Urteil des VerfGH Rheinland-Pfalz vom 11.10.2010

VerfGH Rheinland-Pfalz: fraktion, regierung, ausschuss, öffentliches interesse, vernehmung von zeugen, schutzwürdiges interesse, abweichende meinung, buchführung, mehrheit, verdacht

VerfGH
Rheinland-Pfalz
11.10.2010
VGH O 24/10
Verfassungsrecht
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Organstreitverfahren
der CDU-Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Fraktionsvorsitzenden,
Deutschhausplatz 12, 55116 Mainz,
- Antragstellerin -
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwalt Prof. Dr. Christofer Lenz,
OPPENLÄNDER Rechtsanwälte, Börsenplatz 1,
70174 Stuttgart,
gegen
den Landtag Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Präsidenten des Landtags, Deutschhausplatz 12,
55116 Mainz,
- Antragsgegner -
wegenEinsetzung des Untersuchungsausschusses
„CDU‑Fraktionsfinanzen der Jahre 2003 bis 2006“
hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
11. Oktober 2010, an der teilgenommen haben
Präsident des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Meyer
Präsident des Oberlandesgerichts Bartz
Präsident des Oberlandesgerichts Kestel
Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling
Landrat Dr. Saftig
Universitätsprofessor Dr. Hufen
Universitätsprofessor Dr. Robbers
Kreisverwaltungsdirektorin Nagel
Rechtsanwältin JU Dr. Theis LL.M.
für Recht erkannt:
Unter Zurückweisung des Antrags und nach Maßgabe der Gründe im Übrigen wird festgestellt:
1. Der Landtag hat durch die Einsetzung des Untersuchungsausschusses „CDU-Fraktionsfinanzen der
Jahre 2003 bis 2006“ mit Beschluss vom 25. Juni 2010 (LTDrucks 15/4763) insoweit gegen Art. 85a, 85b
und 91 LV verstoßen, als sich der Ausschuss mit der Aufnahme von Krediten durch die Antragstellerin und
ihre Rechtsvorgängerin sowie ohne Einschränkung mit den strafgerichtlich abgeurteilten Verfehlungen
ihres ehemaligen Fraktionsgeschäftsführers zu ihren Lasten befassen soll.
Die Überprüfung der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der CDU ist nur hinsichtlich der Kontrolle der
wechselseitigen Zahlungsflüsse zwischen der Konferenz und der CDU-Fraktion Rheinland-Pfalz sowie
der künftigen Überprüfung der Verwendung von Fraktionsgeldern mit der Verfassung vereinbar.
Soweit danach eine Untersuchung ausgeschlossen ist, verstößt eine hierauf gerichtete
Beweiserhebung gleichfalls gegen Art. 85a, 85b und 91 LV.
2. Der Antragstellerin sind die durch das Verfahren verursachten notwendigen Auslagen zu einem Drittel
aus der Staatskasse zu erstatten.
A.
Das Organstreitverfahren betrifft die Frage, ob der Landtag Rheinland-Pfalz einen parlamentarischen
Untersuchungsausschuss zur Überprüfung der Verwendung von Fraktionsgeldern durch eine
(Oppositions-)Fraktion einsetzen durfte.
I.
1. Gemäß Art. 91 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV – hat der Landtag das Recht und
auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen.
Ausgestaltet wird Art. 91 LV durch das Landesgesetz über die Einsetzung und das Verfahren von
Untersuchungsausschüssen – UAG –. Nach dessen § 1 hat ein Untersuchungsausschuss die Aufgabe, im
Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeiten des Landtags Sachverhalte, deren Aufklärung im
öffentlichen Interesse liegt, zu untersuchen und dem Landtag darüber Bericht zu erstatten.
Das Recht der Abgeordneten, sich zu Fraktionen zusammenzuschließen, garantiert Art. 85a LV. Diesen ist
eine angemessene Ausstattung zu gewährleisten. Gemäß Art. 85a Abs. 3 Satz 2 LV regelt ein Gesetz das
Nähere über die Ausgestaltung, die Rechnungslegung und die Prüfung der Rechnung durch den Rech-
nungshof. Nach § 2 Abs. 1 des Landesgesetzes zur Rechtsstellung und Finanzierung der Fraktionen vom
21. Dezember 1993 – FraktG – erhalten die Fraktionen Geld- und Sachleistungen. Satz 2 der Vorschrift
bestimmt, dass deren Verwendung für andere Zwecke, insbesondere für Parteiaufgaben, unzulässig ist.
Gemäß § 5 Abs. 1 FraktG ist der rheinland-pfälzische Landesrechnungshof berechtigt, die
Ordnungsgemäßheit der Mittelverwendung zu kontrollieren.
2. In seinem Bericht über die Prüfung von Geld- und Sachleistungen an die Fraktionen des Landtags
Rheinland-Pfalz für die Haushaltsjahre 2003 bis 2006 (bis zum Ende der 14. Wahlperiode) vom 26. März
2010 (LTDrucks. 15/4476) stellte der Rechnungshof Rheinland-Pfalz fest, die damalige CDU-Fraktion
habe Geldleistungen in Höhe von insgesamt 478.301,66 € nicht bestimmungsgemäß verwendet. Davon
seien 401.084,32 € auf Beratungsleistungen im Jahr 2005 entfallen, deren Fraktionsbezug entweder
gefehlt habe oder nicht belegt worden sei, weil die Fraktion Partei- und Fraktionsaufgaben nicht von-
einander getrennt habe. Des Weiteren habe der damalige Geschäftsführer Fraktionsgelder unberechtigt
für eigene Zwecke verwendet. In weiteren Fällen sei der Nachweis einer bestimmungsgemäßen
Verwendung wegen einer unsachgemäßen Buchführung nicht möglich gewesen. Hinsichtlich der
Barkasse seien elementarste Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kassen- und Belegführung nicht
erfüllt worden. Soweit Belege vorgelegen hätten, seien einzelne Zahlungen gleichfalls zweckwidrig
gewesen. Schließlich wies der Rechnungshof darauf hin, die Fraktionen der CDU, CSU und EVP im
Bundestag, in den Landtagen sowie im Europäischen Parlament zahlten aus den ihnen zugewiesenen
Mitteln Beiträge an die CDU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz. Deren Ausgaben unterlägen keiner Über-
wachung durch Rechnungshöfe.
3. Der Antragsgegner beschloss daraufhin in seiner Sitzung vom 25. Juni 2010 auf Antrag der
Abgeordneten der SPD-Fraktion (LTDrucks 15/4687) und mit deren Stimmen die Einsetzung eines Unter-
suchungsausschusses „im Zusammenhang mit den Vorgängen um die Verwendung und den Umgang der
CDU-Fraktion mit Fraktionsgeldern, den vom Landesrechnungshof festgestellten Unstimmigkeiten und der
politischen Verantwortung hierfür“ (LTDrucks 15/4763).
Der Ausschuss soll untersuchen,
1. ob und inwiefern die Verwendung der Leistungen nach dem Fraktionsgesetz in dem vom
Rechnungshof Rheinland-Pfalz untersuchten Zeitraum von 2003 bis 2006 durch die CDU-Fraktion gegen
die Grundsätze und Bestimmungen u. a. des Fraktionsgesetzes verstieß, wer die politische Verantwortung
hierfür trägt, ob und wie die untersuchten Vorgänge aufgearbeitet wurden und ob und welche Kon-
sequenzen daraus gezogen wurden, insbesondere
a)wofür seitens der CDU-Landtagsfraktion u. a. an die Düsseldorfer Beratungsagentur C 4 Consulting
sowie an die Kölner PR-Agentur Allendorf welche Zahlungen geleistet wurden, welche Leistungen für die
CDU-Fraktion für die gezahlten Beträge erbracht worden sind, ob und in welchem Umfang der Landes-
verband der CDU Rheinland-Pfalz von diesen Leistungen profitiert hat bzw. die Leistungen an ihn
geflossen sind, wer die Aufträge für diese Leistungen vergeben hat, von wem diese Leistungen erbracht
wurden und wer an der Auftragserteilung mitgewirkt hat oder sonst beteiligt war;
b)wer für die durch den Landesrechnungshof festgestellte Nichteinhaltung elementarster Anforderungen
an die Rechnungslegung und Buchführung verantwortlich ist und ob und wie diese Verantwortlichkeiten
durch die CDU-Fraktion bewertet worden sind;
c) ob und welche Rückerstattungsansprüche seitens der CDU-Fraktion gegen wen geltend gemacht
wurden;
d)aus welchen Mitteln sich die nach Feststellung des Landesrechnungshofes von Juni 1999 bis Juni 2006
von der CDU-Fraktion Rheinland-Pfalz geführte Kasse der Fraktionsvorsitzenden-Konferenz der Union
speist, ob hierfür Steuergelder verwandt werden, wie die Verwendung dieser Mittel geprüft wird, welche
Mittel die CDU-Fraktion Rheinland-Pfalz an die Fraktionsvorsitzenden-Konferenz geleistet hat und welche
Mittel und Zahlungen aus dieser Kasse an die CDU-Fraktion Rheinland-Pfalz geflossen sind und
inwieweit hier künftig die Überprüfung der Verwendung von steuerfinanzierten Fraktionsgeldern erfolgen
kann;
e)welche Nachforschungen seitens der CDU-Fraktion hinsichtlich der zweckwidrigen Mittelverwendung (z.
B. der Barkasse oder der Fraktionskreditkarten) durchgeführt wurden und welche Erkenntnisse hierzu
vorliegen, welche Rolle der ehemalige Fraktionsgeschäftsführer dabei spielte und ob die entsprechenden
Ausgaben mittlerweile erstattet worden sind;
f) ob eine durch die CDU-Fraktion auch nach eigenen Angaben erfolgte Kreditaufnahme zur
Refinanzierung der Fraktionsarbeit und zur Rückzahlung zweckwidrig verwendeter Beträge rechtlich
zulässig ist, insbesondere warum diese Kredite aufgenommen wurden, bei wem diese Kredite
aufgenommen wurden, welche Sicherheiten für die Rückzahlung der Kredite erbracht worden sind und
warum seitens der CDU-Fraktion keine Rückstellung für diese Zwecke vorgenommen wurde;
2. welche Konsequenzen aus den gegebenenfalls vom Untersuchungsausschuss festgestellten Mängeln
zu ziehen sind und welche konzeptionellen Konsequenzen die im Untersuchungsausschuss ermittelten
Tatsachen z. B. für eine Regelung zur Kreditaufnahme durch Fraktionen ergeben.
Beweis soll insbesondere erhoben werden durch
1. Beiziehung aller Akten betreffend den Untersuchungsgegenstand, insbesondere der CDU-
Landtagsfraktion, der Verwaltung des Landtags Rheinland-Pfalz, des Rechnungshofes Rheinland-Pfalz,
der den Untersuchungsgegenstand betreffenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten sowie
weiterer in Privatbesitz befindlicher für den Untersuchungsgegenstand maßgeblicher Unterlagen,
2. die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie
3. weitere nach der StPO zulässige Beweismittel.
