Urteil des VerfGH Rheinland-Pfalz vom 18.09.2006

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VerfGH
Rheinland-Pfalz
18.09.2006
VGH W 13/06
Verfassungsrecht, Wahlprüfungsbeschwerde
Verkündet am: 18.09.2006
gez. Salzig
Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In den Verfahren
betreffend die Wahlprüfungsbeschwerden
1. des Herrn W.
g e g e n den Beschluss des Wahlprüfungsausschusses des Landtags
Rheinland-Pfalz vom 14. Juni 2006 - WPA 15-18/06 -
2. der Partei DIE GRAUEN/Graue Panther
g e g e n den Beschluss des Wahlprüfungsausschusses des Landtags Rheinland-
Pfalz vom 14. Juni 2006 - WPA 15-1/06 -
3. des Herrn P.
beteiligt:
1. der Landtag Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Präsidenten des Landtags, Deutschhausplatz 12,
55116 Mainz,
2. der Minister des Innern und für Sport des Landes Rheinland-Pfalz,
Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz,
3. der Landeswahlleiter Rheinland-Pfalz, Mainzer Str. 14-16, 56130 Bad Ems,
4. die Fraktion der SPD im Landtag Rheinland-Pfalz, vertreten durch den
Fraktionsvorsitzenden, MdL Jochen Hartloff, Deutschhausplatz 3, 55116 Mainz,
5. die Fraktion der CDU im Landtag Rheinland-Pfalz, vertreten durch den
Fraktionsvorsitzenden, MdL Christian Baldauf, Deutschhausplatz 3, 55116 Mainz,
6. die Fraktion der FDP im Landtag Rheinland-Pfalz, vertreten durch den
Fraktionsvorsitzenden, MdL Herbert Mertin, Deutschhausplatz 3, 55116 Mainz,
hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
18. September 2006, an der teilgenommen haben
Präsident des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Meyer
Präsident des Oberlandesgerichts Dury
Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling
Präsidentin des Landgerichts Wolf
Universitätsprofessor Dr. Dr. Merten
Kreisverwaltungsdirektorin Kleinmann
Präsidentin des Verwaltungsgerichts Dr. Freimund-Holler
Landrätin Röhl
Richterin am Sozialgericht Laux
für Recht erkannt:
Die Wahlprüfungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 1) und 2) werden als unbegründet
zurückgewiesen. Die Wahlprüfungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 3) wird als unzulässig
verworfen.
A.
Die Beschwerdeführer erstreben, die Wahl zum rheinland-pfälzischen Landtag am 26. März 2006 für
ungültig zu erklären. Sie beanstanden die Art und Weise der Falzung der Stimmzettel. Die
Beschwerdeführer zu 1) und 2) wenden sich jeweils gegen einen Beschluss des
Wahlprüfungsausschusses des Landtags Rheinland-Pfalz, mit dem ihre Wahlbeanstandung
zurückgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer zu 3) hat den Wahlprüfungsausschuss nicht angerufen.
I.
Die anlässlich der rheinland-pfälzischen Landtagswahl an die Wählerinnen und Wähler ausgeteilten
Stimmzettel waren von unten nach oben in so genannter Wickelfalzung zusammengelegt. Durch das teil-
weise Umklappen des unteren Teils nach vorne waren die auf dem unteren Teil der Stimmzettel
abgedruckten Parteien ab Listenplatz 10 sowie die gegebenenfalls für diese Parteien antretenden Direkt-
kandidaten abgedeckt. Um alle Wahlvorschläge sichtbar zu machen, musste der untere Teil des
Stimmzettels aufgeklappt werden.
Das Abstimmungsergebnis der rheinland-pfälzischen Landtagswahl wurde am 18. April 2006 öffentlich
bekannt gemacht.
Die Beschwerdeführer zu 1) und 2) erhoben innerhalb eines Monats nach der öffentlichen Bekanntgabe
beim Landtag Wahlbeanstandungen.
