Urteil des VerfGH Berlin vom 15.03.2017

VerfGH Berlin: zumutbare arbeit, anspruch auf rechtliches gehör, arbeitsbemühungen, verfassungsbeschwerde, öffentliche gewalt, subjektives recht, versicherung, erlass, grundrecht, sozialhilfe

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
133/03, 133 A/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 6 S 1 Verf BE, Art 10 Abs 1
Verf BE, Art 15 Abs 1 Verf BE,
Art 15 Abs 4 Verf BE, Art 22
Abs 1 Verf BE
Rechtswegeerschöpfung als Voraussetzung für die Zulässigkeit
einer Verfassungsbeschwerde - Ausnahme bei Versagung von
Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der
Rechtsverfolgung
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen einen
Beschluss, durch den die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines
Rechtsanwalts für die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens in einer
Sozialhilfesache vor dem Oberverwaltungsgericht abgelehnt wurde.
Der Beschwerdeführer erhielt seit 1989 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz
(BSHG). Mit Bescheid vom 24. April 2002 stellte das Sozialamt die Hilfe zum
Lebensunterhalt und in besonderen Lebenslagen mit Wirkung ab 9. April 2002 ein und
gab zur Begründung an, wegen der durch eine Mitteilung des Finanzamts bekannt
gewordenen, seit 1991 erfolgten Anmeldung von Kraftfahrzeugen durch den
Beschwerdeführer lägen ungeklärte wirtschaftliche Verhältnisse vor. Nachdem der
Beschwerdeführer das Sozialamt mit Schreiben vom 21. Oktober 2002 an die
Bescheidung eines nach seiner Angabe im April 2002 gestellten Neuantrags auf
Sozialhilfe erinnert hatte, teilte das Amt ihm mit Schreiben vom 29. November 2002 mit,
dass es bei der Einstellung bleibe. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer mit
Schriftsatz vom 6. Januar 2003 Widerspruch. Am 14. Januar 2003 beantragte er bei dem
Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines
Rechtsanwalts sowie - für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe - den Erlass
einer den Sozialhilfeträger zur Gewährung laufender Hilfe zum Lebensunterhalt
verpflichtenden einstweiligen Anordnung. Er legte u. a. Kopien privatärztlicher Atteste
vor, denen zufolge er vom 11. November bis 31. Dezember 2002 und vom 10. bis 28.
Februar 2003 arbeitsunfähig erkrankt war. Am 20. Februar 2003 wurde er amtsärztlich
untersucht. In dem vom Sozialamt in das verwaltungsgerichtliche Verfahren
eingeführten Schreiben des Amts- und Vertrauensärztlichen Dienstes des Bezirksamts
vom 21. Februar 2003 wird hierzu ausgeführt:
„… Aufgrund mehrerer Gesundheitsstörungen ist die Arbeitsfähigkeit von Herrn …
eingeschränkt. Er befindet sich in regelmäßiger hausärztlicher Behandlung. Aus heutiger
medizinischer Sicht ist er jedoch für eine Tätigkeit im Sinne gemeinnütziger Arbeit
einsetzbar. Vermieden werden sollten im Rahmen der Tätigkeit Arbeiten mit hohen
Anforderungen an die psychische Belastbarkeit (z. B. Schichtdienst, Akkordarbeiten). Die
genannten Einschränkungen gelten voraussichtlich für die Dauer des Jahres 2003. Nach
Ablauf eines Jahres sollte ggf. eine Nachuntersuchung bezgl. der Arbeitsfähigkeit und der
Steigerung der Belastbarkeit durchgeführt werden. …“
In einer eidesstattlichen Versicherung vom 26. Februar 2003 gab der Beschwerdeführer
daraufhin u. a. an, dass er arbeitsunfähig sei. Bei der amtsärztlichen Untersuchung sei
festgestellt worden, dass er nur für gemeinnützige leichte Arbeiten eingesetzt werden
könne. Für den Einsatz zu derartigen Arbeiten stelle er sich gern zur Verfügung; er habe
auch bereits den sozialpsychologischen Dienst angerufen, jedoch wegen Besprechungen
nicht mit den Mitarbeitern verbunden werden können.