II.
1. Mit dem gegen den Landtag eingeleiteten Organstreitverfahren begehrt die Antragstellerin die
Feststellung, dass die Einsetzung des vorgenannten Untersuchungsausschusses verfassungswidrig sei.
Zur Begründung macht sie – unter Vorlage zweier Rechtsgutachten von Prof. Dr. Ipsen vom 6. Juli 2010
sowie von Prof. Dr. Degenhart vom 9. Juli 2010 – geltend:
Der Untersuchungsausschuss sei seinem Ursprung nach gegen die Regierung gerichtet und deshalb ein
inter-, nicht jedoch ein intraorganschaftliches Kontrollinstrument. Der angefochtene Einsetzungsbeschluss
verkehre diesen Sinn rechtsmissbräuchlich in sein Gegenteil. Soweit in der Vergangenheit in Deutschland
vereinzelt interne Vorgänge Gegenstand von Untersuchungen eines Parlaments gewesen seien, lasse
dies keinen Schluss darauf zu, Untersuchungsausschüsse könnten auch gegen eine Fraktion eingesetzt
werden. Für sogenannte Kollegialenqueten habe das Bundesverfassungsgericht vielmehr festgestellt, sie
kämen nur ausnahmsweise in Betracht. Dass Fraktionen nicht Gegenstand eines Unter-
suchungsausschusses sein könnten, folge auch aus Art. 91 Abs. 1 Satz 2 LV, dem zufolge jede Fraktion im
Untersuchungsausschuss vertreten sein müsse und folglich nur dessen Subjekt, nicht aber dessen Objekt
sein könne. Ein gegen die gesamte Fraktion gerichteter Untersuchungsauftrag stehe auch deshalb in
Widerspruch hierzu, weil jedes ihre Mitglieder von der Untersuchung betroffen und deshalb gemäß § 7
Abs. 1 UAG von der Mitwirkung im Ausschuss ausgeschlossen sei.
Ein gegen eine (Oppositions-)Fraktion gerichteter Untersuchungsausschuss sei auch deshalb
verfassungswidrig, weil hierdurch ihre in Art. 85a und 85b LV garantierte Funktionsfähigkeit und Auf-
gabenwahrnehmung verletzt würden. Neben der Strukturierung der Parlamentsarbeit und der Mitwirkung
an der politischen Willensbildung obliege es einer Oppositionsfraktion, politische Alternativen zur
Regierung und der sie tragenden Landtagsmehrheit aufzuzeigen. Dieser Aufgabe könne sie nicht mehr
gerecht werden, wenn sie wesentliche Energien und Mittel für ihre Verteidigung im Ausschuss aufwenden
müsse. Eine weitere erhebliche Beeinträchtigung liege in dem Zwang zur Bekanntgabe von
Fraktionsinterna gegenüber der gegnerischen Fraktion und der Regierung. Der entscheidende Eingriff in
die verfassungsmäßigen Rechte der Fraktion erfolge insoweit bereits durch die Offenlegung innerhalb des
Parlaments. Ihm könne deshalb nicht mit Maßnahmen des Geheimnisschutzes entgegengewirkt werden.
Das Gewicht des Untersuchungsrechts des Landtags werde zudem dadurch gemindert, dass der Aus-
schuss nicht von der bestimmenden Zielsetzung des parlamentarischen Enqueterechts – der Kontrolle der
Regierung und dem Schutz parlamentarischer Minderheiten – getragen werde, sondern als Instrument
des parteipolitischen Meinungskampfes allein dem Interesse einer einzelnen Fraktion verpflichtet sei.
Dessen ungeachtet sei jedenfalls ein mit der Untersuchung der Verwendung von Sach- und
Geldleistungen befasster Ausschuss verfassungswidrig, weil für die diesbezügliche Überprüfung gemäß
Art. 85a Abs. 3 Satz 2 LV ausschließlich der Rechnungshof Rheinland-Pfalz zuständig sei. Der ver-
fassungsändernde Gesetzgeber habe mit der Zuweisung an den unabhängigen und zur Sachlichkeit
sowie zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit verpflichteten Rechnungshof eine Politisierung der Aufsicht
über die Mittelverwendung und eine Kontrolle der Fraktionen durch den politischen Gegner ausschließen
wollen. Der Landesrechnungshof habe die betroffenen Vorgänge umfassend geprüft und aufgeklärt.
Schließlich verstoße der angegriffene Beschluss gegen das Demokratieprinzip, insbesondere das darin
enthaltene Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot im Vorfeld von Wahlen.
Die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, dass die Einsetzung des Untersuchungsausschusses „CDU-Fraktionsfinanzen der Jahre
2003 bis 2006“ gegen die Landesverfassung von Rheinland-Pfalz verstoßen hat.
2. Der Antragsgegner hält den Antrag für unbegründet und beantragt dessen Abweisung.
Er trägt vor, Fraktionen würden aufgrund ihrer Eingliederung in die organisierte Staatlichkeit und ihrer
Finanzierung aus öffentlichen Mitteln jedenfalls hinsichtlich deren Verwendung vom parlamentarischen
Untersuchungsrecht erfasst. Dessen Begrenzung auf den Bereich der Regierungs- und Verwaltungs-
kontrolle lasse sich aus der Verfassung nicht ableiten. Vielmehr könne es zur Wahrung des Ansehens des
Landtags auch gegen die Parlamentsminderheit gewendet werden. Eine etwaige parteipolitische
Motivation der Untersuchung stehe deren Zulässigkeit nicht entgegen. In der Verfassungswirklichkeit
stünden sich nicht Regierung und Parlament, sondern Regierungs- und Oppositionsfraktionen gegenüber.
Bei Untersuchungsausschüssen stehe deshalb weniger eine gesamtparlamentarische Regie-
rungskontrolle als vielmehr die Auseinandersetzung zwischen Mehrheit und Minderheit im Vordergrund.
Weder die Fraktionsautonomie noch die Freiheit des Abgeordnetenmandats gewähre eine unkontrollierte
Verwendung öffentlicher Mittel. Vielmehr habe der Gesetzgeber mit der Rechenschaftspflicht der
Fraktionen eine politische Überprüfung ihres Finanzgebarens ermöglichen wollen. Diese realisiere sich
vorrangig im Parlament als dem obersten Repräsentationsorgan des Volkswillens. Die Annahme einer
alleinigen Zuständigkeit des Rechnungshofs hingegen finde in der Verfassung keine Grundlage. Durch
Art. 85a Abs. 3 Satz 2 LV werde lediglich klargestellt, dass auch der Rechnungshof zur Rechnungsprüfung
der Fraktionen berechtigt sei. Zudem könne das Finanzgebaren einer Partei trotz ihrer Staatsfreiheit und
ihrer fehlenden Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament zum Gegenstand eines Untersuchungs-
ausschusses gemacht werden. Das Bundesverfassungsgericht habe sogar die parlamentarische
Überprüfung einer juristischen Person des Privatrechts für zulässig erachtet, wenn diese in erheblichem
Umfang aus staatlichen Mitteln gefördert werde. Dem widerspreche es, Fraktionen, die überwiegend
öffentlich finanziert würden und Teil der organisierten Staatlichkeit seien, von einer Kontrolle aus-
zunehmen.
Die Rechte der (Oppositions-)Fraktion würden dadurch hinreichend gewahrt, dass die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses tatsächliche Anhaltspunkte für Gesetzesverstöße und zudem ein erhebliches
öffentliches Interesse an der Untersuchung erfordere. Diese Voraussetzungen seien vorliegend im
Hinblick auf die Größenordnung und die Vielzahl der Vorwürfe, die erhebliche Missachtung der Nachweis-
und Aufzeichnungspflichten sowie angesichts einer möglichen Verletzung der Chancengleichheit der
Parteien durch eine Wahlkampffinanzierung mit Fraktionsgeldern erfüllt. Berechtigten Geheimhaltungs-
interessen müsse durch geeignete Vorkehrungen im Verfahren Rechnung getragen werden.
3. Die SPD-Fraktion verteidigt gleichfalls den angefochtenen Einsetzungsbeschluss. Die Aufarbeitung von
Vorkommnissen, welche das Ansehen des Landtags berührten, gehöre zu seinen ureigensten Aufgaben.
Das besondere Interesse an der Überprüfung auch einer Fraktion ergebe sich aus deren Einbindung in
die Staatlichkeit sowie aus ihrer Finanzierung mit öffentlichen Mitteln, ohne dass es einer weiteren
Rechtfertigung hierfür bedürfe. Auch hinsichtlich der Parteienfinanzierung sei das Parlament als der Ort
angesehen worden, an dem Verstöße gegen die von ihm selbst geschaffenen Finanzierungsregeln
untersucht werden dürften. Von einer solchen Überprüfung sei allenfalls ein kleiner Ausschnitt des
Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses einer Fraktion betroffen, der ohnehin bereits gegenüber
dem Rechnungshof wie auch dem Landtag offengelegt werden müsse. Diese Publizitätspflicht sei nur
sinnvoll, wenn sie politisch betrachtet und bewertet werden könne. Darüber hinaus werde vorliegend nicht
der Innenbereich der aktuellen, sondern nur derjenige der Fraktion im vorhergehenden Landtag betroffen.
Auch gewährleiste das Untersuchungsausschussgesetz den erforderlichen Geheimnisschutz.
Die Prüfung durch den Rechnungshof schließe eine parlamentarische Kontrolle nicht aus. Dieser
überwache die Einhaltung haushaltsrechtlicher Grundsätze sowie die bestimmungsgemäße Verwendung
der Fraktionszuschüsse, wohingegen der Untersuchungsausschuss für die Ermittlung und politische
Bewertung von Tatsachen sowie für die Vorbereitung einer gesetzgeberischen Tätigkeit des Landtags
zuständig sei.
Der Oppositionsstatus stehe einer Untersuchung gleichfalls nicht entgegen. Auch der Parteispenden-
Untersuchungsausschuss des 14. Deutschen Bundestages habe Leistungen an Oppositionsfraktionen
umfasst. Im Übrigen habe ein Untersuchungsausschuss zwangsläufig politischen Charakter. Seiner
leichtfertigen Einsetzung und Instrumentalisierung stünden dessen strenge Zulässigkeitskriterien
entgegen.
