Urteil des VerfGH Berlin vom 15.03.2017

VerfGH Berlin: anspruch auf rechtliches gehör, verfassungsbeschwerde, berufungsschrift, zwangsvollstreckung, verfügung, hinweispflicht, gehalt, unterhaltsleistung, prozessbeteiligter

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
157/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 10 Abs 1 Verf BE, Art 15
Abs 1 Verf BE, § 49 Abs 2
VGHG BE
Unzumutbarkeit der Erhebung einer Anhörungsrüge, wenn das
Fachgericht in den Urteilsgründen den geltend gemachten
Gehörsverstoß bereits verneint hatte
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin schloss im Jahre 1972 die Ehe mit dem Beteiligten zu 2. Seit
dem Jahre 1995 lebten sie und der Beteiligte zu 2. voneinander getrennt. Die
Beschwerdeführerin wohnte weiterhin in dem im hälftigen Miteigentum beider Parteien
stehenden Einfamilienhaus.
Im März 2002 erhob sie bei dem Amtsgericht Pankow/Weißensee Klage mit dem Antrag,
den Beteiligten zu 2. zur Zahlung eines monatlichen Teilelementarunterhaltsbetrages in
Höhe von 2.500 EUR ab Januar 2002 zu verurteilen.
Im Verlauf des Verfahrens stritten die Beschwerdeführerin und der Beteiligte zu 2. u. a.
über die Frage eines etwaigen Wohnwertvorteils der Beschwerdeführerin, die
Berücksichtigung von Finanzierungsaufwendungen des Beteiligten zu 2. für das
gemeinsame Haus sowie die Frage, ob Gehaltszahlungen des Beteiligten zu 2. an die
Beschwerdeführerin als Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen seien.
Das Amtsgericht holte ein Sachverständigengutachten über die Höhe des
unterhaltsrechtlich relevanten Nettoeinkommens des Beteiligten zu 2. in den Jahren
1997 bis 2001 aus seiner selbständigen Tätigkeit als Steuerberater ein. Hiergegen
wandte der Beteiligte zu 2. ein, üblicherweise werde nur ein Zeitraum von drei Jahren
überprüft. Es sei daher völlig unverständlich, aus welchem Grunde für den weiterhin zu
zahlenden Unterhalt die Jahre 1997 und 1998 maßgeblich sein sollten.
Das eingeholte Sachverständigengutachten ermittelte das unterhaltsrechtlich relevante
monatliche Nettoeinkommen des Beteiligten zu 2. mit zwei verschiedenen Methoden.
Nach dem Ergebnis der einen („Version I“) belief sich das durchschnittliche
Monatseinkommen in dem fraglichen Zeitraum auf 7.431 EUR, nach dem der anderen
(„Version II“) auf 8.783 EUR.
Am 5. Dezember 2005 verurteilte das Amtsgericht Pankow/Weißensee den Beteiligten zu
2. zur Zahlung eines Unterhaltsrückstandes für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis 31.
Oktober 2005 in Höhe von 83.270,81 EUR sowie für die Zeit ab dem 1. November 2005
zur Zahlung eines monatlichen Teilelementarunterhalts in Höhe von 2.500 EUR. Zur
Begründung führte es im Wesentlichen an, für die Berechnung des
Unterhaltsanspruches sei der um die Einlagen gekürzte Betrag der Entnahmen des
Beteiligten zu 2. zugrunde zu legen. Nach den überzeugenden Feststellungen des
eingeholten Gutachtens sei für die Jahre 1997 bis 2001 von einem monatlichen – um
Vorsorgeaufwendungen bereinigten – Nettoeinkommen des Beteiligten zu 2. in Höhe
von 8.783 EUR auszugehen. Unter Berücksichtigung des monatlichen Nettoeinkommens
der Beschwerdeführerin in Höhe von 511,29 EUR ergebe sich entsprechend den
Richtlinien der Düsseldorfer Tabelle ein Anspruch in Höhe 3.545 EUR (3/7 der
beidseitigen Einkommensdifferenz), so dass der Beschwerdeführerin jedenfalls die
geltend gemachten 2.500 EUR monatlich zustünden.
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Hiergegen legte der Beteiligte zu 2. bei dem Kammergericht Berufung ein. Zur
Begründung führte er u. a. an, das Amtsgericht habe zu Unrecht sein Einkommen nicht
um die von ihm getragenen Finanzierungslasten für das gemeinsame Grundstück
bereinigt. Auch habe das erstinstanzliche Urteil die Tatsache, dass die
Beschwerdeführerin mietfrei wohne, nicht berücksichtigt. Es sei kein Wohnwert in Höhe
von 600 EUR in die Berechnung eingestellt worden. Einzustellen seien ferner die von ihm
an die Beschwerdeführerin als Unterhalt geleisteten Gehaltszahlungen.
