Urteil des VerfGH Berlin vom 15.03.2017

VerfGH Berlin: plakat, kunstfreiheit, sinn und zweck der norm, recht am eigenen bild, persönlichkeitsrecht, öffentliches interesse, pressekonferenz, schutzwürdiges interesse, belohnung

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
56/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 103 Abs 2 GG, Art 2 Abs 1
GG, Art 3 Abs 1 GG, § 22 S 1
KunstUrhG, § 23 Abs 1 Nr 1
KunstUrhG
VerfGH Berlin: Unbegründete Verfassungsbeschwerde:
Strafgerichtliche Verurteilung wegen widerrechtlicher
Zurschaustellung eines Bildnisses eines Polizisten iSv § 33
KunstUrhG auf einem Plakat verletzt nicht die Kunstfreiheit (Art
21 S 1 Verf BE) und die Meinungsfreiheit (Art 14 Abs 1 Verf BE) -
Zur Abwägung zwischen Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht
(Art 7 Verf BE) bei Verwendung eines Bildnisses in
unzutreffendem Kontext - satirische Verfremdung eines
Fahndungsplakats der Polizei
Gründe
I.
Nach dem 1. Mai 2002 ließ der Polizeipräsident in Berlin an verschiedenen Orten in der
Stadt ein Plakat öffentlich aushängen, auf dem eine größere Anzahl von Personen
abgebildet war. Die Aufnahmen waren im Verlauf gewalttätiger Ausschreitungen am 1.
Mai 2002 gemacht worden. Auf dem Plakat bat die Polizei die Bevölkerung um Mithilfe
bei der Ermittlung der Identität der abgebildeten Personen, die als Straftäter eines
besonders schweren Falles des Landfriedensbruches festgestellt worden seien. Zugleich
wurde für Hinweise, die zur Ermittlung und Festnahme einer der abgebildeten Personen
führten, eine Belohnung in Höhe von 500 Euro ausgesetzt. Die Belohnung sei
ausschließlich für Personen aus der Bevölkerung bestimmt, nicht jedoch für solche, zu
deren Berufspflichten die Verfolgung von Straftätern gehöre. Die Zuerkennung,
Verteilung und Auszahlung finde unter Ausschluss des Rechtsweges und nach
rechtskräftiger Verurteilung des Straftäters statt.
Unter dem 4. Oktober 2002 veröffentlichte die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB),
deren Mitglied der Beschwerdeführer ist, eine Pressemitteilung mit dem Titel
"Bundesweite Fahndung nach gewalttätigen Polizisten vom 1. Mai in Berlin - Ab nächste
Woche Plakataktion - 1000 Euro Belohnung", mit der zu einer Pressekonferenz am 8.
Oktober 2002 eingeladen wurde. Weiter hieß es in der Mitteilung, die AAB werde ab der
folgenden Woche großformatige Plakate mit verdächtigen Polizeibeamten vorwiegend
aus Berlin veröffentlichen. Die Verfolgung der zum Teil schweren Straftaten durch
Polizeibeamte am 1. Mai 2002 in Berlin sei bisher erschwert gewesen, da die Identität
der Straftäter trotz Anzeigen und staatsanwaltlicher Ermittlungen nicht habe geklärt
werden können. Da sich Täter aus Polizeikreisen sowohl durch Vermummung als auch
durch Uniformierung und fehlende Kennzeichnung der rechtsstaatlichen Verfolgung
entzögen, sei es leider notwendig geworden, derartige Maßnahmen mit
denunziatorischem Charakter zu ergreifen.
Zu der Pressekonferenz am 8. Oktober 2002, zu der nur Pressevertreter Zutritt
erhielten, erschienen etwa 20 Personen. Bei der Veranstaltung trat der
Beschwerdeführer als Sprecher der AAB auf. Im Verlauf der Pressekonferenz zeigte der
Beschwerdeführer den Pressevertretern ein Plakat im Format DIN A 2. Das Plakat hatte
folgenden Text:
"Die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB)
Die Antifa bittet um Mithilfe
Krawalle am 1. Mai 2002 in Kreuzberg
- 1.000 Euro Belohnung -
Wer kann Angaben zur Identität der hier abgebildeten Personen machen?
Am Mittwoch, den 1. Mai 2002, kam es in den frühen Abendstunden in Berlin-Kreuzberg
zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Dabei kam es wieder zu schweren Übergriffen
durch Berliner Polizeibeamte, deren Identität wegen fehlender Kennzeichnungspflicht
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durch Berliner Polizeibeamte, deren Identität wegen fehlender Kennzeichnungspflicht
bis heute nicht verfolgt werden konnte...
Belohnung:
Für Hinweise, die zur Ermittlung und Festnahme eines Straftäters führen, hat die
Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) eine Belohnung in Höhe von 1.000 Euro
(eintausend) ausgesetzt.
Die Belohnung ist sowohl für Personen aus der Bevölkerung bestimmt, als auch für
solche, zu deren Berufspflichten die Verfolgung von Straftätern gehört. Die
Zuerkennung, Verteilung und Auszahlung findet unter Ausschluss des Rechtsweges und
nach rechtskräftiger Verurteilung des Straftäters statt.
Kennzeichnungspflicht sofort!".
Auf dem Plakat waren 15 Fotografien abgebildet, die fast ausschließlich Polizeibeamte
bei der Festnahme von Personen zeigten. Soweit es sich bei den abgebildeten Personen
nicht um Polizeibeamte handelte, waren die Gesichter dieser Personen unkenntlich
gemacht worden. In der rechten unteren Ecke des Plakats befand sich eine als Nr. 22
bezeichnete Fotografie, deren beherrschendes Motiv der Oberkörper und - im rechten
Profil - der Kopf des Polizeibeamten K. ist. Sie zeigt ihn, wie er mit der rechten Hand das
Handgelenk einer Person hält, von der lediglich die rechte Körperhälfte, vom Hals
abwärts, zu sehen ist. Die Aufnahme war Anfang September 2002 während einer
Solidaritätskundgebung gegen Häuserräumungen in Berlin-Friedrichshain gemacht
worden.
Am 18. Dezember 2003 verurteilte das Amtsgericht Tiergarten den Beschwerdeführer
wegen widerrechtlicher Zurschaustellung eines Bildnisses zu einer Geldstrafe von 60
Tagessätzen zu je 40 Euro.Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen an, der
Beschwerdeführer habe den Tatbestand des § 33 KunstUrhG erfüllt, denn er habe
entgegen den §§ 22, 23 KunstUrhG ein Bildnis des Polizeibeamten K. ohne dessen
Einwilligung öffentlich zur Schau gestellt, als er das Plakat der AAB in der
Pressekonferenz vom 8. Oktober 2002 gezeigt habe.