4. Nach Ansicht der FDP-Fraktion hingegen führt bereits der Einsetzungsbeschluss zu einer Lähmung der
politischen Aktionsmöglichkeiten der von der Untersuchung betroffenen Fraktion und damit zu Nachteilen
im politischen Wettbewerb. Hierin liege ein Eingriff in deren durch Art. 85a Abs. 2 LV garantierten Status,
der nicht zuletzt die Gleichbehandlung mit allen anderen Fraktionen erfordere. Dieser Eingriff wiege
vorliegend besonders schwer, weil eine Oppositionsfraktion und damit der aus dem Demokratieprinzip
folgende Grundsatz der Chancengleichheit von Opposition und Regierung betroffen sei. Diese
erheblichen Beeinträchtigungen würden durch das Aufklärungsinteresse nicht aufgewogen. Ihm komme
bereits deshalb geringeres Gewicht zu, weil der Ausschuss nicht zur Kontrolle der Regierung, sondern
lediglich zur Überprüfung einer Oppositionsfraktion und zu deren Schwächung im Vorfeld der be-
vorstehenden Landtagswahl eingesetzt werde.
Dem Einsetzungsbeschluss stehe zudem entgegen, dass die Verfassung die Überprüfung der
Verwendung staatlicher Fraktionsmittel dem Rechnungshof zugewiesen habe. Der Kontrollmechanismus
habe sich im Falle der Antragstellerin als effektiv erwiesen. Soweit dies möglich gewesen sei, habe der
Rechnungshof den Sachverhalt aufgeklärt. Durch die öffentliche Feststellung der Zweckwidrigkeit der
Mittelverwendung und die damit ausgelöste Rückzahlungspflicht sei der Prozess der Selbstkontrolle
vollzogen. Die im Einsetzungsbeschluss genannten Fragen könnten wiederum nicht beantwortet werden,
ohne zugleich die Strukturen und Inhalte der fraktionsinternen Kommunikation sowie politische Strategien
der Antragstellerin zu erhellen. Weder die Pflicht zur Verschwiegenheit noch weitere Geheimschutz-
maßnahmen könnten diese Offenlegung gegenüber dem politischen Gegner verhindern.
5. Die Landesregierung hat von einer Stellungnahme abgesehen.
B.
Der Antrag ist nur zum Teil begründet.
Der Landtag hat das Recht, parlamentsinterne Vorgänge zum Gegenstand eines
Untersuchungsausschusses zu machen. Diese Befugnis erfasst auch, Verstöße einer (Oppositions-
)Fraktion gegen das Fraktionsrecht aufzuklären und zu bewerten, wenn und soweit hierfür im konkreten
Fall tatsachengestützte Anhaltspunkte sowie ein hinreichend gewichtiges öffentliches Interesse bestehen
(I.). Dies ist vorliegend ungeachtet der Prüfung der Fraktionsfinanzen durch den Rechnungshof (II.) in dem
aus dem Tenor ersichtlichen Umfang der Fall (III.).
I.
Die Verfassungsmäßigkeit einer über eine (Oppositions-)Fraktion geführten Enquete bestimmt sich
einerseits anhand der grundsätzlich weiten Befassungs- und Prüfungsbefugnis des Parlaments gemäß
Art. 91 LV (1.) sowie andererseits nach den in Art. 79 Abs. 2, Art. 85a und 85b LV garantierten Rechten
seiner Fraktionen und Mitglieder (2.). Bei zusammenführender Betrachtung dieser nicht deckungsgleichen
Verfassungsgarantien kann sich ein Untersuchungsausschuss zwar auch mit einer (Oppositions-)Fraktion
einschließlich ihrer Abgeordneten und Mitarbeiter befassen; die konkrete Ausgestaltung des Verfahrens
muss jedoch ihren verfassungsrechtlich geschützten Belangen Rechnung tragen (3.). Dies wird durch
Systematik, Funktion und Entstehungsgeschichte der ausschussrechtlichen Vorschriften bestätigt (4.).
1. Nach Art. 91 Abs. 1 Satz 1 LV hat der Landtag das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner
Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Das Enqueterecht ist Ausdruck der
Parlamentsautonomie, die ihrerseits im Prinzip der Volkssouveränität gründet (vgl. BVerfGE 99, 19 [34 f.];
Glauben, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, Art. 83 Rn. 15). Damit erhalten das Parlament
insgesamt, seine Mehrheit, aber auch seine (qualifizierte) Minderheit die Möglichkeit, sich unabhängig
von Dritten mit hoheitlichen Mitteln selbständig über Angelegenheiten zu informieren, deren Kenntnis sie
zur Erfüllung ihrer parlamentarischen Aufgaben für erforderlich halten. Geht es um die Ermittlung von
Missständen oder gar Rechtsverstößen, wird hierdurch politische Verantwortlichkeit in besonderem Maße
verwirklicht und auch für den Bürger transparent gemacht. Im Lichte der in Art. 79 Abs. 1 Satz 2 LV
verankerten Zuständigkeit für die Behandlung grundsätzlich aller öffentlichen Angelegenheiten räumt die
Landesverfassung dem Antragsgegner damit im Rahmen seiner allgemeinen Zuständigkeit eine weite Be-
fugnis zur Auseinandersetzung mit Missständen unabhängig davon ein, aus welchem Bereich sie
herrühren.
Der Landtag kann danach schon bei einer am Wortsinn orientierten Auslegung des Art. 91 LV
grundsätzlich auch das Verhalten einer Fraktion zum Gegenstand eines Untersuchungsverfahrens
machen. Art. 91 Abs. 1 Satz 2 LV und § 4 Abs. 2 UAG, denen zufolge im Ausschuss jede Fraktion vertreten
sein muss, schließen dies entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht aus. Mit diesen Regelungen
wird nicht das Untersuchungsrecht des Parlaments, sondern lediglich seine Befugnis zur Bestimmung der
Größe sowie der Zusammensetzung des Ausschusses beschränkt.
2. Soweit sich ein Untersuchungsausschuss mit einer (Oppositions-)Fraktion befasst, werden allerdings
diese und die ihr angehörenden Abgeordneten in ihren durch Art. 79 Abs. 2, Art. 85a und 85b LV
gewährleisteten Rechten (a) berührt (b).
a) Die Fraktionen sichern gemäß Art. 85a Abs. 2 Satz 1 LV durch die Koordination der parlamentarischen
Arbeit die Funktionsfähigkeit des Landtags. Sie dienen dabei nicht allein den Interessen der Parteien,
sondern tragen im politischen Wettbewerb mit der Herausarbeitung eigener Standpunkte, Zielsetzungen
und Lösungsalternativen zu gemeinwohldienlichen Entscheidungen bei (vgl. VerfGH Rh-Pf, AS 29, 362
[372 f., 376, 380]).
Soweit es sich um Oppositions-Fraktionen handelt, ist dies zugleich Ausdruck ihrer durch Art. 85b LV
gewährleisteten Chancengleichheit gegenüber der Regierungsmehrheit. Die Opposition kann ihrer
Funktion als grundlegender Bestandteil der parlamentarischen Demokratie nur gerecht werden, wenn sie
in der Lage ist, ihre sachlichen und persönlichen Alternativen zur Politik der Regierung und den sie tra-
genden Fraktionen darzustellen (vgl. VerfGH Rh-Pf, AS 29, 362 [380]). Nur so lässt sich die für einen
demokratischen Staat wesentliche Chance eines Machtwechsels verwirklichen. Zugleich kommt ihr
aufgrund der engen politischen und personellen Verbindungen zwischen Mehrheitsfraktionen und
Regierung für die Kontrolle der Exekutive besondere Bedeutung zu. Ihre Betätigungsmöglichkeiten
müssen deshalb so ausgestaltet sein, dass sie ihr Wächteramt auch tatsächlich wirksam ausüben und die
Verantwortung der Regierung dem Landtag gegenüber effektiv durchsetzen kann. Art. 85a und 85b LV
beinhalten damit – als Ausprägung des Demokratieprinzips – die Garantie der Wirkungsmöglichkeiten der
(Oppositions-)Fraktionen im Parlament.
Diese fraktionsbezogenen Rechte werden zusätzlich durch die Freiheit des Abgeordnetenmandats
gestärkt, zu deren Achtung auch der Landtag verpflichtet ist. Sie schützt Parlamentarier sowohl vor einer
gezielten als auch über Art. 79 Abs. 2 LV vor einer mittelbaren Beeinträchtigung.
b) Mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses über eine (Opposi-
tions-)Fraktion werden deren Handlungsmöglichkeiten dadurch berührt, dass sie in eine Abwehrposition
gedrängt wird und einen Teil der Kräfte auf ihre Verteidigung verwenden muss. Auch kann sie unter
Umständen gezwungen sein, Fraktionsinterna offen zu legen. Eine hieraus möglicherweise resultierende
Einschränkung der Wahrnehmung ihrer Fraktions- und Oppositionsaufgaben, insbesondere hinsichtlich
der Koordinierung der politischen Arbeit im Landtag, kann sich gleichzeitig zu Lasten ihrer Mitglieder
auswirken. Ihnen kann zudem in der Öffentlichkeit unabhängig von der Frage individueller Ver-
antwortlichkeit schon aufgrund ihrer Fraktionszugehörigkeit der Makel des Verdachts
untersuchungsbedürftigen Handelns anhaften.
3. Bei der Auflösung dieses in der Landesverfassung mit Art. 91 LV einerseits und Art. 79 Abs. 2, Art. 85a
und 85b LV andererseits angelegten Spannungsverhältnisses können weder das Untersuchungsrecht
des Landtags noch der Schutz der (Oppositions-)Fraktion oder ihrer Mitglieder absoluten Vorrang
beanspruchen. Vielmehr müssen die widerstreitenden Verfassungsgüter einander so zugeordnet werden,
dass beide so weit wie möglich Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 67, 100 [143 f.]; 77, 1 [44]).
a) Mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sind regelmäßig erhebliche Auswirkungen auf
die Rechtssphäre der von der Untersuchung Betroffenen verbunden. Das Enqueterecht ist deshalb zwar
nicht aus dem Wortlaut des Art. 91 LV, wohl aber aus dem Gesamtverständnis der Verfassung
eingeschränkt. Danach müssen konkrete, tatsachengestützte Anhaltspunkte für einen Sachverhalt
vorliegen, der ein gewichtiges öffentliches Interesse an einer Untersuchung begründet (vgl. BVerfGE 77, 1
[44]; 94, 351 [367]). Diesem Gesichtspunkt kommt bei einem Ausschuss über eine (Oppositions-)Fraktion
wegen der möglichen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Demokratie be-
sondere Bedeutung zu.
Insoweit dürfen das Handeln oder Unterlassen einer Fraktion einschließlich ihrer Abgeordneten und
Mitarbeiter allein dann zum Gegenstand einer Kollegialenquete gemacht werden, wenn sie sich dem Ver-
dacht hinreichend gewichtiger Unregelmäßigkeiten ausgesetzt haben. In dieser Situation kann ein
besonderes Interesse des Parlaments bestehen, durch die eigene Aufklärung der Vorkommnisse zu
verhindern, dass sich der auf einzelne Abgeordnete oder eine Fraktion beschränkte Vorwurf zu einer
Verdächtigung des Landtags insgesamt und damit zu einer Gefährdung der parlamentarischen De-
mokratie ausweitet. Zudem kann die Enquete die Haltlosigkeit der Vorwürfe ergeben und so das Ansehen
des Parlaments schützen.
