Urteil des VerfGH Berlin vom 15.03.2017

VerfGH Berlin: finanzen, förderung des wohnungsbaus, fraktion, verfassung, anleihe, ermächtigung, darlehen, verfügung, gesetzgebung, beteiligter

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
78/96
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 73 Abs 1 S 1 Verf BE 1950,
Art 75 Abs 1 Verf BE 1950, Art
87 Abs 1 Verf BE, § 14 Nr 1
VGHG BE, § 37 Abs 1 VGHG BE
(VerfGH Berlin: Verletzung der Rechte des Abgeordnetenhauses
durch vom Senat veranlaßte Kreditaufnahme ohne gesetzliche
Grundlage - Vereinbarung der Abtretung aller Forderungen aus
gewährten Wohnungsbaudarlehen an die Investitionsbank Berlin
ohne gesetzliche Ermächtigung verstößt gegen Verf BE Art 75
Abs 1 J: 1950)
Tenor
1. Es wird festgestellt, daß der Senat von Berlin Art. 75 Abs. 1 der Verfassung von Berlin
vom 1. September 1950 (VOBl. I S. 433 - mit späteren Änderungen) verletzt hat, indem
er ohne gesetzliche Grundlage am 26. September 1995 mit der Investitionsbank Berlin
eine Vereinbarung über die Vorfinanzierung von Zins- und Tilgungsleistungen aus
öffentlichen Baudarlehen geschlossen hat.
2. ...
3. ...
4. ...
Gründe
A.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin begehrt die
Feststellung, daß die Senatsverwaltung für Finanzen und der Senat von Berlin durch den
Abschluß der Vereinbarung mit der Investitionsbank Berlin vom 26. September 1995 das
Haushaltsrecht des Abgeordnetenhauses sowie Rechte der antragstellenden Fraktion
auf Mitwirkung an der Haushaltsgesetzgebung verletzt haben.
I.
Die Investitionsbank Berlin - Anstalt der Landesbank Berlin -IBB- wickelt für das Land
Berlin die öffentlichen Baudarlehen ab, die in den Jahren 1952 bis 1968 aus öffentlichen
Mitteln (Bundes- und Landesmitteln) zum Zwecke des Wohnungsbaus vergeben wurden,
indem sie insbesondere die laufenden Zins- und Tilgungsleistungen einzieht.
Am 26. September 1995 schlossen das Land Berlin, vertreten durch die
Senatsverwaltung für Finanzen, und die IBB eine "Vereinbarung über die Vorfinanzierung
von Zins- und Tilgungsleistungen aus öffentlichen Baudarlehen."
Die Vereinbarung hat folgenden Wortlaut:
"Die Investitionsbank Berlin - Anstalt der Landesbank Berlin - - Girozentrale -, im
folgenden IBB, "verwaltet" für das Land Berlin öffentliche Baudarlehen, die in den Jahren
1952 - 1968 aus öffentlichen Mitteln (Bundes- und Landesmittel) zum Zwecke des
Wohnungsbaus vergeben wurden. Diese Baudarlehen unterliegen dem Vertrag zwischen
dem Land Berlin und der früheren Wohnungsbaukreditanstalt Berlin vom 18./30.
November 1966 in der Fassung vom 25. November/24. Dezember 1981. Aufgrund von
Sondertilgungen steht der IBB an diesen Baudarlehen derzeit ein Anteil von 10,4 % zu.
Zum Zwecke der vorzeitigen Verfügbarkeit der aus diesen Baudarlehen fließenden Zins-
und Tilgungsleistungen vereinbaren das Land Berlin, vertreten durch die
Senatsverwaltung für Finanzen, im folgenden: Berlin, und die IBB:
§ 1
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Die IBB finanziert den Anteil Berlins an den ab dem 1. Oktober 1995 (Stichtag) regulär zu
erwartenden Zahlungsströmen (Zinsen und Tilgungen) der in der Präambel genannten
öffentlichen Baudarlehen vor und gewährt Berlin zum auf den Stichtag folgenden
Arbeitstag (2. Oktober 1995) den gem. § 2 ermittelten Barwert in einer Summe.
§ 2
Der Barwert wird auf der Grundlage der Zahlungsströme ermittelt, die der IBB ab dem
Stichtag bis zum regulären Ablauf aus den Baudarlehen der Jahre 1952 - 1968
halbjährlich planmäßig zufließen sollen. Die einzelnen Zahlungsströme der Baudarlehen
werden auf der Grundlage der "AIBD-Methode" (ohne Stückzinsen) mit ihren jeweiligen
Fälligkeiten strukturkongruent abgezinst, d. h. daß auf Basis der im folgenden Absatz
angegebenen Zinssätze Gegengeschäfte angenommen werden, deren Zins- und
Tilgungsleistungen exakt den Zahlungsströmen der Baudarlehen entsprechen.
Die Abzinsung erfolgt mit den laufzeitbezogenen Zinssätzen der Landesbank Berlin vom
27. September 1995 für ungedeckte Schuldverschreibungen. Im Hinblick auf
Zeitraume/Laufzeiten, für die die Landesbank keine Angaben macht und kein Markt
existiert, werden die Abzinsungssätze durch lineare Interpolation festgestellt.
