerfGHG eine Frist von sechs Monaten nach
Verkündung des fraglichen Gesetzes. Im Übrigen sei der Hilfsantrag unbegründet.
2. Der Landtag Rheinland-Pfalz hält die Verfassungsbeschwerde ebenfalls für unbegründet. Aus Art. 49
Abs. 6 LV folge kein eigenständiger Anspruch auf Lastenausgleich; sein Gedanke sei dem System des
kommunalen Finanzausgleichs vielmehr immanent. Die Regelung gebe auch kein bestimmtes Vertei-
lungssystem des Finanzausgleichs vor. Allerdings müsse der Gesetzgeber das Gebot interkommunaler
Gleichbehandlung beachten, das erst dann verletzt sei, wenn eine Regelung willkürlichen Charakter
besitze. Dies treffe auf § 11 Abs. 4 Nr. 1 LFAG nicht zu.
Hinsichtlich des Hilfsantrags deute vieles darauf hin, dass er im Hinblick auf die Sechs‑Monats-Frist des §
23 Abs. 4 VerfGHG verfristet sei. Des Weiteren fehle es an einer Betroffenheit der Beschwerdeführerin in
eigenen Rechten, was aus der Unbegründetheit ihres Hauptantrags folge.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
I.
Mit ihrem Hauptantrag macht die Beschwerdeführerin statthafterweise von ihrer Befugnis Gebrauch, im
Wege der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung durch die rechtsprechende Gewalt des Landes zu
rügen. Denn nach Art. 130 a LV ist die grundsätzlich zulässige Kommunalverfassungsbeschwerde nicht
nur als Rechtssatzverfassungsbeschwerde ausgestaltet, sondern kann - etwa als Urteilsverfassungs-
beschwerde ‑ auch gegen andere Akte der öffentlichen Gewalt des Landes erhoben werden (VerfGH Rh-
Pf, AS 25, 146 [147]; AS 25, 194 [198]; Bier, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, Art. 130 a
Rn. 4).
Der Zulässigkeit ihres Begehrens steht auch nicht die Regelung des § 44 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG
entgegen, wonach eine sachliche Überprüfung des geltend gemachten Grundrechtsverstoßes durch den
Verfassungsgerichtshof ausgeschlossen ist, soweit die öffentliche Gewalt des Landes Bundesrecht aus-
führt oder anwendet. Das angegriffene Urteil beruht ausschließlich auf der Anwendung von Landesrecht,
insbesondere der Regelungen des Landesfinanzausgleichsgesetzes. Dementsprechend hat bereits das
Bundesverwaltungsgericht mit seinem Beschluss vom 29. November 2004 die
Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz maßgeblich
mit der Begründung zurückgewiesen, die aufgeworfenen Fragen beträfen die Auslegung des rheinland-
pfälzischen Finanzausgleichsgesetzes und bezeichneten keine Fragen des revisiblen Rechts. Eine am
Maßstab der Landesverfassung erfolgende Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof stellt hiernach
auch keine mittelbare Kontrolle der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dar. Denn die verfas-
sungsgerichtliche Entscheidung und diejenige des mit der Nichtzulasssungsbeschwerde befassten
Bundesverwaltungsgerichts betreffen unterschiedliche Rechtskreise (VerfGH Rh-Pf, AS 29, 75 [79]).
II.
Die Beschwerdeführerin hat die Monatsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 1 VerfGHG beachtet. Die Frist zur
Erhebung der Verfassungsbeschwerde gegen einen Hoheitsakt wird dann neu in Lauf gesetzt, wenn der
Beschwerdeführer einen nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelf eingelegt hat, um die geltend
gemachte verfassungsrechtliche Beschwer abzuwenden (VerfGH Rh-Pf, NJW 1995, 444; AS 27, 199
[202]). Dies trifft auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Ober-
verwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Nichtzulas-
sungsbeschwerde in der Sache zurückgewiesen und nicht etwa als unzulässig verworfen.
C.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist auch begründet.
