Urteil des VerfGH Berlin vom 15.03.2017

VerfGH Berlin: eigentümer, grundstück, belastung, öffentliche aufgabe, unechte rückwirkung, gegenleistung, verfassungsbeschwerde, zustand, vergleich, gestaltungsspielraum

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
161/00
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 3 Abs 1 GG, Art 10 Abs 1
Verf BE, § 2 Abs 2 StrRG BE, § 4
Abs 1 S 2 StrRG BE, § 5 Abs 3
StrRG BE
VerfGH Berlin: Umstellung vom Frontmetermaßstab auf
Grundstücksflächenmaßstab bei der Bemessung des
Straßenreinigungsentgelts mit Gleichheitssatz vereinbar -
willkürfreie Umgruppierung einer Straße in kostengesteigerte
Reinigungsklasse - Äquivalenzprinzip -
Eckgrundstücksvergünstigung - abweichende Meinung
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines 970 m² großen Grundstücks an der
Waltersdorfer Chaussee in Berlin-Neukölln. Die Waltersdorfer Chaussee wurde im Bereich
zwischen Neuköllner Straße und Landesgrenze, der dem Straßenreinigungsverzeichnis A
zugeordnet ist und in dem auch das Grundstück des Beschwerdeführers liegt, durch die
Achte Verordnung zur Änderung der Verordnung über die
Straßenreinigungsverzeichnisse und die Einteilung in Reinigungsklassen vom 14. März
1995 (GVBl. S. 80 <132>) von der Reinigungsklasse 4 in die Reinigungsklasse 3
umgruppiert. In der Reinigungsklasse 4 ist in der Regel eine wöchentliche Reinigung, in
der Reinigungsklasse 3 sind drei wöchentliche Reinigungen vorgesehen. Das pro
Quadratmeter Grundstücksfläche zu entrichtende Entgelt belief sich in dem hier
interessierenden Zeitraum in der Klasse 4 auf 0,08 DM, in der Klasse 3 auf 0,24 DM. Die
Berliner Stadtreinigungsbetriebe zogen den Beschwerdeführer ab dem 1. April 1995 zu
dem erhöhten Reinigungsentgelt in Höhe von 232,80 DM pro Quartal heran. Für
personalbedingte Reinigungsausfälle im Jahre 1995 verrechneten die Berliner
Stadtreinigungsbetriebe insgesamt einen Betrag von 185,07 DM auf ihre Forderung. Der
Beschwerdeführer beglich die ihm gestellten Rechnungen nur in Höhe des
Reinigungsentgelts der Reinigungsklasse 4 von 0,08 DM je Quadratmeter. Die Berliner
Stadtreinigungsbetriebe machten daraufhin im Februar 1999 für die Zeit vom 1. April
1995 bis zum 31. März 1999 den Differenzbetrag in Höhe von 2.336,88 DM nebst
anteiligen Zinsen gerichtlich geltend.
Der Beschwerdeführer trug im amtsgerichtlichen Verfahren im wesentlichen vor, die
Reinigungsleistungen seien nicht in dem geforderten Umfang erbracht worden. Teilweise
sei die Reinigung nur zweimal monatlich erfolgt. Ihm stehe daher wegen nicht erbrachter
Leistungen in entsprechender Anwendung werkvertraglicher Vorschriften ein
Minderungsrecht zu. Zudem sei die Waltersdorfer Chaussee im maßgeblichen Abschnitt
zu Unrecht in die Reinigungsklasse 3 eingeordnet worden. § 7 des
Straßenreinigungsgesetzes (StrReinG) verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 1 GG und des Art. 10 VvB. Der Wechsel vom Frontmetermaßstab zum
Grundstücksflächenmaßstab führe zu einer durch nichts zu rechtfertigenden
Ungleichbehandlung bei der Höhe der Reinigungsentgelte für etwa gleich große
Eckgrundstücke oder Grundstücke, die an im Straßenreinigungsverzeichnis C
aufgeführten Straßen lägen.
Mit Urteil vom 21. September 1999 verurteilte das Amtsgericht den Beschwerdeführer
antragsgemäß. Da das Straßenreinigungsentgelt nicht für die Reinigung der unmittelbar
vor dem Grundstück liegenden Straße geschuldet werde, sondern es ein
Benutzungsentgelt sei, dessen Gegenleistung den Anwohnern dadurch erwachse, daß
die Berliner Stadtreinigungsbetriebe das öffentliche Straßenland im gesamten Land
Berlin in einem sauberen und sicheren Zustand erhielten, handele es sich um
allgemeine Daseinsvorsorge. Eine bestimmte Anzahl von wöchentlichen Reinigungen sei
daher nicht geschuldet. Die geschuldete Leistung liege letztlich in der Bereitstellung
einer sauberen Straße. Nur wenn die Straßenreinigung überhaupt nicht oder in
erheblichem Umfange nicht erbracht werde, komme eine Minderung des Entgelts in
Betracht. Gegen die Einordnung in die Reinigungsklasse 3 bestünden angesichts des
durch die Wiedervereinigung erheblich angestiegenen Verkehrsaufkommens in der
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durch die Wiedervereinigung erheblich angestiegenen Verkehrsaufkommens in der
Waltersdorfer Chaussee keine durchgreifenden Bedenken. Der in § 7 StrReinG
enthaltene Gebührenmaßstab verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. Indem der
Gesetzgeber auf die Quadratmeterzahl der Grundstücke abstelle, habe er einen
praktikablen und grundsätzlich geeigneten Bemessungsgrundsatz gewählt, der davon
ausgehe, daß bei größeren Grundstücken eine entsprechend höhere Straßenbelastung
entstehe. Bei der Umstellung vom Frontmetermaßstab auf den
Grundstücksflächenmaßstab habe der Gesetzgeber gerade beabsichtigt, auch solche
Anlieger heranzuziehen, die Grundstücke mit geringer oder gar keiner Straßenanbindung
haben. Daß der Beschwerdeführer im Vergleich zu Grundstücksnachbarn mit
vergleichbaren Grundstücksgrößen, aber anderer Eingruppierung andere
Zahlungsverpflichtungen habe, liege in der Natur der Sache. Die vom Beschwerdeführer
gerügten Differenzen zu seinen Nachbarn müßten hingenommen werden, da bei
Typisierungen nur an den Regelfall eines Sachverhalts angeknüpft werden könne und
daher sich dem „Typ“ entziehende Umstände des Einzelfalls außer Betracht gelassen
werden müßten. Der Beschwerdeführer habe insoweit die Möglichkeit, für sich eine
Ausnahmeregelung mit der öffentlichen Hand zu vereinbaren. Die hiergegen eingelegte
Berufung wies das Landgericht mit Urteil vom 23. November 2000 aus den Gründen der
amtsgerichtlichen Entscheidung zurück.
Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 17. November 1999 eine
Minderung des Straßenreinigungsentgelts. Mit Bescheid vom 20. Januar 2000 wurde der
Antrag abgelehnt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies das
Landeseinwohneramt mit Bescheid vom 22. August 2000 zurück. Eine grob unbillige und
offensichtliche Benachteiligung des Beschwerdeführers sei nicht gegeben. Bei dem bei
der Härtefallentscheidung vorzunehmenden Vergleich mit anderen Anliegern und
Hinterliegern sei nicht auf die konkrete Straße, sondern auf die Allgemeinheit der
Grundstückseigentümer abzustellen. Die durch die Umgruppierung der Waltersdorfer
Chaussee entstandenen höheren Kosten könnten allein nicht als unzumutbare Härte
angesehen werden. Ein anderer, von der Regel abweichender Sachverhalt könne nicht
festgestellt werden. Hiergegen hat der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht
Klage erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist.
Mit seiner am 22. Dezember 2000 gegen die Urteile des Amtsgerichts und des
Landgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine
Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 10 VvB.
