Urteil des VerfGH Rheinland-Pfalz vom 05.07.2005

VerfGH Rheinland-Pfalz: schutz des lebens, verfassungsbeschwerde, persönliche freiheit, körperliche unversehrtheit, öffentliche sicherheit, wohnung, rauch, erlass, erfüllung, installation

VerfGH
Rheinland-Pfalz
05.07.2005
VGH B 28/04
Verfassungsrecht, Baurecht
Verkündet am 05.07.2005:
gez. ...
Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
betreffend die Verfassungsbeschwerde
des Kindes ..., vertreten durch ihre Mutter ...,
Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Georg Pistorius, Kohlenstr. 39, 34121 Kassel,
wegen unterbliebener gesetzlicher Anordnung einer Installationspflicht für Rauchwarnmelder auch in
bestehenden Wohngebäuden
hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
5. Juli 2005, an der teilgenommen haben
Präsident des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Meyer
Präsident des Oberlandesgerichts Dr. Bamberger
Präsident des Oberlandesgerichts Dury
Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling
Universitätsprofessor Dr. Dr. Merten
Kreisverwaltungsdirektorin Kleinmann
Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichts Dr. Freimund-Holler
Landrätin Röhl
Rechtsanwalt Schnarr
für Recht erkannt:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
A.
Mit der Verfassungsbeschwerde begehrt die Beschwerdeführerin ein gesetzgeberisches Tätigwerden. Sie
beanstandet, dass der Landesgesetzgeber es unterlassen habe, auch für bestehende Wohngebäude die
Installation von Rauchwarnmeldern vorzuschreiben.
I.
Mit Landesgesetz zur Änderung der Landesbauordnung vom 22. Dezember 2003 (GVBl. S. 396) wurde §
44 Landesbauordnung - LBauO - um Absatz 8 ergänzt, der wie folgt lautet:
"In Wohnungen müssen Schlafräume und Kinderzimmer sowie Flure, über die Rettungswege von
Aufenthaltsräumen führen, jeweils mindestens einen Rauchwarnmelder haben. Die Rauchwarnmelder
müssen so eingebaut und betrieben werden, dass Brandrauch frühzeitig erkannt und gemeldet wird."
Da nachträgliche Anforderungen bei bestehenden baulichen Anlagen nach § 85 Abs. 1 LBauO nur
gestellt werden können, wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit,
insbesondere für Leben oder Gesundheit, erforderlich ist, findet § 44 Abs. 8 LBauO nur auf Neubauten
und nach § 85 Abs. 2 LBauO auf wesentliche Änderungen von Gebäuden Anwendung. Diese Beschrän-
kung war vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt (vgl. Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, LT-Drucks.
14/2314 S. 3).
Bereits vor Beratung und Beschlussfassung dieses Gesetzes hatte sich der Landtag mehrfach mit der
Frage befasst, ob Rauchwarnmelder gesetzlich vorgeschrieben werden sollten. So wurde eine Petition
aus dem Jahr 1997 dahin beschieden, dass die Brandschutzbestimmungen der Landesbauordnung aus-
reichend seien; zusätzliche Sicherungsvorkehrungen wie etwa das Anbringen von Rauchwarnmeldern sei
Sache der jeweiligen Wohnungsinhaber. Im September 2001 antwortete die Landesregierung auf zwei
Kleine Anfragen zu dem Thema. Darin hielt sie Rauchwarnmelder für durchaus sinnvoll, lehnte aber eine
gesetzliche Verpflichtung zu deren Anbringung ausdrücklich ab. Stattdessen solle auf Information und
Aufklärung der Bevölkerung gesetzt werden. Hierzu gehöre die im Jahr 2000 gestartete Aktion
"Rauchmelder für mehr Sicherheit in Ihrer Wohnung" einschließlich des hierzu herausgegebenen
Faltblattes. Der gestiegene Absatz von Heimrauchmeldern von 100.000 Stück bundesweit im Jahr 1997
auf 555.000 im Jahr 2000 zeige einen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung. Die Bau-
ministerkonferenz der Länder habe sich für Heimrauchmelder ausgesprochen, sei jedoch der Auffassung,
dass die Installation der Melder eigenverantwortlich erfolgen sollte.
