Urteil des VerfGH Berlin vom 15.03.2017

VerfGH Berlin: treu und glauben, vermieter, einbau, verfassungsbeschwerde, bad, mietsache, rückbau, eigentümer, erneuerung, wohnraum

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
59/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
Art 23 Verf BE
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines Wohnhauses in Berlin-Neukölln. In einem
Mietrechtsstreit mit dem Beschwerdeführer begehrte die Mieterin einer 2-
Zimmerwohnung, diesen zu verurteilen, dem Einbau einer Gasetagenheizung, dem
Austausch von Badewanne, Handwasch- und Toilettenbecken sowie der Verfliesung der
Wände des Badezimmers zuzustimmen. Sie legte dar, sie habe von der
Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers die Erlaubnis erhalten, die genannten
Sanitärobjekte auf eigene Kosten gegen neue auszutauschen, was sie auch vor dessen
Übernahme im Juni 1986 getan habe. Der Beschwerdeführer habe in der Folgezeit
zumindest im Vorderhaus des Gebäudes nach und nach vorhandene Öfen gegen
Gasetagenheizungen ausgetauscht. Nachdem ihr mehrfach die Bitte um Zustimmung
zum Einbau einer Gasetagenheizung abgelehnt worden sei, habe sie mit Schreiben vom
20. Oktober 2000 erneut um Zustimmung für den Einbau gebeten und dabei einen
Kostenvoranschlag für den Einbau der Gasetagenheizung und ein Attest vorgelegt, das
belege, daß sie aus gesundheitlicher Sicht nicht in der Lage sei, Kohlen oder Briketts in
das erste Obergeschoß zu tragen.
Der Beschwerdeführer machte demgegenüber geltend, er sei zur Duldung nicht
verpflichtet, hilfsweise bestehe eine Duldungspflicht nur gegen die Leistung einer
Sicherheit in Höhe von 10.000,00 DM für den Rückbau der Baumaßnahmen und
mögliche Beschädigungen. Er begehrte im Wege der Widerklage, die Mieterin zu
verurteilen, im Jahre 2000 entfernte Badobjekte wieder anzuschließen sowie die
Isolierung der Warmwasserleitung wiederherzustellen, das Badezimmer ordnungsgemäß
zu verputzen und zu tapezieren, den in die Kammer der Wohnung eingebrachten
Warmwasserspeicher zu entfernen, die in der Kammer und dem Bad angebrachten
Unterkonstruktionen für die Abhängung von Decken zu beseitigen, die entstandenen
Löcher fachgerecht zu verschließen sowie Putzschäden fachgerecht auszubessern, das
aus dem Badezimmer entfernte Raumlicht wiederherzustellen und die im Flur
hergestellte Elektroleitung fachgerecht zu entfernen. Er führte aus, die Wohnung sei mit
der Möglichkeit der Beheizung durch Öfen vermietet worden und die Mieterin trage
keinen Grund vor, der sie berechtigen könne, die Mietsache einseitig baulich zu
verändern. Soweit die Mieterin eine verbesserte Wohnsituation wünsche, stehe es ihr
frei, das geschlossene Mietverhältnis zu beenden und aus der Wohnung auszuziehen.
In der mündlichen Verhandlung am 7. Mai 2000 vor dem Amtsgericht Neukölln stellte die
Mieterin keinen Antrag. Gegen das gegen sie daraufhin erlassene Versäumnisurteil legte
sie fristgemäß Einspruch ein. Am 28. Mai 2001 wies das Amtsgericht die Widerklage
durch Urteil ab.