Der Beschwerdeführer zu 1), ein Wähler aus L., führte zur Begründung aus, die messerscharfe Falzung
der hauchdünnen Stimmzettel habe den unteren Teil der Stimmzettel nahezu verschlossen. Er habe daher
zunächst nur Kenntnis von den ersten 9 Parteien genommen. Erst nach Abgabe seiner Stimme habe er
bemerkt, dass auf dem zugeklappten unteren Teil des Stimmzettels noch weitere Parteien aufgeführt
gewesen seien. Demzufolge habe er seine Stimme nicht in Kenntnis aller Bewerber abgegeben. Dies
empfinde er als Irreführung. Eine Nachfrage im Wahllokal zwecks Aufklärung des Sachverhalts sei ohne
Bruch des Wahlgeheimnisses nicht möglich gewesen. Um das Wahlgeheimnis zu wahren, habe er auch
keinen zweiten Stimmzettel angefordert. Ähnlich sei es seiner Kenntnis nach auch anderen Wählerinnen
und Wählern ergangen.
Die Beschwerdeführerin zu 2), eine an der Landtagswahl beteiligte Partei, die auf Listenplatz 15
aufgeführt wurde, trug zur Begründung vor, durch die Wickelfalzung sei der Grundsatz der freien und
gleichen Wahl verletzt worden. Die Wahlkreisbewerber und Parteien, die - wie sie - hintere Listenplätze
eingenommen hätten, seien infolge der Falzung von einer Vielzahl von Wählerinnen und Wählern nicht
wahrgenommen und infolgedessen benachteiligt worden. Schon vor dem Wahltag hätten sich vereinzelt
Bürger bei ihrer Geschäftsstelle gemeldet und sich verwundert darüber geäußert, dass sie, die
Beschwerdeführerin zu 2), nicht auf dem zur Briefwahl übersandten Stimmzettel zu finden sei. Zudem sei
nicht in allen Wahllokalen der Anweisung des Landeswahlleiters nachgekommen worden, die
Wählerinnen und Wähler ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Entfalzung der Stimmzettel hinzuweisen.
DerLandeswahlleiter wies in seiner Stellungnahme gegenüber dem Wahlprüfungsausschuss daraufhin,
weder das Landeswahlgesetz noch die Landes-wahlordnung enthielten ein ausdrückliches Verbot, an die
Wählerinnen und Wähler vorgefaltete Stimmzettel auszugeben. Ihre Austeilung verstoße auch nicht gegen
das Verbot der Wählerbeeinflussung oder die Grundsätze der freien und gleichen Wahl. Die
Wickelfalzung sei aus Gründen der Praktikabilität erfolgt. Zwar werde die Größe der Stimmzettel und des
Wahlumschlags durch die Landeswahlordnung vorgegeben. Mit Rücksicht auf die Zahl der zugelassenen
Wahlvorschläge sei es jedoch erforderlich gewesen, die danach grundsätzlich vorgeschriebene Mindest-
größe des Stimmzettels von DIN A 4 zu überschreiten, um dessen Lesbarkeit zu gewährleisten. Damit der
verlängerte Stimmzettel insbesondere auch von älteren Wählerinnen und Wählern problemlos in den
vorgeschriebenen Wahlumschlag der Größe DIN C 6 habe eingelegt werden können, habe dieser
zunächst auf DIN A 4 Größe gebracht werden müssen. Dies sei durch die vorgegebene Wickelfalzung
erreicht worden, die den Wählerinnen und Wählern bereits von Europa- und Bundestagswahlen bekannt
und vertraut sei. Nach der Stimmabgabe hätten die Wählerinnen und Wähler den Stimmzettel nur noch
zweimal hälftig falten müssen, um ihn ohne Schwierigkeiten in den Wahlumschlag stecken zu können. Die
zur Erleichterung vorgegebene Falzung des Stimmzettels sei für jedermann ersichtlich gewesen. Es sei
den Wählerinnen und Wählern zuzumuten, die Notwendigkeit der Entfalzung des Stimmzettels zur
Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu handeln. Darüber hinaus seien den Wählerinnen und Wählern
die in den Wahlkreisen zugelassenen Wahlvorschläge sowie die kandidierenden Bezirks- und
Landeslisten durch deren öffentliche Bekanntmachung im Vorfeld der Wahl und deren Aushang am
Wahltag schon vor der Stimmabgabe bekannt gewesen. Die Wahlvorstände seien im Übrigen nicht ver-
pflichtet gewesen, die Wählerinnen und Wähler auf die Falzung aufmerksam zu machen. Eine derartige
Verpflichtung werde insbesondere nicht durch seine ausdrückliche Bitte, bei der Ausgabe der Stimmzettel
in den Wahllokalen auf die Notwendigkeit der Entfalzung der Stimmzettel hinzuweisen, begründet.