Im Juli 2003 wurde der Entwurf zur Einführung des § 44 Abs. 8 LBauO aus der Mitte des Landtags
eingebracht. Dieser Entwurf sah ursprünglich noch die Verpflichtung vor, die Rauchwarnmelder an die
Stromversorgung der Wohnung anzuschließen. Im Hinblick auf den Bestandsschutz bereits errichteter
Wohnungen wurde darauf verzichtet, die Installation von Rauchwarnmeldern allgemein vorzuschreiben.
II.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die sechsjährige Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre Mutter,
die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 und Art. 17 Abs. 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz ‑ LV -.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:
Der Gesetzgeber habe mit § 44 Abs. 8 LBauO eine unzureichende Regelung getroffen. Die bereits
bestehenden Gebäude seien nicht erfasst. Da sie in einer bereits 1979 erbauten Wohnung lebe, sei ihr
bestehenden Gebäude seien nicht erfasst. Da sie in einer bereits 1979 erbauten Wohnung lebe, sei ihr
Leben im Falle eines Brandes und der damit verbundenen Rauchentwicklung nicht geschützt. Dies gelte
sowohl beim Aufenthalt in der Erdgeschosswohnung ihrer Mutter als auch im Falle der Übernachtung bei
ihrer Großmutter in der darüber liegenden Wohnung. Insbesondere dort bestehe im Falle eines Brandes
Lebensgefahr, weil kein rauchfreier Fluchtweg vorhanden sei. Nach Feuerwehrstatistiken blieben bei
Ausbruch eines Brandes lediglich vier Minuten zur Flucht. Diese Zeit könnte zur Lebensrettung genutzt
werden, würde ein Rauchwarnmelder sofort Alarm schlagen. Solche Rauchwarnmelder seien leicht zu
installieren und für weniger als 10,-- € im Handel erhältlich. Der Gesetzgeber habe die Notwendigkeit von
Rauchwarnmeldern gerade in Altbauten außer Acht gelassen. Damit habe er zunächst seine Pflicht zum
Schutz des Lebens verletzt. Art. 3 LV verpflichte den Gesetzgeber zum Erlass notwendiger
Schutzvorkehrungen. Ohne Rauchwarnmelder seien insbesondere Kinder großen Gefahren für Leib und
Leben ausgesetzt. Wegen der Bedeutung dieser höchsten Rechtsgüter könne nicht auf Bestandsschutz-
argumente verwiesen werden. Auch der für die Überwachung der Funktionsfähigkeit der Anlagen erfor-
derliche staatliche Aufwand sei zu dem Zweck der Rettung auch nur eines Menschenlebens nicht
unverhältnismäßig. Zur Wirksamkeit einer gesetzlichen Installationspflicht könne neben der
Anschnallpflicht auf die Pflicht zum Einbau von Kindersicherheitssitzen in Personenkraftwagen verwiesen
werden. Ferner habe der Gesetzgeber durch seine Regelung in § 44 Abs. 8 LBauO gegen den Gleich-
behandlungsgrundsatz verstoßen. Gegenüber den in Neubauten wohnenden Kindern werde sie in
willkürlicher Art und Weise benachteiligt. Das Bestandsschutzargument könne die Ungleichbehandlung
nicht rechtfertigen. Im Übrigen sei die Anschaffung batteriebetriebener Rauchwarnmelder wegen ihres
geringen Preises für alle Hauseigentümer zum Schutz des Lebens der Kinder zumutbar. Auch der
Überwachungsaufwand für den Staat sei angesichts des überragenden Schutzgutes kein Grund für die
gegenwärtige Ungleichbehandlung.