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Mit Beschluss vom 4. März 2003 - VG 6 A 26.03 - lehnte das Verwaltungsgericht die
Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe
ab. Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch nicht mit der für eine
Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft
gemacht. Sozialhilfe erhalte nicht, wer sich selbst - namentlich durch Einsatz seiner
Arbeitskraft - helfen könne. Der zumindest eingeschränkt arbeitsfähige
Beschwerdeführer habe trotz entsprechender Hinweise des Antragsgegners, des
Gerichts und der Ausführungen des Gerichts im Beschluss vom 21. Mai 2002 - VG 6 A
210.02 - erfolgversprechende Arbeitsbemühungen nicht glaubhaft gemacht. Er könne
sich nicht darauf berufen, gänzlich arbeitsunfähig und daher nicht zu entsprechenden
Bemühungen verpflichtet zu sein. Ausweislich der Mitteilung des Amtsärztlichen
Dienstes sei er nicht arbeitsunfähig, sondern lediglich in seiner Arbeitsfähigkeit
beschränkt. Vermieden werden sollten lediglich Arbeiten mit hohen Anforderungen an
die psychische Belastbarkeit; es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zur
Ausführung einfacherer Tätigkeiten körperlich in der Lage sei. Er müsse sich deshalb am
Maßstab des § 18 Abs. 3 Satz 5 BSHG gemessen um jede zumutbare Arbeit bemühen
und dürfe dabei insbesondere auch einfache körperliche und zeitlich befristete
Arbeitsangebote nicht unbeachtet lassen. Nach wie vor würden von den Arbeitsämtern
für Zeitarbeit und in den einschlägigen Publikationsorganen ständig, in einzelnen
Branchen sogar täglich, derartige Arbeitsstellen angeboten (u. a. einfache Büroarbeiten,
Reinigungsgewerbe, Austragen von Zeitungen und Werbemitteln, Verkaufshilfen,
Schnellimbissketten, Pizzabringdienste), mit denen der Beschwerdeführer auch bei
Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen die für seinen
Lebensunterhalt notwendigen Mittel durch den Einsatz seiner Arbeitskraft erwerben
könne. Darüber hinaus seien - was näher ausgeführt wird - auch die tatsächlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers nicht hinreichend geklärt.
Der Beschwerdeführer beantragte bei dem Oberverwaltungsgericht, ihm
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor diesem
Gericht zu bewilligen, und - für den Fall der Bewilligung der Prozesskostenhilfe - den
Sozialhilfeträger im Wege der einstweiligen Anordnung zur Gewährung laufender Hilfe
zum Lebensunterhalt zu verpflichten. Zur Begründung gab er u. a. an: Für den Zeitraum
der durch Atteste nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit habe für ihn keine Möglichkeit
bestanden, sich um Erwerbstätigkeiten zu bemühen. Erst seit der amtsärztlichen
Untersuchung sei dem Sozialamt und ihm selbst bekannt, dass er eingeschränkt
arbeitsfähig sei. Seit diesem Zeitpunkt habe er sich um eine Arbeit bemüht und dies
durch die eidesstattliche Versicherung vom 26. Februar 2003 glaubhaft gemacht; ferner
habe er etwaige Arbeitsangebote nicht unbeachtet gelassen, da keine existiert hätten.
Ferner bestünden keine Anhaltspunkte dahingehend, dass seine Verhältnisse nicht
hinreichend geklärt seien.