Mangels rechtlicher Verpflichtung könne das Fehlen eines derartigen Hinweises den Wahlorganen nicht
zum Vorwurf gereichen.
Das Ministerium des Innern und für Sport schloss sich den Ausführungen des Landeswahlleiters an.
Der Wahlprüfungsausschuss des Landtags hat die Beanstandungen der Beschwerdeführer zu 1) und 2)
jeweils durch Beschluss vom 14. Juni 2006 im Vorprüfungsverfahren als offensichtlich unbegründet
zurückgewiesen. Die Falzung der Stimmzettel stelle keinen Wahlfehler dar. Sie verletze insbesondere
nicht den Grundsatz der freien Wahl. Die Wahlorgane hätten durch die vorgegebene Falzung nicht zielge-
richtet Einfluss auf die Stimmabgabe der Wählerinnen und Wähler ausgeübt. Die Wickelfalzung sei aus
Gründen der Praktikabilität veranlasst gewesen. Es sei für jeden aufmerksamen Stimmberechtigten
aufgrund der Art der Falzung offenkundig gewesen, dass sich der Stimmzettel nicht auf die bereits
sichtbaren Felder mit Wahlvorschlägen beschränke. Den Wählerinnen und Wählern sei eine gründliche
Kenntnisnahme des Stimmzettels ohne weiteres zumutbar, zumal Falzungen bei Stimmzetteln nicht
ungewöhnlich seien. Darüber hinaus hätten die Wählerinnen und Wähler sich bereits vor der
Stimmabgabe mit dem Stimmzettel vertraut machen können. Ein Muster desselben sei den gesetzlichen
Vorgaben entsprechend zusammen mit einem Abdruck der Wahlbekanntmachung vor Beginn der Wahl
am oder im Eingang des Gebäudes, in dem sich der Wahlraum befinde, anzubringen. Schließlich habe
der Landeswahlleiter die Wahlvorstände ausdrücklich angewiesen, die Wählerinnen und Wähler auf die
Notwendigkeit der Entfalzung des Stimmzettels aufmerksam zu machen. Selbst wenn dies gelegentlich
unterblieben sein sollte, führe dies nicht zur Ungültigkeit der Wahl.
II.
Die Beschwerdeführer zu 1) und 2) haben jeweils fristgerecht gegen den ihnen zugestellten Beschluss die
vorliegenden Wahlprüfungsbeschwerden eingereicht, mit denen sie ihren Rechtsstandpunkt wiederholen
und vertiefen.
Der Beschwerdeführer zu 3), ein Wähler aus R., hat mit Schreiben vom 10. August 2006 unmittelbar den
Verfassungsgerichtshof angerufen. Er beanstandet ebenfalls die Wickelfalzung der Stimmzettel. Dadurch
sei die Partei, die er habe wählen wollen, für ihn nicht sichtbar gewesen, und er habe infolgedessen seine
Stimme für eine andere Partei abgegeben.
III.
Der Präsident des Landtages schließt sich den seiner Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des
Wahlprüfungsausschusses an. Ergänzend führt er aus, soweit der Landeswahlleiter die Wahlvorstände
gebeten habe, auf die Notwendigkeit der Entfalzung des Stimmzettels hinzuweisen, habe es sich lediglich
um eine zusätzliche Sicherungsmaßnahme gehandelt. Geringere Anforderungen an die Aufmerksamkeit
der Wählerinnen und Wähler seien dadurch nicht gerechtfertigt.
Der Landeswahlleiter und das Ministerium des Innern und für Sport beziehen sich im Wesentlichen auf
ihre gegenüber dem Wahlprüfungsausschuss gemachten Ausführungen.
Die Fraktionen des Landtags als sonstige Beteiligtehaben von einer Stellungnahme abgesehen oder
mitgeteilt, dass sie den Rechtsstandpunkt des Wahlprüfungsausschusses teilen.
Die Wahlprüfungsakten des Landtags (2 Hefte) haben dem Verfassungsgerichtshof vorgelegen.