Die Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrer Selbstverwaltungs- und Finanzausstattungsgarantie
gemäß Art. 49 Abs. 6 Satz 1 in Verbindung mit Art. 49 Abs. 1 und 3 LV beruht nicht auf einer fehlerhaften
Anwendung einfachen Rechts, sondern darauf, dass der Gesetzgeber im Rahmen des nach § 11 Abs. 4
Nr. 1 LFAG zu bemessenden Leistungsansatzes die nicht kasernierten Soldaten der ausländischen
Stationierungsstreitkräfte im Gegensatz zu den Familien- und Zivilangehörigen der ausländischen
Stationierungsstreitkräfte unter Verstoß gegen das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung
unberücksichtigt gelassen hat. Dies hat die angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz verkannt.
I.
Art. 49 LV gewährleistet den Gemeinden und Gemeindeverbänden das Recht der Selbstverwaltung (Art.
49 Abs. 1 bis 3 LV) und verpflichtet darüber hinaus das Land, den Kommunen auch die zur Erfüllung ihrer
eigenen und übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu
sichern (Art. 49 Abs. 6 Satz 1 LV).
Hieraus hat der Verfassungsgerichtshof in gefestigter Rechtsprechung abgeleitet, dass den Gemeinden
eine angemessene Finanzausstattung verfassungsrechtlich verbürgt ist. Art. 49 Abs. 6 LV gewährleistet
den Kommunen die Finanzhoheit, verstanden als Ausgabenhoheit auf der Grundlage einer
angemessenen Finanzausstattung. Die Regelung geht vom Grundsatz einheitlicher Aufgabenerfüllung
und einheitlicher Ausgleichsleistung aus und beinhaltet eine einheitliche Finanzgarantie. Sie lässt
vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Konnexitätsregelung in Art. 49 Abs. 5 LV - keinen Raum für
einen Anspruch der Gemeinden und Gemeindeverbände auf eine gesonderte Erstattung der Kosten für
die Wahrnehmung staatlicher Auftragsangelegenheiten oder bestimmter Aufgabenbereiche (VerfGH Rh-
Pf, AS 15, 66 [70 ff.]; AS 19, 339 [341]; AS 23, 434 [437]; AS 29, 75 [81]). Bezugsgröße für eine
angemessene Finanzangleichung ist daher das Verhältnis von aufgabenabhängigem Bedarf und
verfügbaren Finanzmitteln (P. Kirchhof, DVBl. 1980, 711 [713]).
In diesem Sinne verfolgt der kommunale Finanzausgleich insbesondere zwei Ziele: Zum einen ergänzt er
die Finanzquellen der Kommunen und stockt deren Finanzmasse insgesamt auf (vertikale oder fiskalische
Funktion des kommunalen Finanzausgleichs). Zum anderen bezweckt er, die Finanzkraftunterschiede zwi-
schen den Kommunen abzubauen. Denn alle Kommunen sollen finanziell in die Lage versetzt werden,
die ihnen zugeordneten öffentlichen Aufgaben wahrzunehmen (horizontale oder distributive Funktion).
Diese horizontale oder distributive Funktion ist als interkommunaler Lasten- und Finanzausgleich zu
verstehen (vgl. VerfGH Rh-Pf, AS 15, 66 [69]; AS 26, 391 [396]).
Zur Erreichung der genannten Ziele schreibt Art. 49 Abs. 6 LV dem Gesetzgeber kein bestimmtes
Verteilungssystem vor. Vielmehr hat er bei seiner Entscheidung für das eine oder andere in Betracht
kommende Modell grundsätzlich ein weites Ermessen (VerfGH Rh-Pf, AS 26, 391 [396]). Er muss aber das
Gebot interkommunaler Gleichbehandlung beachten, welches sich aus der kommunalen
Selbstverwaltungs- und Finanzausstattungsgarantie herleitet. Die Entscheidung des Gesetzgebers für ein
bestimmtes Verteilungssystem und dessen Ausgestaltung darf deshalb jedenfalls nicht willkürlich sein
(VerfGH Rh-Pf, AS 19, 339 [346]; AS 26, 391 [396]). Durch sie bindet sich der Gesetzgeber und verpflichtet
sich, mit den selbst gewählten Zuteilungs- und Ausgleichsmaßstäben eine im Grundsatz folgerichtige,
widerspruchsfreie Ausgleichskonzeption zu schaffen und sie einzuhalten.