Nachdem das Sozialamt in seiner Antragserwiderung angemerkt hatte, dass ein
Nachweis von Arbeitsbemühungen unter konkreter Angabe, auf Grund welcher Angebote
(z. B. vom Arbeitsamt, aus Zeitungen) sich der Beschwerdeführer bei welcher Firma für
welche Tätigkeit mit welchem Ergebnis beworben habe, fehle, überreichte dieser mit
Schriftsatz vom 23. Mai 2003 seine eidesstattliche Versicherung vom 16. April 2003, der
zufolge er in Lebensmittelketten „wie Aldi, Penny, Lidl, Netto und Norma“ nachgefragt
habe, ob eine Kraft zum Auspacken gesucht werde; leider sei dies verneint worden. Auch
bei Real in der Müllerstraße, im Gesundbrunnencenter und den Borsig-Hallen habe er
nachgefragt; dort würden aber nur Nachtkräfte mit mindestens achtstündiger Arbeitszeit
eingestellt, zudem sei keine Stelle frei gewesen. Auch habe er sich bei „Burger King“
beworben; dort sei ihm gesagt worden, dass Akkord-Arbeit verlangt werde. Auch sei er
beim Arbeitsamt in der Müllerstraße gewesen, um nach geeigneten Arbeitsstellen zu
suchen; dies sei ohne Erfolg geblieben, da entweder ein eigenes Fahrzeug, Schichtdienst
oder Zeugnisse erforderlich gewesen seien. Bewerbungen habe er in Ermangelung
finanzieller Mittel nicht schreiben können.
Das Oberverwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
für das Beschwerdeverfahren mit der Begründung ab, die beabsichtigte
Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das Verwaltungsgericht
habe zutreffend darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer seinen Anspruch nicht
glaubhaft gemacht habe, weil er - trotz entsprechender Hinweise durch den
Antragsgegner und das Verwaltungsgericht - bislang keine ausreichenden
Arbeitsbemühungen nachgewiesen habe. Auch die Annahme, dass der
Beschwerdeführer nach dem Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung beschränkt
arbeitsfähig mit Ausnahme lediglich von Arbeiten mit hoher psychischer Belastung sei,
treffe zu. Er müsse sich daher intensiv um jede zumutbare Arbeit kümmern. Dass er
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treffe zu. Er müsse sich daher intensiv um jede zumutbare Arbeit kümmern. Dass er
dies in ausreichendem Maße getan habe, habe er auch durch sein
„Beschwerdevorbringen“ nicht dargetan. Zu Bewerbungen als Auspacker bei
Lebensmittelmärkten wie auch zu den anderen Arbeitsbemühungen fehle es aber in
jeder Hinsicht an einer näheren Substantiierung hinsichtlich des Wann, Wo (bei welcher
Filiale) und Wie der Bewerbung. Die eidesstattliche Versicherung enthalte eine solche
Darlegung ebenfalls nicht. Ohne eine solche genaue Beschreibung der
Arbeitsbemühungen sei es dem Sozialamt jedoch nicht möglich, zu beurteilen, ob
tatsächlich Hilfebedürftigkeit bestehe. Allein einige wenige Bewerbungen und nur bei
Lebensmittelfilialen genügten jedenfalls nicht, um hinreichende Arbeitsbemühungen für
die Zeit seit der amtsärztlichen Untersuchung zu belegen. Der Beschwerdeführer müsse
sich laufend, also gewissermaßen tagtäglich neu und intensiv um Arbeit bemühen und
dieses Bemühen dem Antragsgegner nachvollziehbar nachweisen. Angesichts der
offensichtlich fehlenden Arbeitsbemühungen bedürfe die Frage, ob die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers hinreichend geklärt seien, keiner
Entscheidung, jedoch sei darauf hinzuweisen, dass diesbezügliche Zweifel kaum
ausgeräumt sein dürften.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des von
ihm aus Art. 22 i. V. m. Art. 6 VvB hergeleiteten Rechts auf soziale Sicherung im
Rahmen einer menschenwürdigen und eigenverantwortlichen Lebensgestaltung, des
Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 15 Abs. 1 VvB) und des allgemeinen Gleichheitssatzes
in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 10 Abs. 1 VvB). Die vom
Oberverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an den Nachweis von
Arbeitsbemühungen seien erheblich zu hoch angesetzt. Zum einen benötige man zum
Nachweis einer Tatsache finanzielle Mittel, die dem Beschwerdeführer nicht zur
Verfügung stünden. Zum anderen existiere für die Einstellung der Hilfe zum
Lebensunterhalt wegen unzureichender Arbeitsbemühungen keine Rechtsgrundlage. §
25 Abs. 1 BSHG sehe die Einstellung der Sozialhilfe lediglich für den Fall der
Verweigerung zumutbarer Arbeit vor; die dauerhafte Versagung jeder Hilfe und
Entlassung des Hilfesuchenden aus der Obhut des Sozialhilfeträgers sei jedenfalls
unzulässig. Das Oberverwaltungsgericht hätte die vom Beschwerdeführer hinsichtlich
seiner Arbeitsbemühungen sowie persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
vorgebrachten Tatsachen hinreichend würdigen müssen; gerade im Verhältnis zum
angestrebten Zweck des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung habe das
Gericht die Anforderungen an die Substantiiertheit erheblich überspannt. Hinzu komme,
dass im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Amtsermittlungsgrundsatz vorherrsche,
bei dem die Anforderungen an den Parteivortrag niedriger seien als im Zivilprozess.