III.
Der Landtag Rheinland-Pfalz äußert in seiner Stellungnahme bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit
der Verfassungsbeschwerde. Er bezweifelt das Rechtsschutzbedürfnis, da die Beschwerdeführerin durch
ihre sorgeberechtigte Mutter jederzeit die Möglichkeit zur Installation von Rauchwarnmeldern in ihrer und
der Wohnung der Großmutter habe. Jedenfalls sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Dem
Gesetzgeber stehe bei Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten ein weiter Einschätzungs-, Wertungs-
und Gestaltungsspielraum zu. Die verfassungsrechtlichen Grenzen seien nicht verletzt. Die von
staatlichen Organen betriebene Aufklärung sei ein geeignetes Mittel zur Gefahrenvorsorge. Die ungleiche
Behandlung von Alt- und Neubauten sei aus Gründen des Bestandsschutzes und auch deshalb
gerechtfertigt, weil zunächst der Vollzug der bei Neubauten eingeführten Regelung abgewartet werden
dürfe.
Die Landesregierung hat ebenfalls Zweifel an der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde. Aber auch
nach ihrer Auffassung ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls nicht begründet. Die Pflicht des Staates
zum Schutz von Leib und Leben aus Art. 3 Abs. 1 und 3 LV verlange nicht Vorkehrungen gegenüber allen
nur erdenklichen Gefahren auf möglichst hohem Niveau, vor allem dann nicht, wenn
Abwendungsmöglichkeiten in eigener Verantwortung bestünden. Der Gesetzgeber habe den ihm im
Rahmen der Brandbekämpfung zustehenden Entscheidungsspielraum fehlerfrei ausgeschöpft. Auch sei
der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Der Gesetzgeber habe zu Recht keine realistische
Möglichkeit gesehen, die Anbringung von Rauchwarnmeldern im gesamten Wohngebäudebestand des
Landes zu überwachen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Der Verfassungsgerichtshof hat Bedenken zurückgestellt, ob überhaupt ein Rechtschutzbedürfnis besteht
oder nicht unzulässig eine Popularklage erhoben worden ist. Die Bedenken gründen darin, dass die
Beschwerdeführerin den begehrten Schutz ihres Lebens und der körperlichen Unversehrtheit durch Maß-
nahmen ihrer sorgeberechtigten Mutter leicht selbst erreichen könnte.
Die Begründung der Verfassungsbeschwerde lässt erkennen, dass ihre Mutter um die Bedeutung von
Rauchwarnmeldern zur Gefahrenvorsorge weiß. Es ist nicht vorgetragen, dass sie ihr diesen Schutz
vorenthalten will oder zur Anbringung von Rauchwarnmeldern aus tatsächlichen Gründen nicht in der
Lage ist. Hierfür ist angesichts des Umstandes, dass ihre Großmutter Eigentümerin des von der
Beschwerdeführerin bewohnten Hauses ist, auch nichts ersichtlich. Angesichts dessen ist zweifelhaft, ob
hier subjektiver Rechtsschutz begehrt oder nicht bloß ein Tätigwerden des Gesetzgebers im Interesse der
Allgemeinheit verlangt wird.
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls nicht begründet.
Die Beschwerdeführerin ist nicht dadurch in ihren Grundrechten aus der Landesverfassung verletzt, dass
der Landesgesetzgeber die Pflicht zur Anbringung von Rauchwarnmeldern auf Neubauten beschränkt
und von einer Erstreckung auf Altbauten abgesehen hat.
I.
Eine solche Pflicht zu gesetzgeberischem Tätigwerden ergibt sich zunächst nicht aus den
Freiheitsgrundrechten der Landesverfassung, insbesondere nicht aus Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. Art. 1
Abs. 2 LV.
1. Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 LV stellt das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Menschen unter
den Schutz der Verfassung. Die Freiheitsgrundrechte der Landesverfassung begründen jedoch in erster
Linie Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe. Darüber hinaus beinhalten sie aber zugleich eine
Wertentscheidung für die genannten Rechtsgüter. Deren Bewahrung wird dadurch zur umfassenden
Aufgabe staatlicher Organe (vgl. Merten, in: Festschrift für Burmeister, 2005, S. 227 [231]). Hieraus kann
auch eine Pflicht zum Tätigwerden des Staates erwachsen, um andere Gefährdungen der grundrechtlich
geschützten Rechtsgüter abzuwenden. Diese aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt des jeweiligen Grund-
rechts hergeleitete Schutzpflicht ist in der Verfassung für Rheinland-Pfalz ausdrücklich anerkannt. Denn
nach Art. 1 Abs. 2 LV gehört es zur Aufgabe des Staates, die persönliche Freiheit und Selbständigkeit des
Menschen zu schützen. Der Staat ist deshalb gehalten, sich schützend und fördernd vor die verfassungs-
rechtlich verbürgten Rechtsgüter zu stellen, sie insbesondere vor Eingriffen anderer zu bewahren (vgl.
VerfGH Rh-Pf, AS 29, 23 [31]; BVerfGE 88, 203 [251]; 66, 39 [58]; 49, 89 [141]; Süsterhenn/Schäfer,
Kommentar der Landesverfassung, 1950, Art. 1 Anm. 3 a; Gusy, in: Grimm/Caesar, Verfassung für
Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 1 Rn. 15; H. H. Klein, DVBl. 1994, 289 [290]; Merten, a.a.O., S. 236).
Mit der staatlichen Pflicht zum Schutz der grundrechtlich verbürgten Rechtsgüter ist jedoch zunächst nur
eine Staatsaufgabe als solche umschrieben. Wie die staatlichen Organe ihre Schutzpflicht erfüllen, ist von
ihnen in eigener Verantwortung zu entscheiden (vgl. BVerfGE 96, 56 [64]). Entwicklung und normative
Umsetzung eines Schutzkonzepts sind grundsätzlich Sache des Gesetzgebers. Ihm steht bei der Erfüllung
der Schutzpflicht ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu, der auch Raum lässt,
etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 79, 174 [202] -
Verkehrslärmschutz -). Der Umfang dieses Wertungsrahmens hängt von der Eigenart des in Rede
stehenden Sachbereichs und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter ab. Es obliegt der
Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, ob er eine staatliche Reglementierung für notwendig
erachtet und welchen Inhalt er ihr gibt. Verfassungsrechtlichen Bindungen unterliegt er umso mehr, je
existenzieller und fundamentaler die betroffenen Grundrechtsgüter für den Einzelnen sind und je mehr
dieser auf staatliche Hilfe angewiesen ist (vgl. zur Proportionalität der Schutzpflicht: Merten, a.a.O., S.
242).
Die verfassungsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob der Gesetzgeber die genannten Faktoren
ausreichend berücksichtigt und seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat
(vgl. BVerfGE 88, 203 [262]). Eine Verletzung der Schutzpflicht liegt insbesondere dann vor, wenn die
staatlichen Organe gänzlich untätig geblieben oder die bisher getroffenen Maßnahmen völlig
unzureichend sind (vgl. BVerfGE 79, 174 [202]). Kommt der Gesetzgeber seiner derart umschriebenen
verfassungsrechtlichen Schutzpflicht nicht nach, hat der Träger des Grundrechts einen Anspruch auf
Erfüllung dieser Pflicht, den er mit der Verfassungsbeschwerde geltend machen kann (vgl. BVerfG, a.a.O.;
H.H. Klein, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. I, 2004, § 6 Rn. 68).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des rheinland-pfälzischen Gesetzgebers, für
den vorhandenen Bestand von ca. 1,9 Millionen Wohnungen im Land das Anbringen von Rauchwarn-
meldern gesetzlich nicht anzuordnen, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Der Gesetzgeber ist hinsichtlich der durch Brand verursachten Gefahren für Leib und Leben nicht untätig
geblieben. Der Brandschutz war schon immer Kernanliegen des Bauordnungsrechts. Die §§ 15, 27 ff. und
50 LBauO sowie ergänzende Rechtsverordnungen enthalten zahlreiche Anforderungen zur
Beschaffenheit baulicher Anlagen und gewährleisten damit vorbeugenden wie abwehrenden Brand-
schutz. Hinzu kommen Vorschriften im Brand- und Katastrophenschutzgesetz. Es ist nicht ersichtlich, dass
diese Maßnahmen völlig unzureichend sind.