Die Entgeltberechnung der Berliner Stadtreinigungsbetriebe verletze den
Gleichheitssatz. Insbesondere die Einteilung in unterschiedliche Reinigungsklassen führe
zu willkürlichen Ergebnissen und zur Verletzung des Äquivalenzprinzips. Die Verordnung,
nach der die Einteilung der Straßen in Reinigungsklassen vorgenommen werde, stamme
noch aus einer Zeit, als nach dem Frontmetermaßstab die Entgelte nach der konkreten
Reinigungsleistung vor dem jeweiligen Grundstück berechnet worden seien. Nach der
Änderung des Straßenreinigungsgesetzes im Jahre 1990, die dazu geführt habe, daß das
Benutzungsentgelt eine Gegenleistung für die Reinigung des öffentlichen Straßenlandes
im gesamten Stadtgebiet darstelle, sei die gesamte Einteilung in Reinigungsklassen
fragwürdig und willkürlich geworden. Anhand seiner Berechnungen ergebe sich, daß für
gleich große Grundstücke ganz unterschiedliche Entgelte zu leisten seien. Die
Belastungen für Eigentümer gleich großer Grundstücke seien teilweise so ungleich, daß
das Äquivalenzprinzip deutlich verletzt werde. Der Grundsatz, daß Leistung,
Gegenleistung sowie verursachte Kosten nicht außer Verhältnis stehen dürften, werde
verletzt. So zahlten Eigentümer von Eckgrundstücken trotz langer Straßenfronten am
wenigsten, obwohl solche Eckgrundstücke als besonders wertvoll gälten. Anstelle des
von ihm, dem Beschwerdeführer, zu zahlenden Jahresbetrages von rund 931 DM müsse
ein Eigentümer eines gleich großen Eckgrundstückes, das ebenfalls mit einer Front von
19 m an die Straße der Reinigungsklasse 3 (A3-Straße), mit einer Front von 51 m aber
an eine „billigere“ Straße der Reinigungsklasse 4 (A4-Straße) grenze, nur jährlich rund
478 DM zahlen. Der Eigentümer eines gleich großen, mit 19 m an die A3-Straße
grenzenden Grundstücks, das mit 51 m an eine Straße des Straßenverzeichnisses C
grenze, müsse – nach Anwendung der Härtefallregelung gemäß § 5 Abs. 3 StrReinG –
gar nur rund 251 DM im Jahr zahlen. Die finanzielle Entlastung dieser Eckgrundstücke
könne, da die Gesamtkosten der Straßenreinigung sich dadurch nicht reduzierten, nur
zu Lasten anderer Grundstückseigentümer funktionieren. Der Grundgedanke eines
Benutzungsentgelts könne durchaus praktikabel sein; es dürfe aber nicht nach
unterschiedlichen Klassen in einfacher bis siebenfacher Höhe berechnet werden. Alle
Bürger, denen durch die Straßenreinigung der Vorteil erwachse, daß das öffentliche
Straßenland sich im gesamten Land Berlin in einem sauberen Zustand befinde, müßten
die gleichen Gebühren entrichten. Richtiger als nach Frontmetern oder
Grundstücksgrößen zu rechnen sei es, nach Personen- oder Wohnungszahl oder -größe
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Grundstücksgrößen zu rechnen sei es, nach Personen- oder Wohnungszahl oder -größe
vorzugehen. Es stelle sich die Frage, inwieweit der Entscheidungs- und
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ausgedehnt werden dürfe. Zwar müsse
angesichts der Vielzahl der unterschiedlichen Grundstücksarten und –lagen sowie der
Unterschiede in der Bebauung und Nutzung der Grundstücke dem Gesetzgeber ein
gewisser Spielraum zugestanden werden. Sachliche Gründe für die vorgenommene
Differenzierung seien aber nicht erkennbar. So würden Eigentümer von Grundstücken,
die an Straßen des Straßenverzeichnisses C lägen, überhaupt nicht zur Finanzierung der
allgemeinen Straßenreinigung herangezogen. Nur die Anlieger von Straßen, die im
Straßenverzeichnis A und B aufgeführt seien, müßten hierfür Entgelte entrichten. Vor
der Gesetzesnovellierung hätten die Eigentümer der direkt an die Straße angrenzenden
Grundstücke und die Eigentümer von Hinterliegergrundstücken Vereinbarungen über die
Grundstückslasten getroffen. Der Gesetzgeber habe sich nachträglich in diese
gewachsenen Verhältnisse eingemischt und die Lasten nachträglich auf beide Parteien
verteilt.
Gemäß § 53 Abs. 1, 2 und 3 i.V.m. § 44 VerfGHG ist den Beteiligten Gelegenheit
gegeben worden, sich zu der Verfassungsbeschwerde zu äußern.
Die Beteiligte zu 4. hält die Berechnung der Straßenreinigungsentgelte nach dem
Grundstücksflächenmaßstab für verfassungsgemäß. Willkür sei nicht erkennbar. Auch die
Einteilung von Reinigungsklassen unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die vom Beschwerdeführer angeführten Fälle unterschiedlich berechneter
Straßenreinigungsentgelte könnten nicht zum Erfolg der Verfassungsbeschwerde führen.
Sofern sich im Einzelfall nicht gewollte grobe Unverhältnismäßigkeiten ergeben sollten,
könne gemäß § 5 Abs. 3 StrReinG eine Korrektur verlangt werden. Bei Eigentümern von
Eckgrundstücken, die mit ihren Grundstücksseiten an Straßen der
Straßenreinigungsverzeichnisse A und C grenzten, werde dieser Umstand als Härte
gemäß § 5 Abs. 3 StrReinG gewertet und eine Entgeltminderung analog der Berechnung
nach § 7 Abs. 4 Satz 2 StrReinG durchgeführt.
Die Beteiligten zu 5. betonen ebenfalls, daß der Grundstücksflächenmaßstab ein
zulässiger Maßstab sei. Es müsse zudem berücksichtigt werden, daß es sich bei der
Verteilung der Straßenreinigungskosten um Massenvorgänge handele. Deswegen
müßten zwangsläufig Typisierungen vorgenommen werden. Ein Verstoß gegen den
Gleichheitssatz liege dabei nicht schon dann vor, wenn sich in einem Einzelfall eine
Gebührenberechnung vorstellen lasse, die die Besonderheiten des Falles noch genauer
abbilde. Darüber hinaus beruhe die unterschiedliche straßenreinigungsrechtliche
Behandlung der A- und B-Straßen-Grundstücke einerseits und der C-Straßen-
Grundstücke andererseits auf dem unterschiedlichen Erschließungsvorteil und
Reinigungsbedürfnis, den die einzelnen Straßenkategorien vermittelten. Für
Eckgrundstücke habe schließlich der Gesetzgeber die besondere Erschließungssituation
solcher Grundstücke sachgerecht erfaßt und eine nachvollziehbare und plausible
Regelung geschaffen, die nicht dem Gleichheitssatz widerspreche.
Der Richter Dr. G. ist gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 VerfGHG in diesem Verfahren
von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung des Art. 10 Abs. 1 VvB durch die
Entgeltabrechnung und die seiner Ansicht nach willkürliche Einteilung in
Reinigungsklassen rügt und mit dieser Begründung die Aufhebung der Urteile des
Amtsgerichts und des Landgerichts begehrt, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig.
Der Beschwerdeführer greift der Sache nach mittelbar die der Entgeltforderung
zugrundeliegenden Regelungen des Straßenreinigungsgesetzes sowie der
vorbezeichneten Rechtsverordnung an und macht insoweit geltend, daß sie zu einer
sachlich nicht mehr zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung von
Grundstückseigentümern führten. Der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde mit
dieser Zielrichtung steht nicht entgegen, daß die Frist des § 51 Abs. 2 VerfGHG, wonach
Verfassungsbeschwerden, die sich gegen Rechtsvorschriften richten, innerhalb eines
Jahres seit dem Inkrafttreten der Rechtsvorschrift zu erheben sind, verstrichen ist. Diese
Frist gilt nur für Verfassungsbeschwerden, mit denen der Betroffene sich – mit der
Behauptung eines unmittelbaren und gegenwärtigen Betroffenseins – direkt gegen eine
Rechtsvorschrift wendet, nicht aber für den Fall einer inzidenten Überprüfung eines
Gesetzes auf seine Verfassungsmäßigkeit aus Anlaß einer gerichtlichen Entscheidung
(vgl. BVerfGE 9, 334 <342>).
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet.
Die Heranziehung des Beschwerdeführers zu den im Ausgangsverfahren
streitgegenständlichen Straßenreinigungsentgelten verletzt keines seiner in der
Verfassung von Berlin gewährleisteten Rechte. Sie steht namentlich im Einklang mit dem
Gleichheitssatz des Art. 10 Abs. 1 VvB.
