Urteil des VerfGH Berlin vom 15.03.2017

VerfGH Berlin: verzinsung, gebot der billigkeit, verfassungsbeschwerde, abschreibung, rechtsverordnung, gebühr, rechtsstaatsprinzip, mindestzinssatz, gestaltungsspielraum, geschäftsordnung

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
39/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 7 Verf BE, Art 10 Abs 1 Verf
BE, Art 3 Abs 1 GG, § 4 Abs 3 S
2 BetrG BE 2006, § 4 Abs 3 S 3
BetrG BE 2006
Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Berliner Wassertarife
2004/2005
Leitsatz
1. Der Gesetzgeber verfügt innerhalb seiner Regelungskompetenz über einen weiten
Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen
Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen und welche Gebührenmaßstäbe und
Gebührensätze er hierfür aufstellen will. Weder das Kostendeckungsprinzip noch ähnliche
gebührenrechtliche Grundsätze haben Verfassungsrang; allerdings gebietet der allgemeine
Gleichheitssatz (Art. 10 Abs. 1 VvB), Gebühren nicht völlig unabhängig von den Kosten der
gebührenpflichtigen Staatsleistung festzusetzen. Aus dem Äquivalenzprinzip als
gebührenrechtlicher Ausprägung des Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit folgt,
dass die dem Einzelnen auferlegte Gebühr nicht außer Verhältnis zu den mit der
Gebührenregelung verfolgten, verfassungsrechtlich zulässigen Zwecken stehen darf. Diese
Grundsätze gelten auch für die verfassungsrechtliche Kontrolle der gesetzlichen
Kalkulationsgrundlagen privatrechtlicher Entgelte der Berliner Wasserbetriebe (Bestätigung
und Fortführung des Urteils vom 21. Oktober 1999 - VerfGH 42/99 - LVerfGE 10, 96 ff.).
2. Die nach § 3 Abs 2 und 4 des im Jahre 2003 geänderten Teilprivatisierungsgesetzes (TPrG)
ab Januar 2004 bei der Tarifgestaltung der privatrechtlichen Entgelte der Berliner
Wasserbetriebe vorgesehene kalkulatorische Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals
der Berliner Wasserbetriebe bei gleichzeitig möglicher Abschreibung der Betriebsanlagen auf
der Basis von Wiederbeschaffungszeitwerten (sog. "Kombinationsmethode" oder
"Kombinationsmodell") war verfassungsgemäß.
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft zivilrechtliche Entscheidungen über die Erhöhung
des Wasserentgelts der Berliner Wasserbetriebe für die Abrechnungsperioden 2004 und
2005. Die Beschwerdeführerin, eine Baugenossenschaft, wendet sich gegen die ab 1.
Januar 2004 geltenden, der angegriffenen Berufungsentscheidung des Landgerichts
zugrunde liegenden gesetzlichen Kalkulationsvorgaben der Wassertarife.
1. Die Frischwasserversorgung und Abwasserentsorgung der von der Beschwerdeführerin
bewirtschafteten Liegenschaft in Berlin wird von den Berliner Wasserbetrieben, einer
Anstalt des öffentlichen Rechts - im Folgenden: Beteiligte zu 2 -, auf der Grundlage eines
zivilrechtlichen Vertrages erbracht. Für den Leistungszeitraum 15. Juli 2004 bis 8.Juli
2005 stellte die Beteiligte zu 2 der Beschwerdeführerin auf der Grundlage der im
Amtsblatt für Berlin vom 30. Dezember 2003 (ABl. S. 5306) bzw. 24. Dezember 2004
(ABl. S. 4851) bekannt gemachten Wasser-, Schmutzwasser- und
Niederschlagswassertarife einen Gesamtbetrag von insgesamt 42.384,28 Euro in
Rechnung. Für die Leistungszeiträume 2004 bzw. 2005 betrug der Wasserpreis danach
(jeweils netto) 1,971 €/m³ bzw. 2,069 €/m³, das Entgelt für Schmutzwasser 2,329 €/m³
bzw. 2,452 €/m³ sowie für Niederschlagswasser 1,407 €/m³ bzw. 1,479 €/m³. Diese Tarife
hatte die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen mit Bescheiden vom 16.
Dezember 2003 bzw. 15. Dezember 2004 genehmigt.
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2. Rechtsgrundlage der Genehmigung war das - mittlerweile durch § 30 Nr. 2 des Berliner
Betriebe-Gesetzes vom 14. Juli 2006 (GVBl. S. 827) aufgehobene - Gesetz zur
Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (im Folgenden: TPrG) vom 17. Mai 1999
(GVBl. S. 183), geändert durch das Gesetz zur Änderung des Teilprivatisierungsgesetzes
(im Folgenden: TPrGÄndG) vom 11. Dezember 2003 (GVBl. S. 591). Mit dem
Änderungsgesetz reagierte das Abgeordnetenhaus auf das Urteil des
Verfassungsgerichtshofs vom 21. Oktober 1999 - VerfGH 42/99 - (LVerfGE 10, 96). Mit
dieser Entscheidung hatte der Verfassungsgerichtshof im Verfahren der abstrakten
Normenkontrolle § 3 Abs. 4 TPrG a. F. teilweise für nichtig erklärt. Er beanstandete § 3
Abs. 4 Satz 1 TPrG a. F. insoweit, als darin die (im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 2 TPrG a. F.
vorgesehene „angemessene“) kalkulatorische Verzinsung des betriebsnotwendigen
Kapitals mit 2 Prozentpunkten über der durchschnittlichen Rendite zehnjähriger
deutscher Bundesanleihen in einem Zeitraum von 20 Jahren vor der jeweiligen
Kalkulationsperiode erlaubt worden war. Ebenfalls für verfassungswidrig erklärte der
Verfassungsgerichtshof die Bestimmungen über Rationalisierungsgewinne in § 3 Abs. 4
Sätze 2 bis 4 TPrG a. F.
Mit dem Änderungsgesetz vom 11. Dezember 2003 wurden §§ 3 und 5 TPrG wie folgt
neu gefasst:
§ 3
(1) Die Berliner Wasserbetriebe haben für die Berliner Tarifkunden Tarife für die
Wasserversorgung und die Entwässerung anzubieten, die den Grundsätzen der
Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit genügen. Im Einzelnen sind sie wie folgt
zu gestalten:
1. Die Tarife sind so zu bemessen, dass zumindest die Kosten gedeckt sind.
2. Die Tarife können in einen Grund- und Arbeitspreis aufgeteilt werden.
3. Die Tarife können progressiv oder degressiv gestaltet werden. Mengenrabatte
auf Arbeitspreise sind unzulässig.
4. Für den Anschluss an die Wasserversorgung und die Entwässerung können
einmalige Entgelte und Baukostenzuschüsse erhoben werden.
(2) Kosten sind die bei wirtschaftlicher Betriebsführung nach
betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten. Dazu gehören auch
Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen, Abschreibungen, Rückstellungen
sowie eine angemessene kalkulatorische Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals.
Abschreibungen werden auf der Basis von Wiederbeschaffungszeitwerten berechnet. Das
Abgeordnetenhaus von Berlin ist über eine Rücklagenbildung zu unterrichten.
(3) Das betriebsnotwendige Kapital besteht aus dem betriebsnotwendigen
Vermögen, vermindert um etwa den Berliner Wasserbetrieben vom Land Berlin zinslos
zur Verfügung gestellte Vorauszahlungen und Anzahlungen. Das betriebsnotwendige
Vermögen setzt sich zusammen aus den Teilen des Anlage- und Umlaufvermögens, die
dem Betriebszweck dienen. Der Berechnung des betriebsnotwendigen Vermögens sind
grundsätzlich die bilanziellen Anschaffungs- und Herstellungskosten abzüglich der nicht
indexierten Abschreibungen zugrunde zu legen; die nähere Bestimmung der bei der
Berechnung des betriebsnotwendigen Kapitals zu berücksichtigenden
Berechnungskriterien ergibt sich aus der nach § 5 Nr. 1 erlassenen Verordnung.
(4) Die angemessene kalkulatorische Verzinsung entspricht mindestens der
durchschnittlichen Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen in einem Zeitraum
von 20 Jahren, die der jeweiligen Kalkulationsperiode vorausgehen. Der Zinssatz wird
jährlich durch Rechtsverordnung des Senats unter Zugrundelegung der
Durchschnittsrendite konservativer Vermögensanlagen in einem langfristigen,
mindestens zehnjährigen, der Kalkulationsperiode vorausgehenden Zeitraum nach § 5
Nr. 2 festgelegt. Für die Kalkulationsperiode 2004 beträgt der Zinssatz mindestens 6
Prozent.
Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung
1. die nähere Bestimmung der in § 3 Abs. 2 bis 4 genannten Kriterien,
2. den Zinssatz nach § 3 Abs. 4,
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3. die nähere Ausgestaltung des in § 4 geregelten Genehmigungsverfahrens
festzulegen.
§ 4 TPrG sah unverändert vor, dass die von den Wasserbetrieben für die
Wasserversorgung und Entwässerung zu bestimmenden Tarife vor deren Wirksamwerden
durch die zuständige Senatsverwaltung zu genehmigen sind; nach § 4 Abs. 2 Satz 2
TPrG war die Genehmigung zu erteilen, wenn die in § 3 TPrG im Einzelnen aufgeführten
gesetzlichen Vorgaben für die Tarifgestaltung eingehalten waren.
§ 6 TPrG in der geänderten Fassung verpflichtete die Berliner Wasserbetriebe, ihren
gesamten Bilanzgewinn an das Land Berlin abzuführen.
Die Berücksichtigung der Abschreibungen auf der Basis von
Wiederbeschaffungszeitwerten gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 TPrG, die Bestimmung über die
Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals gemäß § 3 Abs. 4 TPrG sowie die
Ermöglichung einer neuen Tarifstruktur gemäß § 3 Abs. 1 TPrG fanden gemäß Artikel II
des TPrGÄndG ab der Kalkulationsperiode für das Jahr 2004 Anwendung.