Bei längeren Laufzeiten als 10 Jahre werden die Gegengeschäfte nur zu einem Zinssatz
angenommen, der dem Zehnjahreszinssatz entspricht.
Bei Laufzeiten über 30 Jahren werden die Zahlungsströme der Baudarlehen, die
Fälligkeiten später als den 31. März 2025 aufweisen, auf den 31. März 2025 abgezinst.
Auch hier erfolgt die Abzinsung zu dem Zinssatz für Fälligkeiten in 10 Jahren. Der so
ermittelte Barwert wird in die eigentliche "Barwertberechnung." zum 31. März 2025 als
eine Summe eingestellt.
Zum 1. Oktober 2005 und dann im Abstand von jeweils 10 Jahren ist eine
Neuberechnung des Barwertes für die dann noch verbleibenden Zahlungsströme auf der
Basis der dann bei der Landesbank Berlin geltenden Zinssatze des jeweils folgenden 10-
Jahreszeitraumes vorzunehmen. Die jeweilige Neuberechnung, die den gleichen
Grundsätzen wie die ursprüngliche Barwertberechnung folgt, kann je nach Zinsniveau zu
einer weiteren Barwertausschüttung an Berlin oder zu einer Erstattung Berlins an die IBB
in Höhe eines rechnerisch zuviel ausgeschütteten Barwertes führen. Das
Zinsänderungsrisiko liegt somit bei Berlin.
Im errechneten Barwert ist die Leistungsrate zum 30. September 1995 mit
eingerechnet.
Den Abzinsungssätzen wird jeweils eine Gebühr in Höhe von 0,12 % effektiv
zugerechnet.
§ 3
Sondertilgungen, vorzeitige Rückzahlungen und sonstige entgegen den ursprünglichen
Annahmen getätigte Zahlungen (auch Zwischenzinsen) auf die von diesem Vertrag
erfaßten Darlehen wird die IBB unverzüglich Berlin (unter Abzug ihres eigenen Anteils
von 10,4 %) zur Verfügung stellen. Berlin tritt in diesen Fällen in die Zins- und
Tilgungspläne der betroffenen Konten zu den zum Zeitpunkt der Sondertilgung etc.
geltenden Konditionen mit der Maßgabe ein, daß Berlin die Einhaltung der regulär
veranschlagten Zahlungsströme sicherstellt. Abweichungen vom regulären Verlauf der
Zahlungsströme (z.B. aufgrund von Sondertilgungen, vorzeitigen
Darlehensrückzahlungen, Tilgungsstreckungen oder -aussetzungen, Darlehensausfällen
sowie -rückständen und -stundungen) gleicht Berlin folglich aus, indem es der IBB die
nach den ursprünglichen Annahmen zu erwartenden Zahlungen termingerecht ersetzt.
Das Risiko von Forderungsausfällen - auch im Rahmen von
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen - trägt somit Berlin.
§ 4
Bei Zinserhöhungen gem. §§ 18 a ff. WoBindG oder einer diese Vorschriften ersetzenden
Gesetzesgrundlage wird die IBB nach den Kriterien des § 2 einen Ergänzungsbarwert
ermitteln und Berlin zur Verfügung stellen. Die in § 3 geregelten Sondertilgungen etc.
bleiben dabei unberücksichtigt. Ermittlung und Zahlung dieses Ergänzungsbarwertes
erfolgen aufgrund der erforderlichen Feststellung der einzelnen Zahlungen für die
jeweiligen Darlehen ein Jahr nach dem von der zuständigen Senatsverwaltung
festgesetzten Zinserhöhungstermin.
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§ 5
Das nach diesem Vertrag vorgesehene Berechnungsverfahren wurde auf Kosten der IBB
von einem Wirtschaftsprüfer begutachtet.
§ 6
Der in der Präambel genannte Vertrag bleibt im übrigen unberührt.. .
Aufgrund des Vertrages erhielt das Land Berlin im Jahre 1995 von der Investitionsbank
Berlin rund 997 Mio. DM. Im Doppelhaushalt 1995/96 war eine Einnahme aus der
streitgegenständlichen Vereinbarung nicht in Ansatz gebracht.