Der allgemeine Gleichheitssatz, der in Art. 10 Abs. 1 VvB inhaltsgleich mit Art. 3 Abs. 1
GG verbürgt ist (vgl. Beschluß vom 12. Dezember 1996 – VerfGH 38/96 – LVerfGE 5, 58
<60>), verbietet, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich oder wesentlich Ungleiches
willkürlich gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit nicht jede Differenzierung
verboten. Es ist vielmehr grundsätzlich Sache des Normgebers, diejenigen Sachverhalte
auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft, die er mithin im Rechtssinne als
gleich ansehen will. Den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum muß der Gesetzgeber
allerdings sachgerecht ausüben. Was dabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich
vertretbar oder sachfremd ist, läßt sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern
immer nur in bezug auf die Eigenart des konkreten Sachverhalts, der geregelt werden
soll. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich danach
unterschiedliche Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit, die vom bloßen
Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse
reichen (vgl. hierzu im Einzelnen: Urteil vom 17. Juli 2001 – VerfGH 152/00 – NVwZ 2001,
1266 <1267> m. w. N. auch der Rechtsprechung zum Bundesrecht).
Für die Erhebung von Gebühren und diesen ähnlichen Entgelten (vgl. zu diesen: BVerfGE
79, 1 <27 f.>) ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der
Verfassungsgerichtshof anschließt, anerkannt, daß der Gesetzgeber innerhalb seiner
jeweiligen Regelungskompetenzen über einen weiten Entscheidungs- und
Gestaltungsspielraum verfügt, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen
er einer Gebührenpflicht unterwerfen und welche Gebührenmaßstäbe und
Gebührensätze er hierfür aufstellen will (vgl. BVerfGE 50, 217 <226 f.>; 97, 332 <334
f.>; Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom 21. Oktober 1999 – VerfGH 42/99 – LVerfGE
10, 96 <111>). Aus der Zweckbestimmung einer Gebühr, Einnahmen zu erzielen, um
speziell die Kosten individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen ganz oder teilweise
zu decken, folgt von Verfassungs wegen nicht, daß die Gebührenhöhe durch die Kosten
der Leistung der öffentlichen Hand allgemein oder im Einzelfall in der Weise begrenzt
sein müsse, daß Gebühren diese Kosten nicht übersteigen oder nicht unterschreiten
dürfen; das Kostendeckungsprinzip und ähnliche gebührenrechtliche Prinzipien sind
keine Grundsätze mit verfassungsrechtlichem Rang (vgl. Urteil vom 21. Oktober 1999,
a.a.O., m. w. N.). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 10 Abs. 1 VvB, dem
Grundsätze der Abgabengerechtigkeit innewohnen (vgl. BVerfGE 97, 332 <346> m. w.
N.), folgt allerdings, daß Gebühren nicht völlig unabhängig von den Kosten der
gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden dürfen und daß die Verknüpfung
zwischen den Kosten der Staatsleistung und den dafür auferlegten Gebühren sich nicht
in einer Weise gestaltet, die, bezogen auf den Zweck der gänzlichen oder teilweisen
Kostendeckung, sich unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt als sachgemäß erweist.
Darüber hinaus gebietet der Gleichheitsgrundsatz, bei gleichartig beschaffenen
Leistungen, die rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfaßt werden können,
die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und
Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln, daß sie unterschiedlichen Ausmaßen in
der erbrachten Leistung Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter
den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt (BVerfGE 50, 217 <227>; zur Zulässigkeit
einkommensbezogener Gebührenstaffeln vgl. BVerfGE 97, 332 <344 ff.>). Schließlich
ergibt sich aus dem Äquivalenzprinzip, das eine gebührenrechtliche Ausprägung des
Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist, daß die dem Einzelnen auferlegte
Gebühr nicht außer Verhältnis zu den mit der Gebührenregelung verfolgten,
verfassungsrechtlich zulässigen Zwecken stehen darf (Urteil vom 21. Oktober 1999,
a.a.O., n. w. N.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind die Abgrenzung des Kreises der
Entgeltpflichtigen in § 7 Abs. 2 StrReinG, die Bemessung der Entgelthöhe nach der
Grundstücksfläche in § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinG und der damit verbundene Wechsel vom
Frontmetermaßstab zum Grundstücksflächenmaßstab sowie die Umgruppierung des
Grundstücks des Beschwerdeführers in die Reinigungsklasse 3 verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden. Dabei kann die in der fachgerichtlichen Rechtsprechung – soweit
ersichtlich – noch nicht abschließend geklärte Frage dahinstehen, ob das
Straßenreinigungsentgelt, das im Land Berlin zivilrechtlich ausgestaltet ist (vgl. § 7 Abs.
7 StrReinG), seinem – für die verfassungsrechtliche Prüfung maßgeblichen (vgl. hierzu:
BVerfG, Beschluß vom 12. Oktober 1978 – 2 BvR 154/74 – NJW 1979, 859) – materiellen
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BVerfG, Beschluß vom 12. Oktober 1978 – 2 BvR 154/74 – NJW 1979, 859) – materiellen
Gehalt nach zu den (Benutzungs-)Gebühren (in diesem Sinne: KG, Urteil vom 2. Oktober
1992 – 13 U 2406/92 – GE 1992, 1317) für die Straßenreinigung als öffentliche
Einrichtung mit Anschluß- und Benutzungszwang (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 StrReinG) oder
zu den Beiträgen zu zählen ist (offengelassen vom OVG Berlin, Urteil vom 2. Dezember
1998 – 1 B 79/94 – NVwZ-RR 2000, 463 <464>; zum Meinungsstand s. Stemshorn in:
Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 [Stand: September 2002] Rn. 422), da jedenfalls
die strengeren Anforderungen des Gleichheitssatzes als Maßstab für Gebühren (vgl.
Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 3 Rn. 52 f.) erfüllt sind.
1. Die gesetzliche Festlegung des Grundstücksflächenmaßstabs steht im Einklang mit
dem Gleichheitssatz und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der
Grundstücksflächenmaßstab ist eine grundsätzlich zulässige Bemessungsmethode bei
der Erhebung von Straßenreinigungsgebühren und -entgelten (vgl. OVG Münster, Urteil
vom 27. Juni 1984 – 2 A 2289/83 – KStZ 1985, 35 <36>; HessVGH, Beschluß vom 16.
Oktober 1985 – 5 N 1/83 – DVBl. 1986, 778; Stemshorn, a.a.O., § 6 Rn. 486). Er knüpft
als vorteilsbezogener Bemessungsmaßstab an grundstücksbezogene Umstände an. Der
Grundstücksflächenmaßstab hat einen sachlichen Bezug zu dem Umfang des
Reinigungsvorteils, den der Grundstückseigentümer aus der Arbeit der Berliner
Stadtreinigungsbetriebe bezieht (vgl. OVG Berlin, a.a.O., NVwZ-RR 2000, S. 463 <464>;
KG, a.a.O.).
Dem Äquivalenzprinzip entspricht zwar am vollkommensten der Wirklichkeitsmaßstab,
der die Gebühr nach der tatsächlichen Inanspruchnahme bemißt. Ist jedoch – wie im
Straßenreinigungsrecht – eine Bemessung nach der tatsächlichen Inanspruchnahme
unpraktikabel oder besonders schwierig, ist auch die Anlegung eines pauschalierenden
Wahrscheinlichkeitsmaßstabs gebührenrechtlich zulässig (allg. Ansicht: vgl. Schulte/
Wiesemann, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, a.a.O., § 6 Rn. 203 ff.; zum
Abwasserrecht: BVerwG, Beschluß vom 28. März 1995 – BVerwG 8 N 3.93 – Buchholz
401.84 Nr. 75 S. 3; Beschluß vom 30. April 1996 – BVerwG 8 B 31.96 – Buchholz 401.9
Nr. 37 S. 5 f.; OVG NW, a.a.O., KStZ 1985, 35 <36>). Der insoweit bestehende
Ermessensspielraum ist vorliegend nicht überschritten worden.