Bei der von der Beschwerdeführerin verlangten Anbringung von Rauchwarnmeldern handelt es sich um
eine Maßnahme der weiteren Gefahrenvorsorge. Auch insofern ist der Gesetzgeber nicht untätig
geblieben. Vielmehr hat er sich eingehend mit dem Nutzen dieser Geräte vertraut gemacht. Er hat erkannt,
dass Rauchwarnmelder ein geeignetes Mittel sind, um entstehende Brände frühzeitig zu bemerken und
dadurch Schutzmaßnahmen rechtzeitig zu ergreifen. Hieraus folgt indessen noch nicht die
verfassungsrechtlich zwingende Pflicht, die Anbringung von Rauchwarnmeldern in allen vorhandenen
Wohnungen gesetzlich anzuordnen.
a) Nicht jedes nützliche und verantwortungsbewusste Verhalten von Personen bedarf der gesetzlichen
Regelung. Nicht jede gesetzliche Regelung zur Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge ist
verfassungsrechtlich zwingend geboten. Der Staat hat bei der Entscheidung über ein Tätigwerden auch
die verfassungsrechtliche Grundaussage für die Freiheit und Selbstverantwortung der Menschen zu
beachten (Art. 1 Abs. 2 LV). Hierin kommt die subsidiäre Zweckbestimmung des Staates zum Ausdruck,
die in der Verfassung von Rheinland-Pfalz ihre besondere Ausprägung erfahren hat (vgl.
Süsterhenn/Schäfer, a.a.O., vor Art. 1, Anm. I). Es ist deshalb legitimes Ziel der Gesetzgebung, den
Bestand an Normen auf das unbedingt Notwendige zu beschränken.
Staatlicher Schutz ist umso mehr geboten, je stärker der Einzelne Gefahren ausgeliefert ist. Dies gilt
insbesondere bei Gefahren von dritter Seite. Umgekehrt unterliegt der Gesetzgeber dann umso weniger
konkreten Handlungspflichten, je mehr der Einzelne die Gefahrenlage und die Möglichkeit zu ihrer
Abwendung selbst beherrscht. Bedeutung hat dies gerade für die vielfältigen Gefahren im häuslichen
Bereich, und zwar nicht beschränkt auf die eigene Wohnung. Es gilt gleichermaßen für den Aufenthalt in
fremden Wohnungen. Auch insofern kann auf die Eigenverantwortung des Einzelnen und das
Verantwortungsbewusstsein derjenigen vertraut werden, in deren Obhut er sich begibt. Für minderjährige
Kinder ergibt sich nichts anderes, da sie ohnehin in ihrem gesamten Lebensumfeld auf das
Verantwortungsbewusstsein ihrer Sorgeberechtigten angewiesen sind. Es ist daher von Verfassungs
wegen nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber das Anbringen von Rauchwarnmeldern
grundsätzlich der Eigenverantwortung der Wohnungsnutzer überlassen und seine Schutzmaßnahmen auf
die Unterrichtung der Bevölkerung und den Appell an deren Verantwortungsbewusstsein beschränkt hat
(vgl. zur Öffentlichkeitsarbeit als staatliche Schutzmaßnahme: BVerfG, NJW 1987, 2287).
b) Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber beim Erlass materieller Normen immer auch deren Vollzug zu
bedenken hat. Wo die Verwirklichung gesetzlich angeordneter Schutzvorkehrungen letztlich doch vom
Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein des Einzelnen abhängt, ist es verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden, wenn der Gesetzgeber bereits beim Erlass materieller Standards Zurückhaltung übt und auf
Gesetze verzichtet, die ohnehin nur mahnenden Charakter haben. Dies gilt in verstärktem Maße wegen
des Bemühens des Gesetzgebers, Umfang und Dichte des Normbestandes zurückzuführen.