Durch Urteil vom 30. Juli 2001 hob das Amtsgericht das Versäumnisurteil vom 7. Mai
2001 auf und verurteilte den Beschwerdeführer, dem Einbau einer Gasetagenheizung,
dem Austausch der Badewanne, des Handwasch- und des Toilettenbeckens sowie der
Verfliesung der Wände des Badezimmers mit Keramikkacheln zuzustimmen, soweit die
Mieterin vor der Durchführung der Baumaßnahmen Sicherheit für deren Rückbau und für
die durch sie möglichen Beschädigungen der Mietsache am Ende des Mietverhältnisses
leiste. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, die Mieterin könne von dem
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leiste. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, die Mieterin könne von dem
Beschwerdeführer grundsätzlich die Zustimmung zu den beabsichtigten baulichen
Veränderungen gemäß §§ 535 Satz 1, 536, 242 BGB beanspruchen. Zwar sei ein Mieter
grundsätzlich nicht zu baulichen Veränderungen in der gemieteten Wohnung berechtigt,
die in die Substanz des Mietgebäudes eingreifen. Dies gelte jedoch nicht für bloße
Hilfsmaßnahmen für die Einrichtung und Ausstattung der Räume in den Grenzen des
Verkehrsüblichen. Auch bei weitergehenden baulichen Veränderungen unterliege das
generelle Verbot oder das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt der Einschränkung von Treu
und Glauben. Der Vermieter dürfe dem Mieter nicht ohne zwingenden Grund die
verbesserte Nutzung des Mietobjektes verweigern, insbesondere nicht die Durchführung
baulicher Maßnahmen, die im Zusammenhang mit dem Wohnzweck und der
Lebensführung des Mieters ständen, wie etwa einen Badeinbau, eine Änderung der
Heizungsart, die Verfliesung von Bad und Küche. Der Vermieter müsse berücksichtigen,
daß die Wohnung für jedermann Mittelpunkt der privaten Existenz sei, auf deren
Gebrauch er zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse sowie zur
Freiheitssicherung und Entfaltung seiner Persönlichkeit angewiesen sei. Der Vermieter
sei demgemäß nach Treu und Glauben verpflichtet, nicht ohne triftige, sachbezogene
Gründe dem Mieter Einrichtungen zu versagen, die ihm diese Nutzung als Mittelpunkt
seiner privaten Existenz ermöglichten, selbst wenn bei Abschluß des Mietvertrages
derartige Nutzungsmöglichkeiten noch gar nicht abgesehen werden konnten.
Sachbezogene, triftige Gründe ergäben sich für den Vermieter nur aus nicht
unerheblichen Beeinträchtigungen oder nachhaltigen Verschlechterungen der
Mietsache. Der Vermieter könne bauliche Veränderungen, die zu einem erhöhten
Wohnkomfort des Mieters führen sollen, nicht mit der Begründung abwehren, dieser
möge sich auf dem Wohnungsmarkt anderweitigen Wohnraum beschaffen, der seinen
Anforderungen genüge. Dies gelte um so mehr, als die Mieterin hier bereits seit mehr
als 16 Jahren wohne. Zwar könne der Vermieter zur Wahrung seiner eigenen Interessen
bauliche Maßnahmen verweigern, die zu einer dauerhaften Umgestaltung des
Wohngrundrisses oder endgültigen oder nur schwer behebbaren Veränderungen oder
nachhaltigen Folgewirkungen für das Mietobjekt, nachteiligen Veränderungen des
Gesamteindrucks, Störungen, Belästigungen oder Gefährdungen Dritter führen könnten.
Auch sei er zur Verweigerung berechtigt, wenn dadurch etwaige eigene
Modernisierungspläne oder die Weitervermietbarkeit beeinträchtigt oder das Haftungs-
Kostenrisiko erhöht würden. Er sei auch berechtigt, solche Maßnahmen von Auflagen,
wie etwa dem Nachweis fachmännischer Planung und Durchführung, der Übernahme der
Verpflichtung zur Beseitigung der vorgenommenen Veränderungen zum Ende des
Mietverhältnisses oder für den Fall der Durchführung eigener
Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters, der Übernahme einer Schadenshaftung
und der Freistellung von berechtigten Ansprüchen Dritter sowie dem Abschluß einer
Haftpflichtversicherung oder der Erbringung einer hinreichenden Sicherheit für zu
erwartende Rückbaukosten abhängig zu machen.