2. Der Gesetzgeber war auch verfassungsrechtlich nicht gehindert, den bislang
verwendeten Frontmetermaßstab durch einen anderen, ebenfalls geeigneten
Bemessungsmaßstab zu ersetzen. Die durch das 4. Gesetz zur Änderung des
Straßenreinigungsgesetzes vom 30. Juni 1988 mit Wirkung vom 1. Januar 1991
vorgenommene Einführung des Grundstücksflächenmaßstabs steht im Einklang mit den
rechtsstaatlichen Grund-sätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Das
Rechtsstaatsprinzip, zu dem sich die Verfassung von Berlin sinngemäß schon nach
ihrem Vorspruch sowie nach ihrer Gesamtkonzeption bekennt, verlangt u. a., einem
berechtigten Vertrauen der Bürger in den Fortbestand einer Rechtslage Rechnung zu
tragen, und begrenzt demgemäß die Rückwirkung von Gesetzen (Beschluß vom 6.
Februar 1998 – VerfGH 80/96 – LVerfGE 8, 45 <54>). Grundsätzlich kann der Bürger
nicht darauf vertrauen, daß eine für ihn günstige gesetzliche Regelung in aller Zukunft
bestehen bleibt. Der verfassungsrechtlich verbürgte Vertrauensschutz gebietet nicht,
den von einer bestimmten Rechtslage Begünstigten vor jeder Enttäuschung zu
bewahren. Andernfalls würde die Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung beeinträchtigt.
Grundsätzlich muß jedes Rechtsgebiet zur Disposition des Gesetzgebers stehen; das
Ziel der Gesetzesänderung kann dabei auch Lösungen fordern, die in nicht
unerheblichem Umfang an in der Vergangenheit liegende Umstände anknüpfen
(Beschluß vom 6. Februar 1998, a.a.O., S. 55 m. w. N. zur Rechtsprechung zum
Bundesrecht). Es erscheint – auch unter Berücksichtigung des Vortrags, in der
Vergangenheit sei bei Kaufentscheidungen und Kaufvertragsabschlüssen die
Kostenverteilung nach dem Frontmetermaßstab berücksichtigt worden – schon
fernliegend, daß überhaupt eine – hier allein in Betracht kommende – unechte
Rückwirkung, d. h. eine tatbestandliche Rückanknüpfung, vorliegt. Jedenfalls hat der
Gesetzgeber mit der Einräumung einer 2 ½-jährigen Übergangsfrist im Rahmen des ihm
insofern zur Verfügung stehenden weiten Gestaltungsspielraums in verfassungsrechtlich
nicht zu beanstandender Weise den Betroffenen einen angemessenen Zeitraum
zugestanden, um sich auf die neue Rechtslage einstellen zu können (vgl. zu den
verfassungsrechtlichen Anforderungen an Anpassungsfristen: Beschluß vom 6. Februar
1998, a.a.O., S. 55 f. m. w. N.).
3. Von Verfassungs wegen ebenfalls nicht zu beanstanden ist es, daß nach § 7 Abs. 2
Satz 1 StrReinG die Entgelte bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen von
den Anliegern und den Hinterliegern zu entrichten sind. Hinsichtlich der Bestimmung des
Gebührenpflichtigen ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, daß
es nicht gegen den Gleichheitssatz verstößt, neben den Eigentümern anliegender
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es nicht gegen den Gleichheitssatz verstößt, neben den Eigentümern anliegender
Grundstücke auch die Eigentümer hinterliegender, im Sinne des
Straßenreinigungsrechts erschlossener Grundstücke heranzuziehen, also anliegende
und sonstige erschlossene Grundstücke dem Grunde nach gleichzubehandeln (BVerwG,
Beschluß vom 19. März 1981 – BVerwG 8 B 10.81 – Buchholz 401.84 Nr. 42 S. 1 <2>;
Beschluß vom 8. Dezember 1986 – BVerwG 8 B 74.86 – Buchholz 401.84 Nr. 60 S. 55).
Der Gleichheitssatz verlangt für die Heranziehung zu Straßenreinigungsgebühren
lediglich das Bestehen einer objektiven Beziehung des Grundstücks zur Straße, die die
Inanspruchnahme des Eigentümers als willkürfrei erscheinen läßt. Eine derartige
Beziehung besteht grundsätzlich dann, wenn ein Grundstück an eine öffentliche Straße
angrenzt und damit durch Schaffung eines Zugangs oder einer Zufahrt die durch die
Straße gegebene Möglichkeit der wirtschaftlichen oder verkehrlichen Nutzung besteht.
Die Reinigung der Straße wirkt sich daher in der Regel für den Eigentümer des
angrenzenden Grundstücks vorteilhaft aus, so daß – objektiv betrachtet – die Reinigung
jedenfalls auch im Interesse des Eigentümers erfolgt (BVerwG, Beschluß vom 17. April
1989 – BVerwG 8 C 90.87 – Buchholz 401.84 Nr. 65 S. 8 f.). Dieses objektive Interesse
besteht allerdings nicht nur bei den Eigentümern von Anliegergrundstücken, sondern
auch bei den Eigentümern von Hinterliegergrundstücken, so daß auch letzteren
gegenüber die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren sachlich gerechtfertigt ist
(BVerwG, Beschluß vom 19. März 1981, a.a.O., Buchholz 401.84 Nr. 42 S. 1 <2>).
Ebensowenig willkürlich ist es, wenn der Gesetzgeber Umfang und Maß dieses Interesses
mit Blick auf das Anliegergrundstück einerseits und auf die erschlossenen
Hinterliegergrundstücke andererseits insoweit gebührenrechtlich gleich behandelt
(BVerwG, Beschluß vom 8. Dezember 1986, a.a.O., Buchholz 401.84 Nr. 60 S. 55 f.).
Diesen überzeugenden verfassungsrechtlichen Überlegungen der Fachgerichtsbarkeit
schließt sich der Verfassungsgerichtshof an. Entgegen der Ansicht des
Beschwerdeführers führt der Umstand, daß die Verteilung der Straßenreinigungsentgelte
zwischen Anlieger und Hinterlieger auch durch Vereinbarung geregelt werden könnte,
nicht zu einer anderen Beurteilung. Daß eine solche Möglichkeit besteht und von dieser
Möglichkeit in der Vergangenheit Gebrauch gemacht worden sein mag, hindert den
Gesetzgeber nicht an einer gesetzlichen Neuregelung.
4. Die Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 i.V.m. § 7 Abs. 4 Satz 1 StrReinG, wonach ein
Entgelt nur für die Reinigung der in den Straßenverzeichnissen A und B aufgeführten
Straßen erhoben wird und die Höhe der Entgelte von der jeweiligen Reinigungsklasse
abhängt, verstößt ebenfalls nicht gegen Art. 10 Abs. 1 VvB. Es ist zwar zutreffend, daß
das Straßenreinigungsentgelt nicht die Gegenleistung für die den Anliegern obliegende
Reinigung des Straßenabschnitts vor ihrem Grundstück darstellt. Die Straßenreinigung
des im Straßenverzeichnis unter A und B aufgeführten Straßenlandes ist gemäß § 4 Abs.
1 StrReinG vielmehr allein öffentliche Aufgabe Berlins, die für die Anlieger und
Hinterlieger, die einem Anschluß- und Benutzungszwang unterworfen werden, ausgeführt
wird. Das Straßenreinigungsentgelt dient daher dem Ausgleich des Vorteils, der den
Anliegern und Hinterliegern der in den Straßenverzeichnissen A und B aufgeführten
Straßen dadurch erwächst, daß die Berliner Stadtreinigungsbetriebe die Straßen in
einem sauberen und sicher begehbaren Zustand erhalten (KG, a.a.O.; OVG Berlin, Urteil
vom 15. November 1996 – OVG 1 B 7.94 – GE 1998, 435 <437> jew. m. w. N.).