Solange nur bei einer Fraktion oder einzelnen Parlamentariern Hinweise auf derartiges
beanstandungswürdiges Verhalten, gegebenenfalls sogar auf Rechtsverstöße, bestehen, stellt die auf sie
beschränkte Untersuchung auch keine Ungleichbehandlung und folglich keine Verletzung ihrer
Chancengleichheit dar. Ursächlich für ihre Beeinträchtigung ist in diesen Fällen vielmehr der durch Tat-
sachen untermauerte Verdacht eigenen Fehlverhaltens, nicht jedoch dessen parlamentarische Über-
prüfung, die hierdurch erst veranlasst wurde. Die Gefahr eines Einblicks in fraktionsinterne Strategien
wiederum ist nicht zwangsläufig mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verbunden,
sondern von den Umständen des Einzelfalls abhängig.
Der Status des freien Abgeordneten schützt darüber hinausgehend grundsätzlich nur davor, die
Legitimität des Mandats aufgrund eines der Wahl vorausliegenden Verhaltens in Zweifel zu ziehen (vgl.
BVerfGE 94, 351 [368]; 99, 19 [33 f.]). Hingegen wird die Untersuchung von Vorfällen während der Parla-
mentszugehörigkeit, die hiermit in Zusammenhang stehen, nicht ausgeschlossen. In diesem Fall zielt die
landtagsinterne Überprüfung nicht auf ein Urteil über die Rechtmäßigkeit der Mitgliedschaft, sondern über
deren ordnungsgemäße Ausübung. Insoweit ist der Abgeordnete durch die Bedingungen geschützt, die
generell für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen gelten. Darüber hinaus besteht kein
schutzwürdiges Interesse daran, von einer Aufklärung entsprechender Verdachtsmomente verschont zu
werden.
b) Hiernach wahren die Einsetzung eines Ausschusses und die Durchführung des Verfahrens die
berechtigten Belange sowohl des Parlaments als auch der betroffenen (Oppositions-)Fraktion, wenn
folgende Grundsätze beachtet werden:
aa) Der mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses über eine (Oppositions-)Fraktion
verbundene Eingriff in deren Verfassungsrechte ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Verdacht für das
Bestehen von Missständen oder Rechtsverletzungen hinreichend konkret und diese – ihr Vorliegen un-
terstellt – wiederum so gewichtig sind, dass das öffentliche Interesse an einer Aufklärung den Schutz der
Fraktions- und Oppositionsrechte überwiegt.
(1) Danach reicht es nicht aus, wenn lediglich die vage Vermutung eines beanstandungswürdigen
Handelns besteht und erst im Untersuchungsausschuss – gewissermaßen durch Ausforschung –
festgestellt werden soll, ob überhaupt entsprechende Verdachtsmomente vorliegen. Vielmehr müssen
schon vor Einsetzung der Enquete tatsachengestützte Anhaltspunkte gegeben sein, die – einzeln oder in
einer Gesamtschau – bei objektiver Betrachtung auf Missstände oder Rechtsverletzungen hindeuten.
Diesbezüglich besteht kein Einschätzungsspielraum der die Einsetzung des Untersuchungsausschusses
beantragenden Abgeordneten. Das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte unterliegt im Konfliktfall
vielmehr verfassungsgerichtlicher Prüfung. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht auf eine bloße Willkür-
oder Missbrauchskontrolle beschränkt.
(2) Das öffentliche Interesse an einer Aufklärung wiederum muss sowohl hinsichtlich des generell
umschriebenen Untersuchungsgegenstandes als auch in Bezug auf die einzelnen Fragen des
Untersuchungsauftrags hinreichend gewichtig sein und die verfassungsrechtlich geschützten Belange der
betroffenen Fraktion überwiegen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die vermeintlichen Verfehlun-
gen geeignet sind, nicht nur das Ansehen der betroffenen Fraktion, sondern darüber hinaus auch den Ruf
oder die Funktionsfähigkeit des Parlaments insgesamt zu beeinträchtigen. Verstöße gegen bloße
Ordnungsvorschriften oder eine Verletzung parlamentsrechtlicher Regelungen in einem untergeordneten
Einzelfall können hingegen von vornherein die Überprüfung einer Fraktion oder einzelner ihrer Mitglieder
nicht rechtfertigen. Die Bedeutung der Vorwürfe und die Auswirkungen eines etwaigen Fehlverhaltens
müssen darüber hinaus umso größer sein, je stärker die Untersuchung in den Rechtskreis der betroffenen
Fraktion und der verantwortlich Handelnden eingreift.
Darüber hinaus entfällt das öffentliche Interesse an einer Untersuchung, soweit der Sachverhalt bereits
umfassend aufgeklärt ist. In diesem Fall beschränkt sich die Befugnis des Untersuchungsausschusses
grundsätzlich auf die politische Bewertung dieser Vorgänge einschließlich des sich daraus etwa
ergebenden Handlungsbedarfs.
bb) Ihrer Aufgabe, politische Pluralität sowie eine effektive Regierungskontrolle zu gewährleisten, kann
eine (Oppositions-)Fraktion darüber hinaus notwendigerweise nur gerecht werden, wenn ihr und ihren
Abgeordneten ein Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich verbleibt, der auch von parlamentarischen
Untersuchungsausschüssen nicht ausforschbar ist. Zu diesem grundsätzlich untersuchungsfesten
Kernbereich zählen neben der inneren Willensbildung insbesondere Überlegungen zu politischen
Strategien und Taktiken sowie zur Darstellung ihrer Politik. Derartige Interna müssen jedoch im Rahmen
einer Enquete offenbart werden, soweit sie einen untrennbaren Bezug zum Untersuchungsgegenstand
haben.
Insoweit genügt es im Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss ohnehin nicht, lediglich allgemein auf
eine Berührung dieses Kernbereichs zu verweisen. Vielmehr muss die betroffene Fraktion substantiiert
darlegen, aus welchem Grund angeforderte Beweismittel ihrer Ansicht nach dem Kernbereich zuzuordnen
sind und beispielsweise auch nach dem Ende der Legislaturperiode nicht herausgegeben werden
können.
cc) Bei der konkreten Ausgestaltung der Enquete ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass Abgeordnete
und Fraktionen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit ihres parlamentarischen Handelns – von den Wählerinnen
und Wählern abgesehen – nur gegenüber dem Landtag, nicht jedoch gegenüber der Landesregierung
rechenschaftspflichtig sind. Umgekehrt sind deren weitreichende Mitwirkungsrechte auf den Regelfall
zugeschnitten, in dem ein Untersuchungsausschuss zur Kontrolle der Exekutive eingesetzt wird. Die
entsprechenden Vorschriften des Untersuchungsausschussgesetzes sind vom Ausschuss deshalb
zunächst in eigener Verantwortung darauf zu prüfen, ob sie mit dem Charakter der parlamentsinternen
Enquete vereinbar sind.
dd) Schließlich ist der Antragsgegner bei der Durchführung des Untersuchungsverfahrens verpflichtet,
auch bei einer nach den vorgenannten Kriterien zulässigen Überprüfung den verfassungsrechtlich
geschützten Belangen der Antragstellerin Rechnung zu tragen. Er ist insbesondere gehalten, die
Arbeitsfähigkeit und die Mitwirkungsrechte der betroffenen Fraktion und ihrer Mitglieder zu wahren. Zu-
gleich ist der Umfang der Beeinträchtigung auf das für die Aufklärung erforderliche Maß zu beschränken.
4. Die unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze bestehende Zulässigkeit eines
Untersuchungsverfahrens auch über eine (Oppositions-)Fraktion wird durch die Systematik (a) und
Untersuchungsverfahrens auch über eine (Oppositions-)Fraktion wird durch die Systematik (a) und
Funktion des Enqueterechts (b) sowie dessen Entstehungsgeschichte (c) bestätigt.
a) Der Systematik der ausschussrechtlichen Regelungen widerspricht es nicht, Angelegenheiten einer
Fraktion zum Gegenstand einer Landtagsenquete zu machen. Insbesondere führt eine derartige
Untersuchung nicht aufgrund einer „Rollenkonfusion“ (vgl. Gutachten Ipsen, S. 16) zu einem unauflös-
baren Widerspruch zwischen Art. 91 Abs. 1 Satz 2 LV, wonach jede Fraktion im Ausschuss vertreten sein
muss, und § 7 Abs. 1 UAG, dem zufolge ein Mitglied des Landtags, das an den zu untersuchenden
Vorgängen beteiligt ist oder war, dem Untersuchungsausschuss nicht angehören darf. Fraktionen sind
gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 FraktG rechtsfähige und in Art. 85a LV eigenständig verfassungsrechtlich
verankerte Vereinigungen. Bereits deshalb sind sie von ihren Mitgliedern in rechtlicher Hinsicht zu
unterscheiden. Die Untersuchung über Angelegenheiten einer Fraktion betrifft die organisatorische
Einheit, die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 FraktG durch ihren Vorstand vertreten und dessen Handeln ihr
zugerechnet wird, nicht hingegen von vornherein sämtliche ihrer Mitglieder. Die Entscheidung, wer
danach im konkreten Einzelfall von der Mitwirkung ausgeschlossen ist, wiederum obliegt gemäß § 7
Abs. 2 UAG dem Untersuchungsausschuss.
b) Auch nach seiner Funktion ist das parlamentarische Untersuchungsrecht nicht auf eine Aufsicht über
die Regierung beschränkt. Vielmehr steht danach die Selbstkontrolle des Landtags gleichrangig neben
der Überwachung der Exekutive.
aa) Das parlamentarische Regierungssystem wird grundlegend auch durch die Kontrollfunktion des
Landtags geprägt. Der zu den tragenden Prinzipien der Verfassung gehörende Grundsatz der
Gewaltenteilung gebietet, der starken Stellung der Regierung eine wirksame parlamentarische Kontrolle
gegenüberzustellen (vgl. BVerfGE 67, 100 [130]). Der Überwachung durch die Einsetzung von Unter-
suchungsausschüssen als dem „schärfsten Schwert“ des Parlaments (Brocker, LKRZ 2007, 372) kommt
hierbei besondere Bedeutung zu.