Selbst in diesem könne Parteivortrag aber nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die
glaubhaft gemachte Tatsache so ungenau bezeichnet sei, dass ihre Erheblichkeit nicht
beurteilt werden könne oder wenn sie gewissermaßen aus der Luft gegriffen erscheine
und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstelle. Dabei sei jedoch Zurückhaltung
geboten; in der Regel werde dies nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte für
die aufgestellte Behauptung angenommen.
II. Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Sie ist nur zum Teil zulässig.
a) Zulässig ist sie, soweit der Beschwerdeführer sich auf das Gleichheitsrecht (Art. 10
Abs.1 VvB) und das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 15 Abs. 1 VvB) beruft, deren
Verletzung er auch in einer den Anforderungen des § 50 VerfGHG noch genügenden
Weise gerügt hat. Nach § 49 Abs. 1 VerfGHG kann jedermann mit der Behauptung,
durch die öffentliche Gewalt des Landes Berlin in einem seiner in der Verfassung von
Berlin enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum
Verfassungsgerichtshof erheben. Soweit Gegenstand der Verfassungsbeschwerde die
Anwendung von Bundesrecht ist (hier: Vorschrift der Verwaltungsgerichtsordnung, der
Zivilprozessordnung und des Bundessozialhilfegesetzes), besteht die Prüfungsbefugnis
des Verfassungsgerichtshofs in den Grenzen der Art. 142, 31 GG allein hinsichtlich
solcher Grundrechte der Verfassung von Berlin, die mit vom Grundgesetz verbürgten
Grundrechten übereinstimmen (st. Rspr., u. a. Beschluss vom 2. Dezember 1993 -
VerfGH 89/93 - LVerfGE 1, 169 <179 ff.>).
Art. 10 Abs. 1 VvB verbürgt - ebenso wie Art. 3 Abs. 1 GG - eine umfassende
Gleichheitsgarantie für alle Menschen; die Norm gebietet in Verbindung mit dem
Rechtsstaatsprinzip, das für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art.
15 Abs. 4 VvB in Entsprechung zu Art. 19 Abs. 4 GG besonders ausgeformt ist, eine
weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der
Verwirklichung des Rechtsschutzes, wobei diesen Geboten der Rechtsschutzgleichheit
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Verwirklichung des Rechtsschutzes, wobei diesen Geboten der Rechtsschutzgleichheit
und -effektivität das Institut der Prozesskostenhilfe dient (vgl. Beschlüsse vom 8. Februar
1995 - VerfGH 104/94 - LVerfGE 3, 10 <13 f.> zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 VvB a. F. und vom
20. August 1997 - VerfGH 9/97 - LVerfGE 7, 11 <14>; s. zum Bundesrecht z. B.: BVerfG,
Beschluss vom 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 - NJW 2000, 1936 <1937> m. w. N.). Durch
die Versagung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten
kann darüber hinaus auch das in Art. 15 Abs. 1 VvB inhaltsgleich mit Art. 103 Abs. 1 GG
gewährleistete Grundrecht auf rechtliches Gehör berührt sein, nämlich dann, wenn die
wirtschaftlich schwache Partei nicht in der Lage wäre, sich - wie hier wegen des im
Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht bereits für die Einlegung der Beschwerde
gemäß § 67 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO bestehenden Vertretungszwangs - Gehör zu
verschaffen (s. Beschluss vom 20. August 1997, a.a.O., m. w. N.).