Allerdings hat der Gesetzgeber nicht auf den Bezug zu der das jeweilige Grundstück
erschließenden Straße verzichtet. Schon indem er die in dem Straßenverzeichnis C
aufgeführten Straßen aus den von dem Land Berlin zu reinigenden Straßen
herausnimmt und insoweit den Anliegern die Straßenreinigungspflicht aufbürdet (§ 4
Abs. 1 Satz 2 StrReinG), hat er eine erste Differenzierung vorgenommen. Für
Eigentümer von Grundstücken, die im Rahmen der Felder- und Weidewirtschaft oder als
Forst genutzt werden, hat er eine weitere Ausnahme gemacht, indem er insoweit eine
völlige Freistellung von der Straßenreinigungspflicht ausgesprochen hat (§ 4 Abs. 6
StrReinG). Eine weitere, sehr weitgehende Differenzierung hat der Gesetzgeber durch die
in § 7 Abs. 3 und Abs. 4 StrReinG vorgesehene und durch die Verordnung über die
Straßenreinigungsverzeichnisse und die Einteilung der Reinigungsklassen vom 17. Januar
1980, hier maßgeblich in der Fassung vom 14. März 1995 (GVBl. S. 80) ausgestaltete
Einteilung in unterschiedliche Reinigungsklassen vorgenommen. Es ist daher zumindest
verkürzend, wenn das Amtsgericht in seinem Urteil formuliert, daß das
Straßenreinigungsentgelt nicht für die Reinigung der unmittelbar vor dem Grundstück
liegenden Straße geschuldet werde, sondern ein Benutzungsentgelt sei, dessen
Gegenleistung darin bestehe, daß die Berliner Stadtreinigungsbetriebe im gesamten
Land Berlin die Straßen in einem sauberen und sicheren Zustand erhalten
(Urteilsabdruck S. 6). Uneingeschränkt richtig ist insoweit lediglich, daß es für die
Entgeltbemessung nicht auf die Länge des Straßenabschnitts direkt vor dem Grundstück
ankommt. Es ist aber nach der dargelegten gesetzlichen Differenzierung nicht so, daß
das Entgelt unabhängig von der Nutzungsintensität (Ausmaß der
Schmutzverursachung) des Grundstücks und dem Nutzungsvorteil (Reinigungsvorteil),
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Schmutzverursachung) des Grundstücks und dem Nutzungsvorteil (Reinigungsvorteil),
den die das Grundstück erschließende Straße in einem gereinigten Zustand vermittelt,
erhoben wird. Diese Gesichtspunkte spielen vielmehr, wie die dargelegten Freistellungen
von einer Entgeltzahlungspflicht und die Anknüpfung der Bemessung des Entgelts an
Reinigungsklassen zeigen, für die Entgelthöhe eine entscheidende Rolle. Eine solche
Differenzierung nach der Nutzungsintensität des Grundstücks und dem Nutzungsvorteil
der Straße für die Bestimmung der Beitragshöhe ist nicht willkürlich, sondern an
sachlichen und nachvollziehbaren Überlegungen orientiert. Sie ist, entgegen der Ansicht
des Beschwerdeführers, auch nicht auf eine Gebührenerhebung nach dem
Frontmetermaßstab beschränkt. Daß angesichts der sehr unterschiedlichen
Reinigungsintervalle von einmal wöchentlich bis zur täglichen Reinigung die
Reinigungsentgelte erheblich differenzieren, liegt ebenfalls in der Natur der Sache und ist
Ausdruck des Versuchs, die anfallenden Kosten möglichst gerecht auf die Anlieger zu
verteilen.
Auch die für die Einstufung des vor dem Grundstück des Beschwerdeführers gelegenen
Straßenabschnitts in die Reinigungsklasse 3 maßgeblichen Bestimmungen des § 2 Abs.
2 StrReinG und der Achten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die
Straßenreinigungsverzeichnisse und die Einteilung der Reinigungsklassen vom 14. März
1995 (GVBl. S. 80) verstoßen nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 10 Abs. 1 VvB.
Gemäß § 2 Abs. 2 StrReinG werden die in den Straßenreinigungsverzeichnissen A und B
aufgeführten Straßen unter Berücksichtigung des Ausmaßes der Verschmutzung, der
Verkehrslage sowie der Bedeutung der Straße in Reinigungsklassen eingeteilt, nach
denen sich die durchschnittliche Zahl der Reinigungen in einem bestimmten
Zeitabschnitt (Reinigungsturnus) richtet. Die Auswahl dieser für die Einstufung
maßgeblichen Kriterien durch den Gesetzgeber erscheint unter Berücksichtigung des
Zwecks der Straßenreinigung als sachlich vertretbar. Der Verordnungsgeber hat die
Einstufung des vorliegend maßgeblichen Straßenabschnitts auf der Grundlage der im
Einklang mit Art. 64 Abs.1 VvB verfassungsrechtlich unbedenklich eingeräumten
Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 3 StrReinG ohne erkennbaren
Verfassungsverstoß vorgenommen. Bei der Neueinstufung hat der Verordnungsgeber
ersichtlich der geänderten Verkehrslage und gewachsenen Bedeutung der Waltersdorfer
Chaussee nach der Wiedervereinigung als Ortsdurchfahrt der Bundesstraße 179 und –
selbst nach dem Vortrag des Beschwerdeführers im vorliegenden Verfahren – vom
privaten und öffentlichen Verkehr stärker als früher frequentierter Durchgangsstraße
Rechnung getragen. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des
Beschwerdeführers bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß die
Einstufung des Straßenabschnitts als situationsbezogene (Einzelfall-)Entscheidung, für
die dem Verordnungsgeber im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Kriterien ein
verfassungsgerichtlich nicht voll überprüfbarer Einschätzungs- und
Entscheidungsspielraum eingeräumt ist, gegen den Gleichheitssatz des Art. 10 Abs. 1
VvB verstößt.
5. Schließlich ist nicht zu beanstanden, daß für besonders große Grundstücke keine
allgemeine Tiefenbegrenzung vorgenommen worden ist. Eine solche ist bei der
Verwendung eines Grundstücksflächenmaßstabes zwar zur Vermeidung von Härten
grundsätzlich begrüßenswert (vgl. auch Cosson, KStZ 1981, S. 200 <201>). Zwingend
erforderlich ist sie jedoch jedenfalls dann nicht, wenn, wie im Berliner
Straßenreinigungsgesetz, atypischen Fallgestaltungen durch eine Härtefallregelung
Rechnung getragen wird (vgl. OVG Berlin, a.a.O., NVwZ-RR 2000, S. 463 <464>; KG,
a.a.O.). Zu keiner anderen Beurteilung führt der vom Beschwerdeführer angeführte
Umstand, daß bei bestimmten Grundstückslagen, insbesondere im Fall einer
Mehrfacherschließung eines Grundstücks, die Entgeltsumme – bezogen auf das im
ungeteilten Zustand zu entrichtende Entgelt – durch Grundstücksteilungen reduziert
werden kann. Denn eine Reduktion kommt – wie auch die vom Beschwerdeführer
angeführten Beispiele zeigen – in diesen Fällen nicht allein durch die Teilung zustande,
sondern dadurch, daß sich die für die Bemessung des Reinigungsentgelts maßgeblichen
Beziehungen der jetzt selbständig zu beurteilenden Grundstücksteile zu den
umliegenden Straßen gegenüber dem früheren ungeteilten Zustand geändert haben
(z.B. ausschließliche Erschließung durch eine andere Straße, die in einer anderen
Reinigungsklasse aufgeführt ist).