Die Verordnung zur Änderung der Wassertarifverordnung vom 16. Dezember 2003
(GVBl. S. 603) setzte die gesetzlichen Vorgaben entsprechend der Ermächtigung in § 5
Nr. 1 und Nr. 3 TPrG um. Nach der Verordnung über die angemessene Verzinsung des
betriebsnotwendigen Kapitals der Berliner Wasserbetriebe für das Jahr 2004 vom 16.
Dezember 2003 (GVBl. S. 602) ist das betriebsnotwendige Kapital der Beteiligten zu 2
für 2004 mit sechs vom Hundert zu verzinsen. Die Verordnung über die angemessene
Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals der Berliner Wasserbetriebe für das Jahr
2005 vom 14. Dezember 2004 (GVBl. S. 514) legte den Zinssatz für 2005 auf 6,5 vom
Hundert fest.
3. Nachdem die Beschwerdeführerin den Rechnungsbetrag in der Gesamthöhe von
42.384,28 Euro unter Vorbehalt gezahlt hatte, nahm sie die Beteiligte zu 2 vor dem
Amtsgericht Mitte auf Rückzahlung von insgesamt 1.806,01 Euro (Leistungszeitraum
2004: 640,76 Euro; Leistungszeitraum 2005: 1.165,25 Euro) in Anspruch. Mindestens in
diesem Umfang sei die einseitige Leistungsbestimmung seitens der Beteiligten zu 2
unbillig, da die zugrunde liegende Kostenkalkulation für beide Abrechnungsperioden
insoweit gegen betriebswirtschaftliche Grundsätze verstoße. Dies folge vor allem daraus,
dass die Abschreibungen auf der Basis des Wiederbeschaffungszeitwertes und nicht - wie
zuvor - des Anschaffungs- oder Herstellungswertes berechnet worden seien. In
Kombination mit der in die Kostenberechnung eingegangenen kalkulatorischen - an der
langjährigen Durchschnittsrendite langfristiger Bundesanleihen ausgerichteten -
Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals ergebe sich dadurch ein doppelter
Inflationsausgleich. Dies zeigten zwei Sachverständigengutachten zur Bemessung der
kalkulatorischen Kosten der Beteiligten zu 2 allgemein sowie bezogen auf die
Kalkulationsperioden 2005 und 2006 auf. Die neue gesetzliche Regelung in § 3 TPrG
verstoße gegen das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip sowie den
Gleichheitsgrundsatz.
Das Amtsgericht wies die Klage mit Urteil vom 8. Januar 2008 ab. Die von der Beteiligten
zu 2 im Rahmen des Versorgungsvertrages mit der Beschwerdeführerin einseitig
bestimmten Preise der Frischwasserversorgung und Abwasserentsorgung seien der
Höhe nach nicht unbillig i. S. d. § 315 BGB. Dies gelte insbesondere auch für die
Auswirkungen des beanstandeten Kombinationsmodells. Der Gesetzgeber sei bei
dessen Einführung davon ausgegangen, dass die kalkulatorischen Zinsen und
Abschreibungen unterschiedliche finanzwirtschaftliche Funktionen erfüllten. Während die
Zinsen einen Ausgleich für die Belastungen der anlagenbezogenen Kapitalbindung
gewährten, dienten die kalkulatorischen Abschreibungen dazu, die Mittel für die
Wiederbeschaffung der Anlage aufzubringen. Soweit dies zu der beanstandeten
doppelten Berücksichtigung des Inflationsmomentes führe, sei dies aufgrund der
unterschiedlichen Zweckbestimmungen systemimmanent und vom Gesetzgeber
gewollt. Diese isolierte Kostenbetrachtung werde in der Betriebswirtschaftslehre nach wie
vor vertreten und halte sich demzufolge im Rahmen betriebswirtschaftlicher Grundsätze.
Das Kombinationsmodell führe auch nicht zu einer gröblichen Störung des Gebühren-
Leistungsverhältnisses und verletze damit auch nicht das Äquivalenzprinzip.
Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung machte die Beschwerdeführerin
geltend, das Amtsgericht habe verkannt, dass das beanstandete Kombinationsmodell in
der betriebswissenschaftlichen Literatur einhellig abgelehnt werde, es mithin nicht als
betriebswirtschaftlicher Grundsatz zu qualifizieren sei. Einen doppelten
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betriebswirtschaftlicher Grundsatz zu qualifizieren sei. Einen doppelten
Inflationsausgleich mit Blick auf unterschiedliche Zwecke der Ansätze als
systemimmanent zu rechtfertigen, sei widersprüchlich. Der Inflationsausgleich sei
gerade ein Zweck der unterschiedlichen Kostenarten. Wenn dieser Aspekt doppelt
berücksichtigt werde, würden nicht unterschiedliche Kostenzwecke verfolgt, sondern
derselbe zweimal. Das Amtsgericht habe zudem nicht beachtet, dass das
Äquivalenzprinzip nicht nur die Gebührenhöhe begrenze, sondern zugleich gebiete, die
den Tarifen zugrunde liegenden Kosten zutreffend zu ermitteln. Letzteres sei vorliegend
nicht geschehen. Nicht auseinandergesetzt habe sich das Amtsgericht damit, dass das
Gebot der Billigkeit nach § 315 Abs. 3 BGB im Bereich der Daseinsvorsorge eine
Gewinnerzielung - wie sie § 6 TPrG landesrechtlich ermögliche - nur insoweit zulasse, als
sie zur Finanzierung der Investitionen und Verzinsung des Eigenkapitals erforderlich sei.
Diesem Aspekt werde aber bereits durch die Abschreibungen auf Basis von
Wiederbeschaffungswerten in Kombination mit einer Verzinsung des
betriebsnotwendigen Kapitals zum Realzinssatz genügt. Der Ansatz eines
Nominalzinssatzes führe demzufolge zu einer weitergehenden, unbilligen
Gewinnerwirtschaftung. Der Gesetzgeber habe bei der Umstellung der Basis der
Abschreibungen auf Wiederbeschaffungswerte auch nicht erkannt, dass damit ein
doppelter Ansatz des Inflationsmoments einhergehe, da er - ausweislich der
Gesetzesbegründung - mit der kalkulatorischen Verzinsung nur einen
Belastungsausgleich für die fehlende Nutzungsmöglichkeit des anlagegebundenen
Kapitals habe schaffen wollen. Der Ansatz von Abschreibungen auf der Basis von
Wiederbeschaffungswerten führe auch deshalb zu unbilligen Tarifen, weil er gegen § 3
Abs. 2 Satz 1 TPrG verstoße. § 3 Abs. 2 Satz 3 TPrG, der diese Methode vorsehe, sei
unanwendbar, da er - aus den geschilderten Gründen - in einem norminternen
Widerspruch zur Grundregel der Einhaltung betriebswirtschaftlicher Grundsätze des § 3
Abs. 2 Satz 1 TPrG stehe. Letztlich sei der für die Kalkulationsperioden 2004 und 2005
durch Verordnung festgelegte und in der Kostenkalkulation der Beteiligten zu 2
veranschlagte Nominalzins von 5,4 % bzw. 6,5 % überhöht; die Referenzgrößen des 10-
Jahres-Mittels konservativer Vermögensanlagen in Gestalt börsennotierter
Bundeswertpapiere hätten ausweislich der eingereichten Gutachten bezogen auf die in
Rede stehenden Jahre bei 5,4 % bzw. 5,1 % gelegen.
Das Landgericht wies die Berufung mit dem angegriffenen Urteil vom 9. Dezember 2008
zurück. Die zugrunde gelegten Tarife der Beteiligten zu 2 seien nicht gemäß § 315 Abs. 3
BGB unbillig. Die Anwendung des § 315 BGB werde durch die gesetzlichen Vorgaben zur
Leistungsbestimmung des Teilprivatisierungsgesetzes zwar nicht ausgeschlossen. Da
die Beteiligte zu 2 diese aber unbestritten eingehalten habe, könnten die streitigen
Tarife nur unbillig sein, wenn die gesetzlichen Tarifvorgaben höherrangigem Recht
zuwiderliefen. Konkrete Anhaltspunkte für einen Verfassungsverstoß seien indes nicht
ersichtlich. Eine Störung des Äquivalenzprinzips könne nur angenommen werden, wenn
bei der Tarifbestimmung gegen zwingende betriebswirtschaftliche Grundsätze verstoßen
worden sei. Dies sei nicht erkennbar. Vielmehr sei der Gesetzesbegründung zu
entnehmen, dass die Einführung der Abschreibung auf der Basis von
Wiederbeschaffungswerten einer verbesserten Vorsorge diene. Das von der
Beschwerdeführerin beanstandete Kombinationsmodell sei auch nicht derart
ungewöhnlich oder nur von einer Mindermeinung vertreten, dass darin eine
betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zuwiderlaufende Kostenbestimmung zu sehen sei.
Schließlich sei auch die für die streitigen Zeiträume vorgenommene Verzinsung nicht zu
beanstanden. Die Beteiligte zu 2 habe sich dabei an die durch Rechtsverordnung
festgelegten Zinssätze gehalten, für deren Unverhältnismäßigkeit keine Anhaltspunkte
vorlägen. Insoweit sei der Vortrag der Beschwerdeführerin schon widersprüchlich, da sie
einerseits einen Realzins von 4,2 % (2004) bzw. 4,7 % (2005) behauptet habe,
andererseits das von ihr in Bezug genommene Privatgutachten zu dem Schluss komme,
der in § 3 Abs. 4 Satz 3 TPrG fixierte Zinsfuß von 6 % sei ebenso wenig zu beanstanden
wie ein Nominalzinssatz für den Zeitraum 2005 und 2006 von 6,5 %.