B.
Die Wahlprüfungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 1) und 2) sind zulässig; die
Wahlprüfungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 3) ist unzulässig.
I.
I.
Die Wahlprüfungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 1) und 2) sind als gegen die Zurückweisung
ihrer jeweiligen Wahlbeanstandung durch den Wahlprüfungsausschuss gerichtete Beschwerden nach Art.
82 Satz 3, 135 Abs. 1 Nr. 5 Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV -, § 2 Nr. 3 Landesgesetz über den
Verfassungsgerichtshof - VerfGHG - i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 Landeswahlprüfungsgesetz - LWPG -
statthaft. Sie sind jeweils innerhalb der Beschwerdefrist des § 13 Abs. 2 LWPG erhoben. Die
Beschwerdeführer zu 1) und 2) sind gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LWPG beschwerdeberechtigt.
II.
Die Wahlprüfungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 3) ist hingegen nicht statthaft. Dieser hat das im
Landeswahlprüfungsgesetz vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten. Er hat die Wahl unmittelbar
gegenüber dem Verfassungsgerichtshof beanstandet, ohne dem Wahlprüfungsausschuss des Landtags
zuvor Gelegenheit zu geben, die geltend gemachten Wahlfehler zu prüfen.
C.
Die zulässigen Wahlprüfungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 1) und 2) sind unbegründet. Der
Wahlprüfungsausschuss des Landtags hat die Beanstandungen der Beschwerdeführer zu Recht
zurückgewiesen. Der von ihnen allein geltend gemachte Wahlfehler der unzulässigen amtlichen
Wahlbeeinflussung durch irreführende Falzung der Stimmzettel bei der Landtagswahl am 26. März 2006
liegt nicht vor.
Ein ausdrückliches Verbot, vorgefaltete Stimmzettel an die Wählerinnen und Wähler auszugeben, ist
weder im Landeswahlgesetz noch in der Landeswahlordnung enthalten. Allerdings ist aus den in Art. 76
Abs. 1 LV niedergelegten Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit der Wahl das an den Staat gerichtete
Verbot abzuleiten, auf die Bildung des Wählerwillens Einfluss zu nehmen. Gegen das Verbot amtlicher
Wahlbeeinflussung wäre - unter den hier gegebenen Umständen - verstoßen worden, wenn die Wahl-
organe durch die vorgegebene Wickelfalzung der Stimmzettel unter Verletzung der ihnen obliegenden
Neutralitätspflicht auf die Willensbildung der Wählerinnen und Wähler in mehr als nur unerheblichem
Maße parteiergreifend zugunsten oder zu Lasten von Wahlbewerbern eingewirkt hätten (vgl. BVerfGE 44,
125 [138 ff.]; 103, 111 [125 ff.]). Das ist ersichtlich nicht der Fall gewesen.
Es fehlt bereits an einem auf Wahlbeeinflussung gerichteten, parteiergreifenden Verhalten der
Wahlorgane: Diese verfolgten mit der Falzung der Stimmzettel erkennbar nicht die Absicht, die
Wählerinnen und Wähler daran zu hindern, ihre Stimme für die ab Listenplatz 10 aufgeführten Parteien
und Wählervereinigungen sowie deren etwaige Direktkandidaten abzugeben. Die Falzung der
Stimmzettel diente vielmehr ausschließlich der Praktikabilität und guten Handhabung. Der Stimmzettel
überschritt aufgrund der Zahl der zugelassenen Wahlvorschläge und zur besseren Lesbarkeit das Format
DIN A 4. Um gleichwohl ein problemloses Einlegen des Stimmzettels in den durch die
Landeswahlordnung vorgeschriebenen Wahlumschlag der Größe DIN C 6 sicherzustellen, wurde er durch
die vorgegebene Wickelfalzung zunächst auf DIN A 4 Größe gebracht. Somit mussten die Wählerinnen
und Wähler ihn nach der Stimmabgabe nur noch zweimal hälftig zusammenlegen, um ihn in den Um-
schlag stecken zu können.