6. Soweit der Beschwerdeführer rügt, daß Eigentümer von Eckgrundstücken, deren
Größe derjenigen seines Grundstücks vergleichbar seien, durch die Regelung des § 7
Abs. 4 Satz 2 StrReinG ohne sachlichen Grund bessergestellt würden, kann er ebenfalls
keinen Erfolg haben. Nach dieser Vorschrift ist bei Grundstücken, die an mehrere
öffentliche Straßen in unterschiedlichen Reinigungsklassen angrenzen, die
Grundstücksfläche jeweils mit dem Anteil anzusetzen, der sich aus dem Verhältnis der
Grundstücksbreiten ergibt. Zwar führt der hiernach verringerte Flächenansatz bei
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Grundstücksbreiten ergibt. Zwar führt der hiernach verringerte Flächenansatz bei
mehrfach erschlossenen Grundstücken zu einer verminderten Kostenpflicht der
betreffenden Eigentümer, die von den übrigen Entgeltpflichtigen und dem Land Berlin
abzufangen ist. Richtig ist außerdem, daß die Anwendung des § 7 Abs. 4 Satz 2 StrReinG
dazu führen kann, daß der Eigentümer eines Eckgrundstücks, das mit seiner bedeutend
längeren Grundstücksseite an die „billigere“ Straße grenzt, erheblich weniger zahlen
muß als der Eigentümer eines
gleich großen Mittelgrundstücks, das nur an die „teurere“ Straße angrenzt.1 Der
Eigentümer eines Eckgrundstücks zahlt auch dann noch weniger als der Eigentümer
eines allein an die „teurere“ Straße grenzenden Mittelgrundstücks, wenn die bedeutend
längere Grundstücksseite an die „teurere“ Straße grenzt.2 Diese
Eckgrundstücksvergünstigung ist jedoch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Bei einem durch mehrere Straßen erschlossenen Grundstück wäre es allerdings im
Hinblick auf den Gleichheitssatz ebenso zulässig, das Grundstück mehrfach für die
Kosten der Reinigung heranzuziehen und hierbei für jede Straße den vollen Betrag zu
fordern (OVG NW, Urteil vom 7. Januar 1982 – 2 A 1778/81 –, NVwZ 1983, 491 <492>;
HessVGH, Urteil vom 3. Juli 1996 – 5 UE 4078/95 – NVwZ-RR 1998, 133 f.; vgl. zum
Erschließungsbeitragsrecht: BVerwGE 25, 147 <149 f.>; 51, 158 <160>; 68, 249
<259 f.>). Das Berliner Straßenreinigungsrecht hätte also für Eckgrundstücke eine
Regelung vorsehen können, nach der für das Eckgrundstück das Entgelt nach der
Reinigungsklasse der jeweiligen Straße jeweils unter Ansetzung der vollen
Grundstücksfläche berechnet wird. Dies hätte für ein 970 qm großes Eckgrundstück, das
mit einer Front von 19 m an eine A3-Straße und mit einer Front von 51 m an eine A4-
Straße grenzt, im entscheidungserheblichen Zeitraum einen Jahresbetrag von 1.241,60
DM zur Folge gehabt.
Sog. Eckgrundstücksvergünstigungen sind zwar verfassungsrechtlich nicht geboten, wohl
aber zulässig. Dies rechtfertigt sich daraus, daß eine Zweiterschließung sich
verallgemeinernd nicht quantifizieren läßt und einem Grundstück nicht denselben Vorteil
wie die Ersterschließung verschaffen muß oder gar sich der Erschließungsvorteil
entsprechend der Zahl der Straßen vervielfacht (vgl. zum Erschließungsbeitragsrecht:
BVerwGE 51, 158 <159 f.>; BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1985 – 8 C 24/85 –
Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 65 S. 93; vgl. Quaas, Kommunales Abgabenrecht,
1997, Rn. 443). Zwei Straßen werden von einem Eckgrundstück erfahrungsgemäß häufig
in einem geringeren Umfang in Anspruch genommen werden als von zwei jeweils an sie
angrenzenden Mittelgrundstücken (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge,
6. Aufl. 2001, § 18 Rn. 73). Auch bedarf ein Grundstück oft überhaupt keines weiteren
Zugangs von der zweiten Straße (vgl. zum Erschließungsbeitragsrecht: BVerwG, Urteil
vom 4. September 1970 – BVerwG IV C 98.69 – Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 4
S. 8).
Zum Zweck einer vorteilsgerechteren, dem Gleichheitssatz Rechnung tragenden
Verteilung des Kostenaufwands auf die erschlossenen Grundstücke (vgl. zum
Erschließungsbeitragsrecht: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, a.a.O., § 18
Rn. 73), sind sog. Eckgrundstücksvergünstigungen mit der Anordnung einer zunächst
mehrfachen und sich dann der Höhe nach ermäßigenden Berücksichtigung der Straßen
zu Lasten der anderen Kostenpflichtigen von der Rechtsprechung sowohl für das
Erschließungsbeitragsrecht (BVerwGE 51, 158 <159 f.>; BVerwG, Urteil vom 13.
Dezember 1985, a.a.O., Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 65 S. 92) als auch für das
Straßenreinigungsrecht (OVG NW, Urteil vom 7. Januar 1982, a.a.O., NVwZ 1983, 491
<492>; HessVGH, Urteil vom 3. Juli 1996, a.a.O., NVwZ-RR 1998, 133 f.) grundsätzlich
für zulässig gehalten worden, und zwar auch dann, wenn die Vergünstigung so weit geht,
daß das Eckgrundstück im Vergleich zu einem gleichartigen Mittelgrundstück weniger
belastet wird (BVerwGE 51, 158 <160 f.>). Um eine daraus resultierende
Höherbelastung der anderen Anlieger in Grenzen zu halten, dürfen nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch die Erschließungsbeiträge für
andere Grundstücke nicht höher ansteigen als bis zum Anderthalbfachen des Betrages,
der auf sie bei einer vollen Belastung der Eckgrundstücke anfallen würde (BVerwG, Urteil
vom 4. September 1970 – BVerwG IV C 98.69 – Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 4 S. 8
f.; BVerwGE 51, 158 <161>). Es ist angesichts der im Vergleich zum
Erschließungsbeitragsrecht bedeutend höheren Zahl von Kostenpflichtigen für die
Straßenreinigung im Land Berlin nichts dafür ersichtlich, daß infolge der Anwendung von
§ 7 Abs. 4 Satz 2 StrReinG das Straßenreinigungsentgelt für Mittelanlieger diese Grenze
überschreiten könnte. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht für das
Erschließungsbeitragsrecht weiter entschieden, daß die Entlastung der Eckgrundstücke
auf Kosten der Mittelanlieger vor allem wegen des Ausmaßes der gewährten Ermäßigung
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auf Kosten der Mittelanlieger vor allem wegen des Ausmaßes der gewährten Ermäßigung
mit dem Gleichheitssatz unvereinbar sein kann. Dabei sah das Gericht als besonders
„anfällig“ für Verstöße gegen den Gleichheitssatz eine Vergünstigungsvorschrift an,
nach der – wie im Fall des § 7 Abs. 4 Satz 2 StrReinG – bei Eckgrundstücken die
Grundstücksfläche jeweils nur in dem Verhältnis anzusetzen ist, in dem die
Grundstücksbreiten (Frontlängen) an den Straßen zueinander stehen. Die Anwendung
einer solchen Vorschrift bei einem Eckgrundstück mit einer schmalen Front an der
aufwendigeren Erschließungsanlage und einer ausgedehnteren Front an der minder
aufwendigen Anlage könne dazu führen, daß sich die Belastung eines Eckgrundstücks im
Vergleich zur Belastung eines gleich großen und entsprechend nutzbaren
Mittelgrundstücks um ein Vielfaches verringere. Der Gleichheitssatz gebiete eine
Begrenzung der sich umverteilend auswirkenden Eckermäßigung dahin, daß die
Belastung des Eckgrundstücks mit Erschließungsbeiträgen für beide Straßen insgesamt
nicht wesentlich niedriger sein dürfe als die Belastung eines vergleichbaren
Mittelgrundstücks an einer dieser Straßen. Die Belastung sei in diesem Sinne
„wesentlich“ niedriger, wenn sie um mehr als 10 % die Beitragsbelastung eines
gleichartigen Mittelgrundstücks unterschreite, wobei die anteilsmäßige Heranziehung
nach dem Verhältnis der Grundstücksbreiten zur Überschreitung der 10%-Untergrenze
führen könne (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1985, a.a.O., Buchholz 406.11 § 131
BBauG Nr. 65 S. 94 f.).
Für das Straßenreinigungsrecht ist der konkret zulässige Umfang einer
Eckgrundstücksvergünstigung von der Rechtsprechung bisher nicht festgelegt worden
(vgl. OVG NW, Urteil vom 7. Januar 1982, a.a.O., NVwZ 1983, 491 <492>; Stemshorn,
a.a.O., § 6 Rn. 477a). Die vom Bundesverwaltungsgericht für das
Erschließungsbeitragsrecht herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Begrenzungen
können aber im Hinblick auf die Unterschiede zwischen den Rechtsmaterien nicht auf
das Straßenreinigungsrecht übertragen werden.