4. Mit der gegen das landgerichtliche Urteil erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die
Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 7 der Verfassung von Berlin - VvB - in
Verbindung mit dem Äquivalenzprinzip als Ausprägung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dem Rechtsstaatsprinzip und den Vorgaben der
Finanzverfassung (Art. 85 ff. VvB) sowie einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 VvB. Das
Urteil beruhe auf § 3 TPrG, der in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig sei.
Mit Blick auf den von Art. 15 Abs. 4 VvB gewährleisteten effektiven Rechtsschutz stelle
das Äquivalenzgebot - gerichtlich überprüfbare - Anforderungen an das dem
Gesetzeserlass vorangehende Verfahren. Dies habe das Landgericht wie schon das
Amtsgericht nicht beachtet. Der Landesgesetzgeber habe bei der Einführung des
Kombinationsmodells im Rahmen der Ausgestaltung des Tarifsystems in § 3 TPrG nicht
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Kombinationsmodells im Rahmen der Ausgestaltung des Tarifsystems in § 3 TPrG nicht
erkannt, dass damit eine doppelte Berücksichtigung des Inflationsmoments verbunden
sei. Wenn die Beteiligte zu 2 insoweit betone, dass nur der Restbuchwert Grundlage der
Nominalverzinsung sei, so beseitige dieser Umstand nicht den Effekt des doppelten
Inflationsausgleichs. Die der Beteiligten zu 2 jährlich zufließenden Entgelte könnten -
mindestens im Umfang der Abgeltung kalkulatorischer Kosten - in der Folgezeit
ihrerseits inflationsausgleichend aktiviert werden, entweder durch Anlage am
Kapitalmarkt oder durch Reinvestition. Dies berücksichtigt führe ein Berechnungsmodell
von Abschreibungen auf der Grundlage von Wiederbeschaffungszeitwerten für sich
genommen zu einer Erwirtschaftung des gesamten Wiederanschaffungspreises der
Anlage nach deren vollständiger Abschreibung. Der Gesetzgeber sei aber davon
ausgegangen, dass eine kalkulatorische Verzinsung zu einem Nominalzinssatz allein
einen Belastungsausgleich im Hinblick auf das in den betrieblichen Anlagen gebundene
Kapital gewährleiste; die gleichzeitige und darüber hinausgehende Wirkung eines
Inflationsausgleichs habe er dabei nicht erfasst.
Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip liege aber auch vor, wenn unterstellt werde,
dass der Gesetzgeber diese Wirkung berücksichtigt habe. Es müsse überprüfbar sein, ob
ein bei der Gebührenerhebung zugestandener Gestaltungsspielraum aufgrund
sachgerechter Sachverhaltsermittlung und mit sachgerechten Erwägungen ausgeübt
werde. Bei einem Monopolanbieter orientiere sich der - für die Einhaltung des
Äquivalenzprinzips maßgebliche - Wert der Leistung an den für deren Erbringung
entstehenden Kosten. Diese könne die Beteiligte zu 2 in ihrer Tarifkalkulation indes nicht
(vollständig) ausweisen, da sie durch die gesetzlichen Vorgaben gezwungen sei, das
Inflationsmoment doppelt zu berücksichtigen, und damit tatsächlich nicht entstandene
Kosten einzustellen, ohne die realen Kosten offen zu legen. Letztere ließen sich auch
nicht - wie das schon im fachgerichtlichen Verfahren eingereichte Privatgutachten
dokumentiere - durch einen einfachen Abzug des Inflationsmomentes ermitteln, da
dieses auf unterschiedlichem Weg in Abschreibung und Nominalverzinsung enthalten sei
und nur für einen Teil des betriebsnotwendigen Kapitals der Inflationsausgleich doppelt
erfolge. Die in dem vorgelegten Privatgutachten auf der Basis der tatsächlichen Kosten -
unter einfacher Berücksichtigung des Inflationsmomentes - ermittelten Tarife belegten
die mangelnde Überprüfbarkeit. Die Differenz zu den Tarifen der Beteiligten zu 2
schwanke erheblich: Der Schmutzwassertarif sei im Jahr 2004 um ca. 2,9 %, im Jahr 2005
um ca. 9,7 % überhöht gewesen.
§ 3 TPrG sei in sich widersprüchlich sowie unklar und verstoße deshalb gegen das
Rechtsstaatsprinzip. § 3 Abs. 2 Satz 1 TPrG verpflichte zur Tarifkalkulation nach
betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Diesen liefe aber die durch § 3 Abs. 2 Satz 3 und
Abs. 4 TPrG vorgesehene Kombinationsmethode zuwider, da sie allein richterrechtlichen
Ursprungs sei, in der betriebswirtschaftlichen Literatur dagegen einhellig abgelehnt
werde. Mit Blick auf die durch das Kombinationsmodell aus den genannten Gründen
verursachte versteckte Gewinnerzielung verstoße die Regelung auch gegen das Gebot
der Normenklarheit, da der Gebührenpflichtige nicht erkennen könne, für welche
öffentliche Leistung mit welcher gesetzgeberischen Zwecksetzung die Gebühr erhoben
werde.
Widersprüchlich sei auch die Regelung der Zinssätze der Nominalverzinsung. Die in § 3
Abs. 4 Satz 1 TPrG festgelegte Referenzuntergrenze einer Durchschnittsverzinsung
zehnjähriger Bundesanleihen aus dem Zeitraum der letzten zwanzig Jahre übersteige
infolge des kontinuierlich abgesunkenen Zinsniveaus zwangsläufig die in § 3 Abs. 4 Satz
2 TPrG als Grundlage der Festlegung des Zinssatzes vorgesehene Durchschnittsrendite
konservativer Vermögensanlagen aus dem Zeitraum der letzten zehn Jahre.
Die Regelung des § 3 TPrG verstoße schließlich auch gegen die
finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften der Art. 85 ff. VvB, da sie der Beteiligten zu 2
mithilfe des Kombinationsmodells Entgeltforderungen ermögliche, die die realen Kosten
- im Umfang eines doppelten Inflationsausgleichs - überstiegen. In diesem Maße handele
es sich um eine Sonderabgabe, die verfassungsrechtlich nur zeitlich begrenzt und unter
engen, vorliegend nicht erfüllten Voraussetzungen zulässig sei. Insbesondere sei
erforderlich, dass die Abgabe von einer von der Allgemeinheit abgrenzbaren homogenen
Gruppe erhoben und zu deren Nutzen verwendet werde; außerdem habe der
Gesetzgeber die erhobenen Sonderabgaben vollständig zu dokumentieren. Vorliegend
habe schon der Gesetzgeber weder erkannt, dass es sich um eine Sonderabgabe
handele, noch habe er die Erhebung befristet; zudem dokumentierte die Beteiligte zu 2
die Höhe der erhobenen Sonderabgabe nicht.
Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof im doppelten Ansatz des
Inflationsmoments (auch) einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 10
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Inflationsmoments (auch) einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 10
Abs. 1 VvB sehe, werde vorsorglich auch dieser gerügt.
Die Beteiligten haben gemäß § 53 Abs. 1 und 2 VerfGHG Gelegenheit zur Stellungnahme
erhalten.
Die Beteiligte zu 2 tritt der Verfassungsbeschwerde entgegen. Es treffe nicht zu, dass
die von § 3 Abs. 2 Satz 3 TPrG und § 3 Abs. 4 TPrG vorgesehene Kombination aus
Abschreibungen auf der Basis von Wiederbeschaffungszeitwerten und Verzinsung des
betriebsnotwendigen Kapitals zu einem Nominalzinssatz zu einem doppelten
Inflationsausgleich führe. Diesem Effekt wirke entgegen, dass sich die kalkulatorische
Verzinsung auf das betriebsnotwendige Vermögen beziehe, das sich gemäß § 3 Abs. 3
Satz 3 TPrG nach den Anschaffungs- und Herstellungskosten abzüglich der nicht
indexierten Abschreibungen berechne. Dies stelle sicher, dass das ursprünglich
aufgewandte Kapital nur insoweit zu verzinsen sei, wie es (noch) in der Anlage mit ihrem
verbleibenden Restbuchwert gebunden sei. Das Inflationsmoment werde deshalb allein
bei der Abschreibung durch den Ansatz des Wiederbeschaffungszeitwerts berücksichtigt.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin führe dies aber nicht zu einem
vollständigen Inflationsausgleich. Vielmehr verbleibe eine erhebliche Finanzierungslücke
zwischen den im Wege der Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten
erwirtschafteten Mitteln und den tatsächlichen Wiederbeschaffungskosten nach Ablauf
der Abschreibungsdauer. Die Annahme der Beschwerdeführerin, es sei möglich, über die
vereinnahmten Entgelte im Wege einer Anlage am Kapitalmarkt oder einer Reinvestition
verfügen zu können, sei gänzlich lebensfremd. In aller Regel müssten die Beträge
vielmehr sogleich zur Tilgung von Finanzierungsdarlehen verwendet werden.
Gleichfalls unrichtig sei die Annahme, der Landesgesetzgeber habe im Rahmen der
Einführung der Abschreibungsmethode auf der Basis von Wiederbeschaffungszeitwerten
deren Wirkungen nur unzureichend erkannt. In der Gesetzesbegründung sei vielmehr
mehrfach und ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Abschreibung und
Verzinsung unterschiedlichen Zwecken dienten und es deshalb trotz Umstellung der
Abschreibungsmethode auch weiterhin gerechtfertigt sei, das betriebsnotwendige
Kapital nominal zu verzinsen. Dabei habe der Gesetzgeber die in der Rechtsprechung
damals noch kontrovers diskutierte Frage des angeblich doppelt berücksichtigten
Inflationsmoments genau gekannt, wie sich insbesondere aus der im Wortlaut
protokollierten Rechtsausschusssitzung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur
Änderung des Teilprivatisierungsgesetzes ergebe.