Die Erneuerung der Badobjekte durch die Mieterin sei nur als eine Wiederholung der
Erneuerung anzusehen, die die Mieterin bereits in Absprache mit der Rechtsvorgängerin
des Beschwerdeführers vorgenommen habe. Hinsichtlich der Wandbekleidung im Bad sei
der Beschwerdeführer dem Vortrag der Mieterin nicht erheblich entgegengetreten, daß
dort nur ein Wandputz vorhanden gewesen sei, den sie mit wasserfester Farbe
gestrichen habe. Rigipsplatten mit Fliesen könnten zum Mietende von der Mieterin
beseitigt und der Zustand wieder hergestellt werden. Auch bei der Heizung sei von einer
Beseitigungsmöglichkeit auszugehen. Das von der Mieterin vorgelegte, detaillierte
Kostenangebot lasse keine Auswirkungen auf die bauliche Gestaltung der
Wohnungsnutzung erkennen.
Gegen dieses Urteil legte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14. September 2001
Berufung ein, die das Landgericht durch Urteil vom 8. Februar 2002 zurückwies. Es führte
unter Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts aus, daß zwar
ein mietvertraglicher Anspruch der Mieterin zur Durchführung der Modernisierung
grundsätzlich nicht bestehe. Ein solcher Anspruch bestehe jedoch dann, wenn die
Mieterin ein berechtigtes Interesse an Maßnahmen habe, welches das Interesse des
Beklagten an der Substanzerhaltung überwiege. Die Mieterin habe insofern hinreichend
dargelegt, daß die von ihr beabsichtigten Maßnahmen zu einer erheblichen
Verbesserung der Wohnqualität führen und nur minimale Eingriffe in die Substanz
verursachen würden, welche mit geringen Mitteln wieder beseitigt werden könnten. Auch
die Höhe der Sicherheitsleistung sei durch das Amtsgericht zutreffend geschätzt
worden. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Gegen das Urteil des Landgerichts richtet sich die Verfassungsbeschwerde. Der
Beschwerdeführer rügt, sein Grundrecht aus Art. 23 Abs. 1 der Verfassung von Berlin
(VvB) sei verletzt. Die Annahme des Bestehens eines das Eigentumsrecht des
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(VvB) sei verletzt. Die Annahme des Bestehens eines das Eigentumsrecht des
Vermieters einschränkenden Veränderungsrechts stehe nicht im Einklang mit dem
verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsschutz. Das Landgericht habe verkannt,
daß Inhalt und Schranken des Eigentumsrechts vom Gesetzgeber und nicht von der
Rechtsprechung bestimmt würden. Selbst wenn man davon ausgehen könnte, daß es
den Gerichten obliege, eine inhaltliche Ausgestaltung des Eigentumsrechts im Mietrecht
vorzunehmen, habe das Landgericht eine das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers
ausreichend berücksichtigende Abwägung nicht vorgenommen. Im übrigen sei
angesichts des Überangebots von Wohnraum in Berlin und Brandenburg ein Mieter auf
seine aktuelle Wohnung nicht angewiesen. Wenn er mit ihr nicht zufrieden sei, sei es ihm
zumutbar, sich eine andere Wohnung auszuwählen und umzuziehen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Beschwerdeführer
ist durch das von ihm angegriffene Urteil des Landgerichts nicht in dem von ihm geltend
gemachten, in Art. 23 Abs. 1 der Verfassung von Berlin enthaltenen Recht auf Eigentum
verletzt.
Selbst eine nach einfachem Recht möglicherweise fehlerhafte und den widerstreitenden
Interessen der Beteiligten nicht hinreichend gerecht werdende mietrechtliche
Entscheidung begründet nicht in jedem Fall eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts.
Dieses wäre vielmehr nur dann verletzt, wenn die gerichtliche Entscheidung auf einer
grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Reichweite des
verbürgten Eigentumsgrundrechts beruht. Das ist hier nicht der Fall.
Der Eigentumsbegriff des Art. 23 VvB ist identisch mit dem des Art. 14 GG. Zu den
verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen, die das bürgerliche Recht einem
Rechtsträger zuordnet, gehört auch das Eigentum an Mietwohnungen (Beschluß vom 23.