Mit Beschluss vom 18. Mai 2006 stellte das Kammergericht auf Antrag des Beteiligten zu
2. gegen Sicherheitsleistung die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts
teilweise ein. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen an, dass die Berufung
des Beteiligten zu 2. nicht ohne jede Aussicht auf Erfolg sei. Fraglich erscheine, ob es
gerechtfertigt sei, für die Bedarfsbemessung die bereits deutlich in der Vergangenheit
liegenden Jahre 1997 und 1998 heranzuziehen. Ebenso dürfte auf Seiten der
Beschwerdeführerin ein Wohnvorteil anzusetzen sein, wobei es insoweit noch konkreter
Darlegungen zu den den Wohnwert bestimmenden Merkmalen bedürfe.
In der am 3. August 2006 durchgeführten mündlichen Verhandlung bat die
Beschwerdeführerin um eine Erklärungsfrist hinsichtlich der in der Verhandlung erfolgten
Darlegungen des Kammergerichts. Das Gericht bestimmte einen Termin zur
Verkündung einer Entscheidung auf den 31. August 2006.
Mit Schriftsatz vom 17. August 2006 vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung,
dass ihr eine Erklärungsfrist hinsichtlich der erst in der mündlichen Verhandlung vom
Kammergericht gegebenen Hinweise einzuräumen sei. Denn sie habe bis zur Erteilung
der Hinweise darauf vertrauen dürfen, dass das Kammergericht der Beurteilung der
Vorinstanz folgen wolle. Anders als das Amtsgericht wolle das Kammergericht jedoch
nicht auf eine Durchschnittsberechnung des Einkommens aus fünf Jahren, sondern nur
aus einem kürzeren Zeitraum zurückgreifen. Im Gegensatz zur Auffassung des
Amtsgerichts sei das Kammergericht der Ansicht, dass die Aufwendungen des
Beteiligten zu 2. für das gemeinsame Haus zu dessen Gunsten und ein Wohnvorteil für
das Wohnen in dem gemeinsamen Haus zu Lasten der Beschwerdeführerin zu
berücksichtigen seien. Es sei fernliegend, die Begründung des Beschlusses vom 18. Mai
2006 als hinreichenden Hinweis auf die entsprechende Auffassung des Kammergerichts
anzusehen.
Es komme hinzu, dass das Kammergericht erstmals in der mündlichen Verhandlung ein
Rechenwerk vorgetragen habe, welches infolge der von denjenigen der Vorinstanz
abweichenden rechtlichen Beurteilungen umfangreich und kompliziert sei. Es erscheine
völlig ausgeschlossen, dass ohne einen vorausgehenden Hinweis auf das neue und
insoweit komplizierte Rechenwerk nun sogleich im Rahmen der mündlichen Verhandlung
eine Stellungnahme hätte erfolgen können, zumal eine umfangreiche
Rückstandsberechnung aufgrund der völlig neuen Berechnungsparameter des
Kammergerichts erforderlich geworden sei.
Die Beschwerdeführerin trug ferner vor, dass sich hinsichtlich eines der in Frage
stehenden Kredite ab Januar 2006 die monatlichen Belastungen des Beteiligten zu 2.
verändert hätten. Hinsichtlich der Finanzierungsaufwendungen insgesamt sowie
hinsichtlich des in Frage stehenden Wohnvorteils sei zudem die anstehende
Zwangsversteigerung des Hauses zu ihren Gunsten zu berücksichtigen.
Mit Urteil vom 31. August 2006 änderte das Kammergericht das Urteil des Amtsgerichts
unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise ab und verurteilte den
Beteiligten zu 2., an die Beschwerdeführerin einen rückständigen Elementarunterhalt in
Höhe von 4312 EUR sowie einen rückständigen Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von
7228 EUR und ab August 2006 einen monatlich im Voraus fälligen Elementarunterhalt in
Höhe von 1009 EUR sowie einen Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 285 EUR zu zahlen.
Zur Begründung führte das Gericht u. a. an, den vom Amtsgericht gewählten
Grundsätzen zur Berechnung des Unterhaltsbedarfs der Beschwerdeführerin könne nicht
gefolgt werden. Üblicherweise sei für die Ermittlung des erzielten und die ehelichen
Lebensverhältnisse prägenden durchschnittlichen Einkommens ein Zeitraum von nur
drei Jahren zugrunde zu legen. Es bestehe hier kein Anlass, von diesem Grundsatz
abzuweichen. Auch sei eine Bestimmung des Unterhaltsbedarfs nach der von dem
Sachverständigen als Version II bezeichneten Ermittlungsmethode nicht gerechtfertigt.