In der parlamentarischen Demokratie, in der die Parlamentsmehrheit regelmäßig die Regierung trägt,
stehen sich allerdings häufig nicht mehr Regierung und Landtag gegenüber. Vielmehr hat sich das
politische Spannungs- und Konkurrenzverhältnis in das Parlament selbst verlagert und verläuft oftmals
zwischen der Regierung sowie den sie tragenden Fraktionen einerseits und den Oppositionsfraktionen
andererseits. Untersuchungsausschüsse dienen somit nicht selten weniger der gesamtparlamentarischen
Regierungskontrolle als der Auseinandersetzung zwischen Landtagsmehrheit und ‑minderheit (vgl.
BVerfGE 49, 70 [85 f.]; H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 44 Rn. 3). Die Einsetzung eines Ausschusses,
durch den Versäumnisse der Regierung untersucht werden sollen, richtet sich daher häufig zumindest
mittelbar auch gegen die sie tragende Parlamentsmehrheit oder die Fraktion, der das von der Un-
tersuchung betroffene Regierungsmitglied angehört. Diese Einbeziehung erschöpft sich nicht
zwangsläufig in einer parteipolitischen Solidarität der Fraktion mit „ihrer“ Regierung. Vielmehr können die
Fraktion oder die ihr angehörenden Abgeordneten auch neben der Regierung unmittelbar zum
Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung werden, etwa wenn es – wie im Fall des
Parteispenden-Untersuchungsausschusses (BTDrucks 14/2139 und 2686) – um den Verdacht einer fi-
nanziellen Einflussnahme auf politische Entscheidungsvorgänge geht. Die Möglichkeit der Beteiligung
eines Abgeordneten an den zu untersuchenden Vorgängen ist in § 7 Abs. 1 UAG ausdrücklich benannt.
Bereits diese vielfache Verlagerung der Konfliktlinie in das Parlament zeigt, dass das Untersuchungsrecht
nicht ausschließlich ein inter-, sondern auch ein intraorganschaftliches Instrument sein kann.
bb) Die Funktion parlamentarischer Untersuchungsausschüsse erfordert nicht, die Selbstkontrolle auf
Fälle zu beschränken, in denen das Verhalten von Parlamentariern als bloßer Annex einer in der
Hauptsache gegen die Regierung gerichteten Enquete erforscht wird. Das Untersuchungsrecht ist
Ausdruck der Parlamentsautonomie und entsprechend dem generellen Befassungsrecht des Landtags
weit gefasst. Es schließt daher – keineswegs zuletzt – die Befugnis ein, innerhalb seines Auf-
gabenbereichs zur Wahrung der Funktionsfähigkeit und des Ansehens des Parlaments bei Vorliegen
eines öffentlichen Untersuchungsinteresses von hinreichendem Gewicht Sachverhalte aufzuklären, die
seine Integrität und politische Vertrauenswürdigkeit berühren (vgl. BVerfGE 77, 1 [44]; 94, 351 [367];
Brocker, in: Glauben/Brocker, Hdb. UA, § 1 Rn. 27).
Für das Vertrauen des Bürgers in die Politik ist die Glaubwürdigkeit des Parlaments ebenso bedeutsam
wie diejenige der Regierung. So ist beispielsweise die Gewissheit, dass die Wahl als die elementare
Einflussnahme der Bevölkerung auf die Leitung des Gemeinwesens nicht durch finanzielle Einwirkung auf
Entscheidungen des Landtags entwertet wird, Wirksamkeitsvoraussetzung einer parlamentarischen De-
mokratie. Zugleich kann das Parlament dauerhaft nur dann den Rechtsgehorsam der Bürgerinnen und
Bürger gegenüber den von ihm verabschiedeten Gesetzen einfordern, wenn es ihn selber vorlebt, indem
seine Mitglieder ebenfalls die für sie geltenden Vorschriften befolgen. Gerade hinsichtlich der
Finanzierung und der finanziellen Verflechtungen der das politische Leben gestaltenden Institutionen
besteht eine besondere Sensibilität der Bürger. Die hierzu aufgestellten Regelungen dienen auch dazu,
das Vertrauen der Bevölkerung in die Funktionsfähigkeit und Integrität des Parlaments zu stärken. Dieses
kann nicht nur bei einem alle Parteien oder Fraktionen betreffenden Missstand, sondern auch bei einem
missbräuchlichen Verhalten lediglich einzelner Akteure beeinträchtigt werden. Es nähme möglicherweise
weiteren Schaden, bemühte sich nicht auch das Parlament selbst um eine umfassende Aufklärung.
Demgemäß steht die Selbstkontrolle des Landtags gleichrangig neben der Überwachung der Exekutive.
Dieses nach innen gerichtete Untersuchungsrecht ist seinem Wesen nach nicht auf die Kontrolle des
parlamentarischen Verhaltens einzelner Abgeordneter beschränkt. Vielmehr folgt aus der Zuerkennung
der Rechtsfähigkeit von Fraktionen, d. h. ihrer Eigenschaft als Zuordnungsobjekt von Rechten und
Pflichten, dass dort, wo begründete Anhaltspunkte für deren missbräuchliche Inanspruchnahme oder für
ihre Verletzung vorliegen, Verdachtsmomente in einem Untersuchungsverfahren überprüft werden
können. Das gilt insbesondere dann, wenn es um die Untersuchung der ordnungsgemäßen Verwendung
von Steuergeldern geht. Insoweit erstreckt sich die Untersuchungskompetenz des Parlaments sogar auf
die Aufklärung von Missständen im Bereich Privater, sofern diese in erheblichem Umfang aus staatlichen
Mitteln gefördert werden und besonderen rechtlichen Bindungen unterliegen (vgl. BVerfGE 77, 1 [43 f.]).
Im Hinblick auf die Zweckbindung von Fraktionsmitteln in Art. 85a Abs. 3 Satz 1 LV, § 2 Abs. 1 FraktG
schließt das Enqueterecht daher eine Kontrolle des Verhaltens einer Fraktion erst recht nicht aus.
Kann das Untersuchungsrecht mithin auch einer Eigenkontrolle des Landtags dienen und demzufolge
grundsätzlich auch das Verhalten einer Fraktion zum Gegenstand einer sogenannten Kollegialenquete
gemacht werden, so ergeben sich aus Art. 91 LV sowie den Regelungen des Untersuchungs-
ausschussgesetzes keine Anhaltspunkte dafür, diese interne Überprüfung des Parlaments auf die Mehr-
heitsfraktionen zu beschränken. Das Ansehen des Landtags und seine Funktionsfähigkeit können
vielmehr durch ein Verhalten der Regierungs- wie auch der Oppositionsfraktionen gleichermaßen be-
einträchtigt und durch Untersuchungen des Parlaments selbst gleichermaßen gestärkt werden.
c) Das Recht des Landtags, sich außerhalb der Kontrolle der Exekutive im Rahmen eines
Untersuchungsausschusses auch mit parlamentsinternen Vorgängen
– einschließlich solchen, die die Opposition betreffen – zu befassen, entspricht schließlich dem
maßgeblich durch die historische Entwicklung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens
geprägten Willen des Verfassungsgebers (aa), der Absicht des Gesetzgebers bei der Verabschiedung des
Untersuchungsausschussgesetzes (bb) sowie den bundesrechtlichen Regelungen (cc).
aa) Art. 91 LV knüpft an die Entwicklung des parlamentarischen Untersuchungsrechts an (vgl.
Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz, Art. 91 Anm. 2). Art. 91 Abs. 1 Satz 1
LV übernahm inhaltsgleich Art. 34 S. 1 der Weimarer Reichsverfassung – WRV –, ohne dass in der
Beratenden Landesversammlung und im Verfassungsausschuss eine Diskussion über das Enqueterecht
als solches oder über seinen Inhalt stattfand (vgl. Klaas, Die Entstehung der Verfassung für Rheinland-
Pfalz, S. 135, 173, 332, 335, 438 f.). Der Umfang der Kontrollbefugnisse des Landtags wurde demnach
nicht eigenständig durch die Landesverfassung begründet, sondern von dieser vorausgesetzt. Insbe-
sondere die wörtliche Übereinstimmung mit Art. 34 S. 1 WRV legt nahe, dass sich der Inhalt der Regelun-
gen entspricht. Die Bestimmung der Reichweite und der Grenzen des Enqueterechts wird somit –
vorbehaltlich entgegenstehender Regelungen in der Landesverfassung – durch die vorkonstitutionelle
Entwicklung des Enqueterechts maßgeblich geprägt (vgl. BVerfGE 49, 70 [79 f.]; 67, 100 [130 f.]; 77, 1 [42,
45 f.]).
Bei der Ausgestaltung des parlamentarischen Kontrollrechts der Weimarer Reichsverfassung wurde von
dessen Beschränkung auf die Überprüfung von Regierungs- oder Verwaltungsmaßnahmen ausdrücklich
abgesehen. Ausschüsse konnten deshalb nicht nur zur Kontrolle der Exekutive, sondern zur
Untersuchung aller im Zuständigkeitsbereich der Volksvertretung liegender Tatsachen eingesetzt werden
(vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, Art. 34 Anm. 2; Lammers, in:
Anschütz/Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 2, S. 466 f.). Hieran knüpfte der rheinland-
pfälzische Verfassungsgeber an mit der Folge, dass sich auch nach dessen Willen das
Untersuchungsrecht nicht in einer Überprüfung der Regierung erschöpfen, sondern alle in den generellen
Zuständigkeitsbereich des Landtags fallenden Vorkommnisse umfassen soll. Dass hierzu auch parla-
mentsinterne Vorgänge gehören, wird zudem dadurch deutlich, dass der Landtag Rheinland-Pfalz bereits
in seiner Sitzung vom 28. August 1947 beschloss, zur Wahrung der Würde des Parlaments einen Aus-
schuss zur Überprüfung von Vorwürfen einzusetzen, der Präsident des Landtags habe seine
parlamentarische Stellung missbraucht (vgl. Plen.Prot. I/8, S. 44).
bb) Diesem grundsätzlich weiten Befassungsrecht von Untersuchungsausschüssen hat der Landtag
Rheinland-Pfalz mit der Verabschiedung des Untersuchungsausschussgesetzes entsprochen. Die darin
enthaltene Ausrichtung auf die Beteiligung der Landesregierung am Untersuchungsverfahren sollte nur
dem Regelfall Rechnung tragen, ohne darüber hinausgehende – auch parlamentsinterne –
Überprüfungen auszuschließen. Das Gesetz bezweckte ungeachtet der Tradition des Untersuchungsaus-
schusses als Organ zur Untersuchung von Missständen im Verantwortungsbereich der Regierung „einen
wesentlich breiteren Einsatzbereich für die Institution Untersuchungsausschuss“ (MdL Prof. Dr. Rotter,
Plen.Prot. 11/77, S. 5610). Es sollte auch der Landtagsmehrheit ermöglichen, "zum Beispiel […] das
Verhalten eines Abgeordneten der Opposition aufzuklären" (vgl. MdL Schnarr, Plen.Prot. 11/77, S. 5609).
cc) Der fehlenden Begrenzung des Kontrollrechts in der rheinland-pfälzischen Verfassung entspricht im
Übrigen die Intention des Grundgesetzes. Eine Beschränkung der Einsetzung von
Untersuchungsausschüssen auf die Sammlung und Prüfung von Materialien für die Gesetzgebung sowie
die Kontrolle von Verwaltungsmaßnahmen von Bundesbehörden wurde sowohl in den verfas-
sungsgebenden Beratungen als auch durch die vom Deutschen Bundestag 1973 eingesetzte Enquete-
Kommission Verfassungsreform abgelehnt (vgl. BVerfGE 77, 1 [45 f.]). Dementsprechend überprüften der
1950 eingesetzte Untersuchungsausschuss zur Hauptstadtentscheidung und der sogenannte
Steiner/Wienand-Ausschuss 1973 die Frage, ob das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten durch
Gewährung finanzieller Vorteile beeinflusst worden war (vgl. Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte
des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999, Bd. II, S. 2189, 2193, 2204 und 2209). Auch der sog.