Gegen dieses Urteil legte der Beschwerdeführer Berufung ein. Zur Begründung trug er
im Wesentlichen vor, es könne schon nicht davon gesprochen werden, dass eine
Aufnahme des Polizeibeamten K. zur Schau gestellt worden sei, da die Abbildung seines
Kopfes im Verhältnis zu der Gesamtfläche des Bildes und gemessen an der optischen
Hervorhebung der Textüberschriften nur einen unwesentlichen Teil des Plakats darstelle.
Jedenfalls habe es für das Zurschaustellen des Bildnisses gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1
KunstUrhG nicht der Einwilligung des Polizeibeamten K. bedurft. Es habe sich um ein
Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte gehandelt, da K. während seines Einsatzes
am 6. September 2002 eine relative Person der Zeitgeschichte gewesen sei. Eine
Bestrafung dürfe auch deshalb nicht erfolgen, weil es sich bei dem Plakat um
grundrechtlich geschützte Kunst in Form der Satire bzw. um eine grundrechtlich
geschützte Meinungsäußerung gehandelt habe. Die satirische Absicht des Plakats
erschließe sich dem unvoreingenommenen Beobachter ohne weiteres, da auf dem
Plakat die selben Überschriften benutzt würden, wie sie die Polizei bei der Fahndung
nach Straftätern vom 1. Mai 2002 benutzt habe. Die Gesamtaussage des Plakats habe
nicht gelautet, alle abgebildeten Polizeibeamten hätten sich einer Körperverletzung im
Amt strafbar gemacht. Zentrale Aussage sei stattdessen, dass man die Fahndung nach
Demonstranten mit Hilfe von Fahndungsplakaten für einen Verstoß gegen den
Datenschutz, die Menschenwürde und das allgemeine Persönlichkeitsrecht halte und
dass Polizeibeamte im Einsatz bei Demonstrationen ebenfalls gewaltsame Handlungen
vornähmen und hierfür aus verschiedenen Gründen nicht zur Verantwortung gezogen
würden. Einer der Gründe werde auf dem Plakat benannt, nämlich die fehlende
Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte.
Mit Urteil vom 27. August 2004 verwarf das Landgericht Berlin die Berufung des
Beschwerdeführers. Zur Begründung führte das Gericht an, die in Frage stehende
Fotografie stelle ein Bildnis des Polizeibeamten K. im Sinne von § 22 KunstUrhG dar. Bei
dem Foto handele es sich zwar um eines von vielen. Es sei aber keineswegs in einem
großen Zusammenhang wie zum Beispiel einer Collage versteckt, sondern stelle als
abgegrenztes einzelnes Bild K. deutlich erkennbar dar. Dass der Beschwerdeführer das
Bildnis bei der Pressekonferenz öffentlich zur Schau gestellt habe, verstehe sich von
selbst, da eine Pressekonferenz darauf angelegt sei, die dort mitgeteilten Informationen
einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Einwilligung sei auch nicht gemäß
§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG entbehrlich gewesen. Denn dem Bild fehle der zu fordernde
Dokumentationszweck, weil es K. entgegen der Aussage des Plakats weder am 1. Mai
2002 noch bei einer rechtswidrigen Handlung zeige. Es handele sich auch nicht um das
Bild einer Versammlung im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG. Denn es zeige nicht
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Bild einer Versammlung im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG. Denn es zeige nicht
das Geschehen einer Demonstration, sondern einen Vorgang, der sich anlässlich einer
Demonstration ereignet habe.
Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf die Kunstfreiheit berufen. Zwar handele es
sich um eine satirische Verfremdung eines Fahndungsplakats der Polizei. Dieses
Grundrecht kollidiere allerdings mit dem Recht des K. auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit. Demgegenüber sei die Kunstfreiheit nicht höher anzusetzen.
Insbesondere wäre sie nicht beeinträchtigt gewesen, wenn mittels Fotomontage die
Gesichtszüge zum Beispiel durch einen Polizeistern ersetzt worden wären.
Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht auf die Meinungsfreiheit berufen. Dieses
Grundrecht stehe unter dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt und somit griffen die
Vorschriften des Kunsturhebergesetzes ein, die die Verwendung eines Bildnisses ohne
Einwilligung des Abgebildeten nicht erlaubten.
Hinsichtlich der Strafzumessung sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer
bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei. Bei der Tat handele es sich
allerdings nicht um eine Kleinigkeit, denn immerhin werde der Polizeibeamte K. hier als
potentieller Straftäter diffamiert.
Hiergegen legte der Beschwerdeführer Revision ein, mit der er die allgemeine Sachrüge
erhob. Das Landgericht habe die §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1 und 3, § 33 KunstUrhG fehlerhaft
angewendet. Auch verletze die Gesetzesauslegung des Landgerichts seine Kunst- und
Meinungsfreiheit.
Mit Beschluss vom 4. März 2005 verwarf das Kammergericht die Revision des
Beschwerdeführers als offensichtlich unbegründet.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner
Rechte aus Art. 7, Art. 14 Abs. 1, Art. 15 Abs. 2 sowie Art. 21 Satz 1 der Verfassung von
Berlin - VvB -.
Die Auslegung der §§ 22, 23 und 33 KunstUrhG durch die erkennenden Gerichte
verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 15 Abs. 2 VvB. Die Gerichte hätten
den Tatbestand des § 22 KunstUrhG in einer Weise ausgelegt, die über die Grenzen des
Gesetzeswortsinns hinausginge, bzw. - was dem gleichstehe - den Anwendungsbereich
der Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 Nr. und 3 KunstUrhG zu sehr eingeschränkt.
Seine Verurteilung verletze ferner sein Grundrecht auf Kunstfreiheit (Art. 21 Satz 1 VvB),
welches neben der eigentlichen künstlerischen Tätigkeit auch die Vermittlung des
Kunstwerkes an Dritte erfasse. Bei dem Plakat handele es sich um Kunst in Form einer
Collage, die aus Bildern und Text zusammengesetzt sei. Der Erfinder des Plakats habe
eine Zuordnung der Fotografien und des Textes zueinander getroffen, wodurch eine
bildhafte und gleichzeitig verfremdete Verknüpfung von Lebensvorgängen erfolgt sei, die
sich in einer eigenständigen und neuen, interpretierfähigen und -bedürftigen Aussage
widerspiegele.
Das Grundrecht auf Kunstfreiheit fordere, bei mehreren möglichen
Interpretationsmöglichkeiten diejenige zu Grunde zu legen, nach welcher das Kunstwerk
fremde Rechte am wenigsten beeinträchtige. Dies hätten die Fachgerichte hier
unterlassen. Das Landgericht habe das Plakat dahin ausgelegt, dass es den
Polizeibeamten K. als Straftäter diffamiere. Naheliegender sei jedoch eine Interpretation
der Satire, die darauf aufmerksam machen solle, dass es nach wie vor an einer
Kennzeichnungspflicht für Berliner Polizeibeamte fehle. Dies stelle Bürger, die mit
zulässigen Rechtsbehelfen im nachhinein gegen von Polizeibeamten ausgeübten
polizeilichen Zwang vorgehen wollten, vor die selben Probleme, die auch die Polizei bei
der Suche nach den auf dem originalen Polizeiplakat abgebildeten Personen habe: die
Identität der Gesuchten lasse sich schwer bzw. gar nicht ermitteln. Eine ehrverletzende
Anprangerung des K. stelle dies nicht dar.