Darüber hinaus ist es den Wählerinnen und Wählern zuzumuten, sich den ihnen überlassenen
Stimmzettel sorgfältig und gründlich anzusehen und die Notwendigkeit einer Entfalzung, also eines
vollständigen Aufklappens des Stimmzettels, zu erkennen. Das Demokratieverständnis der rheinland-
pfälzischen Verfassung geht vom Leitbild des mündigen, verständigen und sein Wahlrecht verant-
wortungsbewusst ausübenden Wahlbürgers aus. Mit ihrer Rolle als Souverän ist es nicht zu vereinbaren,
wenn die Wählerinnen und Wähler die Erfassung des Inhalts des gesamten Stimmzettels nicht als in ihrer
Verantwortung liegende Aufgabe verstehen und insoweit ganz nahe liegende Überlegungen
vernachlässigen. Von dem mündigen und aufgeschlossenen Durchschnittswähler ist zu fordern, dass er
seine Stimme für den Direktkandidaten oder die Liste abgibt, die er nach eigenem Entschluss wählen will,
ohne sich dabei durch die Äußerlichkeit einer Falzung des Stimmzettels desorientieren zu lassen. Dies gilt
umso mehr, als die Falzung von Stimmzetteln bereits von anderen Wahlen, vor allem Bundestags- und
Europawahlen, hinreichend bekannt ist.
Außerdem bestand bereits im Vorfeld der Landtagswahl mehrfach die Möglichkeit, sich mit dem
Stimmzettel und dessen Inhalt vertraut zu machen. Die Kreiswahlleiter haben die zugelassenen
Wahlkreisvorschläge sowie der Landeswahlleiter die zugelassenen Landes- und Bezirkslisten den
gesetzlichen Vorgaben entsprechend vor der Landtagswahl öffentlich bekannt gemacht (§ 43
Landeswahlgesetz - LWG -). Zudem wurde in den öffentlichen Wahlbekanntmachungen der Kommunen
auf den Inhalt des Stimmzettels hingewiesen (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 Landeswahlordnung - LWO -). Schließlich
wurde ein Muster des Stimmzettels am oder im Eingang der Gebäude, in denen sich jeweils der Wahl-
raum befand, angebracht (§ 43 Abs. 2 LWO). Damit haben die Wahlorgane ihrer Informationspflicht
genügt. Von dem mündigen und aufgeschlossenen Durchschnittswähler - einschließlich des Briefwählers
- ist zu erwarten, dass er wenigstens eine dieser Informationsmöglichkeiten nutzt (vgl. im Ergebnis wie hier
zur Bundestagswahl: Wahlprüfungsausschuss des Bundestages, Beschlüsse vom 5. Juni 2003 - WP 15,
37 und 220/02 - BT-Drucks. 15/1150, Anlage 18 ff.).
Soweit die Beschwerdeführer zu 1) und 2) beanstanden, die Mitglieder der Wahlvorstände hätten
entgegen dem Schreiben des Landeswahlleiters vom 21. März 2006 nicht in jedem Fall bei der Ausgabe
der Stimmzettel auf die Notwendigkeit seiner Entfalzung hingewiesen, verkennen sie die dargelegten, den
Stimmberechtigten zumutbaren Obliegenheiten mündiger, verantwortungsbewusster Wahlbürger. Daher
ist auch nicht der Frage nachzugehen, ob und in wie vielen Fällen von einem derartigen Hinweis
abgesehen worden ist.
Nach allem ist die Landtagswahl vom 26. März 2006 auch unter Würdigung der von den
Beschwerdeführern vorgebrachten Einwände gültig.
Mit Blick auf die durch die Wickelfalzung der Stimmzettel bei einigen Wählerinnen und Wählern offenbar
gleichwohl entstandenen Irritationen befürwortet der Verfassungsgerichtshof jedoch die vom
stellvertretenden Wahlleiter in der mündlichen Verhandlung in Aussicht gestellte Bereitschaft, im Kreis der
Wahlleiter des Bundes und der Länder die Art der Falzung bei künftigen Wahlen unter Berücksichtigung
der bisherigen Erfahrungen zu erörtern und zu überdenken.
Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist kostenfrei (§ 21 Abs. 1 VerfGHG). Eine
Auslagenerstattung findet nicht statt (§ 21 a Abs. 1 Satz 2 VerfGHG i.V.m. § 14 Abs. 2 LWPG).
gez. Prof. Dr. Meyer gez. Dury gez. Prof. Dr. Dr. Merten