Urteil des VerfGH Berlin vom 15.03.2017

VerfGH Berlin: anspruch auf rechtliches gehör, wohnung, positive vertragsverletzung, verfassungsbeschwerde, faires verfahren, rückgabe, zustand, entsorgung, eigentümer, mietvertrag

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
147/01
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 10 Abs 1 Verf BE, Art 15
Abs 1 Verf BE, Art 23 Abs 1
Verf BE, § 50 VGHG BE, § 249 S
1 BGB
Zur Interpretation des Mieterauszugs ohne Vornahme
geschuldeter Instandsetzungsarbeiten als
Erfüllungsverweigerung
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer und Kläger des Ausgangsverfahrens war von 1991 bis 2000
Eigentümer eines Altbau-Miethauses in Berlin. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens war
in diesem Hause seit 1980 Mieterin einer 3-Zimmer-Wohnung im Vorderhaus, die sie
nach vorfristiger, mieterseitiger Kündigung am 30. April 1999 geräumt aber unrenoviert
an den Beschwerdeführer zurückgab. Der Beschwerdeführer verklagte seine frühere
Mieterin vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg im Oktober 1999 auf
Schadensersatz in Höhe von 24.282 DM. Davon entfielen 17.322 DM auf unterlassene
Schönheitsreparaturen, 1.160 DM auf Ausbau und Entsorgung von diversen
zurückgelassenen Holzeinbauten und Teppichböden, weitere 1.160 DM auf die Reparatur
einer Zimmertür sowie 4.640 DM auf das Entfernen von Klebstoffresten und das
Schleifen von Dielenböden. Der Beschwerdeführer führte aus, die Beklagte habe „am 30.
4.1999 ... ausdrücklich erklärt bzw. erklären lassen, daß sie Schönheitsreparaturen oder
andere Arbeiten – wie den Ausbau der Holzverschalung – endgültig ablehnt“, und bot
hierfür Zeugenbeweis durch D., der damals Hausmeister im Hause war, an. Die Beklagte
bestritt, die Durchführung von Schönheitsreparaturen endgültig und ernsthaft abgelehnt
zu haben. Sie habe sich vielmehr schriftlich bereit erklärt, noch „Arbeiten“ in der
Wohnung durchzuführen. Bei Rückgabe der Wohnung am 30. April 1999 seien weder die
Beklagte selbst noch der Zeuge D. anwesend gewesen, wohl aber die Söhne der
Beklagten, auf deren Zeugnis sie sich gegenbeweislich berief. Die Beklagte bestritt die
Beschädigung der Zimmertür, räumte aber ein, daß dieser das Schloß und die
Drückergarnitur fehlten.
Nach der Kündigung des Mietvertrages hatte der Beschwerdeführer dem Anwalt der
Mieterin bereits vor Rückgabe der Wohnung am 14. April 1999 geschrieben: „...
vorsorglich fordere ich Ihre Mandantin hiermit auf, die gemäß Anlage zum Mietvertrag
vom 20.2.1980 durchzuführenden, nach meinen Feststellungen bislang noch nicht
begonnenen Schönheitsreparaturen bis zum 30.4.1999 auszuführen, also die Wohnung
zu renovieren und die von Ihrer Mandantin verursachten Schäden zu beseitigen,
insbesondere zur fachgerechten Lackierung der Türen, Heizkörper, Rohrleitungen und
Fenster, Entfernung der Tapetenschichten, der fachgerechten Ausbesserung und
Anstrich der Wände und Decken – alles in weiß – und Entfernung der Farb- und
Klebstoffspuren auf den Böden. Nach diesem Zeitpunkt lehne ich weitere Arbeiten durch
Ihre Mandantin ab; diese werden dann auf Kosten Ihrer Mandantin anderweitig vergeben.