II.
Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Gruppe der nicht kasernierten Soldaten der ausländischen
Stationierungsstreitkräfte im Rahmen des Leistungsansatzes gemäß § 11 Abs. 4 Nr. 1 LFAG im Gegensatz
zu der Gruppe der Familien- und Zivilangehörigen unberücksichtigt zu lassen, stellt keine folgerichtige,
widerspruchsfreie Umsetzung der von ihm selbst gewählten Konzeption des Lasten- und
Finanzausgleichs dar. Vielmehr bildet die damit verbundene unterschiedliche Bewertung dem Grunde
nach vergleichbarer Sachverhalte eine Systemwidrigkeit, die nicht durch hinreichend plausible Gründe
gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 81, 156 [207]; 85, 238 [247]). Sie überschreitet die Grenzen zulässiger
Typisierung durch den Gesetzgeber, da sie weder durch praktische Erfordernisse der Verwaltung geboten
ist noch die mit ihr verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (BVerfGE 84, 348
[360]). Damit verstößt sie gegen das in Art. 49 Abs. 6 Satz 1 LV angelegte Gebot interkommunaler
Gleichbehandlung.
1. Der aufgabenabhängige Finanzbedarf einer Gemeinde wird nach der Grundkonzeption des
Landesfinanzausgleichsgesetzes wesentlich bestimmt durch die Zahl der Einwohner, für die kommunale
Einrichtungen und Leistungen erbracht oder vorgehalten werden müssen. Dieser Systematik
entsprechend stellt der Gesetzgeber zur Festsetzung der für die Bemessung der Schlüsselzuweisung B 2
maßgeblichen Bedarfsmesszahl folgerichtig auf die Zahl der Einwohner ab, die zu einem bestimmten
Stichtag mit ihrer Hauptwohnung den melderechtlichen Vorschriften unterliegen (§ 11 Abs. 3 i.V.m. § 29
Abs. 1 LFAG).
Dieser Hauptansatz wird zum Ausgleich besonderer - u.a. streitkräftebedingter - Belastungen durch
Leistungsansätze ergänzt. Hierzu stellt § 11 Abs. 4 Nr. 1 LFAG auf die Zahl der nicht den deutschen
Meldevorschriften unterliegenden Familien- und Zivilangehörigen der ausländischen
Stationierungsstreitkräfte ab. Damit soll in Ergänzung der vom Gesetzgeber gewählten
Ausgleichskonzeption ein weiterer Personenkreis erfasst und der Anwendungsbereich der Norm durch
ihn zugleich begrenzt werden, der sich nach seiner konkreten Lebenssituation dem für die Bemessung
des Hauptansatzes maßgeblichen Einwohnerkreis annähert. Der Gesetzgeber selbst geht davon aus,
diese Annahme treffe auf Familien- und Zivilangehörige der ausländischen Stationierungsstreitkräfte zu.
Das gilt ungeachtet der auch von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellten Tatsache, dass die
Belastungen für die Gemeinde durch diese Personen niedriger sind als durch die (Melde-)Einwohner im
Sinne des § 29 Abs. 1 LFAG, da sie kommunale Einrichtungen und Anlagen wegen der ihnen auch zur
Verfügung stehenden Angebote der Stationierungsstreitkräfte in geringerem Maße in Anspruch nehmen.