November 2000 - VerfGH 72/00 - LVerfGE 11, 80 ff. <86>). Dabei ist es, wie der
Beschwerdeführer richtig ausführt, Sache des Gesetzgebers, Inhalt und Schranken des
verfassungsrechtlich geschützten Eigentums und damit die konkrete Reichweite der
Eigentumsgarantie im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 VvB zu bestimmen. Zwar
gewährleistet Art. 23 Abs. 1 VvB - anders als Art. 14 Abs. 2 GG - nicht ausdrücklich die
Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Diesem kommt im Ergebnis jedoch keine Bedeutung
zu, da die Sozialpflichtigkeit des Eigentums der Eigentumsgewährleistung des Art. 23
Abs. 1 VvB immanent ist (vgl. Beschluß vom 3. Mai 2001 - VerfGH 39/00 - ZMR 2001,
694 ff. <695>). Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 13. Dezember
2001 - VerfGH 50/01 - (GE 2003, 452 f.) ausgeführt hat, ist maßgeblich zu beachten, daß
Nutzung und Verfügung der Mietwohnung in jedem Fall nicht lediglich innerhalb der
Sphäre des Eigentümers bleibt, sondern Belange anderer, die auf die Nutzung des
Eigentumsobjekts angewiesen sind, berühren. Unter dieser Voraussetzung gehört zur
Sozialbindung des Eigentums das Gebot der Rücksichtnahme auf den Nichteigentümer,
der seinerseits der Nutzung des Eigentumsobjekts zu seiner Freiheitssicherung und
verantwortlichen Lebensgestaltung bedarf (vgl. ebda S. 453). Da, wie auch der
Beschwerdeführer ausführt, eine Interessenabwägung stattzufinden hat, ist bei dieser
Abwägung zu berücksichtigen, daß für den Mieter bei Wohnwertverbesserungen, die ihm
verweigert werden, nur die Möglichkeit bleibt, das Mietverhältnis zu beenden. Im Hinblick
auf die über lange Jahre hinaus gewachsene Bindung an die Wohnung wäre eine solche
Folge verfassungsrechtlich nur bei erheblichen Verletzungen der Vermieterrechte
geboten.
Das Landgericht hat danach in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise
ausgeführt, daß ein Anspruch der Mieterin auf die Maßnahmen dann gegeben sein kann,
wenn der Mieter ein berechtigtes Interesse an der Maßnahme hat, dieses das Interesse
des Eigentümers an der Substanzerhaltung überwiegt, die Maßnahme zu einer
erheblichen Verbesserung der Wohnqualität führt und dabei nur minimale Eingriffe in die
Substanz verursacht, welche mit geringen Mitteln wieder beseitigt werden können. Das
Landgericht hat dabei insbesondere auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
berücksichtigt, der bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 1963 ausgeführt hat,
daß die Versagung der Zustimmung durch den Vermieter nur dann nicht als
mißbräuchlich angesehen werden könne, wenn ihm durch die Maßnahme generell oder
im besonderen Fall Beeinträchtigungen seines Eigentums drohen würden, die den
Umständen nach nicht nur geringfügig sind (BGH, NJW 1963, 1539 ff., 1539).
Bezüglich der Badezimmerkeramik hat das Landgericht in verfassungsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise festgestellt, daß eine Substanzbeeinträchtigung und ein Nachteil
für den Eigentümer nicht ersichtlich seien, da der Rückbau mit einfachen Mitteln möglich
sei. Bezüglich des Einbaus der Gasetagenheizung hat das Landgericht unter
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sei. Bezüglich des Einbaus der Gasetagenheizung hat das Landgericht unter
Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts vom 30.
Juli 2001 ebenfalls keine Beeinträchtigungen der Bausubstanz festgestellt, die beim
Auszug der Mieterin nicht leicht beseitigt werden könnten. Auch die von der Mieterin zu
leistende Sicherheit für die Rückbaumaßnahmen hat es verfassungsrechtlich vertretbar
als ausreichend angesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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