Im Rahmen der Beratungen über den Nachtragshaushalt für das Jahr 1996 ließ die
Senatsverwaltung für Finanzen im März 1996 den Fraktionen des Abgeordnetenhauses
eine Übersicht über die Einnahmen 1995 ("Ist-Liste") zukommen. Hierin war unter dem
Kapitel 1290, Titel 18141 im Wege des Anordnungssolls der ursprünglich im
Haushaltsplan veranschlagte Betrag von 23.627.000,00 DM auf einen Betrag von
1.236.896.832,75 DM erhöht. Auf Nachfrage der Antragstellerin an die Senatsverwaltung
für Finanzen erklärte diese in der Sitzung des Unterausschusses
"Wohnungsbauförderung" am 25. März 1996, daß es sich bei den "Berlin zustehenden
Leistungen aus Rückflüssen von Darlehen" um Forderungen des Landes Berlin handele,
die veräußert worden seien. Der Unterausschuß "Wohnungsbauförderung" bat die
Senatsverwaltung für Finanzen daraufhin um einen schriftlichen Bericht zu den Fragen,
welche Forderungshöhe, welcher Zeitraum und welcher Diskontsatz sich aus der
Vorfinanzierungsvereinbarung von Zins- und Tilgungsleistungen aus öffentlichen
Baudarlehen durch die IBB ergäben. Mit Schreiben vom 22. Mai 1996, das an die Vor-
sitzende des Unterausschusses "Wohnungsbauförderung" des Hauptausschusses
gerichtet war, legte die Senatsverwaltung für Finanzen Einzelheiten zur Errechnung des
Vorfinanzierungsbetrages dar. Die Vorfinanzierungsvereinbarung habe zu einem
Vermögensabgang in Hohe von 1.248.663.788,77 DM geführt. Aus den Zinssätzen
ergebe sich ein strukturkongruenter durchschnittlicher Effektivzinssatz für die ersten 30
Jahre von 6.8703 %. Dem Land Berlin sei per 2. Oktober 1995 eine einmalige
Barwertzahlung in Höhe von 997.045.530,26 DM zur Verfügung gestellt worden. Der
Rechnungshof von Berlin hat den Vertragsschluß mit der IBB in einem Bericht vom 12.
April 1996 (AH-Drs. 13/390, S. 20 f.)als Kreditaufnahme angesehen und eine gesetzliche
Ermächtigung nach Art. 75 Abs. 1 VvB 1950 für erforderlich gehalten.
II.
Mit der am 6. September 1996 beim Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin
eingegangenen Antragsschrift macht die Antragstellerin im Organstreitverfahren die
Verletzung eigener Rechte sowie in Prozeßstandschaft Rechte des Abgeordnetenhauses
von Berlin geltend. Sie rügt, der Senator für Finanzen habe das Abgeordnetenhaus in
keiner Weise über den Vorgang informiert, während der Senat von Berlin vor
Vertragsunterzeichnung über das konkrete Vorhaben Kenntnis erlangt habe. Dies
ergebe sich aus der Stellungnahme, die der Senator K... im Auftrag des Senats in der
Sitzung am 6. Juni 1996 des Abgeordnetenhauses abgegeben habe.
Die Antragstellerin beantragt festzustellen:
1. Die Senatsverwaltung für Finanzen hat gegen das Haushaltsrecht des
Abgeordnetenhauses von Berlin gemäß Art. 73 Abs. 1 S. 1 und Art. 74 Abs. 1 VvB 1950
verstoßen, indem sie mit Vertrag vom 26. September 1995 der Investitionsbank Berlin
die gesamten Forderungen aus den Wohnungsbaudarlehen, die das Land Berlin in den
Jahren 1952 bis 1968 aus öffentlichen Bundes- und Landesmitteln zum Zwecke des
Wohnungsbaus gewährt hatte, gegen eine Barsumme, fällig am 2. Oktober 1995,
abgetreten hat ("Vorfinanzierung von Zins- und Tilgungsleistungen aus öffentlichen
Baudarlehen"), obwohl im zugrundeliegenden Haushaltsplan für das Jahr 1995
(Doppelhaushalt 1995/1996) eine solche Einnahme nicht veranschlagt war - weder dem
Grunde noch der Hohe nach - und es deshalb an einer gesetzlichen Grundlage hierfür
fehlte.
2. Die Senatsverwaltung für Finanzen hat durch den genannten Vertrag gegen das Recht
des Abgeordnetenhauses aus Art. 75 Abs. 1 der VvB 1950 verstoßen, indem sie ohne
die erforderliche gesetzliche Grundlage Forderungen des Landes Berlin, die laufend bis
ins Jahr 2052 fällig werden, sich von der Investitionsbank Berlin hat vorfinanzieren lassen,
was zum entsprechenden Forderungsausfall für zukünftige Haushalte führt.
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3. Die Senatsverwaltung für Finanzen hat weiterhin das Recht der Antragstellerin als
Fraktion des Abgeordnetenhauses verletzt, an der Haushaltsgesetzgebung mitzuwirken.
4. Der Senat von Berlin hat das Haushaltsrecht des Abgeordnetenhauses von Berlin aus
Art. 73 Abs. 1 S. 1, 74 Abs. 1 und 75 Abs. 1 VvB 1950 verletzt, indem er es unterlassen
hat, für die unter 1) genannte "Vorfinanzierung" die vorherige Ermächtigung des
Gesetzgebers einzuholen.
5. Er hat damit zugleich das Recht der Antragstellerin, als Fraktion des
Abgeordnetenhauses von Berlin an der Haushaltsgesetzgebung mitzuwirken, aus Art. 27
Abs. 2 VvB 1950 verletzt.
Die Antragsgegner beantragen, die Anträge zurückzuweisen.