Vielmehr sei die Version I zugrunde zu legen.
Erwerbseinkünfte auf Seiten der Beschwerdeführerin bestimmten ihren Bedarf nicht. Das
von dem Beteiligten zu 2. an sie gezahlte Gehalt werde nicht für eine Erwerbstätigkeit
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von dem Beteiligten zu 2. an sie gezahlte Gehalt werde nicht für eine Erwerbstätigkeit
gezahlt. Es sei daher nicht wie Erwerbseinkommen in die Unterhaltsberechnung
einzustellen, sondern als Tilgung des sich ergebenden Bedarfs.
Wegen der unentgeltlichen Nutzung des gemeinsamen Hauses durch die
Beschwerdeführerin sei ein entsprechender Wohnvorteil auf ihrer Seite als ihren Bedarf
teilweise deckend zu berücksichtigen. Der verbleibende Gebrauchsvorteil der für den die
Wohnung weiter nutzenden Ehegatten an sich zu großen Wohnung sei in der Regel
danach zu bestimmen, welchen Mietzins der Ehegatte auf dem örtlichen
Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard angemessene kleinere
Wohnung zahlen müsste. Danach ergebe sich auf der Grundlage des Mietspiegels 2003
ein monatlicher Betrag in Höhe von ca. 470 EUR.
Auf Seiten des Beteiligten zu 2. seien hingegen die konkret dargelegten
Finanzierungsaufwendungen in Höhe von insgesamt 1.294,48 EUR abzusetzen, da diese
die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hätten. Soweit die Beschwerdeführerin
hinsichtlich einzelner Kredite pauschal bestreite, dass diese der Finanzierung des
gemeinsamen Hauses gedient hätten, sei das Bestreiten mangels der notwendigen
Substantiierung unbeachtlich.
Eine Erklärungsfrist auf die Ausführungen des Senats im Termin vom 3. August 2006 sei
der Beschwerdeführerin nicht zu bewilligen gewesen. Denn die in der mündlichen
Verhandlung dargestellten Erwägungen und Berechnungen hätten keine neuen
Gesichtspunkte in den Rechtsstreit eingeführt. Hinsichtlich des zu Grunde zu legenden
Zeitraums habe der Senat auf entsprechende Bedenken bereits in seinem Beschluss
vom 18. Mai 2006 hingewiesen, ohne dass die Beschwerdeführerin auf diese zwischen
den Parteien streitige Frage später noch einmal eingegangen sei. Die
Beschwerdeführerin verkenne, dass die Hinweispflicht des Gerichts nicht dahin gehe, die
Einzelheiten eines Rechenwerks vor der mündlichen Verhandlung schriftlich den Parteien
mitzuteilen, und zwar eines Rechenwerks, dessen einzelne Positionen zwischen den
Parteien in beiden Instanzen eingehend erörtert worden seien. Der Senat habe in
diesem Zusammenhang auch keine rechtlichen Gesichtspunkte eingeführt, die nicht
bereits Gegenstand des Parteivortrages gewesen seien.
Hinsichtlich der Finanzierungsaufwendungen des Beteiligten zu 2. habe die
Beschwerdeführerin einen Schriftsatznachlass nicht begehrt. Der dazu im Schriftsatz
vom 17. August 2006 erfolgte neue Tatsachenvortrag habe nach § 296a ZPO ebenso
wenig Berücksichtigung finden können wie der nach dem Schluss der mündlichen
Verhandlung liegende Versteigerungstermin.
Mit ihrer Anfang Oktober 2006 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die
Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 10 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 der
Verfassung von Berlin – VvB –.
Das Kammergericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 15 Abs. 1 VvB)
verletzt, da es vor der mündlichen Verhandlung einen ausdrücklichen Hinweis auf seine
von dem Urteil des Amtsgerichts abweichende Rechtsauffassung unterlassen habe.
Das Kammergericht sei von dem Urteil des Amtsgerichts nicht nur in der Frage der
Einkommensbestimmung und der Bedarfsbemessung abgewichen, sondern habe auch –
abweichend von dem Sachverständigengutachten – seiner Entscheidung andere
Tatsachen als in erster Instanz festgestellt zugrunde gelegt. Das Gericht hätte
rechtzeitig vor dem Termin zumindest ansatzweise das sich nach seinen Vorbereitungen
daraus ergebende Zahlenwerk zur Verfügung stellen können und müssen. Erst hierauf
gestützt wären sachgerechte Einwände möglich gewesen, die in der mündlichen
Verhandlung hätten erörtert werden können.