...“
Das Amtsgericht verurteilte die Mieterin nach Beweiserhebung zur Zahlung von
Schadensersatz in Höhe 7.650,97 DM und wies die Klage im übrigen ab. Die Beklagte
schulde diesen Betrag aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung. 1.160
DM entfielen auf die Zimmertür. Nach Vorlage der Bilddokumentation sei von einer
vertragswidrigen Türbeschädigung auszugehen. Da die Beklagte weder den Zustand der
Tür noch die angesetzten Reparaturkosten substantiiert bestritten habe, sei trotz
fehlender Rechnung von einem Schadensbetrag in Höhe von 1.160 DM auszugehen.
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fehlender Rechnung von einem Schadensbetrag in Höhe von 1.160 DM auszugehen.
Weitere 1.160 DM entfielen auf die Kosten des Ausbaus und der Entsorgung von
Holzeinbauten und Teppichböden. Das Zurücklassen eingebrachter und eingebauter
Gegenstände sei vertragswidrig. Der Mieter sei nicht berechtigt, den
mietvertragsgemäßen Zustand zu verändern und bei Rückgabe der Wohnung so zu
belassen. Die dafür in Ansatz gebrachten Kosten seien angemessen und von der
Beklagten nicht substantiiert bestritten worden. Einen Betrag in Höhe von 3.040 DM
schulde die Beklagte für das Abschleifen und Versiegeln der Dielen, das zur Beseitigung
der Klebereste auch erforderlich sei. Auch insoweit sei den Kostenansätzen des
Beschwerdeführers nicht substantiiert entgegengetreten worden. Ein weiterer
Schadensbetrag in Höhe von 1.324,30 DM (26,10 qm à 20,35 DM) ergebe sich für das
Tapezieren der Wände im Flur nach Vorbehandlung und Verputzen. Dort seien, wie aus
der Bilddokumentation ersichtlich, Elektroleitungen unfachgemäß verlegt sowie
Zwischenböden gezogen worden, so daß erhebliche Beschädigungen an den Wänden
entstanden seien. Der qm-Kostenbetrag setze sich aus 8,35 DM für das Entfernen der
Tapeten und Ausbesserungsarbeiten am Putz und 12 DM für das Kleben einer
Mustertapete mittlerer Art und Güte zusammen. Schließlich schulde die Beklagte aus
gleichem Grunde auch die Tapezierkosten an den Küchenwänden in Höhe von 966,67
DM (40,85 qm x 20,35). Die Bilder zeigten in der Küche vier teilweise abgerissene und
teilweise provisorisch neu geklebte Tapetenschichten. Dieser Zustand belege eine
positive Vertragsverletzung durch die Beklagte.
Schadensersatzansprüche wegen unterlassener Schönheitsreparaturen darüber hinaus
bestünden nicht. Die im Mietvertrag enthaltene Verpflichtung zur Durchführung von
Schönheitsreparaturen bei Vertragsende unabhängig von der Mietdauer und dem
Zustand der Wohnung stelle eine nach § 9 AGBG unzulässige und daher unwirksame
Klausel dar. Zur Annahme weitergehender Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung
über das Zugestandene hinaus fehle es an substantiiertem Vortrag des
Beschwerdeführers, der trotz gegnerischer Rüge und Auflage des Gerichts nicht mit der
notwendigen Präzision dargetan habe, daß und gegebenenfalls inwieweit der
beanstandete Zustand der Wohnung Folge eines vertragswidrigen Verhaltens der
Beklagten und nicht eines altersbedingten Mietgebrauchs gewesen sei.
Gegen das Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Der Beschwerdeführer beantragte,
der Klage insgesamt stattzugeben, die Beklagte beantragte, die Klage insgesamt
abzuweisen. Die Beklagte trug vor, der Beschwerdeführer habe bezüglich der
Zimmertür, der Entsorgung der Holzeinbauten und der Auslegware sowie bezüglich des
Abschleifens der Dielen, welches zudem eine unberechtigte Verbesserung des
Ausstattungsstandards darstelle, weder den Schaden selbst noch die Schadenshöhe
substantiiert dargelegt. Bei Auszug habe die Beklagte möglicherweise die Ausführung
von Schönheitsreparaturen verweigert, nicht aber Arbeiten betreffend die Entfernung der
Teppichböden und Einbauten. Der Beschwerdeführer wiederholte, die Beklagte habe am
Tage der Wohnungsrückgabe „jegliche weitere Arbeiten in der Wohnung ablehnen
lassen“ sie habe bei Vertragsbeginn eine vollständig renovierte Wohnung übernommen
und diese nach 20 Jahren „völlig verwahrlost“ zurückgelassen.