Sie halten die Anträge wegen Versäumung der Antragsfrist des § 37 Abs. 3 VerfGHG für
unzulässig. Der Vortrag der Antragstellerin, von dem Vorgang erstmals durch ein
Schreiben der Antragsgegnerin zu 1) vom 22. Mai 1996 erfahren zu haben, klinge sehr
unwahrscheinlich, da der gesamte Vorgang seitens des Senats von Anfang bis Ende in
aller Öffentlichkeit behandelt und darüber hinaus immer wieder in der Berliner
Tagespresse zum Teil sehr ausführlich berichtet worden sei. Insoweit wird auf Berichte im
Tagesspiegel vom 6. April 1995, in der Berliner Morgenpost vom 21. September 1995, in
der Berliner Zeitung vom 21. November 1995 und in der Tageszeitung vom gleichen
Tage verwiesen.
Weiter führen die Antragsgegner aus, die Anträge seien auch unbegründet. Ein Verstoß
gegen Art. 75 VvB 1950 könne schon deshalb nicht vorliegen, weil keinerlei
Anhaltspunkte bestünden, daß in dem Verkauf der Darlehensforderungen eine Form von
"Anleihen" oder sonstigen Krediten zu sehen sei. Unter einer Anleihe verstehe man die
Aufnahme von Kredit gegen Schuldverschreibungen auf den Inhaber. Wesentliches
Merkmal eines Darlehensvertrages und damit aller Kreditverträge sei es, daß der
Darlehensnehmer die Verpflichtung übernehme, die ihm vom Darlehensgeber
überlassenen Darlehensvaluta, die in sein Eigentum übergehe, in Sachen von gleicher
Art, Güte und Menge zurückzuerstatten. Aus der Vorfinanzierung der öffentlichen
Baudarlehen durch die IBB folge jedoch für Berlin keine für ein Kreditverhältnis typische
Rückzahlungsverpflichtung. Vielmehr entspreche die Vertragsgestaltung der eines
Vermögensgeschäfts, und zwar speziell der Veräußerung von Forderungen. Die
Veräußerung von Vermögen sei abgesehen von hier nicht einschlägigen
Sonderregelungen keinen parlamentarischen Vorbehalten unterworfen. Ferner sei eine
Veräußerung nicht davon abhängig, daß hierfür Einnahmen im Haushaltsplan
veranschlagt seien. Dies habe zur Folge, daß der Verkauf von Forderungen nicht vom
Abgeordnetenhaus gesondert genehmigt werden müsse.
Auch gegen Art. 73, 74 VvB 1950 sei nicht verstoßen worden. Nachdem erkennbar
geworden sei, daß die im Entwurf des Haushaltsplans 1995/1996 vorgesehenen
Einnahmen aus der beabsichtigten Veräußerung von Anteilen an der Bankgesellschaft
Berlin bereits im Jahre 1994 vereinnahmt werden konnten und die ursprünglich für 1994
vorgesehene Vorfinanzierung von Forderungen durch die IBB erst im Jahre 1995
erforderlich sein würde, wäre es denkbar gewesen, dem Abgeordnetenhaus mit der
Nachschiebeliste entsprechende Änderungen des Entwurfs des Haushaltsplans
vorzuschlagen. Der Senat habe dafür indes keine Veranlassung gesehen, da die für den
Verkauf der Anteile an der Bankgesellschaft Berlin und für die Vorfinanzierung der
Forderungen durch die IBB planerisch zu erwartenden Einnahmen mit ca. 600 Mio. DM
gleich hoch gewesen seien. Durch den veränderten zeitlichen Ablauf der beiden
Transaktionen habe sich deshalb kein Deckungsproblem für das Jahr 1995 ergeben.
Selbst wenn der Antragstellerin darin gefolgt werden sollte, daß ein formaler Verstoß
vorliege, weil die erwarteten Einnahmen aus der Vorfinanzierung im Haushaltsplan 1995
nicht im Kapitel 1290 - wie 1994 - veranschlagt worden sind, sondern in gleicher Höhe
bei dem "falschen" Titel im Kapitel 2910 enthalten waren, wäre damit eine Verletzung
verfassungsmäßiger Rechte der Antragstellerin nicht verbunden. Eine andere
Beurteilung wäre nur gerechtfertigt, wenn der Senat der Höhe nach Einnahmen bewußt
nicht im Haushaltsplan veranschlagt und damit das Ausgabebewilligungsrecht des
Parlaments beeinträchtigt hätte. Dies sei jedoch nicht der Fall. Selbst wenn ein
materielles Mitwirkungsrecht des Parlaments hinsichtlich der Vorfinanzierung bejaht
werden sollte, habe der Senat nach der Veranschlagung im festgestellten Haushaltsplan
1994 davon ausgehen können, daß möglichen Beteiligungserfordernissen des
Parlaments ausreichend Rechnung getragen worden sei. Auch ein Verstoß gegen andere
Haushaltsgrundsätze liege nicht vor. Zu keiner Zeit sei es darum gegangen, das
Vorfinanzierungsgeschäft heimlich am Abgeordnetenhaus vorbei durchzuführen,
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Vorfinanzierungsgeschäft heimlich am Abgeordnetenhaus vorbei durchzuführen,
sondern nur darum, durch einen bereits vom Abgeordnetenhaus "abgesegneten"
Vertrag aus finanzpolitischen Gründen kurzfristig Mittel in den Haushalt einzustellen.
III.
Der Verfassungsgerichtshof hat einstimmig auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 24
Abs. 1 VerfGHG).