Ein hinreichend deutlicher Hinweis des Kammergerichts sei vor der mündlichen
Verhandlung jedoch nicht erfolgt. Die an einen solchen Hinweis zu stellenden
Anforderungen habe auch der Beschluss vom 18. Mai 2006 nicht erfüllt. So habe diesem
nicht entnommen werden können, welchen Zeitraum das Gericht für die
Einkommensberechnung zugrunde legen wolle. Auch zur Frage des Wohnvorteils habe
sich der Beschluss auf die Darstellung beschränkt, dass ein der Höhe nach noch
überhaupt nicht im Einzelnen ermittelbarer Wohnvorteil anzusetzen sein könne. Die
Frage der Bedarfsbestimmung durch Leistungen an die Kreditgeber für das gemeinsame
Haus einerseits und der Berücksichtigung ihres Gehaltes als Einkommen bei der
Quotenberechnung oder als bedarfsdeckende Unterhaltsleistung andererseits sei dort
überhaupt nicht angesprochen worden.
Wäre der erforderliche Hinweis erfolgt, so hätte sie darauf hingewiesen, dass bei
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Wäre der erforderliche Hinweis erfolgt, so hätte sie darauf hingewiesen, dass bei
wesentlichen Gewinndifferenzen in einem überschaubaren Zeitraum zur Ermittlung des
Durchschnittseinkommens ein längerer Zeitraum heranzuziehen sei, die
Berücksichtigung eines Wohnvorteils angesichts der schwebenden Zwangsvollstreckung
und des unmittelbar bevorstehenden Zwangsversteigerungstermins schon dem Grunde
nach ungerechtfertigt, jedenfalls ein etwaiger monatlicher Wohnvorteil mit allenfalls 210
EUR zu berücksichtigen sei.
Es hätte ferner beachtet werden müssen, dass Leistungen in Form von Zahlungen für
die Hauskredite von ihr immer bestritten worden seien. Es hätte ferner berücksichtigt
werden müssen, dass das tatsächlich aufgrund eines Arbeitsvertrages an sie gezahlte
Gehalt – unabhängig davon, ob dem eine tatsächliche Arbeitsleistung
gegenübergestanden habe oder nicht – als vertragsgemäße Gehaltsleistung anzusehen,
demgemäß auch Einkommen im Rahmen der Quotenberechnung sei und nicht von
vornherein als Unterhalt bedarfsdeckend gezahlt worden sei. Schließlich habe sich durch
Recherchen nach Ergehen des Urteils herausgestellt, dass einer der von dem Gericht als
bedarfsdeckend anerkannten Kredite, der angeblich der Finanzierung von Renovierungs-
und Ausbaumaßnahmen des gemeinsamen Hauses gedient habe, tatsächlich erst nach
der Dacherneuerung des Hauses aufgenommen worden sei. Bei einem rechtzeitigen
gerichtlichen Hinweis hätte diese Recherche schon früher unternommen und auf ihr
Ergebnis rechtzeitig hingewiesen werden können.
Insgesamt stelle sich die fehlerhafte Anwendung der Verfahrensvorschriften der
Zivilprozessordnung auch als objektiv willkürlich dar.
Die Beteiligten haben gemäß § 53 Abs. 1 und 2 VerfGHG Gelegenheit zur Stellungnahme
erhalten.
II.
Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Ihrer Zulässigkeit steht allerdings nicht die Vorschrift des § 49 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG
entgegen, wonach die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs
erhoben werden kann, wenn gegen die behauptete Verletzung der Rechtsweg zulässig
ist. Zwar hat die Beschwerdeführerin vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde die
Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht zunächst bei dem
Kammergericht in einem Verfahren nach § 321a ZPO gerügt. Das Gebot der vorrangigen
Rechtswegerschöpfung wird jedoch durch den Gesichtspunkt der Zumutbarkeit
eingeschränkt (Urteil vom 19. Oktober 1992 – VerfGH 24/92 – LVerfGE 1, 9 <19>; vgl.