Das Landgericht wies die Berufung des Beschwerdeführers zurück und seine Klage unter
Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts nunmehr vollständig ab. Die im Mietvertrag
enthaltene Überbürdung der Schlußrenovierung auf die Mieterin benachteilige diese
unangemessen im Sinne von § 9 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 2 AGBG und führe zur
Gesamtnichtigkeit der Regelung über die Renovierungsverpflichtung. Die Renovierung sei
daher insgesamt Sache des Beschwerdeführers. Das gelte auch für Tapezierarbeiten in
Flur und Küche. Schadensersatzansprüche bezüglich der Tür, die nach den vorgelegten
Fotos erkennbar beschädigt sei, seien der Höhe nach nicht dargelegt, da der
Beschwerdeführer nur einen Gesamtbetrag ohne substantiierten Vortrag und ohne
Rechnung behauptet habe. Kosten für Ausbau und Entsorgung der Holzeinbauten und
der Teppichböden stünden dem Beschwerdeführer ebenfalls nicht zu. Zwar habe die
Beklagte insoweit ihre Verpflichtung zum Rückbau verletzt (positive Vertragsverletzung),
§ 249 Satz 1 BGB gebe dem Beschwerdeführer aber nur einen Anspruch auf
Naturalrestitution. Der Einbau der Verkleidung, eines Schrankes und einer
Zwischendecke sowie die vollflächige Verklebung von Teppichböden stellten keine
Sachbeschädigungen dar; letzteres sei „übliche Verlegetechnik“. Der Beschwerdeführer
habe daher nach § 250 BGB eine Frist mit Ablehnungsandrohung setzen müssen, um
Ersatz in Geld verlangen zu können. Daran fehle es. Das Schreiben des
Beschwerdeführers vom 14. April 1999 sei zeitlich vor der Rückgabe der Wohnung
versandt worden, als noch keine Vertragsverletzung vorlag. Es sei daher verfrüht und
also unwirksam gewesen. Das Schreiben enthalte im übrigen auch nicht die
Aufforderung, Teppichböden zu entfernen.
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Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich der Beschwerdeführer mit der
Verfassungsbeschwerde. Er rügt die Verletzung von Art. 7, Art. 15 Abs. 1 und Art. 23
Abs. 1 der Verfassung von Berlin (VvB). Das Urteil lasse keine Bezugnahme auf
Rechtsvorschriften erkennen, sei unter keinen Umständen nachvollziehbar und
deswegen willkürlich.
Bezüglich der beschädigten Tür habe er den Schadensumfang genau beschrieben,
beziffert und zum Beweis Sachverständigengutachten angeboten. Das sei für die
Geltendmachung eines Anspruches nach § 249 Satz 2 BGB ausreichend. Indem das
Landgericht diese Darlegung als nicht hinreichenden Vortrag ansah, habe es
Parteivortrag willkürlich unbeachtet gelassen und den Beschwerdeführer in seinem
Grundrecht auf Gehör vor Gericht verletzt.
Bezüglich seiner Ansprüche wegen der Nichtbeseitigung von Umbauten und auf Dielen
vollflächig verklebter Teppichböden habe das Landgericht unverständlicherweise
übersehen, daß eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung dann entbehrlich sei, wenn
der Schädiger die geschuldete Leistung vorher ernsthaft und endgültig verweigert habe.