Bei dieser Deutung des Plakats falle auch die Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht
des K. zu Gunsten der Kunstfreiheit aus. Dabei sei zu beachten, dass K. nicht als
Privatperson, sondern während seines Dienstes gezeigt werde. Unter Berücksichtigung
dessen sowie des Umstandes, dass im Rahmen der politischen Satire wegen der in der
Regel vorrangigen Äußerung im öffentlichen Meinungskampf nur schwerwiegende
Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen in einer Abwägung überwiegen
könnten, sei die Abwägung des Landgerichts unverhältnismäßig. Das Gericht stelle nur
fest, dass das Grundrecht des Beschwerdeführers mit dem Grundrecht des K. kollidiere
und die Kunstfreiheit demgegenüber nicht höher anzusetzen sei. Welche
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und die Kunstfreiheit demgegenüber nicht höher anzusetzen sei. Welche
Abwägungskriterien es dabei erwogen habe, lasse es völlig offen. Soweit es eigene
Lösungen zur Gestaltung vorgeschlagen habe, komme dies einem staatlichen
Kunstrichtertum gleich, was mit der Kunstfreiheit nicht zu vereinbaren sei. Eine
Abwägung zu Ungunsten der Kunstfreiheit könne nicht dadurch begründet werden, dass
der Künstler sein Produkt nach Auffassung eines Gerichts auch anders (oder besser)
schaffen könne. Eine solche richterliche Bewertung konterkariere den Wesenskern der
Kunstfreiheit.
Sollte das Plakat nicht als Kunst einzustufen sein, so verletzten die
Gerichtsentscheidungen jedenfalls seine von Art. 14 Abs. 1 VvB geschützte
Meinungsfreiheit. Insoweit gelte das zur Verletzung der Kunstfreiheit Gesagte
entsprechend. Die angegriffenen Entscheidungen hätten das inkriminierte Plakat
zunächst nicht in verfassungskonformer Hinsicht gedeutet und zudem eine falsch
gewichtete bzw. unbegründete Abwägung vorgenommen.
Die fehlerhafte Anwendung des § 33 KunstUrhG durch die Fachgerichte greife auch
ungerechtfertigt in sein Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 7 VvB) ein,
denn die Entscheidungen ahndeten ein Verhalten, für das ihm eine Schuld nicht zur Last
gelegt werden könne.
II.
Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig, soweit sie sich gegen das Urteil
des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. Dezember 2003 richtet. Denn insoweit werden
keine Grundrechtsverletzungen gerügt, die nicht im Berufungsverfahren vor dem
Landgericht hätten geheilt werden können.
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, soweit sie eine Verletzung der
von Art. 7 VvB geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit durch das Urteil des
Landgerichts vom 27. August 2004 und den Beschluss des Kammergerichts vom 4. März
2004 rügt. Denn aus dem mit ihr vorgetragenen Sachverhalt ergibt sich nicht
hinreichend deutlich die Möglichkeit eines Verstoßes der angegriffenen Entscheidungen
gegen dieses Recht (§ 50 VerfGHG). Da Art. 7 VvB ebenso wie Art. 2 Abs. 1 GG als
Auffanggrundrecht ausgestaltet ist, kommt ein Verstoß gegen dieses Freiheitsrecht nur
in Betracht, wenn der beanstandete Akt der öffentlichen Gewalt nicht in den
Schutzbereich eines anderen Grundrechts eingreift. Diese Möglichkeit legt der
Beschwerdeführer aber nicht hinreichend dar. Denn nach den insoweit hinreichend
substantiierten Darlegungen des Beschwerdeführers greifen die strafgerichtlichen
Entscheidungen bereits in seine Kunstfreiheit (Art. 21 VvB), jedenfalls aber in sein Recht
auf freie Meinungsäußerung (Art. 14 Abs. 1 VvB) ein.
3. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet.
Ist - wie hier - eine gerichtliche Entscheidung Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde,
besteht eine Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofs nur in engen Grenzen. Die
Verfahrensgestaltung, die Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung und Anwendung
des einfachen Rechts durch die Fachgerichte im einzelnen Fall sind der Nachprüfung
grundsätzlich entzogen. Der Verfassungsgerichtshof kann auf eine
Verfassungsbeschwerde hin nur dann eingreifen, wenn Verfassungsrecht verletzt ist,
insbesondere Grundrechte eines Betroffenen in ihrer Bedeutung und Tragweite
grundsätzlich verkannt worden sind oder die fachgerichtliche Entscheidung auf Willkür
beruht (Beschlüsse vom 28. Juni 2001 - VerfGH 48/01, 48 A /01 - LVerfGE 12, 34 <38>
und 16. Mai 2002 - VerfGH 124/01, 124 A/01 - LVerfGE 13, 42 <51>; st. Rspr.; vgl. zum
Bundesrecht: BVerfG, NJW 1996, 3071 <3072>). Gemessen an diesen Maßstäben lässt
sich ein Grundrechtsverstoß nicht feststellen.
a) Die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung und Anwendung der
verfassungsrechtlich unbedenklichen Normen der §§ 22, 23 und 33 KunstUrhG (BVerfGE
101, 361 <386 ff.>) verletzen nicht den mit Art. 103 Abs. 2 GG inhaltsgleichen Art. 15
Abs. 2 VvB, wonach eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich
bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.
aa) Diese Regelung enthält nicht nur ein Rückwirkungsverbot für Strafvorschriften. Sie
verpflichtet den Gesetzgeber vielmehr auch, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so
konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straftatbestände
sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen. Diese
Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Sie soll einerseits sicherstellen, dass die
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Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Sie soll einerseits sicherstellen, dass die
Normadressaten vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe
bedroht ist. Sie soll andererseits gewährleisten, dass die Entscheidung über
strafwürdiges Verhalten im Voraus vom Gesetzgeber und nicht erst nachträglich von der
vollziehenden oder rechtsprechenden Gewalt gefällt wird. Insoweit enthält Art. 15 Abs. 2
VvB einen strengen Gesetzesvorbehalt, der die Strafgerichte auf die Rechtsanwendung
beschränkt (vgl. Beschluss vom 22. Mai 1997 - VerfGH 27/96 -; vgl. zum Bundesrecht:
BVerfGE 73, 206 <234 f.>; 87, 209 <224>; 92, 1 <11 f.>).
bb) Für die Rechtsprechung folgt aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit ein
Verbot analoger oder gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung. Dabei ist "Analogie" nicht
im engeren technischen Sinn zu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede
Rechtsanwendung, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht. Da
Gegenstand der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen immer nur der Gesetzestext
sein kann, erweist dieser sich als maßgebendes Kriterium. Der mögliche Wortsinn des
Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation (vgl.