Im Übrigen sei die Kombination einer Abschreibung auf der Basis von
Wiederbeschaffungszeitwerten mit einer Nominalverzinsung auf
Anschaffungsrestwertbasis Gegen-stand zahlreicher Gerichtsentscheidungen aller
Instanzen bis hin zum Bundesverfassungsgericht und werde dabei - mittlerweile -
durchweg für zulässig erachtet. Die Kombinationsmethode entspreche auch
betriebswirtschaftlicher Praxis und Lehre, wie ein von ihr eingeholtes Privatgutachten
einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft belege. In der betriebswirtschaftlichen Literatur sei
die isolierte Kostenbetrachtung absolut herrschend; in zwölf Bundesländern sei die
Kombinationsmethode bei der Ermittlung von Benutzungsgebühren gesetzlich
vorgesehen.
Die gesetzlichen Vorgaben zur Bestimmung des Zinssatzes der kalkulatorischen
Verzinsung seien nicht widersprüchlich. § 4 Abs. 4 Satz 1 TPrG regele den
Mindestzinssatz; § 4 Abs. 4 Satz 2 TPrG regele einen Referenzzinssatz nur für den Fall,
dass dieser den Mindestzinssatz überschreite. Im Übrigen gehe die Behauptung, der
Mindestzinssatz liege stets über dem Referenzzinssatz von der unzutreffenden
Annahme aus, dass konservative Vermögensanlagen i. S. d. § 4 Abs. 4 Satz 2 TPrG
letztlich gleichbedeutend mit den zur Bestimmung des Mindestzinssatzes
heranzuziehenden Bundesanleihen seien. Aus der Gesetzesbegründung werde indes
deutlich, dass zahlreiche andere Vermögensanlagen erfasst seien.
II.
Die Beschwerdeführerin greift unmittelbar nur die Berufungsentscheidung des
Landgerichts vom 9. Dezember 2008 an. Mittelbar und in erster Linie wendet sich die
Verfassungsbeschwerde gegen die gesetzlichen Bestimmungen des
Teilprivatisierungsgesetzes zur Tarifbemessung der Beteiligten zu 2 (§ 3 Abs. 2 und 4, §
5 Nr. 2 TPrG).
Die Verfassungsbeschwerde ist mit diesem Inhalt im Wesentlichen zulässig, aber nicht
begründet.
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1. Die Beschwerdeführerin hat den Rechtsweg vor den Zivilgerichten erschöpft (§ 49 Abs.
2 Satz 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof - VerfGHG -); gegen das
Berufungsurteil des Landgerichts sind keine weiteren Rechtsmittel gegeben.
Soweit die Entscheidung des Landgerichts angegriffen ist, genügt die
Verfassungsbeschwerde mit dem Vortrag, das Urteil verletze sie in ihrer allgemeinen
Handlungsfreiheit nach Art. 7 Verfassung von Berlin - VvB -, weil es auf einem
verfassungswidrigen Gesetz beruhe, den Anforderungen aus § 49 Abs. 1, § 50 VerfGHG.
Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Verletzung eines Grundrechts durch
Gerichtsentscheidungen umfasst die Prüfung, ob das Gericht verfassungswidrige
Gesetze angewandt hat (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 11, 343 <349>). Hingegen ist
die behauptete Verletzung der grundrechtlichen Garantie effektiven Rechtsschutzes, die
sich in zivilprozessualen Verfahren zwar nicht aus Art. 15 Abs. 4 VvB, wohl aber aus Art.
7 VvB i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip ergibt (vgl. Beschluss vom 30. April 2004 -
VerfGH 2/04 - wie alle im Folgenden zitierten Entscheidungen des
Verfassungsgerichtshofs unter www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de, Rn.
23 m. w. N.), nicht schlüssig dargelegt. Insoweit wendet sich die Beschwerdeführerin
lediglich gegen die nach ihrer Ansicht fehlerhaften verfassungsrechtlichen Maßstäbe des
Landgerichts, ohne den geltend gemachten Verfassungsverstoß nachvollziehbar
aufzuzeigen.
2. Soweit die Beschwerdeführerin mittelbar die Vorschriften des
Teilprivatisierungsgesetzes - TPrG - angreift, steht der Zulässigkeit insbesondere die
Jahresfrist für die Einlegung der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz nach § 51
Abs. 2 VerfGHG nicht entgegen. Diese Frist gilt nur für Verfassungsbeschwerden, mit
denen sich der Betroffene unmittelbar gegen eine Rechtsvorschrift wendet, nicht aber für
den Fall der inzidenten Überprüfung eines Gesetzes auf seine Verfassungsmäßigkeit aus
Anlass einer gerichtlichen Entscheidung (Beschluss vom 13. Juni 2003 - VerfGH 161/00 -
LVerfGE 14, 86 <91>; vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 9, 334 <342>). Die
Beschwerdeführerin hätte im Übrigen die beanstandeten - inzwischen außer Kraft
getretenen - Regelungen des Teilprivatisierungsgesetzes in der Fassung des
Änderungsgesetzes vom 11. Dezember 2003 (GVBl. S. 591 - TPrGÄndG) vor
Durchführung des fachgerichtlichen Verfahrens vom Verfassungsgericht nicht
überprüfen lassen können (vgl. Beschluss vom 6. Juli 2005 - VerfGH 205/04 - LVerfGE 16,
29 <37 ff.>).
3. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet. Weder das landgerichtliche Urteil
selbst noch - und vor allem - die ihm zugrunde gelegten Bestimmungen des
Teilprivatisierungsgesetzes in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 11. Dezember
2003 (§ 3 Abs. 2 und 4, § 5 Nr. 2 TPrG) verletzen die Beschwerdeführerin in ihren
Rechten aus Art. 7 und Art. 10 Abs. 1 VvB.
a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die streitigen
(privatrechtlichen) Wasserentgelte nach billigem Ermessen festgesetzt werden müssen
und auf ihre Billigkeit hin entsprechend § 315 Abs. 3 BGB zu überprüfen sind. Dies folgt
zum Teil aus der - hier gegebenen - Monopolstellung des Versorgungsunternehmens
und gilt ferner im Fall eines Anschluss- und Benutzungszwangs, wie er hier nach § 3 Abs.
1 des Berliner Betriebe-Gesetzes vom 9. Juli 1993 (GVBl. S. 319) bzw. gemäß § 4 Abs. 3
Satz 2 und 3 Berliner Betriebe-Gesetz vom 14. Juli 2006 (GVBl. S. 827) bestand und
besteht (vgl. im Einzelnen den gleichzeitig ergangenen Beschluss im Verfahren VerfGH
29/07 m. w. N.). Das Landgericht durfte seiner Kontrolle der Leistungsbestimmung nach
§ 315 BGB die - zugleich mittelbar angegriffenen - in § 3 Abs. 2 und 4, § 5 Nr. 2 TPrG in
der Fassung des Art. I Nr. 1 TPrGÄndG niedergelegten Berechnungsvorgaben
zugrundelegen, weil diese entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin aus den
nachfolgenden Erwägungen (b) mit der Verfassung von Berlin vereinbar sind. Die
gesetzlich festgelegten Kostenfaktoren für die Tarifberechnung der Beteiligten zu 2
führen daher nicht zu einer Verletzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art.
7 VvB durch die angegriffene Entscheidung des Landgerichts. Sie sind formell und
materiell verfassungsgemäß und beschränken als Teil der verfassungsgemäßen
Ordnung die durch Art. 7 VvB geschützte Freiheit der Beschwerdeführerin, durch die
Staatsgewalt nicht - auch nicht mittelbar über die Erhebung privatrechtlicher
Nutzungsentgelte - mit einem verfassungswidrigen finanziellen Nachteil belastet (vgl.
zum Bundesrecht: BVerfGE 19, 206 <215 f.>; st. Rspr.) und als zwangsweiser
Vertragspartner der Beteiligten zu 2 nicht in verfassungswidriger Weise in ihrer
wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit beschränkt zu werden.
b) § 3 Abs. 2 und 4, § 5 Nr. 2 TPrG in der Fassung des Art. I Nr. 1 TPrGÄndG waren
verfassungsgemäß.
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aa) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen, denen die landesrechtlich vorgegebene
Tarifgestaltung der Berliner Wasserbetriebe unterworfen ist, hat der
Verfassungsgerichtshof im Urteil vom 21. Oktober 1999 - VerfGH 42/99 - (LVerfGE 10, 96
<109 ff.>) im Einzelnen geklärt. Danach unterliegt die Verwaltung, wenn sie die ihr
öffentlich-rechtlich zugewiesenen Aufgaben der Daseinsvorsorge, wie hier, in den
Formen des Privatrechts wahrnimmt, den Bindungen des öffentlichen Rechts; die
zivilrechtlichen Vorgaben werden insoweit durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts
ergänzt, überlagert und modifiziert (sog. Verwaltungsprivatrecht). Dadurch wird auch
verhindert, dass die öffentliche Verwaltung sich gesetzwidrige Finanzquellen erschließt,
indem sie dem Bürger Entgelte für Leistungen abverlangt, für die bei öffentlich-
rechtlicher Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses Abgaben nicht erhoben werden
dürften (BGHZ 93, 358 <364>; BGH, NJW 2005, 2919 <2922>; NJW-RR 2006, 133
<134> m. w. N.; st. Rspr.). Die gesetzlichen Vorgaben der Tarifbestimmungen als
Grundlage der von der Beteiligten zu 2 erhobenen Entgelte müssen sich an den
verfassungsrechtlichen Beschränkungen messen lassen, denen die Gebührenerhebung
unterliegt.
Unmittelbare Vorgaben zur Bestimmung der Gebührenmaßstäbe, Gebührensätze oder
der Gebührenhöhe enthält die Verfassung von Berlin nicht. Der Gesetzgeber verfügt
innerhalb seiner jeweiligen Regelungskompetenz vielmehr über einen weiten
Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen
Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen und welche Gebührenmaßstäbe und
Gebührensätze er hierfür aufstellen will (Urteil vom 21. Oktober 1999, a. a. O., S. 111;
Beschluss vom 13. Juni 2003, a. a. O., S. 92; vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, NJW 2008,
2770). Die verfassungsrechtliche Kontrolle der gesetzlichen Gebührenbemessung, die
ihrerseits komplexe Kalkulationen, Bewertungen, Einschätzungen und Prognosen
voraussetzt, darf daher nicht überspannt werden (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 108, 1
<18 f.>). Es ist nicht Sache des Verfassungsgerichtshofs nachzuprüfen, ob der
Gesetzgeber im Einzelfall die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste
Lösung gefunden hat (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 1, 14 <52>; 81, 108 <117 f.>).