b) Ob die allein gegen eine im Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe
getroffene Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde darüber hinaus auch
hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des aus der Menschenwürdegarantie des Art. 6
Satz 1 VvB (entsprechend Art. 1 Abs. 1 GG) hergeleiteten Rechts auf Gewährleistung
des Existenzminimums (vgl. Beschlüsse vom 22. Mai 1996 - VerfGH 34/96 - LVerfGE 4,
62 <64> und vom 24. Januar 2002 - VerfGH 193 A/01 - sowie zum Bundesrecht:
BVerfGE 40, 121 <133>; 82, 60 <85>) zulässig ist, kann dahinstehen, da sich für die
Begründetheit auch bei Heranziehung dieser Norm als Prüfungsmaßstab nichts anderes
als nachstehend ausgeführt ergäbe.
c) Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde, soweit sich der Beschwerdeführer auf Art.
22 VvB beruft, nach dessen Absatz 1 das Land verpflichtet ist, im Rahmen seiner Kräfte
die soziale Sicherung zu verwirklichen (Satz 1), und soziale Sicherung eine
menschenwürdige und eigenverantwortliche Lebensgestaltung ermöglichen soll (Satz 2).
Art. 22 Abs. 1 VvB begründet als Staatszielbestimmung grundsätzlich kein mit der
Verfassungsbeschwerde rügefähiges subjektives Recht (Beschluss vom 22. Mai 1996,
a.a.O.; vgl. auch Beschluss vom 18. Juni 1998 - VerfGH 104, 104 A/97 - LVerfGE 8, 63
<68>); im Übrigen kann die Bestimmung auch deshalb im vorliegenden Verfahren nicht
Prüfungsmaßstab sein, weil in ihr jedenfalls kein mit einem Grundrecht des
Grundgesetzes übereinstimmendes Grundrecht gewährleistet wird.
2. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie unbegründet.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt weder unter dem Aspekt des
Gleichheitssatzes (Art. 10 Abs. 1 VvB) und der Rechtsschutzgarantie (Art. 15 Abs. 4 VvB)
Grundrechte des Beschwerdeführers noch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
15 Abs. 1 VvB). Verfassungsrechtlich ist es unbedenklich, die Gewährung von
Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung
oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig
erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. April 2000, a.a.O.). Die Prüfung der
Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern
und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das
Prozesskostenhilfe-Verfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz
erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Dem genügt das Gesetz in §
166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO, indem es die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits
dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten
Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss. Dies
bedeutet zugleich, dass Prozesskostenhilfe verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in
der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber fern liegend ist.
Die Auslegung und Anwendung des § 114 ZPO obliegt in erster Linie den zuständigen
Fachgerichten, die dabei den - verfassungsgebotenen - Zweck der Prozesskostenhilfe zu
beachten haben. Der Verfassungsgerichtshof ist keine zusätzliche Rechtsmittelinstanz
von Verfassungs wegen. Er kann hier nur eingreifen, wenn Verfassungsrecht verletzt ist,
insbesondere wenn die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer
grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der in Art. 10 Abs. 1 VvB i. V.