Dies habe die Beklagte bereits bei Rückgabe der Wohnung getan indem sie jegliche
Instandsetzung abgelehnt habe, wofür der Beschwerdeführer sich bereits in der
Klageschrift auf das Zeugnis des Hausmeisters D. berufen habe. Indem das Landgericht
dieses Beweisangebot nicht aufgriff, sei es „an jeglicher nachvollziehbarer
Rechtsanwendung vorbeigegangen“, so daß seine Urteilsfindung willkürlich sei und den
Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 7 VvB in Verbindung mit dem
Rechtsstaatsprinzip im Sinne eines Anspruchs auf ein faires Verfahren sowie aus Art. 23
VvB verletze. Er sei Eigentümer der beschädigten Sachen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zum Teil unzulässig, im übrigen
unbegründet.
1.Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie eine Verletzung der allgemeinen
Handlungsfreiheit gemäß Art. 7 VvB rügt. Art. 7 VvB stellt zwar ein mit der
Verfassungsbeschwerde rügefähiges Individualrecht dar (BVerfGE 91, 338 für den
gleichlautenden Art. 2 Abs. 1 GG), ist jedoch als Auffanggrundrecht ausgestaltet (vgl.
Beschluß vom 13. August 1996 – VerfGH 29/96 – LVerfGE 5, 10 <12>). Da der
Beschwerdeführer vorliegend – abgesehen von der Bezugnahme auf Art. 23 VvB und
den Willküraspekt – unzweideutig das Übergehen seines Prozeßvortrags bei Gericht rügt,
fällt der von ihm beanstandete Akt der öffentlichen Gewalt in den speziellen
Schutzbereich des Art. 15 Abs. 1 VvB. Für einen Rückgriff auf Art. 7 ist unter diesen
Umständen daneben kein Raum.
2.Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde auch, soweit sie – beschränkt auf den
Komplex der Entfernung von Holzeinbauten und Teppichböden – eine Verletzung des
Grundrechts auf Eigentum gemäß Art. 23 Abs. 1 VvB beanstandet. Denn diesbezüglich
fehlt es an genügend substantiiertem Vortrag. Das Merkmal „bezeichnen“ in § 50
VerfGHG verlangt für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde nach ständiger
Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, daß hinreichend deutlich die Möglichkeit
einer Verletzung eines dem Beschwerdeführer in der Verfassung des Landes Berlin
verbürgten Grundrechtes durch die angegriffene Maßnahme vorgetragen wird (vgl.
Beschluß vom 11. August 1993 – VerfGH 64/93 – und Beschluß vom 11. Januar 1995 –
VerfGH 81/94 – LVerfGE 3, 3 <5>). Dazu ist erforderlich, daß das als verletzt gerügte
Grundrecht bezeichnet und ein Sachverhalt hinreichend deutlich vorgetragen wird, bei
dessen Subsumtion unter die einschlägige Grundrechtsnorm deren Verletzung jedenfalls
möglich erscheint. Im Hinblick darauf, daß die Eigentumsgarantie in ihrer Reichweite
weitgehend auch vom (einfachen) Gesetzgeber bestimmt wird, kann die bloße
Behauptung einer Grundrechtsverletzung und der alleinige Hinweis darauf, daß der
Beschwerdeführer „Eigentümer der beschädigten Sachen“ sei, den
Begründungserfordernissen des § 50 VerfGHG nicht genügen, zumal das Landgericht
ersichtlich die Auffassung vertritt, daß durch Holzeinbauten und verlegte Teppichböden
eine Beschädigung der Wohnung gerade nicht stattgefunden habe.
3.Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung seines Rechts auf Gehör vor Gericht nach
Art. 15 Abs. 1 VvB beanstandet, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Der
Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt dem am Verfahren Beteiligten das Recht, sich
zu den der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachen und zur Rechtslage
zu äußern, und verpflichtet das Gericht, sein Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in
Erwägung zu ziehen (Beschluß vom 10. November 1993 – VerfGH 88/93 –, Beschluß vom
16. November 1995 – VerfGH 48/94 – LVerfGE 3, 113 <119>; zum inhaltsgleichen Art.
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16. November 1995 – VerfGH 48/94 – LVerfGE 3, 113 <119>; zum inhaltsgleichen Art.
