Urteil des VerfGH Berlin vom 15.03.2017

VerfGH Berlin: untersuchungshaft, wichtiger grund, freiheit der person, aufrechterhaltung der ordnung, verfassungsbeschwerde, haftbefehl, fortdauer, strafrechtspflege, beschleunigungsgebot, hehlerei

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
113/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 1 Abs 1 GG, Art 20 GG, Art
2 Abs 2 S 1 GG, Art 8 Abs 1 S 2
GG, Art 5 Abs 3 S 2 MRK
VerfGH Berlin: Keine Verletzung der Menschenwürde iSv Art 6
Verf BE und des Freiheitsgrundrechts aus Art 8 Abs 1 S 2 Verf
BE durch Aufrechterhaltung von 15-monatiger
Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr - Beschleunigungsgebot
in Haftsachen - Verfahrensverzögerung - Verfahrensverbindung
mit Strafverfahren anderer Angeklagter
Gründe
I.
Dem Beschwerdeführer wurde mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom 3.
Juli 2001 zusammen mit weiteren Personen u. a. schwerer Bandendiebstahl in mehreren
Fällen zur Last gelegt. Der erste Komplex der Anklageschrift betraf den Vorwurf, der
Beschwerdeführer habe sich mit A. R., N. R. und zwei gesondert Verfolgten spätestens
Ende 1999 zu einer Bande zum Zwecke der Begehung von Einbruchsdiebstählen und
Hehlerei zusammengeschlossen. Der zweite Komplex der Anklageschrift betraf den
Vorwurf des schweren Bandendiebstahls in mehreren Fällen ohne Beteiligung des
Beschwerdeführers.
Dem Beschwerdeführer war im Einzelnen zur Last gelegt worden, am 20./21. Dezember
1999 gemeinsam mit A. R. und N. R. beim Arbeitsamt Südwest eingebrochen und fünfzig
Flachbildmonitore im Gesamtwert von etwa 50.000 DM entwendet zu haben. In der
Nacht vom 31. Dezember 1999 zum 1. Januar 2000 sei er mit den beiden
Mitangeklagten in das Geschäft "..." eingebrochen und habe Elektrogeräte im
Gesamtwert von etwa 440.000 DM bis 500.000 DM entwendet. Ferner wurde dem
Beschwerdeführer Hehlerei von Diebesgut im Wert von 5.500 DM bzw. rund 14.000 DM
durch zwei selbständige Handlungen in der Zeit von Juni 1999 bis Juni 2000 zur Last
gelegt. Außerdem habe er im September 2000 einen Teppich im Wert von 20.000 DM
entwendet.
Seit dem 26. Oktober 2001 fand gegen den Beschwerdeführer und die weiteren
Angeklagten vor dem Landgericht Berlin die Hauptverhandlung statt. Am 5.
Hauptverhandlungstag wurde der Anklagesatz verlesen und in der Folgezeit zunächst
nur über Anklagepunkte verhandelt, die den Angeklagten A. R. betrafen.
Der Beschwerdeführer befand sich seit dem 4. Mai 2001 in Untersuchungshaft. Der
ursprüngliche Haftbefehl wurde am 5. September 2001 durch den angegriffenen
Haftbefehl des Landgerichts ersetzt, der sich auf den Haftgrund der Fluchtgefahr stützt.