m. Art. 15 Abs. 4 VvB gewährleisteten Rechte beruht (vgl. Beschluss vom 20. August
1997, a.a.O., S. 15). Hierbei hat der Verfassungsgerichtshof zu berücksichtigen, dass die
Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in
engem Zusammenhang mit der den Fachgerichten vorbehaltenen Feststellung und
Würdigung des jeweils entscheidungserheblichen Sachverhalts und der ihnen gleichfalls
obliegenden Auslegung und Anwendung des jeweils einschlägigen materiellen und
prozessualen Rechts steht. Die Fachgerichte überschreiten den
Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des gesetzlichen
Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht verfassungsrechtlich zukommt,
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Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht verfassungsrechtlich zukommt,
erst dann, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer
unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird. Dies ist namentlich dann der Fall,
wenn das Fachgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannt und dadurch den Zweck der
Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu
ermöglichen, deutlich verfehlt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. April 2000, a.a.O.). Dem
Gebot der Rechtsschutzgleichheit läuft es dabei zuwider, dem Unbemittelten wegen
fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten, wenn die
Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang
ungeklärten Rechtsfrage abhängt (Beschluss vom 8. Februar 1995, a.a.O., S. 14 m. w.
N.).
Ausgehend von diesen Maßstäben hält der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts der
verfassungsgerichtlichen Überprüfung stand. Das Gericht hat mit der Ablehnung von
Prozesskostenhilfe für die Beschwerde die Bedeutung der Rechte des Beschwerdeführers
aus Art. 10 Abs. 1 VvB i. V. m. Art. 15 Abs. 4 VvB sowie aus Art. 15 Abs. 1 VvB und deren
Einwirkung auf die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts nicht grundlegend
verkannt. Die Entscheidung über die beabsichtigte Beschwerde gegen den Beschluss
des Verwaltungsgerichts hing nicht von der Beantwortung schwieriger, bislang
ungeklärter Rechtsfragen ab. Das Oberverwaltungsgericht hat auch die Anforderungen
an die Erfolgsaussichten nicht überspannt, indem es die Ablehnung
entscheidungstragend darauf gestützt hat, dass der Antragsteller einen Anspruch auf
Hilfe zum Lebensunterhalt nicht glaubhaft gemacht habe, weil er - trotz entsprechender
Hinweise des Antragsgegners und des Verwaltungsgerichts - keine ausreichenden
Arbeitsbemühungen nachgewiesen habe.
Soweit das Gericht von einem beschränkt arbeitsfähigen Hilfesuchenden als
Voraussetzung für einen Anordnungsanspruch nach § 123 Abs. 1 VwGO erwartet, dass
er sich intensiv um jede zumutbare Arbeit bemüht und dies dem Sozialamt
nachvollziehbar nachweist, hält es sich im Rahmen der den Fachgerichten obliegenden
und einer Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogenen (vgl. Beschluss
vom 30. Juni 1992 - VerfGH 9/92 - LVerfGE 1, 7 <8 f.> st. Rspr.) Auslegung und
Anwendung des einfachen Gesetzesrechts. Das Verwaltungsgericht hat in seinem
Beschluss, auf den das Oberverwaltungsgericht insofern Bezug nimmt, näher dargelegt,
aus welchen Normen es die Auffassung herleitet, Hilfe zum Lebensunterhalt sei nur
demjenigen zu gewähren, der den notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht
ausreichend durch den Einsatz seiner Arbeitskraft beschaffen könne (§§ 2 Abs. 1, 11
Abs. 1 und 18 Abs. 1 BSHG), sowie daraus gefolgert, der Beschwerdeführer müsse sich
am Maßstab des § 18 Abs. 3 Satz 5 BSHG gemessen um jede zumutbare Arbeit
bemühen und dürfe hierbei insbesondere auch einfache körperliche und zeitlich
befristete Arbeitsangebote nicht unbeachtet lassen. Diese Auslegung und Anwendung
des einfachen Gesetzesrechts ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie lässt
insbesondere keine Willkür erkennen; dies wäre nur dann der Fall, wenn eine
Rechtsauffassung des Fachgerichts unter keinem denkbaren Aspekt vertretbar ist und
sich daher der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen (vgl.