103 Abs. 1 GG vgl. BVerfGE 83, 24 <35>, 86, 133 <145>). Grundsätzlich ist davon
auszugehen, daß ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen
und in Erwägung gezogen hat. Ein Verstoß gegen die Berücksichtigungspflicht ist
demnach nur dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die
deutlich machen, daß das Gericht den Parteivortrag ausnahmsweise ganz ignoriert oder
jedenfalls rechtlich nicht beachtet hat.
Gemessen an diesen Maßstäben ist eine Übergehung des Vortrags des
Beschwerdeführers durch das Landgericht nicht festzustellen.
a)Bezüglich der beschädigten Zimmertür hat sich das Landgericht ausdrücklich mit dem
Klagevorbringen auseinandergesetzt. Im Bereich des Schlosses und der Drückergarnitur
waren die Schäden unstreitig. Andere Beschädigungen ergaben sich aus der vorgelegten
Fotodokumentation, wobei der Beschwerdeführer trotz des Bestreitens der Beklagten
schon nicht dargelegt hat, warum die Mieterin verpflichtet gewesen sein sollte, die
gerissenen Kassetten im Türblatt, deren Beschädigungen von einem altersbedingten
Schrumpfungsprozeß herrühren können, zu reparieren. Der Beschwerdeführer hat für
die Wiederherstellung der Tür einen pauschalen Kostenbetrag von 1.160 DM angegeben
und sich zum Beweis dafür auf Sachverständigengutachten berufen, ohne diese
Gesamtsumme, die von der Beklagten detailliert bestritten wurde, in ihrer
Zusammensetzung darzulegen. Wenn das Landgericht eine in dieser Weise
summarische Angabe des aus ganz unterschiedlichen Beschädigungen bestehenden
Schadens für unsubstantiiert und einer Beweiserhebung nicht zugänglich erachtet hat,
ist das verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
b) Auch die weitere Rüge des Beschwerdeführers, das Gericht habe seinen Vortrag
ignoriert, daß die Mieterin bereits bei Rückgabe der Wohnung die Vornahme von Arbeiten
darin endgültig und ernsthaft verweigert habe, verhilft der Verfassungsbeschwerde nicht
zum Erfolg. Zwar ist die Weigerung der Mieterin, in der Wohnung Schönheitsreparaturen
auszuführen, in der zweiten Instanz schließlich unstreitig gewesen. Vorliegend ging es
jedoch um ihre Weigerung, die diversen Holzeinbauten und die verlegten Teppichböden
zu entfernen. Hier war ihre Weigerung, diese Arbeiten durchzuführen, in beiden
Instanzen strittig. Der Beschwerdeführer hat dazu unter Berufung auf das Zeugnis des
Hausmeisters lediglich vorgetragen, die Beklagte habe bei Rückgabe der Wohnung
„ausdrücklich erklärt bzw. erklären lassen, daß sie die Schönheitsreparaturen oder
andere Arbeiten – wie den Ausbau der Holzverschalung – endgültig ablehnt“. Die
Tatsache, daß das Landgericht einen derartigen Vortrag, dem nicht zu entnehmen war,
in welcher Situation durch welche Person gegenüber welcher Person durch welche
Äußerungen die behauptete Verweigerung von Nacharbeiten ausgesprochen worden
sein soll, nicht berücksichtigte und sich zu einer Beweiserhebung durch einen derartigen
Vortrag nicht veranlaßt sah, begegnet verfassungsrechtlich keinen Bedenken. Der
Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn das Gericht Beweisanträge auf
der Grundlage des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt läßt (Beschluß
vom 17. Dezember 1997 – VerfGH 112/96 – LVerfGE 7, 49 <56>). Erst wenn die
Anwendung einfachrechtlichen Verfahrensrechts grob fehlerhaft und offensichtlich
unzutreffend ist, kann die Grenze zum Grundrechtsverstoß überschritten sein. Davon
kann hier indessen wegen des dargelegten unsubstantiierten Vortrags des
Beschwerdeführers keine Rede sein. Auch ist aus der Tatsache, daß das Landgericht in
seinen Entscheidungsgründen auf die Frage der Erfüllungsverweigerung durch die
Beklagte nicht eingeht, nicht zu schließen, daß es den entsprechenden Vortrag des
Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen hat. Fachgerichte sind nicht
verpflichtet, in ihrer Urteilsbegründung jedes Einzelvorbringen eines Beteiligten
ausdrücklich zu erörtern und zu bescheiden.