B.
Der Antrag zu 4) ist zulässig und teilweise begründet, die Antrage zu 1), 2), 3) und 5)
sind unzulässig.
I.
Nach § 14 Nr. 1 VerfGHG entscheidet der Verfassungsgerichtshof über die Auslegung
der Verfassung von Berlin aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und
Pflichten eines obersten Landesorgans oder anderer Beteiligter, die durch die
Verfassung von Berlin oder durch die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses mit
eigenen Rechten ausgestattet sind. Gemäß
§ 37 Abs. 1 VerfGHG ist der Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht,
daß er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des
Antragsgegners in seinen ihm durch die Verfassung von Berlin übertragenen Rechten
und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Die Antragsbefugnis setzt voraus,
daß nach dem Vortrag der Antragstellerin die Verletzung eigener Rechte zumindest
möglich ist (Beschluß vom 22. November 1993 - LVerfGE 1, 160/ 165).
1. Soweit die Antragstellerin mit den Antragen zu 1), 2) und 3) eine Verletzung von
eigenen Rechten und von Rechten des Abgeordnetenhauses durch die Senatsverwaltung
für Finanzen geltend macht, fehlt es in dem hier maßgebenden Zusammenhang bereits
an der Parteifähigkeit des Antragsgegners. Die Senatsverwaltung für Finanzen ist eine
Behörde und als solche kein oberstes Landesorgan. Sie ist auch kein "anderer
Beteiligter" im Sinne des § 14 Nr. 1 VerfGHG, weil sie durch die Verfassung von Berlin
nicht mit eigenen Rechten ausgestattet ist. Sofern man die Anträge zu 1), 2) und 3)
nach ihrem Sinngehalt nicht als gegen die Senatsverwaltung für Finanzen, sondern
gegen den Senator für Finanzen als den mit der Leitung des Finanzwesens beauftragten
Senator gerichtet ansieht, bleiben sie dennoch unzulässig. Auch der Senator für
Finanzen ist kein oberstes Landesorgan im Sinne des § 14 Nr. 1 VerfGHG. Er kann
allerdings, soweit ihm durch die Verfassung von Berlin besondere Rechte und Pflichten
obliegen, ein anderer Beteiligter gemäß § 14 Nr. 1 VerfGHG sein (vgl. zum Bundesrecht
BVerfGE 45, 1/28; 67, 100/123 f.). Die Antragstellerin hat jedoch keinen Sachverhalt
vorgetragen, aus dem sich die Möglichkeit einer Verletzung verfassungsrechtlicher
Vorschriften von selten des Senators für Finanzen ergebe. Die sich aus Art. 73 Abs. 1
Satz 1, Art. 74 Abs. 1 und Art. 75 Abs. 1 VvB 1950 ergebenden Pflichten im Verhältnis
zum Abgeordnetenhaus (oder wie hier behauptet wird, im Verhältnis auch zu einzelnen
Fraktionen) können nur den Senat von Berlin als oberstes Landesorgan treffen, nicht
aber den einzelnen Senator. Der Antragstellerin fehlt danach insoweit die
Antragsbefugnis.
2. Der Antrag zu 5) ist deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin nicht geltend machen
kann, als Fraktion in ihr durch die Verfassung von Berlin übertragenen Rechten und
Pflichten durch Verhalten des Senats verletzt oder unmittelbar gefährdet zu sein. Im
Ergebnis geht es bei dem Antrag darum, daß die aufgrund der streitgegenständlichen
Vereinbarung erfolgten Einnahmen nicht in einem Haushaltsplan veranschlagt worden
sind, der durch ein Gesetz festgestellt wurde (Art. 73 Abs. 1 Satz 1 VvB 1950), und daß
darüber hinaus die Einnahme sich im Ergebnis als eine Anleihe darstelle, die ohne
gesetzliche Grundlage nicht hätte aufgenommen werden dürfen (Art. 75 Abs. 1 VvB
1950 in der Fassung des 28. Gesetzes zur Änderung der Verfassung von Berlin vom 6.
Juli 1994 - GVBl. S. 117). Es wird geltend gemacht, die Mitwirkungsbefugnis der Fraktion
an der Gesetzgebung des Abgeordnetenhauses sei durch die hier gerügte Unterlassung
verletzt worden. Das damit angesprochene Budget-Recht steht jedoch nur dem
Abgeordnetenhaus und nicht auch den Fraktionen zu (LVerfGE 1, 160/166; vgl. auch
Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 20. November 1996 - GR
2/95 -, Umdruck S. 24). Schlüssig dargetan werden könnte demgemäß nur eine
Verletzung von Rechten des obersten Landesorgans Abgeordnetenhaus, nicht aber eine
solche einer einzelnen Fraktion. Ob etwas anderes gelten könnte, wenn einer einzelnen
Fraktion ihre Mitwirkungsrechte bei der parlamentarischen Beratung bewußt durch ein
oberstes Landesorgan dadurch beschnitten werden, daß keine Gesetzesvorlage für
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oberstes Landesorgan dadurch beschnitten werden, daß keine Gesetzesvorlage für
einen Nachtragshaushalt oder für die Ermächtigung zur Aufnahme einer Anleihe
eingebracht wird, mag dahinstehen. So liegt der Fall hier nicht. Der von der
Antragstellerin vorgetragene Vorwurf zielt darauf, daß der Senat von Berlin es
unterlassen habe, dem Abgeordnetenhaus eine entsprechende Gesetzesvorlage
zuzuleiten bzw. die Schaffung eines entsprechenden Gesetzes abzuwarten. Daß bei
Nichteinbringung eines Gesetzes auch die im Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen
mangels entsprechender Gesetzesvorlage ihre Mitwirkungsrechte an der Gesetzgebung
nicht ausüben können, ist keine im Organstreitverfahren rügefähige Verletzung eigener
Rechte. Verletzt werden kann insoweit nur das Recht des Abgeordnetenhauses auf
Gesetzgebung als solches. Eine Rechtsschutzlücke tritt dadurch nicht auf, weil die
einzelne Fraktion im Organstreitverfahren in Prozeßstandschaft die Verletzung von
Rechten des Abgeordnetenhauses geltend machen kann.