Aus der Zweckbestimmung der Gebühr, Einnahmen zu erzielen, um die Kosten der
individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung ganz oder teilweise zu decken, ergibt sich
keine verfassungsrechtlich begründete Begrenzung der Gebührenhöhe durch die
tatsächlichen Kosten der einzelnen staatlichen Leistung. Weder das
Kostendeckungsprinzip noch ähnliche gebührenrechtliche Grundsätze haben
Verfassungsrang (Urteil vom 21. Oktober 1999, a. a. O., S. 110; Beschluss vom 13. Juni
2003, a. a. O., S. 92; vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 97, 332 <345>). Allerdings
verbieten es die genannte Zweckbestimmung und der allgemeine Gleichheitssatz (Art.
10 Abs. 1 VvB), Gebühren völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen
Staatsleistung festzusetzen und in einer Weise zu verknüpfen, die - bezogen auf den
Zweck der gänzlichen oder teilweisen Kostendeckung - unter keinem vernünftigen
Gesichtspunkt als sachgemäß anzusehen wäre (vgl. Beschluss vom 13. Juni 2003, a. a.
O., S. 92; vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, NJW 2008, 2770; BVerwG, NVwZ 2006, 936
<937>). Aus dem Äquivalenzprinzip als gebührenrechtlicher Ausprägung des
Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit folgt darüber hinaus, dass die dem
Einzelnen auferlegte Gebühr nicht außer Verhältnis zu den mit der Gebührenregelung
verfolgten, verfassungsrechtlich zulässigen Zwecken stehen darf (Beschluss vom 13. Juni
2003, a. a. O. und Urteil vom 21. Oktober 1999, a. a. O., S. 111, m. w. N.).
bb) Nach diesen Grundsätzen kann der Verfassungsgerichtshof nicht feststellen, dass
die Regelung der Kalkulationsgrundlage in § 3 Abs. 2 und 4, § 5 Nr. 2 TPrG
verfassungswidrig war.
(1) Soweit die Beschwerdeführerin meint, bereits das Zustandekommen des
Änderungsgesetzes führe zur Verfassungswidrigkeit und soweit sie rügt, der
Gesetzgeber habe nicht erkannt, dass das Teilprivatisierungsgesetz mit dem sog.
Kombinationsmodell zu einem doppelten Inflationsausgleich führe, verfehlt sie den
aufgezeigten Maßstab der verfassungsgerichtlichen Überprüfung. Die
Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes kann sich - abgesehen von Verstößen gegen
verfassungsrechtliche Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren - nur aus dem
Gesetz selbst und seinen Auswirkungen, nicht jedoch allein aus seinem
Entstehungsprozess ergeben (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, NVwZ-RR 1999, 481).
Auch hinsichtlich der gesetzlichen Berechnungsvorgaben für die Tarifgestaltung der
Beteiligten zu 2 kommt es ausschließlich darauf an, ob die Einwände der
Beschwerdeführerin gegen die beanstandeten gesetzlichen Rege-lungen zu einer
Verletzung ihrer Grundrechte führen; das ist nicht der Fall.
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(2) Die gesetzlichen Kalkulationsgrundlagen in § 3 Abs. 2 und Abs. 4, § 5 Nr. 2 TPrG
verstoßen nicht gegen Art. 10 Abs. 1 VvB, insbesondere entbehren sie nicht einer
sachgemäßen Verknüpfung zwischen den Kosten und der Höhe des anhand der
gesetzlichen Vorgaben errechneten Entgelts (2.1). Sie führen auch nicht zu
unverhältnismäßigen Entgelten, die erkennbar außer Verhältnis zu den mit der
Entgeltregelung verfolgten Zwecken stehen (2.2). Auch im Übrigen greifen
verfassungsrechtliche Einwände nicht durch (2.3).
(a) An einer sachgerechten Verknüpfung fehlt es, wenn die vom Gesetzgeber verwandte
Bemessungsgrundlage als willkürlich anzusehen ist (vgl. Urteil vom 21. Oktober 1999, a.
a. O., S. 113; zum Bundesrecht: BVerfGE 117, 1 <32>). Die Regelungen in § 3 Abs. 2
und Abs. 4, § 5 Nr. 2 TPrG sind nicht in derartiger Weise sachfremd und willkürlich
ausgestaltet.
§ 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 1 TPrG bestimmen, dass die Tarife der Wasserversorgung
und Entwässerung den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit
genügen müssen und so zu gestalten sind, dass „zumindest die Kosten gedeckt sind“.
Gemäß § 3 Abs. 2 TPrG sind dies die bei wirtschaftlicher Betriebsführung nach
betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten (Satz 1). Zu diesen Kosten
gehört u. a. auch eine angemessene kalkulatorische Verzinsung des
betriebsnotwendigen Kapitals (Satz 2), deren Höhe sich aus § 3 Abs. 4 TPrG ergibt.
Danach entspricht die angemessene kalkulatorische Verzinsung mindestens der
durchschnittlichen Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen in einem Zeitraum
von 20 Jahren, die der jeweiligen Kalkulationsperiode vorausgehen (§ 3 Abs. 4 Satz 1
TPrG); der Zinssatz wird jährlich durch Rechtsverordnung des Senats unter
Zugrundelegung der Durchschnittsrendite konservativer Vermögensanlagen in einem
langfristigen, mindestens zehnjährigen, der Kalkulationsperiode vorausgehenden
Zeitraum gemäß § 5 Nr. 2 TPrG durch Rechtsverordnung des Senats festgelegt (Satz 2).
Für die Kalkulationsperiode 2004 beträgt der Zinssatz mindestens 6 % (Satz 3). Für die
nachfolgende, im Ausgangsverfahren ebenfalls maßgebliche Kalkulationsperiode 2005
ist der Zinssatz durch Rechtsverordnung gemäß § 5 Nr. 2 TPrG auf 6,5 % festgesetzt
worden.
Daneben ist in § 3 Abs. 2 Satz 3 TPrG bestimmt, dass Abschreibungen „auf der Basis
von Wiederbeschaffungszeitwerten berechnet“ werden.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin verstoßen diese Regelungen weder für
sich betrachtet noch als gesetzlich geregelte Kombination von sog. kalkulatorischen
Zinsen des landeseigenen betriebsnotwendigen Kapitals und von Abschreibungen auf
der Basis von Wiederbeschaffungszeitwerten gegen die aufgezeigten
verfassungsrechtlichen Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Landesgesetzgebers. Die
Entscheidung für das sog. Kombinationsmodell ist nicht in sich widersprüchlich und
verstößt nicht gegen die nach Art. 10 Abs. 1 i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip auch
verfassungsrechtlich beachtlichen Grundsätze der Systemgerechtigkeit und
Folgerichtigkeit.
Ein solcher Verstoß lässt sich nicht aus dem Gebot in § 3 Abs. 2 Satz 1 TPrG herleiten,
die Kosten nach den bei wirtschaftlicher Betriebsführung nach betriebswirtschaftlichen
Grundsätzen ansatzfähigen Kosten zu bestimmen. Abgesehen davon, dass die
nachfolgenden Sätze 2 und 3 des § 3 Abs. 2 TPrG eine Legaldefinition der nach Satz 1
ansetzbaren Kosten enthalten, widersprechen sie dem Begriff der
betriebswirtschaftlichen Grundsätze auch inhaltlich nicht.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der betriebswirtschaftlichen Grundsätze wird in der
fachgerichtlichen Rechtsprechung definiert als die Gesamtheit der in der
wissenschaftlichen Literatur mit beachtlichem Gewicht - nicht aber notwendig
mehrheitlich - vertretenen betriebswirtschaftlichen Lehrmeinungen, die zumindest
teilweise Eingang in die betriebswirtschaftliche Praxis gefunden haben (zum jeweiligen
Landesgebührenrecht: grundlegend OVG Münster, NVwZ 1995, 1233 <1234>; OVG
Bremen, NordÖR 1999, 318). Aus verfassungsrechtlicher Sicht besteht kein Anlass,
dieses von der Fachliteratur weitgehend gebilligte Verständnis (vgl. Gawel, KStZ 1999,
76 <77>, m. w. N.; kritisch dagegen Wiesemann, KStZ 1998, 227) in Frage zu stellen.
Die Kostenarten, die der Gesetzgeber in § 3 Abs. 2 TPrG beispielhaft für ansatzfähig
erklärt, zählen danach zu den nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen in diesem
Sinne ansatzfähigen Kosten. Die Einbeziehung von sog. kalkulatorischen Kosten wie
Abschreibungen, Rückstellungen und Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals
dokumentiert, dass der Gesetzgeber - wie bei Benutzungsgebühren üblich - von dem in
der betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung gängigen wertmäßigen Kostenbegriff
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der betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung gängigen wertmäßigen Kostenbegriff
ausgeht. Dieser erfasst den in Geld bewerteten Güterverzehr während einer
Rechnungsperiode und umfasst damit die genannten Kostenarten nach weitgehend
unbestrittener Ansicht (vgl. Coenenberg/Fischer/Günther, Kostenrechnung und
Kostenanalyse, 7. Aufl. 2009, S. 77 ff.; Schröder, Die Erhebung von
Entwässerungsgebühren in Nordrhein-Westfalen, 2003, S. 234, 330 ff.; Tettinger, in:
Brede [Hrsg.], Preise und Gebühren in der Entsorgungswirtschaft, S. 17 <23 f., 26 ff.>; s.
auch Urteil vom 21. Oktober 1999, a. a. O., S. 113, 121 und OVG Lüneburg, Urteil vom 4.