zum Bundesrecht: BVerfGE 9, 3 <7 f.>; 25, 158 <164>; 79, 1 <20>). Unzumutbar kann
die Erschöpfung des Rechtsweges etwa sein, wenn nicht zu erwarten ist, dass die
Anrufung des Fachgerichts die Anrufung des Verfassungsgerichts entbehrlich machen
wird (vgl. BVerfGE 9, 3 <8>; 79, 1 <20>; BVerfG, NJW 1999, 483 <484>). So liegt der
Fall auch hier. Die Beschwerdeführerin hat die mit der Verfassungsbeschwerde
angeführten Gründe, wegen derer sie ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt
sieht, im Wesentlichen bereits mit Schriftsatz vom 17. August 2006 gegenüber dem
Kammergericht vorgetragen. Das Kammergericht hat sich mit diesen Gründen in seinem
Urteil vom 31. August 2006 eingehend auseinandergesetzt und ist danach zu dem
Ergebnis gelangt, den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör nicht
verletzt zu haben. Vor diesem Hintergrund war vor Erhebung der
Verfassungsbeschwerde nicht damit zu rechnen, dass das Kammergericht in einem
Verfahren nach § 321a ZPO zu einer anderen Auffassung gelangen würde.
2. Ob die Verfassungsbeschwerde im Übrigen zulässig ist, sie insbesondere den
Begründungserfordernissen nach § 49 Abs. 1, § 50 VerfGHG genügt, bedarf hier keiner
Entscheidung. Denn jedenfalls ist sie unbegründet.
3. Das Kammergericht hat nicht den – mit Art. 103 Abs. 1 GG inhaltsgleichen – Anspruch
der Beschwerdeführerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 15 Abs. 1 VvB
verletzt. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist eine Folgerung aus dem
Rechtsstaatsgedanken für das Gebiet des gerichtlichen Verfahrens (vgl. Beschluss vom
20. August 1997 – VerfGH 46/97 – LVerfGE 7, 19 <22>). Der Einzelne soll nicht bloßes
Objekt des gerichtlichen Verfahrens sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine
Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis
nehmen zu können. Art. 15 Abs. 1 VvB garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen
Verfahren daher, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen
Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern
(vgl. Beschluss vom 27. Juni 2006 – VerfGH 99/04 – WuM 2006, 505 <506>). An einer
solchen Gelegenheit fehlt es nicht erst dann, wenn ein Beteiligter gar nicht zu Wort
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solchen Gelegenheit fehlt es nicht erst dann, wenn ein Beteiligter gar nicht zu Wort
gekommen ist oder das Gericht seiner Entscheidung Tatsachen zugrunde legt, zu denen
die Beteiligten nicht Stellung nehmen konnten. Eine dem verfassungsrechtlichen
Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt auch voraus, dass der
Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen
vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Art. 15
Abs. 1 VvB verlangt zwar grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor der Entscheidung auf
seine Rechtsauffassung hinweist. Ihm ist auch keine allgemeine Frage- und
Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen. Daher ist der Anspruch auf rechtliches
Gehör nicht schon verletzt, wenn der Richter einer Hinweispflicht des einfachen
Verfahrensrechts nicht nachkommt. Es kommt jedoch im Ergebnis der Verhinderung
eines Vortrags gleich, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den
Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter –
selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen – nach dem
bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. Beschlüsse vom 17.
Dezember 1997 – VerfGH 112/96 – LVerfGE 7, 49 <58>, 24. Juni 1999 – VerfGH 48/98 –
LVerfGE 10, 72 <78> und 25. Januar 2001 – VerfGH 148 A/00, 148/00 –; vgl. zum
Bundesrecht: BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144 f.>; BVerfG, NJW 2003, 2524).
Nimmt der Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung eine unerwartete Wendung, etwa
dadurch, dass bisher nicht erörterte Gesichtspunkte auftauchen, eine Beweisaufnahme
zu neuen Erkenntnissen führt oder das Gericht den Parteien mit einer geänderten oder
zumindest unerwarteten Rechtsauffassung gegenübertritt, so muss das Gericht
sicherstellen, dass sich die Parteien sachgemäß zum Prozessstoff äußern können. Gibt
ein Beteiligter – insbesondere durch Bitte um Einräumung einer Erklärungsfrist – zu
erkennen, dass er sich sachgemäß zu erstmals eingeführten Tatsachen,
Erfahrungssätzen oder rechtlichen Erwägungen nicht ohne eine angemessene
Vorbereitung äußern kann, so ist ihm auf einen solchen Antrag eine ausreichende Frist
zur Stellungnahme einzuräumen (Beschlüsse vom 22. November 2005 – VerfGH 206/03
– und 27. Juni 2006 – VerfGH 99/04 –, a. a. O.).