4.Soweit der Beschwerdeführer das Urteil des Landgerichts für willkürlich hält, ist bereits
fraglich, ob die Verfassungsbeschwerde im Sinne von § 49 Abs. 1, § 50 VerfGHG als
ausreichend begründet und damit als zulässig angesehen werden kann. Der pauschale
Hinweis, das Urteil gehe „an jeglichen nachvollziehbaren Rechtsanwendungen vorbei“
dürfte den Darlegungserfordernissen des § 50 VerfGHG kaum genügen.
Aber auch wenn man die Zulässigkeit insoweit unterstellt, ist die Willkürrüge nicht
begründet.
Soweit eine gerichtliche Entscheidung Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde ist,
besteht die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofs nur in engen Grenzen. Die
Verfahrensgestaltung, Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, Auslegung und
Anwendung des einfachen Rechts auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür allgemein
zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof prinzipiell
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zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof prinzipiell
entzogen (vgl. Beschluß vom 30. Juni 1992 – VerfGH 9/92 – LVerfGE 1, 7 <8 f.>; st.
Rspr.). Im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist nur zu prüfen, ob das Gericht in der
Verfassung von Berlin enthaltene Rechte des Beschwerdeführers verletzt hat. Ein solcher
Verstoß liegt bei gerichtlichen Urteilen unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots des
Art. 10 Abs. 1 VvB nicht schon immer dann vor, wenn die Rechtsanwendung Fehler
enthält. Hinzu kommen muß vielmehr, daß die Entscheidung sachlich schlechthin
unhaltbar und deshalb objektiv willkürlich ist, so daß sich der Schluß aufdrängt, daß sie
auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. Beschlüsse vom 11. Januar 1995 – VerfGH
81/94 – LVerfGE 3, 3 <7> , und vom 20. August 1997 – VerfGH 46/97 – LVerfGE 7, 19
<24>). Diese Voraussetzungen liegen bei der angegriffenen Entscheidung nicht vor.
a) Die Auffassung des Landgerichts, die vollflächige Verklebung von Teppichböden auf
Holzdielen in Altbauwohnungen sei üblich und stelle daher keine Sachbeschädigung dar,
auch wenn nach dem Abziehen der Teppiche eine 5 mm dicke Schicht aus Klebemasse
und Filz ganzflächig haftend auf den Dielen zurückbleibt, wie die Aufnahmen Nr. 9 und 10
der vom Beschwerdeführer vorgelegten „Bestandsdokumentation“ vom 24. Mai 2000
zeigen, mag einfachrechtlich zweifelhaft sein. Willkürlich nach den oben dargelegten
Maßstäben ist sie darum nicht. Das Landgericht vertritt offenbar die Ansicht, daß von
einer Beschädigung im Sinne von § 249 Satz 2 BGB erst bei einem Eingriff in die
Substanz der Holzdielen ausgegangen werden könne. Nachdem der Bundesgerichtshof
Umbauten nicht als Beschädigungen angesehen hat (BGHZ 104, 6 <16>), liegt hier die
Auffassung des Gerichts, Einbauten wie die Verlegung von Teppichböden seien auch bei
vollflächiger Verklebung keine Sachbeschädigung, im Rahmen seines fachgerichtlichen
Beurteilungsspielraums. Eine solche Auffassung ist daher unter dem Gesichtspunkt des
Willkürverbots nicht zu beanstanden.
b)Gleiches gilt für die Auffassung des Landgerichts, dem Beschwerdeführer stehe
gegenüber der Mieterin bezüglich der Teppichböden und der Holzeinbauten nur nach
rechtzeitiger und fruchtloser Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 250 Satz 2
BGB oder nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Schadensersatzanspruch wegen
Nichterfüllung zu.