November 2002 - 9 LB 215/02 - juris).
Der Gesetzgeber hat sich mithin bei der Bestimmung der Kalkulationsvorgaben in § 3
Abs. 2 Satz 2 und 3 TPrG an anerkannten betriebswirtschaftlichen Grundsätzen orientiert
und auf dieser Grundlage sein Berechnungsmodell in sich widerspruchs- und willkürfrei
bestimmt. Mehr fordert die Verfassung insoweit nicht, namentlich kommt es nicht darauf
an, ob in der betriebswirtschaftlichen Literatur hierzu abweichende Meinungen vertreten
werden. Der Gesetzgeber hat sich ferner bewusst für sein gesetzliches Modell
entschieden und sich hierbei von nachvollziehbaren Erwägungen leiten lassen.
Die in § 3 Abs. 2 Satz 3 TPrG erfolgte und im Mittelpunkt der Rügen der
Beschwerdeführerin stehende Umstellung der Abschreibungsbasis von Anschaffungs-
oder Herstellungswerten auf Wiederbeschaffungszeitwerte dient im Sinne des
wertmäßigen Kostenbegriffs dem Zweck, die Kosten, die mit der Anlagennutzung und
dem damit verbundenen Werteverzehr gegenwärtig entstehen, auf diejenigen zu
verteilen, zu deren Gunsten die Leistung erfolgt (vgl. Einzelbegründung zur Änderung
des § 3 Abs. 2 Satz 3 TPrG der Gesetzesvorlage des TPrGÄndG vom 16. September
2003, Abghs-Drs. 15/2054, S. 5). Diese Abschreibungsmethode, die von dem Preis
ausgeht, der zum Kalkulationszeitpunkt für die Erneuerung der Anlage gleicher Art und
Güte zu zahlen wäre, um so den periodengerecht zugeordneten Werteverzehr
abzubilden, trägt dem Gebührenzweck Rechnung, die Kosten der individuell
zurechenbaren öffentlichen Leistung ganz oder teilweise zu decken (vgl. Tettinger, a. a.
O., 17 <32>; derselbe, NWVBl. 1996, 81 <85>). Sie ist gängige betriebliche Praxis sowie
von Fachliteratur und Rechtsprechung gebilligt (vgl. Tettinger, in: Brede [Hrsg.], a. a. O.,
S. 32, m. w. N.; Brede, in: Brede [Hrsg.], a. a. O., S. 127 <130 f., 145 f.>; Steger, in:
„Kosten- und Leistungsrechnung“, 3. Aufl. 2001, S. 199; Heinhold, in: „Kosten- und
Erfolgsrechnung“, 2. Aufl. 2001, S. 121; BVerwG, NVwZ 1985, 496 <497>; OVG Münster,
NVwZ 1995, 1233 <1235> mit zahlreichen weiteren Nachweisen); sie genügt damit - wie
auch die Beschwerdeführerin selbst nicht anzweifelt - betriebswirtschaftlichen
Grundsätzen. Sie ist auch sonst für sich betrachtet nicht sachwidrig. Der Zweck der
Abschreibungen, den mit der Anlagennutzung verbundenen Wertverzehr auf die
Nutznießer umzulegen, lässt die Berücksichtigung einer etwaigen Preissteigerungsrate
zu, weil sie zur periodengerechten Ermittlung des aktuellen Abnutzungswertes beiträgt.
Auf dieser Grundlage wird den gegenwärtigen Nutzern der
abschreibungsgegenständlichen Anlagen nicht zugleich eine Zukunftslast aufgebürdet,
auch wenn die erwirtschafteten Abschreibungsbeträge in der Summe dazu beitragen, es
der Beteiligten zu 2 zu ermöglichen, nach Abnutzung der Anlage deren Erneuerung zu
erwirtschaften (vgl. BVerwG, NVwZ 1985, 496 <497>). Dieser Finanzierungseffekt, den
auch der Gesetzgeber in seine Erwägungen zur Umstellung der Abschreibungsbasis
einbezogen hat (vgl. Einzelbegründung zur Änderung des § 3 Abs. 2 Satz 3 TPrG in der
Gesetzesvorlage des TPrGÄndG, a. a. O., S. 5), tritt lediglich als weitere mittelbare Folge
zu dem vom Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung (a. a. O.) ausdrücklich
ausschließlich bezweckten periodengerechten Kostenausgleich hinzu.
Gleichfalls hält sich die Änderung der Basis für die Berechnung der angemessenen
kalkulatorischen Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals in § 3 Abs. 4 Satz 2 TPrG
im Rahmen betriebswirtschaftlicher Grundsätze. Die betriebswirtschaftliche Literatur und
Praxis berechnen die kalkulatorische Verzinsung überwiegend nach einem marktüblichen
Zinssatz langfristiger Kapitalanlagen, ohne insoweit einheitliche konkrete Vorgaben zu
entwickeln (vgl. etwa Olfert, Kostenrechnung, 11. Aufl. 1999, S. 128; Steger, Kosten- und
Leistungsrechnung, 3. Aufl. 2001, S. 229; Ebert, Kosten- und Leistungsrechnung, 9. Aufl.
2000, S. 54; Heinhold, Kosten- und Erfolgsrechnung in Fallbeispielen, 2. Aufl. 2001, S.
141; Macha, Grundlagen der Kosten- und Leistungsrechnung, 1998, S. 95 f.; s. auch die
Zusammenstellung bei Böttcher, in: Kalkulatorische Kosten in der Gebührenberechnung
kommunaler Einrichtungen, 1998, S. 175 ff.). Dem entspricht sowohl die Regelung des §
3 Abs. 4 Satz 1 TPrG, auf die langfristige Durchschnittsrendite zehnjähriger
Bundesanleihen am Kapitalmarkt zur Ermittlung einer Mindestverzinsung abzustellen
(vgl. schon Urteil vom 21. Oktober 1999, a. a. O., S. 116), als auch § 3 Abs. 4 Satz 2
TPrG, der den Zinsfuß an die Durchschnittsrendite konservativer Vermögensanlagen
innerhalb eines mindestens zehnjährigen Zeitraums anbindet. Die Neuregelung der
Berechnungsbasis zur Ermittlung des Referenzzinssatzes der kalkulatorischen
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Berechnungsbasis zur Ermittlung des Referenzzinssatzes der kalkulatorischen
Verzinsung in § 3 Abs. 4 Satz 2 TPrG lässt auch im Übrigen keinen Verstoß gegen das
Gebot sachgerechter Verknüpfung erkennen. Die von Art. 10 Abs. 1 VvB geforderte
sachliche Rechtfertigung dafür, die Entgeltzahler mit diesen Kosten zu belasten, hat der
Gesetzgeber zum einen darin gesehen, dass der Kapitalgeber durch die Bindung des
Eigenkapitals in dem Betrieb daran gehindert sei, sein Kapital anderweit rentierlich zu
verwenden, zum anderen darin, dass den Nutzern der betrieblichen Einrichtung mit
deren Zurverfügungstellung eine besondere Leistung gewährt werde, die ihnen einen
wirtschaftlichen Vorteil vermittle. An diesen verfassungsrechtlich bedenkenfreien
Gesichtspunkten muss sich die kalkulatorische Verzinsung auch der Höhe nach sachlich
rechtfertigen lassen (vgl. Urteil vom 21. Oktober 1999, a. a. O., S. 115; BVerfG, NJW
2008, 2770). Dies ist hier der Fall. Der neu eingeführte Maßstab einer
Durchschnittsrendite konservativer Vermögensanlagen in einem langfristigen,
mindestens zehnjährigen, der Kalkulationsperiode vorausgehenden Zeitraum orientiert
sich ebenso wie der Berechnungsmodus des Mindestzinssatzes an den tatsächlichen
langfristigen Ertragsverhältnissen des Referenzzeitraums. Dass eine solche Anknüpfung
verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, hat der Verfassungsgerichtshof bereits
festgestellt (Urteil vom 21. Oktober 1999, a. a. O., S. 116). Insoweit unterscheidet sich
die Regelung im Übrigen strukturell von derjenigen der gesetzlichen Ursprungsfassung,
die über diese Bezugnahme auf die realen Ertragsmöglichkeiten hinaus einen hiervon
abgekoppelten zusätzlichen Renditezuschlag enthielt. In Bezug auf die zur Überprüfung
stehende Neuregelung stellt sich deshalb wiederum nicht die anlässlich des damaligen
Verzinsungsmaßstabes vom Verfassungsgerichtshof (Urteil vom 21. Oktober 1999, a. a.
O., S. 116 f.) aufgeworfene, letztlich unbeantwortet gelassene Frage, ob die Beteiligung
erwerbswirtschaftlich tätiger Unternehmen und deren Kapital an einer öffentlichen
Einrichtung im Bereich der Daseinsvorsorge eine gesteigerte Einbeziehung
erwerbswirtschaftlicher Gesichtspunkte zulässt.
Auch das Verhältnis beider Bemessungsmethoden zueinander gibt entgegen der
Ansicht der Beschwerdeführerin keinen Anlass zu verfassungsrechtlichen Bedenken.
Dabei ist nicht erheblich, ob der nach § 3 Abs. 4 Satz 1 TPrG zu ermittelnde Zinssatz
zeitweise oder sogar - wie die Beschwerdeführerin meint - „zwangsläufig“ den nach § 3
Abs. 4 Satz 2 TPrG berechneten überschreitet. Insbesondere kann sich hieraus kein
Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Normenklarheit und
Widerspruchsfreiheit ergeben. Die gesetzliche Regelung des § 3 Abs. 4 TPrG lässt keinen
Zweifel aufkommen, wie die Zinsberechnung zu erfolgen hat, wenn die Referenzgröße
nach Satz 2 hinter der Vorgabe des Satzes 1 zurückbleibt. Insoweit stellt § 3 Abs. 4 Satz
1 TPrG klar, dass es sich bei der an den dortigen Vorgaben ausgerichteten Bemessung
um den Mindestzinssatz handelt. Angesichts dessen kann auch kein Zweifel daran
bestehen, dass der Gesetzgeber die Zinsberechnung nach § 3 Abs. 4 Satz 1 TPrG
bewusst als Mindestsatz regeln wollte, wie sich - abgesehen von dem Gesetzeswortlaut -
auch deutlich aus der Einzelbegründung der Gesetzesvorlage (Abghs-Drs. 15/2054, S. 6)
ergibt. Der Bemessungszusatz in der Ermächtigungsbestimmung des § 3 Abs. 4 Satz 2
TPrG ist zwar erst nachträglich eingefügt worden. Hiermit sollte aber am
Anwendungsverhältnis der Bestimmungen der Zinsberechnung nichts geändert werden.