Diesen Anforderungen ist das Kammergericht gerecht geworden. Dies gilt auch unter
Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin angeführten höchstrichterlichen
Rechtsprechung, wonach eine Partei darauf vertrauen darf, dass ein Berufungsgericht ihr
seine von derjenigen des Erstgerichts abweichende Auffassung rechtzeitig durch einen
Hinweis mitteilen wird (vgl. BVerfG, NJW 1992, 678 <679>; NJW 2003, 2524; BGH, NJW
2005, 3284; MDR 2004, 169; NJW-RR 2004, 281 f.; MDR 2002, 1139; NJW-RR 1994, 566 f.).
Denn eine solche Hinweispflicht des Gerichts besteht nicht ausnahmslos, sondern nur
dann, wenn die Partei keinen Grund zu der Annahme hat, das Berufungsgericht werde
von der erstinstanzlichen Würdigung abweichen, etwa weil die Frage von keiner Partei
erörtert bzw. die erstinstanzliche Würdigung von keiner Partei angegriffen worden ist;
dies gilt aber u. a. dann nicht, wenn der Prozessgegner bereits gezielt und konkret auf
Mängel des gegnerischen Vortrags hingewiesen hat (Beschluss vom 27. Juni 2006 –
VerfGH 99/04 – WuM 2006, 505 <507 f.>; BGH, MDR 2002, 1139; NJW 1988, 696
<697>;1984, 310 <311>; 1980, 223 <224>; VersR 1977, 733 <734>; RGZ 78, 26
<33>; 156, 153 <161>; Leipold, in Stein/Jonas, ZPO, Bd. 3, 22. Aufl. 2005, § 139 Rn. 45,
69, 76; Peters, in: Münchener Kommentar, ZPO, Bd. 1., 2. Aufl. § 139 Rn. 20 f.;
Schellhammer, Zivilprozess, 11. Aufl. 2004, Rn. 405).
a) Spätestens nach der mit Beschluss des Kammergerichts vom 18. Mai 2006 erfolgten
teilweisen Einstellung der Zwangsvollstreckung konnte die Beschwerdeführerin nicht
mehr darauf vertrauen, dass das Kammergericht ebenso wie das Amtsgericht für die
Ermittlung des die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden durchschnittlichen
Einkommens auch auf die Jahre 1997 und 1998 abstellen werde. Denn das
Kammergericht hatte dort ausgeführt, es erscheine fraglich, ob es gerechtfertigt sei, für
die Bedarfsbemessung die bereits deutlich in der Vergangenheit liegenden Jahre 1997
und 1998 heranzuziehen. Die Beschwerdeführerin konnte hinsichtlich dieser Frage daher
nicht mehr mit einer Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils rechnen. Vor einer
verfassungswidrigen Überraschungsentscheidung war sie ausreichend geschützt. Eines
weitergehenden Hinweises bedurfte es nicht (vgl. BGH, NJW 1987, 3033 <3080>;
Leipold, a. a. O., § 139 Rn. 89; Peters, a. a. O.) Dies gilt umso mehr, als die Frage,
welcher Zeitraum der Ermittlung des durchschnittlichen Einkommens zugrunde zu legen
sei, bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Vortrages beider Parteien gewesen war.
So hatte der Beteiligte zu 2. mit Schriftsatz vom 7. Juli 2004 darauf hingewiesen, dass
üblicherweise nur ein Zeitraum von drei Jahren überprüft werde und es daher völlig
unverständlich sei, aus welchem Grunde nach dem Beweisbeschluss des Amtsgerichts
für den weiterhin zu zahlenden Unterhalt die Jahre 1997 und 1998 maßgeblich sein
sollten. Die Beschwerdeführerin selbst hatte in diesem Zusammenhang mit Schriftsatz
vom 27. April 2005 auf die „völlig eindeutige“ Rechtsprechung verwiesen, nach der der
Durchschnitt eines Zeitraumes von drei Jahren maßgebend sei.
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b) Entsprechendes gilt hinsichtlich der Frage, ob auf Seiten der Beschwerdeführerin ein
Wohnvorteil anzurechnen sei. Auch insoweit durfte es die Beschwerdeführerin schon
wegen der entsprechenden Ausführungen im Beschluss vom 18. Mai 2006 nicht
überraschen, dass das Kammergericht der Entscheidung des Amtsgerichts nicht folgte.