Beschluss vom 22. Mai 1997 - VerfGH 27/96 -; vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 73, 206
<235 f.>; 87, 209 <224>; 92, 1 <12 >). Im Übrigen ist es nicht Aufgabe des
Verfassungsgerichtshofs, seine Auffassung von der zutreffenden oder überzeugenden
Auslegung des einfachen Rechts an die Stelle derjenigen der Strafgerichte zu setzen
(vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, NJW 2001, 1848 <1849 f.>; NJW 2004, 3768 <3769>).
cc) Mit dem Grundgedanken des Art. 15 Abs. 2 VvB setzt sich auch eine Verurteilung in
Widerspruch, der eine objektiv unhaltbare und deshalb willkürliche Auslegung und
Anwendung des geschriebenen materiellen Strafrechts zugrunde liegt. Auch hier wird der
Beschuldigte wegen eindeutig nicht mit Strafe bedrohten Verhaltens bestraft; seine
Bestrafung kann er nicht vorhersehen. In Art. 15 Abs. 2 VvB ist damit auch eine spezielle
Ausgestaltung des Willkürverbots der Verfassung von Berlin für die Strafgerichtsbarkeit
enthalten (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 64, 389 <394>; BVerfG, NJW 1993, 2524;
1998, 1135 <1136>).
dd) Die angegriffenen Entscheidungen überschreiten weder die vom möglichen Wortsinn
markierten äußersten Grenzen des Gesetzes noch sind sie willkürlich.
So ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht
angenommen hat, der Beschwerdeführer habe ein Bildnis des Polizeibeamten K. im
Sinne von §§ 33, 22 Satz 1 KunstUrhG "öffentlich zur Schau" gestellt, als er das Plakat
mit dem Bildnis des K. während der Pressekonferenz - nach den Feststellungen des
Landgerichts - "gut sichtbar hoch hielt".
Der Begriff des Zurschaustellens bedeutet nach allgemeinem Verständnis "etwas den
Blicken anderer aussetzen, von anderen betrachten lassen" (Duden, Das große
Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl. 1999, Bd. 7, S. 3329) oder "der Betrachtung
durch andere aussetzen" (Brockhaus, Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 5, 1983, S.
527). Da der Begriff auf den Vorgang des Sichtbarmachens abstellt, lässt er eine
Gesetzesanwendung zu, die nicht darauf abstellt, ob der Betrachter das Bildnis
tatsächlich wahrgenommen hat, sondern die es ausreichen lässt, dass er hierzu die
Möglichkeit hatte (so auch das herrschende Verständnis des Begriffs in Rechtsprechung
und Literatur, vgl. z. B. VG Köln, NJW 1988, 367 <369>; von Strobl-Albeg, in: Wenzel, Das
Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kapitel 7 Rn. 44; Dreier/Schulze,
UrhG, 2. Aufl. 2006, Rn. 11). Dem stehen Sinn und Zweck des § 22 KunstUrhG nicht
entgegen. Diese bestehen darin, die Persönlichkeit davor zu schützen, gegen ihren
Willen in Gestalt der Abbildung für andere verfügbar zu werden (BGH, NJW 1979, 2205).
Hierfür genügte aber bereits die Möglichkeit der Wahrnehmung des Bildnisses.
Demgemäß unterliegt es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das
Landgericht es nicht für bedeutsam gehalten hat, ob das Bildnis des K. nur einen
verhältnismäßig kleinen Teil des Plakats einnimmt, und ob es auch wegen seiner
Plazierung am rechten unteren Rand des Plakats die Aufmerksamkeit des Betrachters
womöglich weniger auf sich zieht als andere der auf dem Plakat gezeigten Fotografien
und Texte. Das Landgericht hat in den Urteilsgründen gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO
hinsichtlich der Einzelheiten des bei den Gerichtsakten befindlichen Plakats auf dieses
verwiesen. Angesichts der sich aus dem Plakat ergebenden Größe der Fotografie von
etwa 6,5 mal 10 cm und der Feststellungen des Landgerichts, wonach das Bild "von
scharfer Qualität" ist und die Gesichtszüge des K. "klar zu erkennen" sind, ist nicht
ersichtlich, dass das Landgericht den Inhalt der Norm überdehnt und ein tatsächlich für
Dritte nicht sichtbares Bild als "zur Schau gestellt" erachtet haben könnte.
Ebenso wenig stellt es einen Verstoß gegen Art. 15 Abs. 2 VvB dar, dass das Landgericht
ein "öffentliches" Zurschaustellen des Bildnisses bejaht hat. Nach allgemeinem
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ein "öffentliches" Zurschaustellen des Bildnisses bejaht hat. Nach allgemeinem
Verständnis bedeutet "öffentlich" sowohl "für jeden hörbar und sichtbar" als auch "für die
Allgemeinheit zugänglich" (Duden, a. a. O., Bd. 6, 3. Aufl. 1999, S. 2786) oder auch
"allgemein, allen zugänglich, für die Allgemeinheit bestimmt" (Brockhaus, Wahrig, a. a.
O., Bd. 4, 1982, S. 895). Das Zurschaustellen eines Bildnisses im Rahmen einer
Pressekonferenz wird - auch nach Sinn und Zweck des § 22 KunstUrhG - von diesem
Begriffsverständnis umfasst. Denn es gehört zum Wesen der Presse, dass sie ihre
Erzeugnisse an die Allgemeinheit verbreitet (vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier [Hrsg.], GG, 2.
Aufl. 2004, Art. 5 I, II Rn. 89, 92). Es liegt daher innerhalb der vom Wortsinn des Gesetzes
markierten Grenzen, ein Bildnis, das Vertretern der Presse sichtbar gemacht wird, als für
die Allgemeinheit bestimmt und das Zurschaustellen des Bildnisses demgemäß als
öffentlich zu erachten, sofern die Presse der Allgemeinheit das Bildnis zugänglich
machen kann.
ee) Die Fachgerichte haben auch nicht gegen Art. 15 Abs. 2 VvB verstoßen, indem sie
das Vorliegen eines der Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KunstUrhG verneint
haben. Dabei kann dahin stehen, ob und in welchem Umfang Art. 15 Abs. 2 VvB
überhaupt bei der einschränkenden Interpretation strafbarkeitsbeschränkender oder -
ausschließender Regelungen zu beachten ist (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz-
Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 [Stand: Dezember 1992] Rn. 231; Rüping, in: Bonner
Kommentar zum GG, Art. 103 Abs. 2 [Stand: Mai 1990] Rn. 50, jeweils m. w. N.). Denn
selbst wenn man dies zu Gunsten des Beschwerdeführers unterstellt, lässt sich eine
Verletzung des Art. 15 Abs. 2 VvB hier nicht feststellen.