Mit seiner Entscheidung nimmt der Gesetzgeber zudem eine Grenzziehung gegenüber den nicht
kasernierten Soldaten der ausländischen Stationierungsstreitkräfte vor, die er als Bezugsgröße zur
Festsetzung des Leistungsansatzes ausschließt. Hinreichend plausible Gründe für diese Begrenzung des
Leistungsansatzes sind aber nicht erkennbar. Taugliches Merkmal einer systemkonformen
Differenzierung zwischen den genannten Personengruppen könnte allein das unterschiedliche Maß ihrer
Einbindung innerhalb der Stationierungsstreitkräfte sein. Insoweit kann zwischen Truppenangehörigen,
zivilem Gefolge und Familienangehörigen unterschieden werden. Allein diese Statusunterschiede
begründen jedoch noch nicht die Annahme, das Verhalten der verschiedenen Gruppen in ihrem privaten
Wohnumfeld weiche so erheblich voneinander ab, dass ihre unterschiedliche Berücksichtigung im
Rahmen des Leistungsansatzes durch den Gesetzgeber vertretbar wäre.
Allenfalls lässt sich die Feststellung treffen, die Familienangehörigen der ausländischen
Stationierungsstreitkräfte, die im zivilen Umfeld der jeweiligen Gemeinde leben, nutzten deren
Einrichtungen aufgrund ihrer Lebenssituation tendenziell stärker als die genannten anderen Gruppen.
Dies gilt aber nicht nur im Vergleich zu den nicht kasernierten Soldaten, sondern auch bereits in Bezug
auf die Zivilangehörigen. Der insoweit erkennbare Unterschied ist in einer während der üblichen
Dienstzeiten bestehenden berufsbedingten Ortsabwesenheit der Betroffenen begründet. Diese Situation
ist aber kein besonderes Merkmal der nicht kasernierten Soldaten, die nach Dienstschluss in ihre
Privatwohnung innerhalb ihrer Wohngemeinde zurückkehren, sondern grundsätzlich für alle
berufsbedingt Abwesenden kennzeichnend.
Vor diesem Hintergrund haben die Beschwerdeführerin wie auch die kommunalen Spitzenverbände in
ihren Stellungnahmen hervorgehoben, in der Lebenswirklichkeit der Stationierungsgemeinden sei
insbesondere keine Unterscheidung zwischen nicht kasernierten Soldaten einerseits und Zivilangehö-
rigen ausländischer Stationierungsstreitkräfte andererseits möglich, was das Maß der Inanspruchnahme
gemeindlicher Einrichtungen anbelange. Beiden Gruppen stünden zudem in gleicher Weise zusätzlich
Einrichtungen der Stationierungsstreitkräfte zur Verfügung. Es seien auch in dieser Hinsicht keine
relevanten Verhaltensunterschiede erkennbar. Diese Einschätzung konnte durch die Benennung
konkreter und nachvollziehbarer Gegenbeispiele nicht entkräftet werden. Sie beruht auf einleuchtenden
Erwägungen und lässt die Ungleichbehandlung der beiden genannten Gruppen nicht plausibel
erscheinen.
Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem Hinweis, der Einsatz von kasernierten wie nicht kasernierten
Soldaten der ausländischen Stationierungsstreitkräfte sei unter den heutigen Bedingungen dadurch
gekennzeichnet, dass er über kürzere oder längere Zeiträume im Ausland und damit in erheblichem Maße
standortunabhängig erfolge. In diesem Zusammenhang stellt sich nämlich bereits die Frage, ob nicht auch
Zivilangehörige als Gefolge der Truppe an solchen Auslandseinsätzen verstärkt beteiligt sind und
gleichwohl im Rahmen des Leistungsansatzes Berücksichtigung finden. Darüber hinaus ist in der vom
Landkreistag übermittelten Stellungnahme des einschlägig betroffenen Landkreises Bitburg-Prüm
unwidersprochen auf ein gewandeltes Konzept der amerikanischen Streitkräfte hingewiesen worden:
Anders als in der Vergangenheit würden Streitkräfteangehörige aus Sicherheitsgründen zunehmend
Wohnungen außerhalb des Kasernenbereichs im zivilen Umfeld anmieten. Eine solche Tendenz könnte
einen zeitweiligen Rückgang der Nutzung ziviler Einrichtungen durch nicht kasernierte Soldaten aufgrund
vermehrter Auslandseinsätze ausgleichen. Diesen Annahmen zu einem möglicherweise geänderten Maß
der Nutzung kommunaler Einrichtungen müsste bei einer Überprüfung des Leistungsansatzes durch den
Gesetzgeber nachgegangen werden. Bis dahin fehlt es mangels gesicherter Anhaltspunkte an
hinreichend plausiblen Gründen für die Außerachtlassung der nicht kasernierten Soldaten ausländischer
Stationierungsstreitkräfte innerhalb der vom Gesetzgeber gewählten Ausgleichskonzeption.