3. Der Antrag zu 4) ist zulässig. Mit ihm wird die Feststellung begehrt, der Senat habe
Rechte des Abgeordnetenhauses aus Art. 73, 74 und 75 VvB 1950 verletzt.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind nach §§ 36, 14 Nr. 1 VerfGHG im
Organstreitverfahren, für das der Rechtsweg zum Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 72
Abs. 2 Nr. 1 VvB 1950, § 14 Nr. 1 VerfGHG gegeben ist, parteifähig. Als Fraktion ist die
Antragstellerin gemäß § 37 Abs. 1 VerfGHG auch befugt, im Wege der
Prozeßstandschaft die Verletzung von verfassungsmäßigen Rechten des
Abgeordnetenhauses durch den Senat von Berlin geltend zu machen (Urteil vom 29. Juli
1993 - LVerfGE 1, 124/128; Beschluß vom 6. Dezember 1994 - LVerfGE 1, 131/135).
Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, daß nach Abschluß der
streitgegenständlichen Vereinbarung das Abgeordnetenhaus am 22. Oktober 1995 neu
gewählt worden und in der Folge der Senat neu gebildet worden ist. Trotz Beendigung
der Legislaturperiode besteht ein Rechtsschutzbedürfnis. Denn zum einen hat die
"Vereinbarung über die Vorfinanzierung von Zins- und Tilgungsleistungen aus
öffentlichen Baudarlehen" Auswirkungen auch für künftige Haushalte. Zum anderen hat
der Senat in seinen Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht, daß nach seiner
Rechtsauffassung entsprechende Rechtsgeschäfte keinen parlamentarischen
Vorbehalten unterworfen sind. Damit besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, daß
es auch in Zukunft Streitigkeiten zwischen den Beteiligten aus ähnlichem Anlaß geben
kann (vgl. BVerfGE 87, 207, 209).
Der am 6. September 1996 beim Verfassungsgerichtshof eingegangene Antrag ist
fristgerecht gestellt worden. Gemäß § 37 Abs. 3 VerfGHG muß ein Antrag im
Organstreitverfahren binnen sechs Monaten gestellt werden, nachdem die beanstandete
Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekanntgeworden ist. Diese Frist hat
die Antragstellerin gewahrt, da sie erstmals am 25. März 1996, als die Senatsverwaltung
für Finanzen im Unterausschuß "Wohnungsbauförderung" des Abgeordnetenhauses von
dem Vertragsschluß mit der IBB berichtete, verläßlich hiervon Kenntnis erhalten hat. Die
zuvor in der Tagespresse erschienenen Berichte über den Vertragsschluß mit der IBB,
mit denen der Antragsgegner seine Auffassung, der Antrag sei verspätet, begründet,
sind als private Verlautbarungen grundsätzlich nicht geeignet, die Frist des § 37 Abs. 3
VerfGHG in Lauf zu setzen. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Antragstellerin
seinerzeit von diesen Zeitungsberichten Kenntnis erlangt hat.
II.
Der Antrag zu 4) ist begründet, soweit mit ihm sinngemäß die Feststellung begehrt wird,
der Senat von Berlin habe Art. 75 VvB 1950 verletzt, indem er ohne gesetzliche
Grundlage den Vertrag mit der IBB geschlossen habe.