Parteispenden-Untersuchungsausschuss sollte im Jahr 1999 unter anderem feststellen, ob die seinerzeit
die Bundesregierung tragenden, nunmehr der Opposition zugehörenden Fraktionen Zuwendungen erhal-
ten und hierfür politische Entscheidungsprozesse beeinflusst hatten (vgl. BTDrucks 14/2139). Die Be-
fugnis des Bundestages hierzu wurde nicht in Frage gestellt. Vielmehr wies das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 8. April 2002 ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, das
Untersuchungsrecht könne in der Hand der Mehrheit und in Abstimmung mit der von ihr getragenen
Regierung gegen die parlamentarische Opposition gewendet werden; deren Schutz müsse durch
entsprechende Mitwirkungsbefugnisse Rechnung getragen werden (vgl. BVerfGE 105, 197 [225]).
II.
Kann demnach eine (Oppositions-)Fraktion grundsätzlich Gegenstand einer Parlamentsenquete sein, so
ist die Befassung des Landtags mit Missständen bei der Verwendung von Fraktionsgeldern – und folglich
deren Aufarbeitung im Rahmen eines Untersuchungsausschusses – auch nicht durch die Überprüfung
der Fraktionsfinanzen durch den Landesrechnungshof ausgeschlossen (1.). Beide Überprüfungsverfahren
verfolgen vielmehr unterschiedliche Ziele und sind voneinander unabhängig (2.).
1. Gemäß § 5 Abs. 1 FraktG ist der Rechungshof berechtigt, die bestimmungsgemäße Verwendung der
den Fraktionen zugewiesenen Geld- und Sachleistungen zu überprüfen. Aufgrund verfassungskonformer
Auslegung folgt hieraus nicht nur eine Berechtigung, sondern eine Prüfungspflicht des Rechnungshofs,
weil sich nur so der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung staatlicher Fraktionszuschüsse, insbe-
sondere einer verdeckten Parteienfinanzierung, begegnen lässt (VerfGH Rh-Pf, AS 29, 362 [371]).
Eine parlamentarische Befassung wird indes durch die Kontrollfunktion des Rechnungshofs nicht
ausgeschlossen.
a) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin erfolgte dessen Einbindung nicht zum Schutz der Fraktionen
vor einer wechselseitigen Aufsicht. Der verfassungsändernde und der Gesetzgeber des Fraktionsgesetzes
wollten keine politische Kontrolle verhindern. Ziel war vielmehr, durch eine zusätzliche öffentlich-
keitswirksame Überprüfung das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität der Institutionen zu
stärken, die das politische Leben gestalten. Neben der Veröffentlichungs- und Rechnungslegungspflicht
sollte insbesondere mit der Zuständigkeit des Rechnungshofs Transparenz bei der Mittelverwendung
geschaffen werden, um dem Vorwurf einer "Selbstbedienung" der Fraktionen, die die Höhe ihrer Zu-
schüsse selbst festlegen, entgegenzutreten. Durch Art. 85a Abs. 3 Satz 2 LV und § 5 FraktG wurde hierfür
die gesetzliche Grundlage geschaffen (vgl. MdL Bruch, Plen.Prot. 12/65, S. 5083; MdL Grützmacher, ebd.,
S. 5087 f.; MdL Wittkowsky, Plen.Prot. 12/66, S. 5151; MdL Dieckvoß, Plen.Prot. 12/65, S. 5086 und 12/67,
S. 5246). Zugleich sollten hiermit Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 80, 188 [214])
umgesetzt werden, denen zufolge der (Bundes-)Rechnungshof zur Verhinderung einer missbräuchlichen
Verwendungspraxis von Verfassungs wegen verpflichtet ist, die Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit von
Fraktionszuschüssen zu prüfen (vgl. MdL Dieckvoß, Plen.Prot. 12/65, S. 5086).
b) Die Unzulässigkeit einer Befassung mit den Finanzen einer Fraktion folgt auch nicht aus der
Feststellung des Verfassungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 19. August 2002, bei Art. 85a Abs. 3 Satz 2
LV in Verbindung mit den Vorschriften des Fraktionsgesetzes handele es sich um ein grundsätzlich
abschließendes System der Kontrolle und Korrektur der Mittelverwendung, bezüglich derer sich der
Gesetzgeber auf die externe Prüfung durch den Rechnungshof beschränkt habe (vgl. VerfGH Rh-Pf, AS
29, 362 [371, 379, 385]). Die Ausführungen bezogen sich auf die Abgrenzung der strafrechtlichen
gegenüber den im Fraktionsgesetz vorgesehenen Sanktionen für den Fall nicht ordnungsgemäßer
Ausgaben. Sie stehen einer Befassung eines Untersuchungsausschusses schon deshalb nicht entgegen,
weil dieser dem Landtag lediglich Bericht erstattet. Auch handelt es sich hierbei um keine externe,
sondern um eine parlamentsinterne Kontrolle.
2. Diese unterscheidet sich hinsichtlich ihrer Zielrichtung – und damit in Bezug sowohl auf ihre
Legitimation als auch auf ihren Prüfungsmaßstab – grundlegend von der Nachprüfung durch den
Rechnungshof (a). Die danach unabhängigen Verfahren berühren sich nur insoweit, als eine Feststellung
von Missständen durch den Rechnungshof den Landtag – bei Vorliegen der übrigen Einsetzungsvoraus-
setzungen – erst recht zu deren weiterer Aufklärung berechtigt (b). Allerdings ist auch er verpflichtet, die
Autonomie der Fraktionen und Abgeordneten bei der Mittelverwendung zu beachten (c).
a) Während dem Rechnungshof neben der Überwachung der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sowie
der Buchführung insbesondere die Feststellung der Ordnungsgemäßheit der Ausgaben obliegt, seine
Kontrolle mithin haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten folgt, ist die Einsetzung der Parlamentsenquete
vorrangig auf die Aufklärung der politischen Verantwortlichkeit und auf die Frage nach etwaigen
politischen Konsequenzen gerichtet.
So erfordert die Feststellung einer zweckwidrigen Mittelverwendung durch den Rechnungshof
beispielsweise nicht, dass dieser den genauen Inhalt einer von der Fraktion bezahlten Beratungsleistung
oder deren tatsächliche Erbringung abschließend ermitteln konnte; vielmehr reicht es für dessen Kontrolle
bereits aus, dass die Ordnungsgemäßheit der Ausgaben nicht nachgewiesen wurde. Auch kommt es
hierfür nicht darauf an, ob Mittel schuldhaft zweckwidrig eingesetzt wurden und wer hierfür konkret die
Verantwortung trägt. Für die dem Untersuchungsausschuss obliegende Prüfung, ob eine Fraktion und die
für sie handelnden Personen ihre Befugnisse rechtmäßig wahrgenommen haben, sowie für die – zur
Wahrung der Funktionsfähigkeit und des Ansehens des Landtags erforderliche – weitergehende
Aufklärung der Vorkommnisse haben diese Fragen aber eine herausragende Bedeutung. Das dem
Ausschuss hierfür zur Verfügung stehende Instrumentarium geht dementsprechend über die
Möglichkeiten des Rechnungshofs hinaus.
b) Diese Kontrollverfahren berühren sich nur insofern, als mit der Feststellung von Unregelmäßigkeiten
durch den Rechnungshof tatsachengestützte Anhaltspunkte für das Vorliegen von Missständen bestehen.
Sie können daher erst recht Anlass für eine parlamentsinterne Untersuchung sein. Diese setzt umgekehrt
keine vorhergehende Beanstandung durch den Rechnungshof voraus. Dies widerspräche dem in Art. 91
Abs. 1 LV garantierten Recht des Landtags, sich unabhängig von Dritten mit aufklärungsbedürftigen
Vorgängen zu befassen. Sofern daher konkrete Anhaltspunkte für Missstände vorliegen, die ein
hinreichend gewichtiges Aufklärungsinteresse begründen, kann sich das Parlament hiermit unabhängig
von der Bewertung durch den Rechnungshof befassen.
c) Wenn folglich Art. 85a Abs. 3 Satz 2 LV und § 5 FraktG eine Auseinandersetzung des Landtags mit dem
Finanzgebaren einer Fraktion nicht ausschließen, so kann dennoch der Umstand einer grundsätzlich
autonomen Mittelverwendung der Fraktionen, der verfassungsrechtlich in Art. 79 Abs. 2, Art. 85a LV
verankert und in § 5 Abs. 1 Satz 3 FraktG einfachgesetzlich ausgestaltet ist, bei der Bestimmung der
Reichweite des parlamentarischen Untersuchungsrechts nicht unberücksichtigt bleiben. Auch der
Untersuchungsausschuss hat den politischen Ermessensspielraum der Fraktionen zu beachten.
III.
Unter Zugrundelegung der vorgenannten Maßstäbe verstößt die Einsetzung des
Untersuchungsausschusses „CDU-Fraktionsfinanzen der Jahre 2003 bis 2006“ insoweit gegen die
Landesverfassung, als sich der Ausschuss mit der Aufnahme von Krediten durch die Antragstellerin und
ihre Rechtsvorgängerin befassen soll. Auch darf eine Auseinandersetzung mit den strafgerichtlich
abgeurteilten Verfehlungen des ehemaligen Geschäftsführers der Fraktion zu ihren Lasten nicht
uneingeschränkt erfolgen. Vielmehr hat sie die rechtskräftigen Feststellungen des Strafgerichts zugrunde
zu legen und die Persönlichkeitsrechte Dritter zu wahren. In Bezug auf die Fraktionsvorsitzenden-
Konferenz – FVK – der Union ist der Ausschuss von Verfassungs wegen darauf beschränkt, die wech-
selseitigen Zahlungsflüsse zwischen der Konferenz und der CDU-Fraktion Rheinland-Pfalz zu
kontrollieren.