2. Die festgestellte Systemwidrigkeit lässt sich auch nicht als noch hinnehmbare Folge einer dem
Gesetzgeber grundsätzlich möglichen typisierenden Regelung komplexer Sachverhalte einordnen.
Wesentlich für die Zulässigkeit einer Typisierung ist nämlich, ob die mit ihr verbundenen Härten nur unter
Schwierigkeiten vermeidbar und durch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht gerechtfertigt
wären (BVerfGE 84, 348 [360]). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Zwar ist der Gesetzgeber in der Vergangenheit davon ausgegangen, eine wirklichkeitsnahe Ermittlung der
nicht kasernierten Soldaten sei letztlich unmöglich, weil die gemeldeten Zahlen bestimmten einzelnen
Gemeinden nicht zugeordnet werden könnten (LT-Drs. 11/731, S. 7). Auch das vor Verabschiedung des
LFAG 1999 eingeholte ifo-Gutachten (S. 45), das jedoch schon im Januar 1998 erstellt worden ist, hat die
statistische Datengrundlage des Stationierungsstreitkräfteansatzes nachhaltig in Zweifel gezogen.
Gleichwohl ist unter den aktuellen Bedingungen ein signifikanter Unterschied in der statistischen
Erfassbarkeit der nicht kasernierten Soldaten im Vergleich zu den Familien- und Zivilangehörigen nicht
erkennbar. Nach den Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände wie auch den in der mündlichen
Verhandlung gemachten Ausführungen der Beteiligten steht vielmehr fest, dass die zuständigen Stellen
der ausländischen Stationierungsstreitkräfte den betroffenen Kommunen zur Unterbringung ihrer Soldaten
in den Wohngemeinden in gleicher Weise Angaben übermitteln wie zur Unterbringung der Familien- und
Zivilangehörigen. Die Treffgenauigkeit der zur Verfügung gestellten Daten mag zwar im Einzelfall nicht
immer berechtigten Qualitätsansprüchen genügen. Die damit einhergehenden Ungenauigkeiten sind aber
als Differenzierungsgrund nicht geeignet. Auch kann der Erwägung nicht gefolgt werden, durch die
Einbeziehung der nicht kasernierten Soldaten würden die Effekte aus der teilweisen Ungenauigkeit der
Angaben zu den Familien- und Zivilangehörigen noch gesteigert. Die möglicherweise eingeschränkte
Exaktheit der übermittelten Daten betrifft nämlich alle angesprochenen Gruppen gleichermaßen und wird
deshalb in ihren jeweiligen Auswirkungen auch zu vergleichbaren Ergebnissen führen. Es ist daher nicht
von einem sich steigernden Fehlerpotential auszugehen, sondern von einer voraussichtlich weitgehend
konstanten Fehlerquote bei gleichzeitig verbreiterter Bemessungsgrundlage.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 2 der Kommunal-
Besoldungsverordnung - LKomBesVO - vom 15. November 1978 (GVBl. S. 710) zur Bemessung der im
Sinne dieser Verordnung maßgeblichen Einwohnerzahl neben den Familienangehörigen der nicht
meldepflichtigen Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte auch die nicht kasernierten Mitglieder der
Stationierungsstreitkräfte mit einem bestimmten Anteil hinzurechnet, die nicht kasernierten Soldaten also
berücksichtigt. Zwar steht die Bestimmung in einem anderen Regelungszusammenhang. Gleichwohl geht
der Verordnungsgeber dort ersichtlich von der grundsätzlichen Verwendbarkeit der ihm zur Verfügung
stehenden einschlägigen Daten aus, ohne zwischen nicht kasernierten Soldaten und sonstigen
Mitgliedern der ausländischen Stationierungsstreitkräfte zu unterscheiden. Praktische Hindernisse stehen
demnach einer Verwendung der zu den nicht kasernierten Soldaten erhobenen Daten im Bereich der
kommunalen Besoldung offenbar nicht entgegen.