Die Haftbeschwerde des Beschwerdeführers vom 1. bzw. 4. Juli 2002, mit der er
beanstandete, dass die Untersuchungshaft andauere, eine Verhandlung der ihn
betreffenden Vorwürfe und ein Urteil aber nicht absehbar seien, und der das Landgericht
durch Beschluss vom 9. Juli 2002 nicht abhalf, verwarf das Kammergericht mit Beschluss
vom 26. Juli 2002 und führte zur Begründung aus, der Haftgrund der Fluchtgefahr
bestehe weiter in einem so hohen Grade, dass nicht zu erwarten sei, dass der Zweck der
Untersuchungshaft durch weniger einschneidende Maßnahmen als den Vollzug des
Haftbefehls erreicht werden könne. Der Fortdauer der Untersuchungshaft stehe auch
nicht entgegen, dass die Anklagevorwürfe gegen den Beschwerdeführer bisher nicht
Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen seien und sich vorerst auch nicht
einschätzen lasse, wann dies der Fall sein werde. Ferner führte das Kammergericht
näher aus, dass die Durchführung des gemeinsamen Strafverfahrens gegen die
verschiedenen Angeklagten wegen des sachlichen Zusammenhangs, den die Vorwürfe
der Bandenkriminalität unter ihnen herstellten, geboten sei.
Der Grenzbereich zur Unverhältnismäßigkeit sei im Falle des Beschwerdeführers bei
weitem noch nicht erreicht, wenn auch die Beweisaufnahme zu dem unmittelbar nur den
Mitangeklagten A. R. betreffenden Vorwurf schon ein sehr ausgedehntes zeitliches
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Mitangeklagten A. R. betreffenden Vorwurf schon ein sehr ausgedehntes zeitliches
Ausmaß angenommen habe. Zu berücksichtigen sei das große Gewicht der gegen den
Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe. Allein bei dem schweren Bandendiebstahl aus
der ......-Filiale gehe es um die Entwendung von Waren im Werte von etwa 440.000 bis
500.000 DM, und die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Vermögensdelikte
bezögen sich insgesamt auf einen Wert von etwa 529.000 bis 589.000 DM. Erst recht
könne nicht von menschenrechtsverletzender Degradierung des Beschwerdeführers
zum bloßen Objekt des Verfahrens die Rede sein, denn auch die bisherige
Beweisaufnahme betreffe ihn insofern, als das Licht, das sie auf den Mitangeklagten A.
R. werfe, von indizieller Bedeutung für die Bewertung der den Beschwerdeführer
betreffenden Bandendeliktsvorwürfe sein könne.
Während der Hauptverhandlung untersagte es der Vorsitzende Richter am Landgericht
den Angeklagten durch Verfügung vom 13. Mai 2002, aus Gründen der
Verdunklungsgefahr miteinander, mit anderen Gefangenen oder Zuhörern Verbindung
aufzunehmen, soweit dies nicht ausdrücklich gestattet sei (1.). Die schon bisher
praktizierte Ausnahme, dass die Angeklagten sich einander zu Sitzungsbeginn kurz
begrüßen dürften, bleibe unberührt. Die Genehmigung einzelner überwachter Gespräche
mit Zuhörern bleibe weiterhin vorbehalten (2.). Unabhängig davon werde den
Angeklagten zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung nach § 176 GVG
untersagt, sich in den Präsenzzellen mutwillig in einer Weise zu verhalten, die geeignet
sei, in den Präsenzzellen untergebrachte Gefangene aus anderen Sälen zu stören.
Insbesondere sei es den Angeklagten untersagt, sich von Zelle zu Zelle zu unterhalten,
zu poltern oder laut zu singen (3.).
Die hiergegen gerichtete Beschwerde u. a. des Beschwerdeführers, der das Landgericht
mit Beschluss vom 22. Mai 2002 nicht abhalf, verwarf das Kammergericht mit Beschluss
vom 21. Juni 2002, dem Beschwerdeführer am 26. Juni 2002 zugestellt.
Mit seiner am 23. August 2002 erhobenen Verfassungsbeschwerde wandte sich der
Beschwerdeführer zunächst gegen den Haftbefehl des Landgerichts vom 5. September
2001, den Nichtabhilfebeschluss der Kammer vom 9. Juli 2002 und den Beschluss des
Kammergerichts vom 26. Juli 2002 sowie gegen die Sicherungsverfügung des
Vorsitzenden Richters am Landgericht und die diese bestätigenden Beschlüsse des
Land- und des Kammergerichts.