1. Bezüglich der Inanspruchnahme von Beratungsleistungen sowie der Rechnungslegung und
Buchführung durch die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin (Nr. A. I. 1. a) und b) des
Einsetzungsbeschlusses – EB –) ergeben sich die für die Einberufung einer Enquete erforderlichen
Hinweise auf Missstände und Rechtsverletzungen aus dem Bericht des Landesrechnungshofs vom
26. März 2010. Hiermit steht die Überprüfung der sich daraus ergebenden Konsequenzen (Nr. A. I. 2 EB)
in untrennbarem Zusammenhang.
Das öffentliche Interesse an deren Untersuchung ist hinreichend gewichtig. Es ist nicht aufgrund einer
Offenkundigkeit des Sachverhalts infolge des Berichts des Rechnungshofs entfallen (a). Es überwiegt
darüber hinaus die verfassungsrechtlich geschützten Belange der Antragstellerin trotz des Umstands,
dass möglicherweise die Beratungsleistungen (auch) die politische Ausrichtung der damaligen CDU-Frak-
tion zum Gegenstand hatten und wahltaktische Interessen mitursächlich für die Einsetzung des
Untersuchungsausschusses sind (b).
a) Die Feststellungen im Prüfungsbericht des Landesrechnungshofs stehen einer Aufklärung der
Vorkommnisse durch einen Untersuchungsausschuss nicht entgegen. Zwar besteht kein öffentliches
Interesse an einer Untersuchung, wenn sie sich auf einen Sachverhalt erstrecken soll, der vollständig
aufgeklärt ist. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Der Rechnungshof führt vielmehr hinsichtlich der Leistungen durch die Beratungsfirma 1 aus, es lägen
keine zahlungsbegründenden Unterlagen wie beispielsweise Verträge oder Leistungsverzeichnisse vor.
Die Angaben zum Auftraggeber des Konzepts „Wahlkampf 2006“ sowie zur Höhe der Vergütung seien
widersprüchlich. Lediglich aufgrund von Indizien kam der Rechnungshof zu dem Schluss, die Rechts-
vorgängerin der Antragstellerin sei (Mit-)Auftraggeberin des Konzepts gewesen und habe sich daran mit
rund 60.000,‑‑ € beteiligt. Dem gegenüber hätten der Berater A und die Antragstellerin angegeben,
Auftraggeber sei der Landesverband gewesen, der hierfür 25.000,‑‑ € bezahlt habe. Bezüglich der Ver-
gabe weiterer Beratungsleistungen sowie deren Art und Umfang seien die vorgelegten Erklärungen nicht
schlüssig und teilweise widersprüchlich gewesen oder sie hätten mit den Ergebnissen der
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht übereingestimmt. Der Inhalt der Leistungen habe aus den
vorgelegten Unterlagen nicht konkretisiert werden können. Eine strikte Trennung der Leistungen an den
Landesverband und an die Fraktion sei nicht erfolgt. Zur Buchführung vermerkt der Bericht, elementarste
Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kassen- und Belegführung seien nicht erfüllt worden. Vielfach
sei es zu Falschbuchungen gekommen, Einnahmen und Ausgaben seien nicht zeitnah verbucht sowie
Kassenprüfungen nie durchgeführt worden.
Bereits die vom Rechnungshof aufgezeigten Widersprüche stehen der Annahme eines vollständig
aufgeklärten Sachverhalts entgegen. Darüber hinaus verhält sich der Bericht nicht zu der Frage der
politischen und persönlichen Verantwortlichkeit für die festgestellten Unregelmäßigkeiten. So kann ihm
nicht entnommen werden, ob Ursache der Missstände ein Fehlverhalten lediglich Einzelner war, ob
strukturelle Defizite mitursächlich waren oder die Pflichtverletzungen zumindest begünstigt haben und ob
der Verdacht möglicher Wahlkampffinanzierung aus Fraktionsmitteln durch kollusives Zusammenwirken
von Fraktion und Landesverband begründet ist. Der Bericht enthält damit in Bezug auf die Beratungs-
leistungen und die Buchführung keine vollständige und abgeschlossene Aufklärung der Vorkommnisse,
sondern beschränkt sich auf die für die Prüfung nach § 5 FraktG bedeutsamen Feststellungen. Ob der
Inhalt der Leistungen sowie die genauen Umstände der zweckwidrigen Mittelverwendung in Anbetracht
fehlender Unterlagen und bislang widersprüchlicher Angaben tatsächlich zu ermitteln ist, bleibt hingegen
der Prüfung durch den Ausschuss vorbehalten; dies ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen.
b) Das danach bestehende Aufklärungsinteresse überwiegt die schutzwürdigen Belange der
Antragstellerin.
aa) Beratungsleistungen sind der Untersuchung nicht deshalb entzogen, weil sie möglicherweise interne
Überlegungen der damaligen CDU-Fraktion zum Gegenstand haben. Denn sie sind untrennbar mit dem
Sachverhalt verknüpft, der den Verdacht eines Missstands begründet. Die mit dem Einsetzungsbeschluss
aufgeworfenen Fragen, ob Beratungsleistungen tatsächlich erbracht wurden und wem sie zugutekamen,
können ohne Kenntnis ihres Inhalts nicht beantwortet werden. Nur so lässt sich feststellen, ob es sich um
eine Beratung der Fraktion oder des CDU-Landesverbandes handelte.
Der Vorwurf missbräuchlicher Verwendung öffentlicher Mittel einschließlich einer verfassungswidrigen
verdeckten Parteienfinanzierung ist geeignet, nicht nur den Ruf der Antragstellerin, sondern auch denje-
nigen des Antragsgegners zu beeinträchtigen. Es besteht die Gefahr, dass derartige Vorkommnisse in der
Öffentlichkeit nicht allein der verantwortlichen Fraktion oder Partei angelastet, sondern zugleich als
Bestätigung eines gegenüber politischen Institutionen zunehmenden Verdachts unkontrollierter und
missbräuchlicher „Selbstbedienung“ wahrgenommen werden. Hierdurch wird folglich nicht nur das
Ansehen einer einzelnen Partei, sondern auch das Vertrauen in die Verlässlichkeit der parlamentarischen
Demokratie insgesamt gefährdet. Darüber hinaus besteht ein erhebliches Interesse an der Untersuchung
des Umgangs einer Fraktion mit den ihr treuhänderisch vom Landtag übergebenen Geldern. Insoweit
kann zudem nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin entgegen
eindeutiger verfassungsgerichtlicher Hinweise (vgl. VerfGH Rh-Pf, AS 29, 362) nach den Feststellungen
des Rechnungshofs nicht für die verfassungsrechtlich gebotene Trennung von Fraktions- und Par-
teiinteressen Sorge getragen hat. Die mögliche Berührung ihres an sich unausforschbaren Kernbereichs
beruht daher auf eigenverantwortlichem Handeln.
bb) Auch die Bewertung der vom Rechnungshof festgestellten Unregelmäßigkeiten durch die
Antragstellerin selbst (Nr. A. I. 1. b) Halbs. 2 EB) kann danach zum Gegenstand der Untersuchung
gemacht werden. Insoweit legt der Verfassungsgerichtshof den Einsetzungsbeschluss dahingehend aus,
dass die Antragstellerin hierdurch nicht gezwungen werden soll, ein ihr von Verfassungs wegen nicht
abzuverlangendes Unwerturteil über sich selbst zu fällen. Vielmehr geht es
– dies hat auch der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung klargestellt – darum, im Sinne der
einleitenden Beschreibung des Untersuchungsauftrags in Nr. A. I. 1 EB festzustellen, was die
Antragstellerin zur Aufklärung der Vorkommnisse veranlasst und welche Konsequenzen sie aus den
Vorfällen gezogen hat.
cc) Das Aufklärungsinteresse ist hingegen nicht deshalb weniger gewichtig, weil mit der Einsetzung des
Untersuchungsausschusses möglicherweise wahlkampftaktische und politische Zwecke verfolgt werden
(1). Auch ist der Antragsgegner nicht gehalten, vor einer Landtagswahl auf die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses zu verzichten, der unter Umständen das Wahlergebnis beeinflusst (2).
(1) Dass ein Untersuchungsausschuss auch aus (partei-)politischen Erwägungen eingesetzt wird,
begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Verfolgung ausschließlich partei- oder
wahltaktischer Ziele ist bereits durch die Voraussetzungen für die Einsetzung einer Parlamentsenquete,
insbesondere die Notwendigkeit des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte für Missstände und das Be-
stehen eines hinreichend gewichtigen öffentlichen Interesses an deren Aufklärung, ausgeschlossen.
Darüber hinaus ist das Untersuchungsrecht des Landtags ein Element des parlamentarischen politischen
Prozesses und der parteiendemokratischen Auseinandersetzung. Die Überlegungen, nach denen der
Landtag seine Kontrollthemen wählt, sind an dem Dualismus von Regierungsmehrheit und Opposition
ausgerichtet. Die Einsetzung und Ausgestaltung eines Untersuchungsausschusses spiegeln deshalb die
parteipolitischen Präferenzen nahezu zwangsläufig wider. Seinen Ausdruck findet dies nicht zuletzt darin,
dass der Abschlussbericht der Enquete gemäß § 28 UAG zwar von der Ausschussmehrheit beschlossen
wird, jedes Mitglied jedoch das Recht hat, darin seine abweichende Meinung darzulegen (vgl. Badura, in:
Festschrift Rudolf, S. 235; Di Fabio, Der Staat 29 [1990], 599 [611, 613 m. Fn. 75]). Hiervon hat sich auch
der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Untersuchungsausschussgesetzes leiten lassen. In der Be-
ratung im Landtag stellte der Abgeordnete Schnarr klar, „daß Untersuchungsausschüsse in erster Linie
politische Kampfinstrumente sind. Ihr Verfahren ist kein gerichtliches oder gerichtsähnliches Verfahren, in
dem das verfahrensrechtliche Know-how die entscheidende Rolle spielt. Ihr Verfahren ist und bleibt ein
politisches, das folgerichtig auch Freiräume für politische Auseinandersetzungen, Wertungen und Dar-
stellungen konträrer Positionen von Mehrheit und Minderheit bereithalten muß. Es gilt der Vorrang der
Politik (Plen.Prot. 11/77, S. 5608).“
Der Einwand einer rechtsmissbräuchlichen Verlagerung des Untersuchungsverfahrens in das Vorfeld
einer Wahl wiederum greift vorliegend schon deshalb nicht, weil die zeitliche Nähe zur kommenden
Landtagswahl allein aus dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Rechnungshofberichts resultiert, auf den
der Antragsgegner keinen Einfluss hatte.