(1) Nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG dürfen Bildnisse aus dem Bereich der
Zeitgeschichte ohne die nach § 22 KunstUrhG erforderliche Einwilligung zur Schau
gestellt werden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers haben die Fachgerichte
die vom möglichen Wortsinn des Gesetzes gezogenen Grenzen nicht überschritten,
indem sie davon ausgegangen sind, die Vorschrift fordere die Bestimmung als
zeitgeschichtliches Dokument, an der es hier bereits fehle, weil kein sachlicher Bezug
zwischen dem Bildnis und den Aussagen des Plakats bestehe.
Der Wortlaut der Norm schließt ein solches Verständnis nicht aus. Er gibt lediglich vor,
dass das Bildnis aus dem "Sachgebiet" bzw. der "Sphäre" (Duden, a. a. O., Bd. 2, S. 534;
Brockhaus, Wahrig, a. a. O., Bd. 1, 1980, S. 609) der "Geschichte der Gegenwart und
jüngsten Vergangenheit" (Duden, a. a. O., Bd. 10, S. 4602; Brockhaus, Wahrig, a. a. O.,
Bd. 6, 1984, S. 816) zu stammen hat.
Da dem Grunde nach jeder Person und jedem Ereignis eine zeitgeschichtliche
Bedeutung zukommen kann, nimmt der Wortlaut der Norm kaum ein Bildnis vom
Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG aus. Schon nach der Terminologie
des Gesetzes ist aber das Recht am eigenen Bild nach § 22 KunstUrhG die Regel,
während § 23 KunstUrhG die "Ausnahmen zu § 22" regelt. Dies belegt, dass die Norm
nach einer einschränkenden Auslegung verlangt.
Die Forderung nach einer "Bestimmung als zeitgeschichtliches Dokument" entspricht
Sinn und Zweck der Regelung. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG nimmt auf das
Informationsinteresse der Allgemeinheit und die Pressefreiheit Rücksicht. Den
Informationswünschen der Öffentlichkeit und den Interessen der Medien, die diese
Wünsche befriedigen, soll Rechnung getragen werden, indem Ausnahmen von dem
Erfordernis einer Einwilligung des Abgebildeten zugelassen werden. Der Begriff der
Zeitgeschichte ist deshalb vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu
bestimmen (BVerfGE 101, 361 <391 f.>; BGHZ 20, 345 <350>; BGH, NJW 1965, 2148
<2149 f.>; ). Daher erfasst die Vorschrift solche Veröffentlichungsarten nicht, an denen
ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit nicht anzuerkennen ist (BGHZ 20, 345
<350>; BGH, NJW 1965, 2148 <2150>). Dem entspricht es, hinsichtlich der Bildnisse
solcher Personen, die lediglich in Bezug auf ein bestimmtes Geschehen in das Blickfeld
der Öffentlichkeit treten und bei denen allein aufgrund dieses Geschehens ein
öffentliches Interesse an ihrem Bildnis besteht (sog. relative Personen der
Zeitgeschichte, vgl. Neumann-Duesberg, JZ 1960, 114 ff.), den Anwendungsbereich des
§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG auf solche Bildnisse zu beschränken, die einen
hinreichenden sachlichen und zeitlichen Bezug zu dem Ereignis aufweisen, welches das
Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet hat (vgl. BGH, GRUR 1962, 324
<325>; NJW 1965, 2148 <2149>; OLG Celle, NJW 1979, 57 <58>; OLG Karlsruhe, NJW
1982, 647; OVG Koblenz, NVwZ-RR 1998, 237 <238>; Rebmann, AfP 1982, 189 <193
f.>; Jarass, JZ 1983, 280 <283 f.>, von Strobl-Albeg, a. a. O., Kapitel 8, Rn. 14 ff.;
Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Aufl. 2005, 43. Kapitel Rn. 14 ff.). Dies
schließt zwar die Verwendung von Bildern nicht grundsätzlich aus, die in anderem
Zusammenhang aufgenommen wurden als bei dem Ereignis, über welches berichtet
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Zusammenhang aufgenommen wurden als bei dem Ereignis, über welches berichtet
wird (vgl. z. B. BVerfG, NJW 2001, 1921 <1923 f.>). So darf die Presse z.B. bei einem
Wortbericht über ein zeitgeschichtliches Ereignis die daran beteiligten Personen dem
Leser im Bild in Form eines neutralen Porträtfotos vorstellen, auch wenn die hierfür
verwendete Aufnahme bei anderer Gelegenheit entstanden ist und das
zeitgeschichtliche Ereignis selbst auf dem Foto nicht zum Ausdruck kommt (BGHZ 151,
26 <32>). Jedoch darf das verwendete Bildnis grundsätzlich nicht aus dem
Zusammenhang gerissen und in einen anderen gestellt werden, so dass sich durch den
Wechsel des Kontextes der Sinngehalt der Bildaussage erheblich ändert (BGHZ 151, 26
<32 f.>) und das Bildnis deshalb nicht mehr der Befriedigung des
Informationsinteresses hinsichtlich des in Frage stehenden Ereignisses dienen kann.
Ebenso lassen Sinn und Zweck der Norm die Forderung zu, dass sich das
zeitgeschichtliche Ereignis aus dem Gesamtkontext der Wort- und Bildberichterstattung
ergeben muss, da erst dann das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die
Veröffentlichung des Bildnisses der relativen Person der Zeitgeschichte zu rechtfertigen
vermag (Löffler/Ricker, a. a. O., Rn. 14).
Auch die Entscheidung des Landgerichts beruht auf diesem Verständnis des § 23 Abs. 1
Nr. 1 KunstUrhG und hält sich im Rahmen dessen, was für den Normadressaten
vorhersehbar ist. Denn das Gericht hat darauf abgestellt, ob das Bildnis des
Polizeibeamten K. geeignet und dazu bestimmt ist, das Informationsinteresse der
Öffentlichkeit an den nach Auffassung des Gerichts durch das Plakat dokumentierten
Ereignissen des 1. Mai 2002 zu befriedigen.
Es ist nicht willkürlich, dass das Landgericht - vom Kammergericht unbeanstandet -
diese Frage verneint hat. Denn das Plakat des AAB stellt nach dem Inhalt seines
Begleittextes ("Krawalle am 1. Mai 2002...", "Am Mittwoch, den 1. Mai 2002, ...") sowie
dem Umstand, dass es sich nach Inhalt und Aufmachung an ein zum 1. Mai 2002
erstelltes Fahndungsplakat der Polizei anlehnt, einen Bezug zu Ereignissen her, die sich
am 1. Mai 2002 zugetragen haben. Umgekehrt gibt es an keiner Stelle zu erkennen,
dass die Aufnahme des Polizeibeamten K. anlässlich eines Polizeieinsatzes am 6.