Er rügt eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 6, Art. 7, Art. 8 Abs. 1 der
Verfassung von Berlin (VvB) i. V. m. Art. 20 GG und Art. 5 Abs. 3 Satz 2, Art. 6 Abs. 1
Satz 1 MRK (Grundsatz des fairen Verfahrens, Beschleunigungsgebot in Haftsachen).
Das Land- und das Kammergericht hätten seinen Freiheitsanspruch, seinen Anspruch
auf Einhaltung von Verfahrensgarantien und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und
damit Art. 6, Art. 7, Art. 8 Abs. 1 VvB i. V. m. Art. 20 GG in gravierender Weise verkannt.
Mit der Haftentscheidung setze sich das Kammergericht zu der vom
Bundesverfassungsgericht entwickelten Rechtsgüterabwägung offensichtlich in
Widerspruch, da es grundsätzlich der Funktionsfähigkeit und vermeintlichen Effektivität
der Strafrechtspflege den Vorrang vor dem Interesse des Beschwerdeführers an
alsbaldiger Entscheidung einräume. Das Bundesverfassungsgericht betone in ständiger
Rechtsprechung, dass sich ein vertretbarer Ausgleich des Widerstreites zwischen den
Freiheitsgarantien einer Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und einem unabweisbaren
Bedürfnis nach wirksamer Strafverfolgung nur erreichen lasse, wenn den
Freiheitsbeschränkungen, die vom Standpunkt der Strafverfolgung aus nötig und
zweckmäßig seien, ständig der Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten
Beschuldigten als Korrektiv entgegengehalten werde. Das bedeute, dass zwischen
beiden Rechtsgütern abzuwägen sei, wobei zu berücksichtigen bleibe, dass der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - auch unabhängig von der zu erwartenden Strafe -
der Haftdauer Grenzen setze. Angesichts dieser Umstände verändere sich die
verfassungsrechtliche Abwägung zwischen der Strafverfolgungspflicht des Staates und
dem Freiheitsanspruch des Beschuldigten, je länger die Untersuchungshaft währe. Dem
trage § 121 Abs. 1 StPO insoweit Rechnung, als er den Vollzug von Untersuchungshaft
wegen derselben Tat grundsätzlich auf sechs Monate begrenze und Ausnahmen nur in
beschränktem Umfang gestatte. Voraussetzung sei, dass die besondere Schwierigkeit
oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das
Urteil noch nicht zulasse und die Fortdauer der Haft rechtfertige. Die dem
Beschwerdeführer angelasteten Vorwürfe seien weder von besonderer Schwierigkeit
noch von besonderem Umfang. Ihm werde lediglich in zwei Fällen bandenmäßige
Begehung von Eigentumsdelikten angelastet. Die übrigen Vorwürfe beschränkten sich
auf einfache Vorwürfe der Hehlerei bzw. einen einfachen Diebstahl. Unter diesen
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auf einfache Vorwürfe der Hehlerei bzw. einen einfachen Diebstahl. Unter diesen
Umständen hätte nach mehr als 50 Hauptverhandlungstagen ohne weiteres ein Urteil
gegen den Beschwerdeführer ergehen können. Organisatorische Gründe im Bereich der
Strafverfolgungsbehörden oder der Gerichte rechtfertigten grundsätzlich nicht eine
Verzögerung in Haftsachen. Vorliegend wäre es ohne weiteres möglich gewesen, die
Vorwürfe bandenmäßiger Begehung durch zwei Banden in zwei verschiedenen Verfahren
zu verhandeln. Dadurch, dass die Staatsanwaltschaft die beiden Banden in einer
Anklage verbunden und die Kammer dementsprechend eröffnet habe, habe ersichtlich
zur lediglich vorbeugenden Entlastung der Justiz vermieden werden sollen, dass in mehr
als einem Prozess ein und derselbe Sachverhalt verhandelt werde. Es gehe im Übrigen
entgegen der Ansicht des Kammergerichts gerade nicht um einen einheitlichen
Lebenssachverhalt, sondern um die Zusammenfassung von verschiedenen
Angeklagten, die sich zu zwei verschiedenen Banden zusammengeschlossen und
darüber hinaus teilweise in Alleintäterschaft gehandelt haben sollten und denen
insgesamt 26 Vorwürfe gemacht würden. So seien andere vermeintliche Mitglieder der
Bande, der auch der Beschwerdeführer angehören solle, gesondert angeklagt und
zwischenzeitlich verurteilt worden.