(2) Darüber hinaus steht dem Aufklärungsinteresse keine verfassungsrechtliche Pflicht des
Antragsgegners entgegen, mit der Untersuchung bis nach der Landtagswahl zu warten. Die Autonomie
des Parlaments beinhaltet notwendig die Befugnis zur politisch-parlamentarischen Auseinandersetzung
über die Dauer der gesamten Legislaturperiode hinweg. Anders als bei einer Öffentlichkeitsarbeit der
Landesregierung vor Wahlen (vgl. hierzu VerfGH Rh-Pf, AS 33, 387) stellen sich etwaige Auswirkungen
auf das Wahlverhalten nicht als Folge staatlicher Beeinflussung, sondern der etwaigen Verantwortlichkeit
für Missstände bei der Mittelverwendung dar.
2. Auch hinsichtlich der in Nr. A. I. 1. c) und e) EB aufgeworfenen Fragen der Rückerstattung
zweckwidriger Verwendungen und der Geltendmachung entsprechender Forderungen durch die
Antragstellerin liegen die Voraussetzungen für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vor.
Diese Fragen stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den vom Rechnungshof festgestellten
Unregelmäßigkeiten bei der Mittelverwendung, weshalb sich das gewichtige öffentliche Interesse an einer
Untersuchung hierauf erstreckt.
Die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, die die Fraktionen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 FraktG
bei der Verwendung der Geld- und Sachleistungen zu beachten haben, gebieten, dass dort, wo eine
Rückforderung zweckwidrig eingesetzter Mittel rechtlich naheliegend ist, die betreffende Fraktion derartige
Ansprüche zeitnah – notfalls gerichtlich – durchsetzt. Insoweit kann sie es nicht dabei belassen, gemäß
§ 6 FraktG dem Landtag die entsprechenden Geldleistungen zurückzuzahlen. Denn letztlich wird auch
diese Erstattung aus öffentlichen Geldern erfolgen und wegen der damit einhergehenden finanziellen
Einschränkung zu einer – ebenso die Interessen des gesamten Parlaments berührenden –
Beeinträchtigung der Fraktionsarbeit führen. Unter Umständen kann sich deshalb ein Verzicht auf die
Durchsetzung bestehender Regressansprüche als eine neuerliche zweckwidrige Mittelverwendung im
Sinne des Fraktionsgesetzes darstellen.
3. Der Antragsgegner ist für eine Überprüfung der FVK hingegen nur hinsichtlich der Verwendung von
Fraktionsmitteln der Antragstellerin zuständig. Seiner Kontrolle unterliegen daher die wechselseitigen
Finanzflüsse zwischen ihr und der FVK, nicht jedoch deren anderweitige Finanzierung und
Mittelverwendung.
Die fehlende Zuständigkeit des Landtags ergibt sich insoweit daraus, dass die FVK keine (Unter-
)Organisation der Antragstellerin und zudem weder räumlich auf das Land Rheinland-Pfalz beschränkt
noch dort überhaupt nach außen hin tätig ist. Es handelt sich vielmehr um einen bundesweiten, auf interne
Zusammenarbeit beschränkten informellen Zusammenschluss, dessen Mitglied die Antragstellerin ist. Die
Zuständigkeit des Antragsgegners ist jedoch auf das Land Rheinland-Pfalz beschränkt. Insoweit unterfällt
es seiner Kompetenz, zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des Fraktionsgesetzes die an die
Antragstellerin und ihre Rechtsvorgängerin geflossenen sowie die von ihnen an die FVK geleisteten Mittel
zu überprüfen. Allein aus der Geschäftsführung der FVK durch die CDU-Fraktion Rheinland-Pfalz in den
Jahren 1999 bis 2006 hingegen ergibt sich kein hinreichender, die Zuständigkeit des Antragsgegners für
eine Überprüfung der FVK insgesamt begründender Anknüpfungspunkt.
Ist demnach der Antragsgegner nur für eine Untersuchung der wechselseitigen Geldflüsse zwischen der
FVK und der Antragstellerin zuständig, so ergeben sich diesbezüglich hinreichende Anhaltspunkte für
etwaige Missstände aus dem Rechnungshofbericht. Diese sind weder durch den Bericht noch durch die
strafgerichtliche Verurteilung des ehemaligen Geschäftsführers vollständig aufgeklärt. Soweit letztere
auch die Überweisung eines Betrages von rund 52.000,‑ € auf das Konto der Fraktion erfasst, steht
insbesondere dessen Behauptung im Raum, er habe mit Kenntnis der Fraktionsführung gehandelt.
4. Das Untersuchungsrecht des Antragsgegners erstreckt sich des Weiteren grundsätzlich auch auf die
Nachforschungen und Erkenntnisse der Antragstellerin über die zweckwidrige Mittelverwendung sowie
die Rolle des ehemaligen Fraktionsgeschäftsführers, mit denen sich der Ausschuss gemäß Nr. A. I. 1. e)
EB befassen soll. Denn diese stehen in untrennbarem Zusammenhang zu den vom Rechnungshof
festgestellten Unregelmäßigkeiten bei der Mittelverwendung.
Davon ausgenommen sind jedoch Untreue- und Betrugshandlungen des ehemaligen Frak-
tionsgeschäftsführers zum Nachteil der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin, die Gegenstand seiner
strafgerichtlichen Verurteilung waren. Der nach den Regelungen der Strafprozessordnung vom
Strafgericht erforschte und rechtskräftig abgeurteilte Tatkomplex ist insoweit offenkundig. Er begründet in
diesem Umfang kein zusätzliches Kontrollbedürfnis des Landtags. Diesbezüglich kann auch nicht
unberücksichtigt bleiben, dass die Antragstellerin in erster Linie Opfer – und nicht Handelnde –
strafwürdigen Verhaltens ist. Der Untersuchungsausschuss hat daher seinen etwaigen weitergehenden
Nachforschungen und politischen Bewertungen das landgerichtliche Urteil zugrunde zu legen. Darüber
hinaus hat die Beweisaufnahme einschließlich der Anforderung und Herausgabe der Strafakten die
Persönlichkeitsrechte Dritter, insbesondere solcher, die im Ermittlungsverfahren (nur) als Zeugen befragt
wurden, zu wahren (vgl. BVerfGE 67, 100 [143 f.]; 77, 1 [44]). Aufklärungsmaßnahmen, die bereits durch
ihre Einleitung geeignet sind, Dritte in ihrem Ruf nachhaltig zu schädigen, sind deshalb nur zulässig,
wenn vernünftigerweise zu erwarten ist, dass eine Untersuchung durch den Ausschuss zu Feststellungen
führt, die über die im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse hinausgehen.
Soweit über die abgeurteilten Straftaten hinaus Anhaltspunkte für Missstände, etwa eine unzureichende
Beaufsichtigung und Kontrolle des ehemaligen Geschäftsführers, bestehen, ist der
Untersuchungsausschuss an einer Aufklärung nicht gehindert.
5. Hinsichtlich der Untersuchung, ob eine durch die CDU-Fraktion erfolgte Kreditaufnahme zur
Refinanzierung der Fraktionsarbeit und zur Rückzahlung zweckwidrig verwendeter Beträge rechtlich
zulässig ist, insbesondere warum und bei wem die Kredite aufgenommen, welche Sicherheiten hierfür
erbracht und warum durch die CDU-Fraktion keine Rückstellungen für diese Zwecke vorgenommen
wurden (Nr. A. I. 1. f) EB), liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte eines Missstands oder eines
Rechtsverstoßes vor.
Bei der Zulässigkeit der Kreditaufnahme durch Fraktionen handelt es sich um eine reine Rechtsfrage.
Weder die Landesverfassung noch das Fraktionsgesetz lassen – etwa im Unterschied zu § 4 Abs. 3 Satz 4
des Gesetzes über die Rechtsstellung der Fraktionen im Landtag von Nordrhein-Westfalen –ein
dahingehendes Verbot erkennen. Dieses folgt auch nicht ohne weiteres aus der Stellung oder den Auf-
gaben der Fraktionen. Vielmehr ordnet § 4 Abs. 4 FraktG an, dass deren Rechnungslegung neben dem
Vermögen auch ihre Schulden enthalten muss. Weil diese auch aus Krediten resultieren können,
bestehen keine Anhaltspunkte dafür, die Eingehung von Darlehensverbindlichkeiten widerspreche dem
zurzeit geltenden Recht.
Zwar erachtet der Verfassungsgerichtshof die mit einer Kreditaufnahme einhergehende Abhängigkeit und
Möglichkeit der Einflussnahme auf die Fraktionsarbeit, etwa durch Vorgaben in einem Sanierungsplan, für
Möglichkeit der Einflussnahme auf die Fraktionsarbeit, etwa durch Vorgaben in einem Sanierungsplan, für
überdenkenswert. Das aber will der Einsetzungsbeschluss nach seinem maßgeblichen Wortlaut nicht
geklärt wissen. Darüber hinaus ist von dieser Problematik nicht allein die Antragstellerin, sondern
grundsätzlich jede Fraktion betroffen, die ein Darlehen aufnimmt. Gleiches gilt für die vom Antragsgegner
in der mündlichen Verhandlung aufgeworfenen Fragen, ob große Fraktionen leichter Zugang zu
Bankkrediten erhalten und ob hierdurch die grundsätzlich für alle Fraktionen geltende Mittelbegrenzung
unterlaufen wird. Diese Fragestellungen rechtfertigen daher weder eine Kontrolle allein der Antragstellerin
noch bedarf es zu ihrer Beantwortung der Aufklärungsinstrumente, die den Untersuchungsausschuss von
anderen Landtagsenqueten unterscheiden. Vielmehr kann die Aufnahme eines Kreditverbots im Rahmen
der allgemeinen parlamentarischen Beratungen geprüft – und von der den Einsetzungsbeschluss
tragenden Parlamentsmehrheit sogar durchgesetzt – werden. Dem in der mündlichen Verhandlung
deutlich gewordenen Anliegen des Antragsgegners, hinsichtlich der Kreditaufnahme keinen Vorwurf
gegen die Antragstellerin zu erheben, sondern einen allgemeinen Gesetzgebungsbedarf zu ermitteln,
kann hierdurch uneingeschränkt Rechnung getragen werden.
6. Soweit demnach eine Befassung des Untersuchungsausschusses mit den im Einsetzungsbeschluss
genannten Fragen verfassungswidrig ist, erstreckt sich dies auch auf eine diesbezügliche
Beweiserhebung.
C.
Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei.
Der Antragstellerin ist gemäß § 21a Abs. 3 VerfGHG ein Drittel ihrer notwendigen Auslagen zu erstattet, da
der Antrag teilweise Erfolg hat und die Durchführung des Verfahrens zur Klärung von Fragen
grundsätzlicher Bedeutung über die Reichweite des parlamentarischen Untersuchungsrechts und den
verfassungsrechtlichen Status von Parlamentsfraktionen beiträgt.
gez. Prof. Dr. Meyer gez. Steppling gez. Dr. Saftig