1. Nach Art. 75 Abs. 1 VvB 1950 dürfen ohne gesetzliche Grundlage, also ohne
vorheriges Gesetz des Abgeordnetenhauses, weder Anleihen aufgenommen noch
Sicherheiten geleistet werden. Der Begriff der "Anleihe", der sich innerhalb des Bundes-
und Landesverfassungsrechts nur in der Verfassung von Berlin findet, entspricht dem
des "Kredits", den der Art. 75 Abs. 1 VvB 1950 inhaltlich entsprechende Art. 115 Abs. 1
GG sowie fast alle Landesverfassungen verwenden. Sie schreiben weitgehend gleich-
lautend vor, daß die Aufnahme von Krediten einer Ermächtigung durch Gesetz bedürfe
(vgl. die Verfassungen von Baden-Württemberg - Art. 84 -, Bayern - Art. 82 -,
Brandenburg - Art. 103 -, Hamburg - Art. 72 -, Hessen - Art. 141 -, Mecklenburg-
Vorpommern - Art. 65 -, Niedersachsen - Art. 71 -, Nordrhein-Westfalen - Art. 83 -,
Rheinland-Pfalz - Art. 117 -, Saarland - Art. 108 -, Sachsen - Art. 95 -, Sachsen-Anhalt -
Art. 99 -, Schleswig-Holstein - Art. 53 -, Thüringen - Art. 98 -). Der inzwischen an die
Stelle des hier maßgebenden Art. 75 VvB 1950 getretene Art. 87 VvB 1995 spricht in
seinem Absatz 1 nach wie vor von "Anleihen", bezeichnet diese in seinem Absatz 2 aber
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seinem Absatz 1 nach wie vor von "Anleihen", bezeichnet diese in seinem Absatz 2 aber
als "Kredite" und unterstreicht damit die Gleichheit der beiden Begriffe.
2. Der Begriff des "Kredits" ist in den genannten bundes- und
landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen ebensowenig definiert wie der Begriff- der
Anleihe in Art. 75 VvB 1950. Aus dem Zweck dieser Bestimmungen, die Verschuldung
des Staates von parlamentarischer Zustimmung abhängig zu machen, folgt, daß unter
der Aufnahme von Krediten die Beschaffung von Geldmitteln zu verstehen ist, die
zurückgezahlt werden müssen (Wiebel, in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art.
115 Rdnr. 36; Maunz, in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 115 Rdnr. 10; Friauf, in
Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV § 91 Rdnr. 26). Auf die Art und
Weise und die rechtliche Ausgestaltung der Kreditaufnahme kommt es für die
Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung nicht an (Siekmann, in Sachs,
Grundgesetzkommentar, 1996, Art. 115 Rdnr. 9; ähnlich Maunz, aaO; Fischer-
Menshausen, in von Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 115
Rdnr. 8; Höfling, Staatsschuldenrecht 1993, S. 30), so daß beispielsweise auch
"Kreditaufnahmen ohne Krediteinnahmen" möglich sein sollen (so Höfling, aaO), etwa bei
der Umwandlung von gegen den Staat gerichteten Leistungsansprüchen in langfristig
gestundete Finanzschulden. Letzteres mag indes dahinstehen. Eine Kreditaufnahme
liegt jedenfalls vor, wenn dem Staat unmittelbar oder mittelbar Geldleistungen
zugewandt werden, die er zurückzahlen und in der Regel auch verzinsen muß, die mithin
Finanzschulden begründen.
3. Die Vereinbarung mit der IBB vom 26. September 1995 stellt im Sinne des Art. 75
Abs. 1 VvB 1950 die Aufnahme einer Anleihe bzw. eines Kredites dar. Sie bedurfte daher
einer gesetzlichen Grundlage.
Dem Land Berlin ist aufgrund der Vereinbarung mit der IBB am 2. Oktober 1995 ein
Betrag von rd. 997 Mio. DM zugeflossen. Bei dieser Vereinbarung handelt es sich nicht,
wie der Antragsgegner meint, um einen Verkauf der dem Land Berlin aus
Wohnungsbaudarlehen der Jahre 1952 bis 196B zustehenden Rückzahlungs- und
Zinsensprüche mit der Folge der Übertragung des Risikos der Einbringlichkeit dieser
Forderungen auf die IBB, sondern um einen Kreditvertrag mit Rückzahlungsverpflichtung.
Die Rückzahlung erfolgt in der Weise, daß die IBB die laufenden Zins- und
Tilgungsleistungen einzieht und zur Rückführung der dem Land Berlin gewährten rd. 997
Mio. DM verwendet. Werden einzelne Wohnungsbaudarlehen von den Darlehensnehmern
nicht oder nicht termingerecht getilgt, gleicht Berlin dies aus, "indem es der IBB die nach
der ursprünglichen Annahme zu erwartenden Zahlungen termingerecht ersetzt" (§ 3
Abs. 2 der Vereinbarung). Das Risiko von Forderungsausfällen, so heißt es in dieser
Vertragsbestimmung weiter, trägt Berlin. Überdies zeigt sich auch an dem in der
Vereinbarung von den Vertragsparteien gewählten Zinsmodell, bei dem das Land Berlin
das Risiko künftiger Zinserhöhungen trägt, daß es sich vor liegend um einen Kredit
handelt. Der Zinssatz ist nicht ziffernmäßig, sondern durch Verweisung auf die
"laufzeitbezogenen Zinssätze der Landesbank Berlin für ungedeckte
Schuldverschreibungen" bestimmt worden (§ 2 Abs. 2 der Vereinbarung). Da die
Rückzahlung des Berlin zugeflossenen Betrages nach Maßgabe der Zins- und
Tilgungsleistungen aus den Wohnungsbaudarlehen erfolgt und sich infolgedessen weit
über das Jahr 2005 hinaus erstrecken kann, sieht § 2 Abs. 5 der Vereinbarung eine
Anpassung an die bei der Landesbank geltenden Zinssatze zum 1. Oktober 2005 und
danach im Abstand von jeweils 10 Jahren vor, was "je nach Zinsniveau zu einer weiteren
Barwertausschüttung an Berlin oder zu einer Erstattung Berlins an die IBB in Höhe eines
rechnerisch zuviel ausgeschütteten Barwerts führen" kann. Die Vereinbarung mit der IBB
weist allerdings die Besonderheit auf, daß die vorgenannten Zinsen nicht laufend zu
entrichten, sondern durch Abzinsung der aus dem Baudarlehen zu erwartenden Zins-
und Tilgungsleistungen von insgesamt 1.248.663.788,77 DM auf 997.045.530,26 DM
erhoben worden sind. Der Annahme einer Kreditaufnahme steht dies indes, wie sich von
selbst versteht, nicht entgegen. Ent-scheidend ist allein, daß der Berlin zugewandte
Betrag von rd. 997 Mio. DM zurückzuzahlen ist, und zwar in erster Linie durch
Verrechnung mit den laufenden Zins- und Tilgungsleistungen aus den
Wohnungsbaudarlehen und ersatzweise durch unmittelbare Zahlungen Berlins (vgl. in
diesem Zusammenhang die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 3. Mai 1992, BGHZ 58,
364 sowie vom 19. September 1977, BGHZ 69, 254, 257).