Die Tatsache, dass gegen den Beschwerdeführer seit Mai 2001 Untersuchungshaft
vollzogen und gegen ihn formal seit dem 26. Oktober 2001 verhandelt werde, ohne dass
bislang Anklagevorwürfe gegen ihn in der Beweisaufnahme erörtert worden seien, stelle
auch eine Verletzung der Menschenrechte aus Art. 5 Abs. 3 Satz 2 MRK i. V. m. Art. 2
Abs. 2 Satz 2 GG dar, wonach jeder Verhaftete Anspruch darauf habe, innerhalb
angemessener Frist abgeurteilt oder aus der Haft entlassen zu werden. Ferner verletze
die Entscheidung des Kammergerichts den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art.
6 Abs. 1 MRK i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (Grundsatz des fairen Verfahrens).
Die dem Beschwerdeführer in der Verhandlung auferlegten Beschränkungen in Form des
nahezu vollständigen Kommunikationsverbotes verstießen gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit sowie des fairen Verfahrens gemäß Art. 6 MRK, seien unmenschlich
i. S. d. Art. 3 MRK und verletzten die Freiheitsgarantien aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
Den vom Beschwerdeführer ferner am 25. Oktober 2002 gestellten Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf Aufhebung, hilfsweise Außervollzugsetzung
des Haftbefehls, hat der Verfassungsgerichtshof durch Beschluss vom 31. Oktober 2002
zurückgewiesen.
Am 5. November 2002 trennte das Landgericht das Verfahren gegen den
Beschwerdeführer ab, machte aufgrund einer Absprache über die einverständliche
Abkürzung des Verfahrens im Wege der Nachtragsanklage weitere Tatvorwürfe zum
Gegenstand der Hauptverhandlung, verurteilte den Beschwerdeführer am 12. November
2002 wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in drei Fällen,
Betruges in zwei Fällen und Hehlerei in drei Fällen unter Einbeziehung einer
Freiheitsstrafe aus einem amtsgerichtlichen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
drei Jahren und sechs Monaten und setzte den Haftbefehl vorerst außer Vollzug.
Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof mit
Schriftsatz vom 9. Dezember 2002, den Haftbefehl des Landgerichts Berlin vom 5.
September 2001 aufzuheben (1.) und festzustellen, dass die Aufrechterhaltung des
Haftbefehls ab dem 6. Hauptverhandlungstag (2.) sowie die Sicherungsverfügung des
Vorsitzenden vom 13. Mai 2002 (3.) rechtswidrig gewesen seien. Das
Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergebe sich aus der Tatsache, dass der Haftbefehl,
wenngleich er außer Vollzug gesetzt worden sei, fortbestehe, denn dadurch werde er
weiterhin beeinträchtigt. Darüber hinaus habe sich seine Inhaftierung auf einen Zeitraum
beschränkt, in dem er nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine Entscheidung des
angerufenen Gerichts nicht habe erlangen können. Sein Grundrechtsschutz wäre in
unzumutbarer Weise verkürzt, verneine man hier ein Rechtsschutzbedürfnis.
Die Revision des Beschwerdeführers ist vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 4. März
2004 verworfen worden. Als Ende der Strafhaft, die der Beschwerdeführer seit dem 23.
August 2004 verbüßt, ist der 12. August 2006 vorgesehen.