Angesichts von ca. 1,9 Millionen Wohnungen im Land ist es nicht fehlerhaft, wenn der Gesetzgeber den
zur Gewährleistung der Funktionssicherheit der Rauchwarnmelder erforderlichen Kontrollaufwand als
unverhältnismäßig hoch bewertet hat. Um die Verwirklichung der Vorsorgemaßnahme dauerhaft sicherzu-
stellen, müsste nicht nur die Anbringung der Rauchwarnmelder, sondern auch die Erhaltung ihrer
Funktionsfähigkeit überwacht werden. Hierzu zählt bei batteriebetriebenen Rauchwarnmeldern, die auch
nach Auffassung der Beschwerdeführerin bei Altbauten allein in Betracht kommen, insbesondere das
rechtzeitige Auswechseln der Batterien. Diese Wartungsarbeit kann zeitnah nur durch den
Wohnungsinhaber erbracht werden. Wenn somit die Aufrechterhaltung der Funktionssicherheit
batteriebetriebener Rauchwarnmelder letztlich doch von der Eigenverantwortung des jeweiligen
Wohnungsnutzers abhängt, ist die Abwägung des Gesetzgebers von Verfassungs wegen nicht zu
beanstanden, auch bereits in Bezug auf den Einbau dieser Warnmelder auf das Verantwor-
tungsbewusstsein der Menschen zu vertrauen.
Soweit die Beschwerdeführerin auf die verordnungsrechtliche Verpflichtung zum Gebrauch spezieller
Kindersicherungssysteme in Kraftfahrzeugen hinweist (vgl. § 21 Abs. 1 a Straßenverkehrsordnung), mag
dies zwar die rechtspolitische Forderung nach einer umfassenden Installationspflicht für
Rauchwarnmelder unterstützen. Sie belegt indes nicht die verfassungsrechtliche Pflicht, das Anbringen
von Rauchwarnmeldern auch in vorhandenen Wohnungen gesetzlich anzuordnen. Denn ungeachtet des
grundsätzlichen Einwands, dass nicht jede sinnvolle gesetzliche Regelung zur Gefahrenabwehr und
Gefahrenvorsorge in grundrechtlichen Schutzpflichten zwingend vorgegeben ist, kann die staatliche
Überwachung des Betriebs und der Nutzung von Kraftfahrzeugen durch die dort ohnehin vorhandenen
Kontrollen in ungleich größerem Umfang gewährleistet werden, als dies für die Nutzung von
Rauchwarnmeldern innerhalb der Wohnung möglich wäre.
II.
Die Beschwerdeführerin wird dadurch, dass der Gesetzgeber die Verpflichtung zum Anbringen von
Rauchwarnmeldern auf die Errichtung und wesentliche Änderung baulicher Anlagen gemäß § 44 Abs. 8
in Verbindung mit § 85 Abs. 1 und Abs. 2 LBauO beschränkt hat, auch nicht in ihrem Recht auf
Gleichbehandlung verletzt.
Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 17 Abs. 1 und 2 LV) gebietet, Gleiches gleich und
Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dabei obliegt es dem Gesetzgeber
zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er als maßgebend dafür ansieht,
sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist nur verletzt, wenn sich -
bezogen auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs - ein vernünftiger, aus der Natur der Sache
folgender oder sonst wie einleuchtender Grund für die betreffende Differenzierung oder
Gleichbehandlung nicht finden lässt. Hierbei hat der Verfassungsgerichtshof lediglich darüber zu wachen,
dass die äußeren, von der Verfassung gesetzten Grenzen der normativen Gestaltungsfreiheit beachtet
werden (vgl. VerfGH Rh-Pf, AS 25, 418 [419]; AS 29, 23 [30 f.]; NJW 2005, 410 [414]; Caesar, in:
Grimm/Caesar, Art. 17 Rnrn. 12 ff.).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht festzustellen. Es ist
einleuchtend, dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, das Anbringen von Rauchwarnmeldern auch
in den bereits vorhandenen Gebäuden gesetzlich anzuordnen.
Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass für den vorhandenen Wohnbestand aus Gründen des
Bestandsschutzes nur der Einsatz batteriebetriebener Rauchwarnmelder verlangt werden könnte. Auch
die Beschwerdeführerin fordert nur die Verpflichtung zum Einbau dieser Anlagen. Die Einrichtung eines
an das Stromnetz angeschlossenen und vernetzten Rauchwarnmeldersystems, das von den
Sachverständigen aus Gründen der Zuverlässigkeit und Funktionssicherheit empfohlen wird, wäre näm-
lich unter anderem wegen der Notwendigkeit eines eigenen Stromanschlusses an der Zimmerdecke mit
nicht unerheblichem Aufwand und hohen Kosten verbunden (vgl. die Sachverständigenanhörung im
Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags am 4. November 2003, Protokoll der 35. Sitzung, S. 9).
Das Verlangen einer solch aufwändigen Maßnahme der Gefahrenvorsorge würde das
verfassungsrechtlich geschützte Bestandsinteresse der Gebäudeeigentümer unverhältnismäßig stark
beeinträchtigen. Um das Anbringen batteriebetriebener Rauchwarnmelder und vor allem die
Aufrechterhaltung ihrer Funktionsfähigkeit zu überwachen, wäre ein im Vergleich zur Neuerrichtung oder
wesentlichen Änderung von Gebäuden unverhältnismäßig hoher und im Endergebnis doch nicht
lückenloser Kontrollaufwand erforderlich. Letztlich hinge die Verwirklichung der Gefahren-
vorsorgemaßnahme bei Altbauten doch von der Eigenverantwortung des jeweiligen Wohnungsnutzers ab.
Demgegenüber durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass bei Neubauten eine Installationspflicht viel
leichter umgesetzt und auch besser überwacht werden kann. Denn hier kann das Anbringen der
Rauchwarnmelder ohne zusätzlichen Aufwand bereits bei der Planung des Gebäudes berücksichtigt und
im Rahmen der allgemeinen Baukontrolle mit überwacht werden. Was die Bedenken gegen die
dauerhafte Funktionsfähigkeit batteriebetriebener Rauchwarnmelder anbelangt, so hat sich der
Gesetzgeber ersichtlich von der Vorstellung leiten lassen, dass die Regelung in § 44 Abs. 8 LBauO bei
der Neuerrichtung von Gebäuden in einer nicht unerheblichen Zahl der Fälle zur Einrichtung eines
stromnetzgebundenen und vernetzten Rauchwarnmeldersystems führen wird, womit die Notwendigkeit
nachträglicher Kontrollen weitgehend entfällt (vgl. die Stellungnahmen der Abgeordneten im Haushalts-
und Finanzausschuss des Landestages, a.a.O., S. 10 f. des Protokolls).
Vor diesem Hintergrund war es sachlich gerechtfertigt, die Installationspflicht für Rauchwarnmelder auf
Neuerrichtungen und wesentliche Änderungen baulicher Anlagen zu beschränken.
Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist kostenfrei (§ 21 Abs. 1 VerfGHG). Eine
Auslagenerstattung findet nicht statt (§ 21 a Abs. 3 VerfGHG).
gez. Prof. Dr. Meyer gez. Dr. Bamberger gez. Prof. Dr. Dr. Merten