4. Der Antragsgegner weist zutreffend darauf hin, daß in dem gesetzlich festgestellten
Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 1994 die "Vorfinanzierung der
Wohnungsbauforderungen durch die IBB" vorgesehen war, dann jedoch nicht erforderlich
gewesen sei, da durch die Veräußerung von Anteilen an der Bankgesellschaft Berlin die
notwendige Deckung des Haushalts 1994 herbeigeführt werden konnte. Auch wenn dies
den Schluß nahelegt, daß das Abgeordnetenhaus, wäre es im Jahre 1995 erneut mit der
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den Schluß nahelegt, daß das Abgeordnetenhaus, wäre es im Jahre 1995 erneut mit der
"Vorfinanzierung der Wohnungsbauforderungen durch die IBB" befaßt worden,
voraussichtlich keine Einwendungen hiergegen erhoben haben würde, war gleichwohl
wegen der Jährlichkeit von Haushaltsplan und Haushaltsgesetz für den Vertragsschluß
im Jahre 1995 eine erneute Ermächtigung durch Gesetz des Abgeordnetenhauses
erforderlich. Da diese nicht eingeholt und erteilt worden ist - was auch nachträglich im
Laufe des Haushaltsjahres hätte geschehen können - stellt die Vereinbarung mit der IBB
rechtlich die Aufnahme einer Anleihe durch das Land Berlin ohne gesetzliche Grundlage
und damit einen Verstoß gegen Art. 75 Abs. 1 VvB 1950 dar.
5. Soweit mit dem Antrag zu 4) im übrigen die Feststellung begehrt wird, daß der Senat
von Berlin das Budget-Recht des Abgeordnetenhauses aus Art. 73 Abs. 1 Satz 1 und aus
Art. 74 Abs. 1 VvB 1950 verletzt hat, ist der Antrag dagegen unbegründet.
Nach Art. 73 Abs. 1 VvB 1950 müssen für jedes Rechnungsjahr alle Einnahmen und
Ausgaben in dem Haushaltsplan veranschlagt werden, der vom Abgeordnetenhaus
durch das Haushaltsgesetz festgesetzt wird. Es bildet, wie Art. 74 Abs. 1 VvB bestimmt,
die Grundlage für die Verwaltung aller Einnahmen und Ausgaben. Der Haushaltsplan
dient der Feststellung und Deckung des Finanzbedarfs, der zur Erfüllung der Aufgaben
Berlins im Bewilligungszeitraum voraussichtlich notwendig ist. Im Haushaltsplan war eine
Einnahme im Titel 18141 "Rückflüsse von Darlehen an öffentliche Unternehmen der
Wohnungswirtschaft" im Kapitel 1290 "Förderung des Wohnungsbaus" vorgesehen. Der
Haushaltsplan bindet den Senat von Berlin nicht dahingehend, daß er bei seinen
Einnahmen auf die im Haushaltsplan vorgesehenen Summen beschränkt ist.
Ebensowenig wie eine Verpflichtung des Senats besteht, die im Haushaltsplan für einen
bestimmten Zweck veranschlagten Ausgaben tatsächlich aufzuwenden (Beschluß vom
6. Dezember 1994 - LVerfGE 1, 131, 139) ist der Senat von Berlin beim Vollzug des
Haushalts verpflichtet, vor jeder Mehreinnahme einen Nachtragshaushaltsplan
vorzulegen. Die Zuführung von Mehreinnahmen ist bloßer Haushaltsvollzug, der Rechte
des Abgeordnetenhauses auf Haushaltsgesetzgebung nicht verletzt. Die Verfassung von
Berlin beschränkt sich deshalb ausdrücklich darauf, bei Haushaltsüberschreitungen eine
besondere Kontrolle des Abgeordnetenhauses nach Art. 76 Abs. 2 VvB 1950
vorzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 33, 34 Abs. 2 VerfGHG.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.
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