Zudem hatte der Beteiligte zu 2. mit seiner Berufungsschrift vom 7. März 2006
ausdrücklich gerügt, dass das erstinstanzliche Urteil keinen Wohnwert in Höhe von 600
EUR monatlich in die Berechnung eingestellt habe, obwohl die Beschwerdeführerin in
dem Einfamilienhaus der Eheleute mietfrei wohne. Der Beteiligte knüpfte damit
erkennbar an seinen bereits in erster Instanz mit Schriftsatz vom 20. März 2003
erfolgten Vortrag an, wonach der Wohnwert im Hinblick auf die lange Trennungsdauer
der Parteien an der objektiv zu erzielenden Marktmiete zu orientieren sei. Auch die
Beschwerdeführerin hatte hierzu im Berufungsverfahren noch einmal mit Schriftsatz
vom 10. Mai 2005 Stellung genommen und geäußert, dass von einem Wohnwert in Höhe
von 600 EUR keine Rede sein könne. Der Ansatz eines Wohnvorteils komme nur in
eingeschränkter Höhe in Betracht. Es sei lediglich der subjektive Wohnvorteil
anzusetzen, der für eine 1-1/2-Zimmer-Wohnung in einer vergleichbaren Gegend nur
einen Wohnaufwand von ca. 300 EUR erfordere.
Zudem entspricht die von dem Beteiligten zu 2. vertretene Auffassung im Kern der auch
vom Kammergericht mit dem angegriffenen Urteil in Bezug genommenen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Berücksichtigung des Wohnvorteils bei der
Bemessung des Trennungsunterhalts (vgl. BGH, NJW 1998, 2821 ff. m. w. N.). Auch
deshalb bestand aus Sicht eines gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten nach
dem Prozessverlauf hinreichender Anlass, mit der vom Kammergericht schließlich
vorgenommenen Ermittlung des Wohnvorteils der Beschwerdeführerin zu rechnen.
c) Dies gilt auch hinsichtlich der Berücksichtigung der von dem Beteiligten zu 2. für das
gemeinsame Haus erbrachten Finanzierungsaufwendungen. Auch insoweit hatte der
Beteiligte zu 2. in seiner Berufungsschrift ausdrücklich gerügt, dass das Amtsgericht sein
Einkommen nicht um die von ihm getragenen Finanzierungslasten für das gemeinsame
Haus bereinigt habe. Das Kammergericht hat seiner Entscheidung auch hinsichtlich
dieser Frage die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde gelegt
(vgl. BGH, NJW 1998, 2821 ff.) und maßgebend darauf abgestellt, ob die in Frage
stehenden Kreditraten die ehelichen Lebensverhältnisse prägten. Es ist auch nicht
erkennbar, dass das Kammergericht in dem angegriffenen Urteil zu Unrecht davon
ausgegangen ist, der Beteiligte zu 2. habe seine Finanzierungsaufwendungen für das
gemeinsame Haus konkret dargetan. Angesichts der Pflicht einer Prozesspartei gemäß §
138 Abs. 2 ZPO, sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsache zu erklären, und
der zu dieser Vorschrift ergangenen Rechtsprechung (vgl. hierzu Hartmann, in:
Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl. 2007, § 138 Rn. 30 m. w. N.)
durfte es die Beschwerdeführerin daher nicht überraschen, dass das Kammergericht das
pauschale Bestreiten dieser Finanzierungsaufwendungen für unbeachtlich hielt.
d) Schließlich bestand für die Beschwerdeführerin hinreichender Anlass damit zu
rechnen, dass das Kammergericht die Gehaltszahlungen des Beteiligten zu 2. an die
Beschwerdeführerin zu deren Lasten berücksichtigen werde. Denn auch insoweit hatte
der Beteiligte zu 2. mit seiner Berufungsschrift die Fehlerhaftigkeit des erstinstanzlichen
Urteils ausdrücklich gerügt.
Im Übrigen ist insoweit nicht erkennbar, dass das angegriffene Urteil auf dem von der
Beschwerdeführerin gerügten Verstoß beruhen könnte. Hierfür wäre erforderlich, dass
die Beschwerdeführerin bei einem rechtzeitigen Hinweis über ihren bis dahin erfolgten
Vortrag hinaus weiteres vorgetragen hätte (vgl. zu diesem Erfordernis Beschluss vom
11. Januar 1995 – VerfGH 81/94 – LVerfGE 3, 3 <6>; st. Rspr.). Dies ist jedoch nicht
ersichtlich. Denn die Beschwerdeführerin hatte auf die Berufungsschrift des Beteiligten
zu 2. bereits mit Schriftsatz vom 10. Mai 2005 entgegnet, das von dem Beteiligten zu 2.
an sie gezahlte Gehalt stelle von seiner Zielsetzung gerade keine Unterhaltsleistung dar,
sondern erfolge aufgrund eines Arbeitsvertrages. Es sei somit allenfalls als ihr
Einkommen im Rahmen der Quotenunterhaltsberechnung zu berücksichtigen. In ihrer
Verfassungsbeschwerde beschränkt sich die Beschwerdeführerin darauf, diese
Argumentation zu wiederholen und auszuführen, dass diese habe berücksichtigt werden
müssen.