Der Erschließungsbeitrag ist ein echter Beitrag als einmalige Gegenleistung für die
erstmalige endgültige Herstellung von Erschließungsanlagen und der dadurch für das
einzelne Grundstück geschaffenen Inanspruchnahmemöglichkeit der Anlage (Quaas,
a.a.O., Rn. 230). Dabei ist der gesetzliche Regelfall die Abrechnung einer einzelnen
Erschließungsanlage. Der räumliche Umfang für den Erschließungsaufwand ist also
konkret begrenzt. Im Erschließungsbeitragsrecht sind damit für die Herstellung einer
Erschließungsanlage konkret anfallende Kosten einmalig auf eine überschaubare Anzahl
von Beitragspflichtigen zu verteilen. Das Berliner Straßenreinigungsentgelt ist kein
derartiger Beitrag. Im Straßenreinigungsrecht fehlt es darüber hinaus an einem
vergleichbar engen Bezug des einzelnen Grundstücks zu der jeweiligen Straße, da das
Straßenreinigungsentgelt weder die Gegenleistung für das Vorhandensein der
Erschließung noch die Gegenleistung für die Reinigung des Straßenabschnitts vor dem
Grundstück darstellt, sondern als Ausgleich des Vorteils einer saubereren und sicheren
Straße dient. Die Verteilung der Straßenreinigungskosten auf eine Vielzahl von
Schuldnern im gesamten Land Berlin sowie auf das Land Berlin selbst zur Abdeckung
des Aufwandes für wiederkehrende Reinigungsleistungen erfordert damit keine
gleichermaßen strikten Vergünstigungsbegrenzungen wie bei Erschließungsbeiträgen.
Dies gilt um so mehr, als im Erschließungsbeitragsrecht gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2
BauGB (in Abwandlung des Erschließungsbegriffs in § 131 Abs. 1 BauGB) nur Grund-
stücke der Beitragspflicht unterliegen, die dergestalt erschlossen sind, daß etwaige
rechtliche und tatsächliche Hindernisse in bezug auf die verkehrliche Erreichbarkeit des
Grundstücks tatsächlich ausgeräumt sind. Demgegenüber reicht es nicht aus, daß ein
der verkehrlichen Erreichbarkeit in Form der Möglichkeit des Heranfahrens, des
Herauffahrenkönnens oder der nur fußläufigen Erreichbarkeit des Grundstücks
entgegenstehendes beachtliches Hindernis ausräumbar ist (Quaas, a.a.O., Rn. 230, 340,
546; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, a.a.O., § 17 Rn. 20; § 23 Rn. 21 ff.).
Hiervon unterscheidet sich die Entgelterhebung im Straßenreinigungsrecht (vgl. auch
HessVGH, Urteil vom 3. Juli 1996 – 5 UE 4078/95 – NVwZ-RR 1998, 133 <134>) und
konkret im Berliner Straßenreinigungsrecht, das die Anlieger für die Kosten der
Straßenreinigung bereits deswegen in Anspruch nimmt, weil die Anliegergrundstücke an
die öffentliche Straße angrenzen (§ 5 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1, 4 Sätze 1 und 2
StrReinG), ohne daß eine weitere Differenzierung erfolgt.
Allerdings bringt das Angrenzen des Grundstücks an eine Straße grundsätzlich die
Möglichkeit der wirtschaftlichen oder verkehrlichen Nutzung des Grundstücks mit sich,
insbesondere die Möglichkeit der Schaffung eines Zugangs oder einer Zufahrt, bei deren
Vorliegen die Straßenreinigung für den Eigentümer des angrenzenden Grundstücks in
aller Regel sich auch vorteilhaft auswirkt und demgemäß ein objektives Interesse des
Angrenzers an der Reinigung der Straße begründet (BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1974 –
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Angrenzers an der Reinigung der Straße begründet (BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1974 –
BVerwG VII C 46.72 – Buchholz 401.84 Nr. 23 S. 48; Beschluß vom 17. April 1989, a.a.O.,
Buchholz 401.84 Nr. 65 S. 8 f.). Hieraus folgt jedoch keine Pflicht des Berliner
Landesgesetzgebers, im Hinblick auf den Gleichheitssatz eine Regelung zu treffen, die
den Eckgrundstückseigentümer im Vergleich zum Mittelanlieger allenfalls geringfügig
entlastet bzw. gleich oder gar mehr belastet. Während bei einem nur an eine Straße
angrenzenden Grundstück das Bestehen der Zugangsmöglichkeit zu dieser Straße
grundsätzlich angenommen werden kann, durfte der Gesetzgeber aus Gründen der
Verwaltungspraktikabilität (vgl. dazu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6.
Aufl. 2001, § 9 Rn. 17, 24) eine Typisierung vornehmen und zugunsten des
Eckgrundstückseigentümers davon ausgehen, daß bei mehreren Zugangsmöglichkeiten
zu verschiedenen Straßen ein Eckgrundstück möglicherweise nur über einen Zugang zu
der „billigeren“ Straße verfügt und daher der Vorteil aus der Reinigung der „billigeren“
Straße geringer ist als derjenige, den ein Mittelgrundstück mit alleinigem Zugang zur
„teureren“ Straße aus der Reinigung derselben zieht. Nicht zuletzt stellt der Berliner
Gesetzgeber für die Entgeltpflicht von Hinterliegergrundstücken maßgeblich auf das
tatsächliche Vorhandensein von Zufahrten und Zugängen ab (§ 7 Abs. 4 Sätze 3 u. 4
StrReinG). Es darf auch nicht aus den Augen verloren werden, daß für die Bemessung
der Höhe des Entgelts nicht der Erschließungsvorteil maßgebend ist, sondern die
Inanspruchnahme der Einrichtung „Straßenreinigung“ (OVG NW, Urteil vom 27. Juni
1984, a.a.O., KStZ 1985, 35). Es ist damit noch sachgerecht, wenn der Gesetzgeber das
Angrenzen eines Grundstücks an eine zweite „billigere“ Straße begünstigend
berücksichtigt und diese Begünstigung um so erheblicher ausfällt, je länger die
betreffende Grundstücksfront ausfällt, zumal die vom Beschwerdeführer
ausgesprochene Vermutung, Eckgrundstücke seien auf Grund ihrer Lage besonders
begehrt, in dieser Weise nicht festgestellt werden kann; vielmehr werden Ecklagen von
Eigentümern häufig als nachteilig empfunden (OVG NW, Urteil vom 7. Januar 1982,
a.a.O., NVwZ 1983, 491 <492>). Die hinter einer Regelung wie § 7 Abs. 4 Satz 2
StrReinG stehende Überlegung, daß sich der einem mehrfach erschlossenen Grundstück
vermittelte Reinigungsvorteil überwiegend nach der Straße richtet, an die es in größerem
Umfang angrenzt, da bei größerer Frontlänge die Zugangsmöglichkeiten vielfältiger
seien, mag nicht immer zutreffen (vgl. dazu Quaas, a.a.O., Rn. 449, Fn. 395), kann aber
noch nicht als willkürlich bewertet werden. Wie dargelegt, ist die Grenze, die der
Gestaltung von Abgabentatbeständen durch den Gleichheitssatz gesetzt wird, nur dort
überschritten, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung von Sachverhalten nicht mehr
mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo
also ein einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt
und diese daher willkürlich wäre (BVerwG, Beschluß vom 19. März 1981 – BVerwG 8 B
10.81 – Buchholz 401.84 Nr. 42 S. 1). Davon kann nach dem eben Gesagten nicht
ausgegangen werden.
Die geringere Belastung von Eckgrundstücken, die mit ihrer zweiten Seite an eine Straße
des Straßenverzeichnisses C angrenzen, kann schließlich ebenso wenig einen Verstoß
des § 7 Abs. 4 Satz 2 StrReinG gegen den Gleichheitssatz begründen. Denn diese
Grundstücke werden, obwohl die Eigentümer die Reinigungsleistung für die Straße des
Reinigungsverzeichnisses C selbst erbringen müssen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 StrReinG), nach
dem Straßenreinigungsgesetz zunächst unter Zugrundelegung der vollen
Grundstücksfläche zum Straßenreinigungsentgelt für die von den Berliner
Stadtreinigungsbetrieben erfolgende Reinigung der anderen Straße herangezogen. Die
geringere Entgeltpflicht resultiert nicht aus der unmittelbaren Anwendung des § 7 Abs. 4
Satz 2 StrReinG, sondern aus der Bejahung einer unzumutbaren Härte gemäß § 5 Abs. 3
StrReinG nach Stellung eines entsprechenden Antrags. Ohnehin bestehen gegen eine
stark verminderte Entgeltpflicht eines derartigen Eckgrundstücks schon deswegen keine
Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz, weil es sachlich gerechtfertigt ist, den
Eigentümer im Hinblick auf die zu erbringende eigene Reinigungsleistung erheblich von
den Straßenreinigungsentgelten im übrigen zu entlasten.