Der Richter L. ist gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 VerfGH von der Mitwirkung an dieser
Entscheidung ausgeschlossen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der Anträge zu 1. und 3. unzulässig. Bezogen
auf den Antrag zu 2. ist sie zumindest teilweise unzulässig und im Übrigen jedenfalls
unbegründet.
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1. Soweit der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde die Aufhebung des
Haftbefehls bzw. - bei sinngemäßer Auslegung des Begehrens - der ihn bestätigenden
Entscheidungen des Landgerichts und des Kammergerichts durch den
Verfassungsgerichtshof erstrebt (Antrag zu 1.), ist sie gegenstandslos geworden, weil
der Haftbefehl durch den rechtskräftigen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 4. März
2004 und den Strafantritt des Beschwerdeführers prozessual und sachlich überholt ist
(zur Erledigung vgl. BVerfGE 9, 160 <161>; Boujong, in: Karlsruher Kommentar zur
Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz mit Einführungsgesetz, 5.
Aufl. 2003, § 120 StPO, Rn. 22 m. w. N.; Meyer/Goßner, Strafprozessordnung,
Gerichtsverfassung, Nebengesetze und ergänzende Bestimmungen, 48. Aufl. 2005, §
120 Rn. 15 m. w. N.).
2. Hinsichtlich des Antrags zu 3. festzustellen, dass die Sicherungsverfügung des
Vorsitzenden der 1. Strafkammer des Landgerichts rechtswidrig war, hat der
Beschwerdeführer weder ein Feststellungsinteresse dargelegt noch ist das Vorliegen
eines solchen Feststellungsinteresses erkennbar. Es ist keine Wiederholung der
angegriffenen Maßnahmen zu besorgen, und es handelte sich bei der Verfügung auch
nicht um einen besonders belastenden Grundrechtseingriff (zu den Anforderungen an
das Rechtsschutzinteresse einer Verfassungsbeschwerde bei Erledigung der
angegriffenen Maßnahme in der Hauptsache vgl. zuletzt Beschluss vom 21. März 2005 -
VerfGH 67/03 - FamRZ 2005, 2012 <2013 f.>; zum Bundesrecht vgl. etwa BVerfGE 81,
138 <140 f.>). Denn es bestand bereits seit Beginn der Inhaftierung für alle Angeklagten
und mithin auch für den Beschwerdeführer eine strikte Trennungsanordnung, so dass die
Sicherungsverfügung vom 13. Mai 2002 auch ausweislich des landgerichtlichen
Beschlusses vom 22. Mai 2002 lediglich der Klarstellung gegenüber den Angeklagten
diente. Zudem enthielt die - vom Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde
inhaltlich ausschließlich angegriffene - Kontaktuntersagungsverfügung (vgl. Ziff. 1 der
Verfügung vom 13. Mai 2002) einen Erlaubnisvorbehalt, von dem nach Angaben des
Strafkammervorsitzenden im Nichtabhilfebeschluss in erheblichem Umfang Gebrauch
gemacht wurde.
3. Offen bleiben kann, ob auch der Antrag des Beschwerdeführers festzustellen, dass die
Aufrechterhaltung des Haftbefehls ab dem 6. Hauptverhandlungstag rechtswidrig
gewesen ist, im Hinblick auf das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses bzw.
Feststellungsinteresses zulässig ist.
Das für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde erforderliche
Rechtsschutzbedürfnis muss noch im Zeitpunkt der Entscheidung des
Verfassungsgerichtshofs gegeben sein (Beschluss vom 11. Juli 2003 - VerfGH 81/01, 81
A/01; st. Rspr.; ebenso zum Bundesrecht BVerfGE 21, 139 <143>; 81, 138 <140>; 104,
220 <232>). In Fällen besonders tief greifender und folgenschwerer Grundrechtseingriffe
folgt aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes, dass der Betroffene Gelegenheit
erhält, die Berechtigung eines Grundrechtseingriffs gerichtlich klären zu lassen, und zwar
selbst dann, wenn dieser sich erledigt hat und nicht mehr fortwirkt (Beschlüsse vom 11.