Soweit die Beschwerdeführerin damit der Sache nach eine ihrer Auffassung nach
unzutreffende Rechtsanwendung durch das Kammergericht rügen sollte, kommt eine
Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör ebenso wenig in Betracht. Denn Art.
15 Abs. 1 VvB schützt grundsätzlich nicht davor, dass das Gericht tatsächlichen
Umständen nicht die richtige Bedeutung beimisst oder die Rechtsansicht eines
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Umständen nicht die richtige Bedeutung beimisst oder die Rechtsansicht eines
Beteiligten nicht teilt (Beschluss vom 27. Juni 2006 – VerfGH 99/04 – WuM 2006, 505
<508> m. w. N.).
e) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass das Kammergericht von Verfassungs
wegen auch nicht dazu verpflichtet war, der Beschwerdeführerin das sich aus seinen
Vorüberlegungen ergebende Rechen- und Zahlenwerk vor der mündlichen Verhandlung
zur Verfügung zu stellen. Denn da die Beschwerdeführerin nicht davon überrascht sein
durfte, dass das Kammergericht dem Urteil des Amtsgerichts hinsichtlich der
aufgeführten Rechtsfragen nicht folgte, durfte sie auch nicht von den sich daraus
ergebenden Berechnungen des Kammergerichts überrascht sein.
Zudem ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das Kammergericht seine
Berechnungen auf Tatsachen gestützt hat, zu denen sich die Beschwerdeführerin nicht
zuvor hätte äußern können. Im Übrigen ist insoweit nicht erkennbar, dass das
angegriffene Urteil auf dem gerügten Unterlassen des Kammergerichts beruhen könnte.
Denn die Beschwerdeführerin zeigt nicht auf, welche Einwände sie gegen die konkreten
Berechnungen des Kammergerichts erhoben hätte, wäre ihr das Rechen- und
Zahlenwerk bereits vor der mündlichen Verhandlung zur Verfügung gestellt worden.
f) Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt vor diesem Hintergrund ferner,
dass das Kammergericht den mit Schriftsatz vom 17. August 2006 erfolgten
Tatsachenvortrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Finanzierungsaufwendungen
und hinsichtlich der Auswirkungen des anstehenden Versteigerungstermins gemäß §
296a ZPO als verspätet zurückgewiesen hat. Die Subsumtionsvorgänge bei der
Anwendung der Verfahrensnormen über die Nichtberücksichtigung verspäteten
Vorbringens sind der Nachprüfung des Verfassungsgerichtshofs entzogen, solange nicht
Fehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der
Bedeutung des Art. 15 Abs. 1 VvB, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs,
beruhen. Nicht jede fehlerhafte Anwendung solcher Vorschriften verletzt Art. 15 Abs. 1
VvB. Notwendig ist stets, dass eine verfassungsrechtlich erforderliche Anhörung
unterblieben ist (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 69, 126 <138 f.>; 81, 264 <273>,
jeweils m. w. N.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Das Kammergericht musste die
Beschwerdeführerin nicht auf die Notwendigkeit hinweisen, Einwendungen gegen die
Berücksichtigungsfähigkeit der Finanzierungsaufwendungen des Beteiligten zu 2. und
eines etwaigen Wohnvorteils (substantiiert) vorzutragen. Denn es stellte insoweit – wie
ausgeführt – keine Anforderungen an den Sachvortrag, mit denen auch ein
gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf
nicht zu rechnen brauchte.
4. Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 10 Abs. 1 VvB vor.
Ein solcher Verstoß ist nicht schon dann gegeben, wenn die Rechtsanwendung Fehler
enthält. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Entscheidung schlechthin unhaltbar und
deshalb objektiv willkürlich ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Entscheidung unter
keinem denkbaren Aspekt vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie
auf sachfremden Erwägungen beruht (Beschluss vom 25. April 1994 – VerfGH 34/94 –
LVerfGE 2, 16 <18>; st. Rspr.). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin lässt
die Anwendung der einschlägigen Verfahrensvorschriften der Zivilprozessordnung durch
das Kammergericht jedoch – wie aus den vorausgegangenen Ausführungen folgt – keine
unsachgemäßen Erwägungen erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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