Ausgehend von im Gesetzgebungsverfahren geäußerten verfassungsrechtlichen
Bedenken (vgl. Wortprotokoll [Recht 15/30] der Sitzung des Ausschusses für
Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung vom 20.
November 2003, S. 3) sollte vielmehr präzisiert werden, „in welchem Rahmen er [der
Verordnungsgeber] sich zu bewegen habe“ (vgl. Inhaltsprotokoll [Recht 15/32] der
Sitzung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und
Geschäftsordnung vom 8. Dezember 2003, S. 1). Ein „Bewegungsrahmen“ kommt dem
Senat - der durch § 5 TPrG zum Erlass einer Rechtsverordnung u. a. zur näheren
Bestimmung der Verzinsungskriterien ermächtigt ist - aber erst zur Festlegung der
Referenzwerte jenseits der Mindestverzinsung zu. Jedenfalls im Wege der Auslegung
lässt sich daher feststellen, dass die Verzinsungsregelungen in § 3 Abs. 4 Satz 1 TPrG
einerseits und in Satz 2 andererseits in einem Stufenverhältnis zueinander stehen, ohne
sich zu widersprechen. Wenn der gesetzliche „Mindestzinssatz“ den „Regelzinssatz“
überschreitet, resultiert dies allein aus den maßstäblichen Ertragsverhältnissen am
Kapitalmarkt, nicht aber aus einem unklaren oder widersprüchlichen Normgefüge. Dass
eine Alternativregelung derzeit und ggfs. auch auf absehbare Dauer - wie die
Beschwerdeführerin meint - nicht zum Tragen kommen und damit weitgehend ohne
Anwendungsbereich bleiben wird, macht sie möglicherweise faktisch funktionslos, nicht
aber verfassungswidrig.
Die von der Beschwerdeführerin hauptsächlich beanstandete „Kombinationsmethode“,
die nach § 3 Abs. 2 Satz 2 TPrG sowohl zeitwertbezogene Abschreibungen mit den
Referenz(nominal)zinssätzen als auch (weiterhin) die kalkulatorische Verzinsung des
betriebsnotwendigen Kapitals zulässt, verstößt ebenfalls nicht gegen die Verfassung von
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betriebsnotwendigen Kapitals zulässt, verstößt ebenfalls nicht gegen die Verfassung von
Berlin. Dass in der fachwissenschaftlichen Literatur, wie die Beschwerdeführerin vorträgt,
teilweise vertreten wird, dies widerspreche allgemeinen betriebswirtschaftlichen
Grundsätzen, steht dem nicht entgegen (zu der betriebswirtschaftlichen und
rechtswissenschaftlichen Diskussion, die sich am Landesrecht Nordrhein-Westfalens
entzündet hat, vgl. etwa OVG Münster, NVwZ 1995, 1233). Weder sind die allgemeinen
betriebswirtschaftlichen Grundsätze angesichts der - wie ausgeführt - eindeutigen
Regelung des Kombinationsmodells ein eigenständiger einfachrechtlicher noch - wie
gleichfalls bereits dargelegt - verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Kontrolle
der Vertretbarkeit der Tarifgrundlagen in § 3 Abs. 2 und 4, § 5 TPrG.
In der Betriebswirtschaftslehre wird überdies mit beachtlichem wissenschaftlichen
Gewicht vertreten, im Rahmen der Kostenrechnung seien die einzelnen Kostenarten
isoliert zu betrachten (Coenenberg/Fischer/Günther, Kostenrechnung und
Kostenanalyse, 7. Aufl. 2009, S. 77 ff.; Steger, in: Kosten- und Leistungsrechnung, 3.
Aufl. 2001, S. 197 ff.; Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 18.
Aufl. 1993, unter II 1. „Die Kostenartenrechnung“, S. 1208 ff.; ausführlich OVG Münster,
Urteil vom 19. Mai 1998 - 9 A 5709/97 - juris Rn. 21 ff.; NVwZ-RR 2000, 383 <383 f.>;
KStZ 2005, 138 <139 f.>). Diese getrennte Betrachtung der einzelnen Kostenarten wird
als Bestandteil traditioneller Kostenrechnung (Schröder a. a. O. S. 243) bzw. als
„hergebrachte synthetische Kostenauffassung“ (Gawel, KStZ 1999, 76 <95>)
bezeichnet, die dazu geführt hat, dass kalkulatorische Abschreibungen und Zinsen „bis
in die jüngste Zeit beinahe ausschließlich isoliert voneinander betrachtet worden“ sind
(Tettinger, NWVBl 1996, 81 <84>). Auch wenn sich allein daraus noch nicht folgern lässt,
die beanstandete Kombinationsmethode sei betriebswirtschaftlich abgesichert, genügt
dies, um eine willkürliche Tarifgestaltung auszuschließen, selbst wenn neuerdings
teilweise ein Abrücken von der isolierten Betrachtung der Kostenarten - jedenfalls in
Bezug auf Abschreibungen und Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals - vertreten
wird (vgl. Schulte/Wiesemann, in: Driehaus, a. a. O., § 6, Stand September 2003, Rn. 158
unter Bezugnahme auf Brede, Grundzüge der öffentlichen Betriebswirtschaftslehre,
2001, S. 253).
Unabhängig hiervon ist - worauf die Gerichte im Ausgangsverfahren und die Beteiligte zu
2 zutreffend hingewiesen haben - eine verfassungswidrig willkürliche, sachfremde
Verknüpfung auch deshalb zu verneinen, weil der Gesetzgeber mit dem Ansatz
einerseits der kalkulatorischen Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals und
andererseits der Abschreibungen jeweils unterschiedliche Zwecke verfolgt, die seine
Entscheidung hinreichend sachlich legitimieren. Welche Ziele der Gesetzgeber mit einer
Regelung von Kalkulationsgrundlagen verfolgt, bemisst sich nicht an
betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, sondern ist im Wege der Gesetzesinterpretation
festzustellen (vgl. Wiesemann, KStZ 1998, 227). Die entsprechenden Zielsetzungen hat
der Gesetzgeber mit dem Änderungsgesetz zum Teilprivatisierungsgesetz selbst
vorgenommen. Sie erscheinen nicht sachfremd, auch wenn davon auszugehen ist, dass
in beiden so berechneten Kostenarten jeweils ein Inflationsausgleich enthalten ist. Der
Gesetzgeber hat nämlich der kalkulatorischen Verzinsung und der kalkulatorischen
Abschreibung strikt zu trennende Funktionen - einerseits Ausgleich für die
anlagenbezogene Kapitalbindung, andererseits Verteilung der Betriebsanlagenkosten -
zugewiesen. Dies beeinflusst die innere Rechtfertigung der Berechnungsmethode, die im
Rahmen beider kalkulatorischer Kostenarten einen Inflationsausgleich berücksichtigt (vgl.
BVerwG, NVwZ 2006, 936 <937>). Der Gesetzgeber überschreitet mit der - der
Berechnungsmethode vorgelagerten - Entscheidung, die Funktionen der Verzinsung und
Abschreibungen getrennt voneinander zu betrachten, nicht den ihm zustehenden weiten
Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum. Insoweit kommt es verfassungsrechtlich
auch nicht darauf an, ob es aus betriebswirtschaftlicher Sicht zur exakten
Kostenbemessung insgesamt angezeigt wäre, ein verschränkendes oder sogar
qualifiziertes Gesamtziel voranzustellen (vgl. hierzu Schröder, a. a. O., S. 265 ff.). Der
Gesetzgeber unterliegt zum einen von Verfassungs wegen keinem
Kostenüberschreitungsverbot. Es ist zum anderen durchaus als sachgerecht anzusehen,
wenn er die mit der Umstellung der Abschreibungsbasis erkanntermaßen verbundenen
Tarifsteigerungen und damit einhergehenden Zusatzeinnahmen der Beteiligten zu 2 als
Beitrag zu einer erstrebenswerten besseren Subs-tanzerhaltung und -erneuerung der
Anlagen und damit letztlich einer verbesserten Vorsorge betrachtet hat. Ob sich hieraus
gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 TPrG eine Pflicht zu einer entsprechenden Rücklagenbildung
ergibt (und nicht nur zur Unterrichtung des Abgeordnetenhauses über eine etwaige
Rücklagenbildung), kann offen bleiben; in der Praxis war dies für die Geschäftsjahre 2004
und 2005 wohl der Fall (vgl. die Vorlagen an das Abgeordnetenhaus, Abghs-Drs. 15/4183
[2004] und 15/5465 [2005]).