Februar 1999 - VerfGH 25/97, 25 A/97 und 60/97 - und vom 11. Juli 2003 - VerfGH 81/01,
81 A/01; BVerfGE 9, 89 <93>; 53, 152 <157 f.>; 104, 220 <232 f.>; BVerfG,
Entscheidung vom 31. Oktober 2005 - 2 BvR 2233/04 -, homepage des
Bundesverfassungsgerichts). Dies gilt bei Freiheitsentziehungen durch
Untersuchungshaft, die in das Freiheitsgrundrecht eingreifen und diskriminierende
Wirkung entfalten können, zugleich im Hinblick auf ein Rehabilitierungsinteresse des
Betroffenen (BVerfG, Entscheidung vom 31. Oktober 2005, a. a. O.; so auch BVerfGE
104, 220 <235> zur Abschiebungshaft; vgl. ferner BVerfG, NJW 2002, 2700 <2701> zur
diskriminierenden Unterbringung beim Strafvollzug).
Allerdings ist der Beschwerdeführer rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe ohne
Bewährung verurteilt worden, die er zur Zeit verbüßt und auf die die erlittene
Untersuchungshaft angerechnet wird (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB). Im Hinblick darauf
ist ein Rehabilitierungsinteresse bzw. eine weitere Beeinträchtigung des
Beschwerdeführers durch die Untersuchungshaft trotz ihres im Vergleich zur Strafhaft
unterschiedlichen Zweckes möglicherweise nicht mehr erkennbar (vgl. einerseits den
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Januar 1959 - 1 BvR 396/55 -, BVerfGE
9, 89 <94>, in dem dieses Zweifel an der Benachteiligung der dortigen
Beschwerdeführerin durch den Vollzug der Untersuchungshaft geäußert hat, da das
ergangene Strafurteil die Untersuchungshaft in vollem Umfang angerechnet hatte,
andererseits den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. September 2005 -
2 BvR 1019/01 -, NJW 2006, 427, in dem vom Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses
an der Feststellung der Verfassungswidrigkeit von "Organisationshaft" trotz deren
vollständiger Anrechnung auf die Strafzeit ausgegangen wird).
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Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls insoweit aus anderen Gründen z. T. unzulässig
und im Übrigen unbegründet.
(1) Der Zulässigkeit des Antrags zu 2. aus dem Schriftsatz des Beschwerdeführers vom
9. Dezember 2002 steht - den Antrag für sich genommen - entgegen, dass der
Verfassungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit einer Maßnahme des Landes Berlin
nur auf den Zeitpunkt der letzten, die Instanz abschließenden Entscheidung hin,
vorliegend des Beschlusses des Kammergerichts vom 26. Juli 2002, überprüft, während
der Beschwerdeführer die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Haftbefehls bis zu
dessen Außervollzugsetzung im November 2002 begehrt.
Sollte der Beschwerdeführer sich dagegen, wie sein Schriftsatz vom 28. Februar 2006
nahe legt, weiterhin sowohl gegen den Haftbefehl als auch gegen die ihn bestätigenden
Beschlüsse des Landgerichts vom 9. Juli 2002 und des Kammergerichts vom 26. Juli
2002 wenden und - als Folge der Erledigung - die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit
begehren, genügt die Beschwerdeschrift hinsichtlich des Haftbefehls sowie der
landgerichtlichen Entscheidung nicht den Begründungsanforderungen der §§ 49, 50
VerfGHG, weil der Beschwerdeführer sich hierin lediglich mit der Entscheidung des
Kammergerichts auseinandersetzt.