September 2002 in Berlin-Friedrichshain gemacht wurde. Es ist daher vertretbar, einen
sachlichen Zusammenhang des Bildes weder mit den Ereignissen des 1. Mai 2002 noch
mit denjenigen vom 6. September 2002 anzunehmen.
(2) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers haben die angegriffenen
Entscheidungen Art. 15 Abs. 2 VvB auch nicht deswegen verletzt, weil sie den
Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KunstUrhG unberücksichtigt gelassen haben.
Nach dieser Vorschrift dürfen Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt werden, ohne
die nach § 22 KunstUrhG erforderliche Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt
werden, sofern die Verbreitung und Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst
dient. Die Auslegung des Wortes "höheren" dahingehend, dass für die Verbreitung und
Schaustellung des Bildnisses nicht irgendein künstlerisches Interesse genügt, sondern
es sich um ein in qualitativer Hinsicht gesteigertes, besonders starkes Interesse handeln
muss, verstößt nicht gegen den Wortlaut und -sinn. Es ist daher jedenfalls
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Gericht den Tatbestand des § 23
Abs. 1 Nr. 4 KunstUrhG nicht als erfüllt ansieht, wenn mit der Verbreitung und
Schaustellung des Bildnisses nicht überwiegend künstlerische, sondern andere Zwecke
verfolgt werden (so OLG München, ZUM 1997, 388 <391>; LG Hannover, ZUM 2000,
970 <971 f.>; Dreier, in: Dreier/Schulze, a. a. O., § 23 Rn. 23; Löffler/Ricker, a. a. O., 43.
Kapitel, Rn. 23; von Strobl-Albeg, a. a. O., 8. Kapitel, Rn. 54). Angesichts der Gestaltung
des Plakats, insbesondere der auch farblich hervorgehobenen Forderung nach einer
"Kennzeichnungspflicht sofort!" ist es nicht willkürlich, die - unterstellt - künstlerischen
Ziele von den mit dem Plakat verfolgten politischen Zielen in den Hintergrund gedrängt
zu sehen und hier den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KunstUrhG von vornherein für
nicht einschlägig zu erachten.
b) Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen verstoßen auch nicht gegen die durch Art.
21 Satz 1 VvB geschützte Freiheit der Kunst. Dabei kann dahin stehen, ob es sich bei
dem Plakat, dessen Teil das Bildnis des Polizeibeamten K. ist, um Kunst im Sinne der
Verfassung handelt. Denn auch wenn man dies hier zu Gunsten des Beschwerdeführers
unterstellt, ist der Eingriff in die Kunstfreiheit, den die Verurteilung des
Beschwerdeführers in diesem Fall bedeutete, gerechtfertigt.
aa) Bei strafrechtlichen Ahndungen von Handlungen, für die der Beschwerdeführer sich
auf die Freiheit der Kunst beruft, prüft der Verfassungsgerichtshof nicht nur, ob die
inkriminierte Lebensäußerung in den Schutzbereich des Grundrechts fällt und dessen
Umfang in der angegriffenen Entscheidung grundsätzlich richtig erkannt worden ist; er
untersucht auch, ob das Gericht das Werk anhand der der Kunst eigenen
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untersucht auch, ob das Gericht das Werk anhand der der Kunst eigenen
Strukturmerkmale beurteilt (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 30, 173 <188>), also
"werkgerechte" Maßstäbe angelegt (vgl. BVerfGE 75, 369 <376> unter Berufung auf
BGH, NJW 1983, S. 1194 <1195>) und auf dieser Grundlage die der Kunst gesetzten
Schranken im Einzelnen zutreffend gezogen hat (vgl. BVerfGE 77, 240 <251>). Grund
dafür ist zum einen, dass der Verfassungsgerichtshof die Grenzen seiner
Eingriffsbefugnisse daran ausrichtet, mit welcher Intensität die fachgerichtliche
Entscheidung die Sphäre des Beschwerdeführers trifft, zum anderen die besondere
Bedeutung des betroffenen Grundrechts (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 67, 213
<223>). Dies bedeutet jedoch nicht, dass bestimmte Grundfreiheiten von vornherein
einen höheren Rang als andere subjektive Verfassungsrechte haben. Entscheidend für
die gesteigerte Prüfungsintensität ist vielmehr die Eigenart der in Rede stehenden
Grundrechte. Ebenso wie die Meinungsäußerung lebt die künstlerische Tätigkeit von der
Resonanz der Öffentlichkeit. Dass bei diesen Kommunikationsgrundrechten Kollisionen
mit anderen Verfassungswerten, insbesondere den Grundrechten Dritter auftreten, liegt
auf der Hand. Hier den richtigen Ausgleich der widerstreitenden Schutzgüter unter
Anwendung der dafür geschaffenen Normen des einfachen Rechts zu finden, ist zwar in
erster Linie Aufgabe der Fachgerichte. Die Anwendung des einfachen Rechts hat hier
jedoch nicht unerhebliche Rückwirkungen auf die verfassungsrechtlich geschützten
Positionen. Schon einzelne Fehler bei der Auslegung des einfachen Rechts und der
Deutung der Äußerung oder des Kunstwerks können zu einer Fehlgewichtung des
Grundrechts führen. Wegen der schwerwiegenden Folgen, die solche Fehler im
Strafverfahren nach sich ziehen können, ist zumindest dort eine intensivere Kontrolle
durch den Verfassungsgerichtshof unausweichlich (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 81,
278 <289 f.>, m. w. N.).
bb) Die Kunst in ihrer Eigenständigkeit und Eigengesetzlichkeit ist durch Art. 21 VvB
vorbehaltlos gewährleistet. Hingegen kann auch die Kunstfreiheit Grenzen unmittelbar in
anderen Bestimmungen der Verfassung finden, die ein ebenfalls wesentliches Rechtsgut
schützen. Dies gilt namentlich für das durch Art. 7 VvB geschützte Persönlichkeitsrecht.
Allerdings zieht die Kunstfreiheit ihrerseits dem Persönlichkeitsrecht Grenzen. Um diese
im konkreten Fall zu bestimmen, genügt es mithin im gerichtlichen Verfahren nicht,
ohne Berücksichtigung der Kunstfreiheit eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts
festzustellen. Es bedarf vielmehr der Klärung, ob diese Beeinträchtigung derart
schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurückzutreten hat; eine geringfügige
Beeinträchtigung oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung
reicht hierzu angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit nicht aus. Lässt sich
freilich eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zweifelsfrei
feststellen, so kann sie auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden (vgl. zum
Bundesrecht BVerfGE 67, 213 <228>). Die Entscheidung darüber, ob das Kunstwerk
selbst oder seine Veröffentlichung einen schweren Eingriff in den schutzwürdigen
Persönlichkeitsbereich des Dargestellten bedeutet, kann nur unter Abwägung aller
Umstände des Einzelfalles getroffen werden (vgl. BVerfGE 30, 173 <195>).
cc) Die angegriffenen Entscheidungen werden diesen verfassungsrechtlichen
Anforderungen gerecht. Das Landgericht hat die Handlung des Beschwerdeführers dem
Schutzbereich der Kunstfreiheit zugeordnet und auch das ihr widerstreitende
verfassungsrechtlich geschützte Gut der Strafnorm seiner Abwägung zutreffend
zugrunde gelegt.