Zwar ist das Setzen einer Nachfrist mit Ablehnungsandrohung als bloße Formalität dann
entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung bereits ernstlich und endgültig verweigert
hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt es nahe, bereits in der
Tatsache des Auszugs des Mieters ohne Vornahme der vertraglich übernommenen
Instandsetzungsarbeiten eine endgültige Erfüllungsverweigerung zu sehen (BGH NJW
1971, 1839; 1989, 451 <452>; 1991, 2416 <2417>). Das gilt jedenfalls dann, wenn die
Fälligkeit der Instandsetzungsarbeiten offensichtlich ist und keine besonderen Umstände
vorliegen, die Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung sein können. Es ist daher nicht
unbedenklich, daß das Landgericht diese einschlägige Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs in seinem Urteil begründungslos übergeht.
Gleichwohl läßt sich auch insoweit ein Verstoß gegen das Willkürverbot gemäß Art. 10
Abs. 1 VvB nicht feststellen. Ein solcher Verstoß liegt nach dem Gesagten bei
gerichtlichen Urteilen nicht schon dann vor, wenn eine Entscheidung in Einzelpunkten
Zweifeln unterliegt oder gar Fehler enthält. Hinzu kommen muß, daß die Entscheidung
sachlich schlechthin unhaltbar, ja im Bereich des Abwegigen anzusiedeln ist. Das ist
vorstehend nicht der Fall. Vielmehr wird in der fachgerichtlichen Rechtsprechung und in
der Rechtsliteratur der bloße Auszug des Mieters trotz Bestehens einer
Instandsetzungsverpflichtung keineswegs immer für die Annahme einer
Erfüllungsverweigerung als ausreichend angesehen (vgl. OLG Celle WuM 1983, 76; OLG
Hamburg WuM 1992, 70; Landgericht Berlin GE 1988, 297 <299>; ZMR 1999, 398;
Erman/Jendrek § 536 BGB Rdz. 32; Riecke/Schütt, Schönheitsreparaturen S. 85;
Langenberg, Schönheitsreparaturen S. 132; Staudinger/Emmerich §§ 535, 536 BGB Rdz.
243 ff.; Sternel II Rdz. 445; Oske ZMR 1973, 321 <323>). Auch der Bundesgerichtshof
selbst hebt hervor, daß die Umstände des Einzelfalls eine andere Beurteilung
rechtfertigen können (vgl. BGHZ 104, 6 <14> m. w. N.). Darüber hinaus wird in der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig betont, daß an die tatsächlichen
Voraussetzungen für die Bejahung einer endgültigen Erfüllungsverweigerung strenge
Anforderungen zu stellen sind. Die Äußerungen des Mieters müßten deshalb
unmißverständlich als sein „letztes Wort“ erkennbar sein, so daß ausgeschlossen
erscheint, daß er sich von einer Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung noch
umstimmen ließe (BGHZ 104, 6 <13>; BGH NJW-RR 1993, 139 <140>; 882 <883>).
Davon mußte hier angesichts des zwischen den Parteien bestehenden Streits über den
Ablauf der Wohnungsübergabe und des Angebots der Beklagten vom 5. Mai 1999, noch
Arbeiten in der Wohnung ausführen zu lassen, nicht ausgegangen werden.
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Angesichts dieser Lage mag das Urteil des Landgerichts, welches die Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs zur Bewertung eines Mieterauszugs ohne Vornahme
geschuldeter Instandsetzung nicht erörtert, einfachrechtlich mehr oder weniger
überzeugen. Von Willkür im Sinne einer schlechthin abwegigen Rechtsauffassung kann
jedoch nicht die Rede sein. Ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 VvB ist nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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