(2) Hinsichtlich des Beschlusses des Kammergerichts vom 26. Juli 2002 ist die
Verfassungsbeschwerde unzulässig, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von
Art. 20 GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 2 und Art. 6 Abs. 1 MRK rügt. Denn der
Verfassungsgerichtshof kann Maßnahmen des Landes Berlin nur auf ihre Vereinbarkeit
mit der Verfassung von Berlin überprüfen.
Soweit der Beschwerdeführer sinngemäß eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VvB
rügt, obwohl sich die Begründung der Verfassungsbeschwerde nur auf den in
Formulierung wie auch Inhalt vergleichbaren Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG bezieht, ist die Rüge
jedenfalls unbegründet. Denn die Entscheidung des Kammergerichts verletzt den
Beschwerdeführer nicht in seinem in Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VvB garantierten Grundrecht
auf Unverletzlichkeit der Freiheit der Person.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 3 VvB darf in dieses Grundrecht nur aufgrund eines Gesetzes
eingegriffen werden, wobei es nur aus besonders wichtigen Gründen und unter strengen
formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden darf. Zu den Belangen des
Gemeinwohls, gegenüber denen der Freiheitsanspruch eines Angeklagten unter
Umständen zurücktreten muss, gehören die unabweisbaren Bedürfnisse einer
wirksamen Strafverfolgung (zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 36, 264 <269>; 53, 152
<158>). Das öffentliche Interesse an der Gewährleistung einer funktionstüchtigen
Strafrechtspflege hat im Rechtsstaat besonderes Gewicht. Die Untersuchungshaft
bezweckt die Sicherung des Strafverfahrens und die Sicherstellung der Vollstreckung
einer etwaigen Freiheitsstrafe. Dem so bestimmten Gewicht des staatlichen
Strafanspruchs und der zu seiner Durchsetzung erforderlichen Maßnahmen stehen die
mit der Untersuchungshaft verbundenen Freiheitsbeschränkungen des
Beschwerdeführers gegenüber, deren Dauer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
auch unabhängig von der zu erwartenden Strafe Grenzen setzt (Beschlüsse vom 23.
Dezember 1992 - VerfGH 38/92 - LVerfGE 1, 44 <53>, vom 13. Dezember 2001 -
VerfGH 138/01 - und vom 22. November 2005 - VerfGH 146/05, 146 A/05; zum
Bundesrecht vgl. BVerfGE 19, 342 <347 f.>; 20, 45 <49 f.> und 144 <148>; 36, 264
<270>; 53, 152 <158>). Bei der erforderlichen Abwägung ist zu berücksichtigen, dass
sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untersuchungsgefangenen mit
zunehmender Dauer der Untersuchungshaft verstärkt (BVerfGE 36, 264 <270>; 53, 152
<158 f.>; BVerfG, NStZ 2005, 456 <457>). Dem trägt § 121 Abs. 1 StPO insoweit
Rechnung, als die Untersuchungshaft vor Ergehen eines Urteils wegen derselben Tat
über sechs Monate hinaus nur weiter vollzogen werden darf, wenn die besondere
Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger
Grund ein Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Untersuchungshaft
rechtfertigen, wobei diese Ausnahmetatbestände eng auszulegen sind (BVerfGE 36, 264
<271>; 53, 152 <159>).
Den dargelegten, sich aus Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VvB ergebenden Anforderungen wird die
angefochtene Entscheidung des Kammergerichts gerecht. Dabei ist zu beachten, dass
es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs ist, Entscheidungen der Gerichte in jeder
Hinsicht auf die Richtigkeit der getroffenen tatsächlichen Feststellungen, der Auslegung
der Gesetze und ihrer Anwendung auf den konkreten Fall zu kontrollieren. Die Gestaltung
des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des
einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall sind Sache der dafür allgemein
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einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall sind Sache der dafür allgemein
zuständigen Gerichte und insoweit der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof
entzogen (Beschluss vom 30. Juni 1992 - VerfGH 9/92 - LVerfGE 1, 7 <8>; st. Rspr.).