(1) Es hat das Plakat auch werkgerecht beurteilt. Geht man mit dem Beschwerdeführer
und dem Landgericht davon aus, dass es sich bei dem Plakat um eine Kunstform der
Satire handelt, so ist zu beachten, dass es dieser Kunstgattung eigentümlich ist zu
übertreiben, zu verzerren und zu verfremden. Daher erfordert ihre rechtliche Beurteilung
die Entfernung des "in Wort und Bild gewählten satirischen Gewandes" (vgl. BVerfGE 75,
369 <377 f.> unter Hinweis auf RGSt, 62, 183 <184>), damit ihr eigentlicher Inhalt
ermittelt werden kann. Dieser Aussagekern und seine Einkleidung sind sodann
gesondert daraufhin zu überprüfen, ob sie den Vorwurf einer
Persönlichkeitsrechtsverletzung tragen. Denn die Maßstäbe für die Beurteilung der
Einkleidung sind anders und weniger streng als die für die Bewertung des Aussagekerns,
weil der Einkleidung die Verfremdung wesenseigen ist (vgl. BVerfGE 75, 369 <378>; 81,
278 <294>).
Das Landgericht hat den Aussagekern des Plakats zutreffend darin gesehen, dass (u. a.)
der Polizeibeamte K. "potentieller", also möglicher Täter einer Straftat sei, die er im
Verlauf gewalttätiger Auseinandersetzungen am 1. Mai 2002 begangen habe. Dagegen
ist das Gericht bei der Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des K.
und der Kunstfreiheit des Beschwerdeführers nicht davon ausgegangen, das Plakat
behaupte, der Beamte sei tatsächlich Täter einer entsprechenden Straftat. Zwar hat das
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behaupte, der Beamte sei tatsächlich Täter einer entsprechenden Straftat. Zwar hat das
Gericht bei Prüfung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG ausgeführt, das Bild diffamiere den
Beamten in dem fraglichen Zusammenhang als jemanden, der unter dem Schutz der
fehlenden Kennzeichnung am 1. Mai 2002 Straftaten begangen habe. Dass es die
Aussage tatsächlich jedoch lediglich im Sinne einer möglichen Täterschaft des K.
verstanden hat, ergibt sich aus seinen Erwägungen zur Strafzumessung. Denn dort hat
es das Gericht als ausschlaggebend erachtet, dass der Polizeibeamte K. auf dem Plakat
als "potentieller Straftäter" diffamiert werde. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass
zu der Annahme, das Landgericht sei lediglich im Rahmen der Strafzumessung von
einem für den Beschwerdeführer günstigeren Inhalt der Aussage ausgegangen.
Das Plakat enthält in seinem Kern verschiedene Aussagen, wovon zutreffend auch das
Landgericht ausgegangen ist (vgl. S. 9 des Entscheidungsabdrucks: "...mit dem Plakat
soll (auch) auf...hingewiesen werden"). Eine andere, für den Beschwerdeführer
günstigere Deutung als die vom Landgericht zugrunde gelegte, ist dem Plakat jedoch
nicht zu entnehmen.
Zentrale Aussage des Plakats ist die Forderung nach einer sofortigen
Kennzeichnungspflicht, um eine Wiederholung "schwerer Übergriffe" durch Berliner
Polizeibeamte zukünftig zu verhindern, indem den Beamten der Schutz der Anonymität
genommen werde, bzw. um dennoch erfolgte "schwere Übergriffe" jedenfalls
strafrechtlich ahnden zu können. Dagegen warnt das Plakat nicht lediglich vor möglichen
Gefahren, die rechtsstaatlichen Grundsätzen infolge der Anwendung unmittelbaren
Zwanges durch Berliner Polizeibeamte drohen könnten, wenn sie keiner
Kennzeichnungspflicht unterliegen. Denn die Forderung nach einer sofortigen
Kennzeichnungspflicht wird aus der Feststellung hergeleitet, es sei am 1. Mai 2002 zu
gewalttätigen Auseinandersetzungen und dabei wieder zu schweren Übergriffen durch
Berliner Polizeibeamte gekommen. Diese Sachverhaltsdarstellung ist ebenfalls Teil des
Aussagekerns und einer Interpretation nicht offen, zumal sie an keiner Stelle des Plakats
in Zweifel gezogen wird.
Im Zusammenhang mit dem Hinweis auf die Schwere des Übergriffs und die
stattgefundenen gewalttätigen Auseinandersetzungen ist dem Plakat die Aussage zu
entnehmen, Berliner Polizeibeamte hätten am 1. Mai 2002 in unrechtmäßiger Weise
Gewalt angewendet. Da die unrechtmäßige Anwendung von Gewalt durch Amtsträger
grundsätzlich von verschiedenen Straftatbeständen, etwa dem der Nötigung (§ 240
StGB), erfasst wird, äußert das Plakat damit zumindest den Verdacht, Berliner
Polizeibeamte könnten am 1. Mai 2002 Straftaten begangen haben. Diese Aussage wird
unterstützt durch die Formulierung "deren Identität ... bis heute nicht verfolgt werden
konnte". Hiermit wird sprachlich ein Zusammenhang zwischen der - mangels
Kennzeichnung der Beamten - nicht festzustellenden Identität und der zu verfolgenden
Straftat hergestellt. Ebenso deutet der die Aussetzung der Belohnung betreffende Text
an, dass es in den Reihen der Berliner Polizei Straftäter geben könne, die im Falle
entsprechender Hinweise ermittelt, festgenommen und womöglich auch verurteilt
werden könnten. Letztlich gehört daher zum Aussagekern des Plakats die Feststellung,
dass jeder der am 1. Mai 2002 in Kreuzberg eingesetzten Polizisten potentieller Täter der
von Polizeibeamten womöglich an jenem Tag begangenen Straftaten sei, da sich die
Identität der wahren Täter mangels Kennzeichnungspflicht nicht feststellen lasse. Diese
Verdachtsäußerung dient zur Begründung der im Vordergrund stehenden Aussage, dass
es einer sofortigen Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte bedürfe, weil anderenfalls
auch zukünftig eine Ahndung von Straftaten, die von Polizeibeamten im Verlauf
gewalttätiger Auseinandersetzungen begangen würden, nicht möglich sein werde.