Beschluss vom 30. August 1997, a. a. O., S. 15). Nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung kann bei einem arbeitslos gemeldeten Hilfesuchenden eine Weigerung
im Sinne des § 25 Abs. 1 BSHG, zumutbare Arbeit zu leisten, je nach den Umständen
des Einzelfalls auch in der Ablehnung liegen, sich unabhängig von
Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamts selbst einen Arbeitsplatz zu suchen
(BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 - 5 C 20/93 - NJW 1995, 3200 f., das aber zugleich
hervorhebt, dass die Anforderungen an die selbständige Arbeitssuche eines dem
Arbeitsamt gemeldeten Hilfesuchenden nicht überspannt werden dürfen). Ob die
fachgerichtliche Würdigung des Sachverhalts im Einzelfall im Hinblick auf die
persönlichen Verhältnisse des Hilfesuchenden, seine Arbeitsfähigkeiten und die
Arbeitsmarktlage in dem Bereich, der dem Hilfesuchenden zugänglich ist, mehr oder
weniger überzeugt, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu entscheiden.
Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, das Oberverwaltungsgericht habe den
Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht wegen unzureichender
Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs abgelehnt, weil es die Anforderungen an
die Substantiierung erheblich überspannt habe und hinzukomme, dass im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Amtsermittlungsgrundsatz vorherrsche, vermag
keine Grundrechtsverletzung zu begründen. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2
ZPO fordert, dass die für den Anordnungsanspruch maßgeblichen Tatsachen vom
Antragsteller glaubhaft zu machen sind. Zwar ist in der fachgerichtlichen
Rechtsprechung anerkannt, dass in auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß
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Rechtsprechung anerkannt, dass in auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß
§ 123 VwGO gerichteten Verfahren für die Ermittlung des Sachverhalts der
Amtsermittlungsgrundsatz entsprechend § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO gilt und das
Erfordernis der Glaubhaftmachung der tatsächlichen Voraussetzungen des
Anordnungsanspruchs ergänzende eigene Ermittlungen des Gerichts gemäß § 86 VwGO
grundsätzlich nicht ausschließt (vgl. nur BayVGH, Beschluss vom 15. März 2001 - 10 ZE
01.320 - NVwZ-RR 2001, 477 m. w. N.). Dies vermag allerdings nichts daran zu ändern,
dass das Oberverwaltungsgericht der Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers (s.
insofern auch § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO) jedenfalls im Hinblick auf in dessen
Sphäre fallende Ereignisse besondere Bedeutung beimessen durfte (vgl. Kopp/ Schenke,
VwGO, 13. Aufl. 2003, § 86 Rn. 11 und § 123 Rnrn. 24, 32, jeweils m. w. N. der
fachgerichtlichen Rechtsprechung), ohne dabei die Einwirkung der Grundrechte auf das
einfache Recht zu verkennen. Bei persönlichen Bemühungen um Arbeit handelt es sich
um Vorgänge, über die - soweit sie wie hier nicht anderweitig behördlich aktenkundig
geworden sind - naturgemäß nur der Betroffene selbst substantiiert berichten kann. Ob
die entsprechenden Angaben - vorliegend insbesondere in der eidesstattlichen
Versicherung des Beschwerdeführers vom 16. April 2003 - zur Darlegung eines
Anordnungsanspruchs ausreichen, ist grundsätzlich eine Frage der den Fachgerichten
obliegenden Beweiswürdigung. Es lässt sich nicht feststellen, dass das
Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an eine substantiierte Darlegung im
vorliegenden Fall in einer nicht mehr mit den Grundrechten des Beschwerdeführers
vereinbaren Weise überspannt hat, indem es nähere Angaben hinsichtlich des Wann, Wo
(ggf. Nennung der Filiale) und Wie von Bewerbungen voraussetzt. Es liegt auf der Hand
und müsste auch für den Beschwerdeführer ersichtlich sein, dass die Häufigkeit und
Ernsthaftigkeit von Arbeitsbemühungen nur bei entsprechenden Terminsangaben und
genauen Bezeichnungen der aufgesuchten Arbeitsstellen für das Sozialamt und die
Gerichte hinreichend nachvollziehbar und beurteilbar ist. Zu derartigen Darlegungen
bedurfte es auch keiner - über die für die Erstellung der eidesstattlichen Versicherung
vom 16. April 2003 entstandenen Kosten hinausreichender - finanzieller Mittel.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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