Diese Entscheidung ist zu Ziffer 6 mit fünf zu drei Stimmen ergangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
Abweichende Meinung
Die Rüge des Beschwerdeführers, daß Eigentümer von Eckgrundstücken, deren Größe
derjenigen seines Grundstücks vergleichbar sei, durch die Regelung des § 7 Abs. 4 Satz
2 StrReinG ohne sachlichen Grund bessergestellt würden, halten wir für begründet. Da
sich diese Rechtsfolge unmittelbar aus der genannten Vorschrift ergibt, verstößt diese
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sich diese Rechtsfolge unmittelbar aus der genannten Vorschrift ergibt, verstößt diese
insoweit gegen Art. 10 Abs. 1 VvB. Da gemäß § 7 Abs. 1 und 2 StrReinG jede sich aus § 7
Abs. 4 Satz 2 StrReinG ergebende Ermäßigung für Eigentümer von Eckgrundstücken auf
diejenigen Anlieger und Hinterlieger umverteilt werden muß, die – wie der
Beschwerdeführer – von dieser Ermäßigung nicht profitieren, sich für letztere also
entgeltsteigernd auswirkt, ist der Beschwerdeführer durch den nach unserer Auffassung
gegebenen Verfassungsverstoß auch beschwert. Die angegriffenen Entscheidungen des
Amts- und Landgerichts beruhen auf einer zu Lasten des Klägers verfassungswidrigen
Verteilung der Kosten der Straßenreinigung und verletzen ihn deshalb in seinem Recht
aus Art. 10 Abs. 1 VvB.
Der allgemeine Gleichheitssatz, der in Art. 10 Abs. 1 VvB inhaltsgleich mit Art. 3 Abs. 1
GG verbürgt ist, verbietet, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich oder wesentlich
Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Dabei ist es grundsätzlich Sache des
Normgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, die er im Rechtssinne als wesentlich
gleich oder wesentlich ungleich ansehen will. Den ihm insoweit zustehenden
Gestaltungsspielraum muß er jedoch sachgerecht ausüben. Was dabei in Ansehung des
Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd ist, läßt sich nicht abstrakt und
allgemein feststellen, sondern nur in bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen
Sach- und Regelungsbereiche, also das jeweilige Vergleichssystem.
Insoweit mag es zutreffen, daß die vom Bundesverwaltungsgericht für das
Erschließungsbeitragsrecht herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen
eine zu weitgehende Entlastung von Eckgrundstücken auf Kosten der Mittelanlieger im
Hinblick auf die Unterschiede zwischen den Rechtsmaterien nicht ohne weiteres auf das
Straßenreinigungsrecht übertragen werden können. Das entbindet den Gesetzgeber
jedoch nicht von der Verpflichtung, innerhalb des straßenreinigungsrechtlichen
Vergleichssystems dem Gleichheitssatz Rechnung zu tragen. Zu prüfen ist demgemäß,
ob und ggf. in welchen Grenzen die Ungleichheit der Vorteilslage zwischen den
Mittelanliegern einer Straße höherer Reinigungsklasse und den Inhabern vergleichbar
großer Eckgrundstücke, die zugleich an eine Straße niedrigerer Reinigungsklasse
grenzen, die vom Beschwerdeführer beanstandete Ungleichheit bei der Erhebung von
Straßenreinigungsentgelten, nämlich die - u.U. erheblich - geringere Belastung der
letztgenannten Grundstücke, sachlich und einleuchtend rechtfertigen kann. Dies hängt
wesentlich davon ab, welche Vorteile der Gesetzgeber durch das
Straßenreinigungsentgelt ausgleichen will.
Wie die entscheidungstragende Mehrheit zutreffend hervorhebt, dient das
Straßenreinigungsentgelt als Ausgleich des Vorteils einer sauberen und sicheren Straße.
Deshalb nimmt das Berliner Straßenreinigungsrecht die Anlieger für die Kosten der
Straßenreinigung bereits deswegen in Anspruch, weil ihre Grundstücke an die öffentliche
Straße angrenzen, ohne daß es auf das Bestehen eines tatsächlichen Zugangs von
dieser Straße ankommt. Sachlich rechtfertigender Grund für das Absehen von weiteren
Differenzierungen ist der Umstand, daß das Angrenzen in aller Regel die durch die
Straße gegebene Möglichkeit der wirtschaftlichen oder verkehrlichen Nutzung,
insbesondere die Möglichkeit der Schaffung eines Zugangs oder einer Zufahrt mit sich
bringt, bei deren Vorliegen sich die Straßenreinigung für den Eigentümer des
angrenzenden Grundstücks in aller Regel auch vorteilhaft auswirkt (Seite 20 f. des
Beschlusses m.w.N.). Folgt im Vergleichssystem hiernach der maßgebliche Vorteil schon
allein aus der bei typisierender Betrachtung bestehenden Zugangsmöglichkeit, ist es
nicht einleuchtend, sondern im Gegenteil ein sachfremder Systembruch,
Eckgrundstücke, die typischerweise eine Zugangsmöglichkeit zu zwei Straßen und damit
einen größeren Vorteil haben als ein vergleichbar großes Mittelgrundstück, geringer als
letzteres zu belasten, weil sie diesen größeren Vorteil möglicherweise tatsächlich nicht
nutzen. Damit könnte man – im Wege sozusagen verfeinerter Typisierung – allenfalls
eine Begrenzung der Belastungshöhe auf das Niveau vergleichbar großer
Mittelgrundstücke, nicht aber eine – zumal erhebliche – Besserstellung der
Eckgrundstücke rechtfertigen.
Besonders augenfällig wird der in der Auffassung der entscheidungstragenden Mehrheit
unseres Erachtens angelegte argumentative Bruch auf Seite 21 des Beschlusses, wo
angenommen wird, hinter einer Regelung wie § 7 Abs. 4 Satz 2 StrReinG stehe die
Überlegung, daß sich der einem mehrfach erschlossenen Grundstück ver-mittelte
Reinigungsvorteil überwiegend nach der Straße richte, an die es in größerem Umfang
angrenzt, da bei größerer Frontlänge die Zugangsmöglichkeiten vielfältiger seien. Der
auf Seite 16 f. des Beschlusses mitgeteilte und belegte Befund, daß der Eigentümer
eines Eckgrundstücks sogar dann noch weniger zahlt als der Eigentümer eines allein an
die "teurere" Straße grenzenden Mittelgrundstücks, wenn die bedeutend längere
Grundstücksseite an die "teurere" Straße grenzt, läßt sich so keineswegs einleuchtend
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Grundstücksseite an die "teurere" Straße grenzt, läßt sich so keineswegs einleuchtend
begründen.
Nach unserer Auffassung hätten daher die angefochtenen Urteile wegen Verstoßes
gegen Art. 10 Abs. 1 VvB aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht Neukölln
zurückverwiesen werden müssen. Ferner hätte § 7 Abs. 4 Satz 2 StrReinG für nichtig
erklärt werden müssen, soweit er zu einer geringeren Belastung von Eckgrundstücken
gegenüber vergleichbaren Mittelgrundstücken führt.
Berlin, den 11. Juli 2003
1 Berechnungsbeispiel anhand des Grundstückszuschnitts des Beschwerdeführers (19 m
von 70 m Straßenfront ergeben ca. 27 %):
A3-Straße: 27 % von 970 qm = 261,9 qm x 0,24 DM = 62,86 DM vierteljährlich,
A4-Straße: 73 % von 970 qm = 708,1 qm x 0,08 DM = 56,64 DM vierteljährlich,
Vierteljahres-Gesamtbetrag von 119,50 x 4 = 478 DM Jahresbetrag statt vom
Beschwerdeführer zu zahlender 931,20 DM
2 Berechnungsbeispiel, wieder ausgehend von 970 qm sowie 51 m Grundstücksfront an
der A3-Straße und 19 m Grundstücksfront an der A4-Straße:
A3-Straße: 73 % von 970 qm = 708,1 qm x 0,24 DM = 169,94 DM vierteljährlich,
A4-Straße: 27 % von 970 qm = 261,9 qm x 0,08 DM = 20,95 DM vierteljährlich,
Vierteljahres-Gesamtbetrag von 190,89 x 4 = 763,80 DM Jahresbetrag statt vom
Beschwerdeführer zu zahlender 931,20 DM
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