Gegen die Annahme einer noch zulässigen Typisierung durch den Gesetzgeber spricht des Weiteren,
dass vergleichbare Regelungen in Landesfinanzausgleichsgesetzen anderer Bundesländer die in § 11
Abs. 4 Nr. 1 LFAG vorgenommene Differenzierung zwischen nicht kasernierten Soldaten und
Zivilangehörigen der ausländischen Stationierungsstreitkräfte soweit ersichtlich nicht kennen, sondern
regelmäßig auf die Zahl der nicht kasernierten "Mitglieder" der Stationierungsstreitkräfte abstellen (vgl. Art.
3 Abs. 1 FAG Bayern; § 7 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 30 Abs. 2 Nr. 2 FAG Baden-Württemberg; § 11 Abs. 2 FAG
Hessen). Verwaltungspraktische Schwierigkeiten, die gegen die Einbeziehung der nicht kasernierten
Soldaten sprechen könnten, bestehen auch danach offensichtlich nicht.
D.
Die Verfassungswidrigkeit des gesetzgeberischen Verstoßes gegen das Gebot interkommunaler
Gleichbehandlung führt dazu, die angegriffene Regelung des § 11 Abs. 4 Nr. 1 LFAG insoweit für
unvereinbar mit Art. 49 Abs. 6 Satz 1 in Verbindung mit Art. 49 Abs. 1 und 3 LV zu erklären.
1. Die Vorschrift ist nicht für nichtig zu erklären, da die Verfassungsbeschwerde die Regelung im Übrigen
nicht angreift und die Feststellung der Nichtigkeit eines Unterlassens ins Leere ginge. Auch ist der
Gesetzgeber zur Beseitigung des Verfassungsverstoßes konzeptionell nicht ausschließlich darauf
beschränkt, die Gruppe der nicht kasernierten Soldaten der ausländischen Stationierungsstreitkräfte in
den Regelungsbereich des § 11 Abs. 4 Nr. 1 LFAG bei im Übrigen unveränderter Rechtslage
einzubeziehen. Bis er im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit entschieden hat, kann die gegenwärtige
Regelung des § 11 Abs. 4 Nr. 1 LFAG weiter angewendet werden. Gerichtliche Verfahren sind
auszusetzen, soweit die Entscheidung von der für verfassungswidrig erklärten Systemwidrigkeit abhängt.
2. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2007 eine
verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Diese Verpflichtung erstreckt sich auf den Zeitpunkt des In-Kraft-
Tretens der Norm am 1. Januar 2000 gemäß
§ 38 LFAG (vgl. § 49 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 26 Abs. 3 Satz 1 VerfGHG) und erfasst alle Entscheidungen, die
auf dem festgestellten Verfassungsverstoß beruhen. Davon sind Entscheidungen ausgenommen, die
bestandskräftig sind. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 49 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 26
Abs. 4 Satz 3 VerfGHG. Es ist dem Gesetzgeber jedoch unbenommen, im Zusammenhang mit dem
Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen. Er kann die erforderliche
Neuregelung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet
ist er hierzu jedoch nicht.
E.
Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist kostenfrei (§ 21 Abs. 1 VerfGHG). Der Ausspruch über
die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 21 a Abs. 1 Satz 1 VerfGHG.
gez. Prof. Dr. Meyer gez. Dr. Bamberger gez. Prof. Dr. Dr. Merten