Die auf dem Plakat abgebildeten Fotografien sollen die Berechtigung dieser Aussagen
beispielhaft belegen bzw. sie plausibel machen. Sie zeigen Polizeibeamte, die zumeist
andere Personen festhalten oder sich mit ihnen in anderer Weise auseinandersetzen,
wobei einige der abgebildeten Beamten ersichtlich beträchtliche Kraft aufwenden.
Überwiegend sind die Gesichter der Polizisten kaum oder gar nicht zu erkennen, da die
Beamten Helme tragen oder der Aufnahmewinkel dies nicht zulässt. Das Beispielhafte
der Bilder wird noch durch die lückenhafte Numerierung verstärkt. So trägt das letzte,
hier in Frage stehende Bild, die Nummer 22, obwohl auf dem Plakat insgesamt nur 15
Fotografien abgebildet sind.
Aufgrund des unmittelbaren Zusammenhanges, in dem die Bilder nach ihrem Inhalt mit
der zentralen Feststellung des Plakats stehen, es sei am 1. Mai 2002 (wieder) zu
schweren Übergriffen gekommen, stehen die abgebildeten Beamten aber auch
exemplarisch für sämtliche der im Zusammenhang mit den Krawallen des 1. Mai 2002
eingesetzten Berliner Polizeibeamten, gegen die das Plakat den Verdacht einer Straftat
richtet. Damit wird Teil des Aussagekerns des Plakats aber die Äußerung, auch die
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richtet. Damit wird Teil des Aussagekerns des Plakats aber die Äußerung, auch die
abgebildeten Polizeibeamten könnten sich am 1. Mai 2002 unrechtmäßig verhalten und
strafbar gemacht haben.
(2) Zu Recht ist das Landgericht - vom Kammergericht unbeanstandet - davon
ausgegangen, dass die Kunstfreiheit das Verhalten des Beschwerdeführers nicht zu
rechtfertigen vermag und demgemäß nicht zu einer verfassungskonformen Auslegung
und Anwendung der §§ 22, 23 KunstUrhG zu Gunsten des Beschwerdeführers zwingt.
Das öffentliche Schaustellen des Bildnisses des Polizeibeamten K. in diesem Kontext
stellt einen schweren Eingriff in den schutzwürdigen Persönlichkeitsbereich des K. dar.
Indem die Veröffentlichung den Polizeibeamten dem Verdacht aussetzt, er könne einer
jener Berliner Beamten sein, die im Verlauf gewalttätiger Auseinandersetzungen am 1.
Mai 2002 an "schweren Übergriffen" beteiligt gewesen seien und hierbei eine Straftat
begangen haben könnten, ist sie geeignet, den Ruf des Polizeibeamten K. zu verletzen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass es gerade zum Kernbereich der Dienstpflichten eines
Polizeibeamten gehört, Straftaten zu verhindern oder zu verfolgen. Das Ansehen des
Beamten kann deshalb in besonderer Weise beeinträchtigt werden, wenn gegen ihn der
Verdacht gerichtet wird, er habe selbst eine Straftat begangen. Dabei wiegt hier
besonders schwer, dass das Bildnis des Polizeibeamten K. durch das Plakat aus dem
Zusammenhang gerissen und in einen anderen gestellt wird, so dass sich durch den
Wechsel des Kontextes der Sinngehalt der Aussage erheblich ändert. Das Plakat erweckt
wahrheitswidrig den Eindruck, die Aufnahme des K. sei im Verlauf der Krawalle des 1. Mai
2002 entstanden.
Trotz ihres hohen Stellenwertes, den die Verfassung von Berlin ihr einräumt, muss die
Kunstfreiheit deshalb hier gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des K. zurücktreten.
Dabei ist in die Abwägung auch einzustellen, dass die Verurteilung des
Beschwerdeführers nicht an ein Handeln anknüpft, welches dem Kernbereich der
Kunstfreiheit zuzuordnen ist. Denn hier ist nicht die eigentliche künstlerische Betätigung,
der sog. Werkbereich des künstlerischen Schaffens betroffen, sondern der sog.
Wirkbereich, in dem der Öffentlichkeit Zugang zu dem Kunstwerk verschafft wird (vgl.
hierzu BVerfGE 77, 240 <251>). Schließlich kann hier auch, wie es das Landgericht in
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise getan hat, berücksichtigt werden,
ob und inwieweit das öffentliche Zurschaustellen des Bildnisses des K. und der damit
einhergehende Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht für die Vermittlung des Kunstwerks
und seiner Aussagen erforderlich waren. Angesichts der nicht unerheblichen Anzahl der
auf dem Plakat veröffentlichten Fotografien, auf denen die abgebildeten Polizeibeamten
selbst in ihrem Bekanntenkreis nicht zu erkennen sein dürften, ist nicht ersichtlich, dass
gerade die Erkennbarkeit des Polizeibeamten K. für das Wesen und den Aussagekern
des Kunstwerks so maßgebend war, dass auf sie nicht hätte verzichtet werden können.
c) Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen verletzen auch nicht die von Art. 14 Abs. 1
VvB geschützte Meinungsäußerungsfreiheit des Beschwerdeführers.
Dabei kann auch an dieser Stelle offen bleiben, ob das Plakat Kunst ist mit der Folge,
dass die künstlerischen Aussagen, auch wenn sie Meinungsäußerungen enthalten,
ausschließlich durch Art. 21 Satz 1 VvB geschützt werden, der gegenüber Art. 14 Abs. 1
VvB lex specialis ist (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 30, 173 <191 ff., 200>).
Denn auch wenn der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 VvB hier grundsätzlich eröffnet
wäre, verletzten die strafgerichtlichen Entscheidungen diese Verfassungsnorm nicht. Die
Gerichte haben die Aussagen des Plakats zutreffend interpretiert. Richtigerweise sind sie
davon ausgegangen, dass die Beschränkung der Meinungsfreiheit des
Beschwerdeführers in den §§ 33, 22 und 23 KunstUrhG eine hinreichende gesetzliche
Grundlage findet. Die Gerichte mussten der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers
auch nicht den Vorrang vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Polizeibeamten K.
einräumen. Die mit der Verurteilung einhergehende Einschränkung der Meinungsfreiheit
des Beschwerdeführers ist nicht unverhältnismäßig. Insoweit kann auf die oben
gemachten Ausführungen zum Verhältnis zwischen der Kunstfreiheit des
Beschwerdeführers und dem allgemeinem Persönlichkeitsrecht des Beamten K.
verwiesen werden, die hier entsprechend gelten. Hervorzuheben ist allerdings auch in
diesem Zusammenhang, dass das Bildnis des Beamten diesen tatsächlich nicht
während eines Polizeieinsatzes am 1. Mai 2002 zeigt. Es kann daher keinen Beitrag zur
Meinungsbildung darüber leisten, ob im Hinblick auf das Verhalten von Polizeibeamten
an diesem Tag eine sofortige Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte eingeführt werden
sollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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