Auch der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf einer unzureichenden
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Auch der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf einer unzureichenden
gesetzgeberischen Sachverhaltsermittlung oder -erfassung ist nicht stichhaltig. Der
Gesetzgeber kann zwar den ihm von Verfassungs wegen zustehenden
Gestaltungsspielraum überschreiten, wenn er den Gegenstand oder erkennbare
Auswirkungen seiner Regelung im Rahmen des Zumutbaren nicht ausreichend erfasst
(vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 50, 290 <332 f.>). Die Behauptung der
Beschwerdeführerin, der Gesetzgeber habe verkannt, dass mit der Umstellung der
Abschreibungsbasis auf Wiederbeschaffungszeitwerte unter gleichzeitiger Berechnung
der Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals nach einem Nominalzinssatz eine
doppelte Berücksichtigung des Inflationsmomentes verbunden sei, trifft aber schon im
Ansatz nicht zu. Das Problem eines möglichen doppelten Inflationsausgleichs wurde
nicht übergangen, sondern im Gesetzgebungsverfahren behandelt. In der bereits
zitierten Einzelbegründung des Entwurfs des Änderungsgesetzes zum
Teilprivatisierungsgesetz (Abghs-Drs. 15/2054, S. 5) wurde erkennbar - teilweise wörtlich
zitierend - auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 1. September 1999
(NVwZ-RR 2000, 383) Bezug genommen. Darin wird eine „doppelte“ Verrechnung der
Geldentwertungsrate als Folge der unterschiedlichen Zweckbestim-mungen der
Kostenarten als systemimmanent bezeichnet (a. a. O., S. 387). Vor diesem Hintergrund
ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber dieses Problem bekannt und bewusst
war. Es wurde überdies in der Sitzung des Ausschusses für Verfassungs- und
Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung am 20. November 2003
ausdrücklich angesprochen und behauptet, dieser Effekt sei verfassungsrechtlich
unzulässig (vgl. Wortprotokoll [Recht] 15/30, S. 4). Die Beschwerdeführerin hat hierzu -
im Widerspruch zu ihrer Behauptung - eingeräumt, der Gesetzgeber habe sich
ausweislich der weiteren Gesetzgebungsmaterialien der in der Ausschusssitzung
vertretenen Ansicht nicht angeschlossen.
(2.2) Auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen ergibt sich auch, dass die
angegriffenen Regelungen in § 3 Abs. 2 und 4, § 5 TPrG nicht unverhältnismäßig sind.
Das aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleitete abgabenrechtliche
Äquivalenzprinzip verbietet (lediglich), dass das ermittelte Entgelt insgesamt außer
Verhältnis zu den mit der Entgeltregelung verfolgten Zwecken steht (vgl. Urteil vom 21.
Oktober 1999, a. a. O., S. 111). Derartiges ist für die Neuregelung nicht ersichtlich.
Insbesondere ist es verfehlt, in diesem Rahmen die Höhe der vermeintlich (nur)
entstandenen Kosten der Höhe des Entgelts gegenüberzustellen. Das Verhältnis von
Kosten und Gebühr betrifft in erster Linie nicht das Äquivalenzprinzip, sondern den
Kostendeckungsgrundsatz, der als solcher - wie ausgeführt - nicht zum Maßstab der
verfassungsrechtlichen Prüfung nach Art. 10 Abs. 1 VvB zählt. Deshalb können die in der
- vorwiegend betriebswirtschaftlichen - Literatur angestellten Berechnungen, die eine
Kostenüberhöhung durch die Anwendung der Kombinationsmethode zu belegen suchen
(vgl. etwa Berlin, in: Brede [Hrsg.], a. a. O., S. 147 <174 ff.>), einen Verstoß gegen das
Äquivalenzprinzip grundsätzlich nicht begründen. Gleiches gilt hinsichtlich der konkreten
Berechnungen der Beschwerdeführerin zu einer Kostenüberdeckung bezüglich der
vorliegend in Rede stehenden Jahre 2004 und 2005; die insoweit zugrunde liegenden
Berechnungen von Prof. Gawel in dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten
Gutachten, die den beanstandeten doppelten Inflationsausgleich zu eliminieren suchen,
dokumentieren sogar, dass die geänderten Tarifvorgaben nicht notwendig
unverhältnismäßig sind. Prozentual ausgewiesen bewegen sich die Unterschiede
zwischen den tatsächlichen und den dort für ansatzfähig gehaltenen Entgelten zwischen
0 % (Frischwasser 2005) und 9,7 % (Schmutzwasser 2005). Ein durchgreifender
Anhaltspunkt für eine Unverhältnismäßigkeit der Tarife ergibt sich schließlich auch nicht
aus dem ausdrücklichen Konzept des Gesetzgebers, die Abschreibungen als
periodengerechten Vorteilsausgleich anzusehen. Bereits in der Begründung des
Gesetzentwurfs heißt es folgerichtig, mit Blick auf diese Verteilungsfunktion sei eine
bestimmte Zuordnung der zurückfließenden Abschreibungsbeträge nicht verbunden
(Einzelbegründung, a. a. O., S. 5). Ohne die Abschreibungserträge addieren sich die
erwirtschafteten Abschreibungen für sich genommen im theoretischen Modell im
Übrigen auch auf der Basis von Wiederbeschaffungszeitwerten - einen stetigen
inflationsbedingten Preisanstieg unterstellt - zum Ende des gesamten
Abschreibungszeitraums nicht zu dem für die Anlagenerneuerung voraussichtlich
tatsächlich erforderlichen Betrag (vgl. nur Coenenberg/Fischer/Günther, a. a. O., S. 81).
(2.3) Auch unter allen weiteren im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof
angesprochenen Gesichtspunkten ergeben sich keine durchgreifenden
verfassungsrechtlichen Einwände gegen die Kalkulationsgrundlagen in § 3 Abs. 2 und 4, §
5 Nr. 2 TPrG.
So ist es unbedenklich, dass § 3 Abs. 4 Satz 2, § 5 Nr. 2 TPrG den Senat zur jährlichen
Festlegung des Zinssatzes der kalkulatorischen Verzinsung ermächtigt. Ein Verstoß
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Festlegung des Zinssatzes der kalkulatorischen Verzinsung ermächtigt. Ein Verstoß
gegen das Wesentlichkeitsgebot, das es dem Gesetzgeber gebietet, im Verhältnis
zwischen Staat und Bürgern alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen
(Beschluss vom 6. Dezember 1994 - VerfGH 65/93 - LVerfGE 1, 131 <136>), liegt hierin
nicht. Vielmehr entspricht die Ermächtigungsgrundlage den Anforderungen des Art. 64
Abs. 1 Satz 2 VvB, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im
Gesetz bestimmt werden müssen. Insoweit reicht es aus, dass der Gesetzgeber in § 3
Abs. 4 Satz 2 TPrG konkrete Berechnungskriterien festgelegt hat, die den
Verordnungsgeber nachprüfbar binden (vgl. zum Gebührenrecht: BVerfG, NVwZ 1994,
1102 <1104>). Die vom Gesetzgeber gewählte Referenzgröße der Durchschnittsrendite
konservativer Vermögensanlagen genügt auch dem aus dem Rechtsstaatsprinzip
folgenden Bestimmtheitsgebot. Dieses zwingt den Gesetzgeber nicht zur Festlegung
gleichsam mathematisch genau nachrechenbarer Maßstäbe. Er darf
wertausfüllungsbedürftige Begriffe verwenden, die sich im Wege der Auslegung
hinreichend bestimmbar präzisieren lassen (vgl. Beschluss vom 25. März 1999, a. a. O.,
S. 57 f.; zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 10. November 2009 - 1 BvR 1178/07
- Rn. 41). Das ist hier - zumal bei Berücksichtigung der Gesetzesbegründung - der Fall.
So wurden in der Einzelbegründung zur Änderung des § 3 Abs. 4 TPrG die für
Versicherungsunternehmen geltenden Anlagegrundsätze des § 54
Versicherungsaufsichtsgesetzes beispielhaft als Bezugsrahmen genannt (Abghs-Drs.
15/2054, zu § 3 Abs. 4 TPrG, S. 6). Nichts anderes ergibt sich für die später erfolgte
Ergänzung, mit der § 3 Abs. 4 TPrG seine endgültige Fassung erhielt (vgl. Inhaltsprotokoll
der Sitzung vom 8. Dezember 2003 [Recht 15/32] des Ausschusses für Verfassungs-
und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung, Seite 1 [unter
offensichtlich fehlerhafter Bezugnahme auf § 6 4 statt § 54
Versicherungsaufsichtsgesetz]).
Auch verstößt die gesetzliche Änderung der Grundlagen der Tarifbemessung nicht gegen
Vorgaben der Finanzverfassung aus Art. 85 ff. VvB. Dabei ist es bereits im
Ausgangspunkt unzutreffend, wenn die Beschwerdeführerin meint, Gebühren, die den
gebührenrechtlich zulässigen Rahmen überschritten, seien am Maßstab der
Sonderabgaben zu messen. Eine Gebühr wird in einem solchen Fall rechtswidrig, behält
aber ihren Rechtscharakter (vgl. BVerfG, NVwZ 2003, 715). Der Schluss der
Beschwerdeführerin, im Umfang eines doppelten Inflationsausgleichs übersteige das
Entgelt die realen Kosten und sei insoweit materiell als Sonderabgabe einzustufen, ist
aber auch in der Sache verfehlt, da Gebühren nach Maßgabe des Verfassungsrechts -
wie bereits ausgeführt - nicht einem generellen Kostenüberschreitungsverbot
unterliegen. Für eine darüber hinausgehend insgesamt unverhältnismäßige
Entgeltkalkulation, die unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich zulässigen
Finanzierungszwecke und -ziele zu erheblich übersteigerten Einnahmen führt, ist - wie
gleichfalls schon dargelegt - auf der Grundlage des Vortrags im Ausgangs- und im
Verfassungsbeschwerdeverfahren im Ergebnis nichts ersichtlich. Die gebührenrechtlich
zulässige Zweckbestimmung, Einnahmen zu erzielen, um speziell die Kosten der
individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung ganz oder teilweise zu decken, wird
schließlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass die erhöhten Einnahmen letztlich auch
dazu dienen sollen, spätere - und damit jenseits der ausgleichsbezogenen
Nutzungsperiode liegende - Investitionen zu fördern. Insofern handelt es sich nach der
gesetzgeberischen Intention um einen - wenn auch erwünschten - Nebeneffekt, der auch
finanzverfassungsrechtlich nicht unzulässig ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Mit dieser Entscheidung ist das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof
abgeschlossen.
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