Dies gilt für das Recht der Untersuchungshaft auch hinsichtlich der Prüfung und
Feststellung der Voraussetzungen für den Erlass oder die Fortdauer eines Haftbefehls.
Der Verfassungsgerichtshof ist kein Instanzgericht. Er kann nicht das Ermessen der
Fachgerichte durch eigenes ersetzen. Im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist nur zu
prüfen, ob das Gericht in der Verfassung von Berlin enthaltene Rechte des
Beschwerdeführers verletzt hat. Ein solcher Verstoß ist nur gegeben, wenn das Gericht
durch verfahrensrechtliche Maßnahmen Verfassungsrechte eines Beteiligten
beeinträchtigt, bei seiner Entscheidung willkürlich gehandelt, bei der Auslegung der
Gesetze gegen Grundrechtssätze verstoßen, namentlich die Bedeutung und Tragweite
eines Grundrechts, insbesondere den Umfang seines Schutzbereichs verkannt, oder
grundrechtswidrige Gesetze angewandt hat und die Entscheidung darauf beruht
(Beschluss vom 7. Dezember 2004 - VerfGH 197/04, 197 A/04; st. Rspr.). Dies ist hier
nicht der Fall.
Zunächst hat sich das Kammergericht entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers
nicht in Widerspruch gesetzt zu den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten
Maßstäben für die Rechtsgüterabwägung. Das Kammergericht hat einen wichtigen Grund
für die Fortdauer der zum Zeitpunkt der Entscheidung etwa 15 Monate andauernden
Untersuchungshaft darin gesehen, dass die Durchführung des gemeinsamen
Strafverfahrens gegen die verschiedenen Angeklagten wegen des sachlichen
Zusammenhangs (§ 3, 2. Alt. StPO), den die Vorwürfe der Bandenkriminalität unter
ihnen herstellten, geboten sei. Die Durchführung eines gemeinsamen Verfahrens liege
im Interesse der Funktionsfähigkeit und Effektivität der Strafrechtspflege, weil so
verhindert werden könne, dass derselbe Sachverhalt in mehreren Gerichtsverfahren
behandelt und unter Umständen auch noch verschieden beurteilt werde. Dass sich bei
dieser Verfahrensweise für den einzelnen Angeklagten die Zeitspanne bis zum Urteil
verlängern könne, weil die Verhandlung sich nicht auf allein die Vorwürfe gegen ihn
konzentriere, sondern auch ihn nicht unmittelbar betreffender Prozessstoff in die
Verhandlung einbezogen werde, begründe allerdings einen Konflikt mit seinem
anzuerkennenden Interesse an Herbeiführung der ihn betreffenden Entscheidung mit
größtmöglicher Beschleunigung. In dieser Konfliktsituation gehe zwar grundsätzlich das
Allgemeininteresse an den Vorteilen für die Strafrechtspflege vor. Wenn die mit dem
Tatvorwurf gegen den inhaftierten Angeklagten in nicht unmittelbarem Zusammenhang
stehenden Erhebungen allerdings so lange andauerten, dass die Untersuchungshaft
unverhältnismäßig zu werden drohe, gewinne das Beschleunigungsgebot gegenüber
dem Gebot, einen einheitlichen Lebenssachverhalt durch ein gemeinsames
Strafverfahren aufzuklären, das Übergewicht. Diese Ausführungen machen deutlich,
dass das Kammergericht die Funktionsfähigkeit und Effektivität der Strafrechtspflege
nicht als allein ausschlaggebend angesehen, sondern dieses Interesse - entsprechend
den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts - mit dem Beschleunigungsgebot
abgewogen hat.
Auch inhaltlich hält die vom Kammergericht vorgenommene Abwägung zwischen dem
Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers und dem Strafverfolgungsinteresse einer
verfassungsrechtlichen Überprüfung stand.
Keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt zum einen die
Annahme des Kammergerichts, ein die Fortdauer der Untersuchungshaft
rechtfertigender wichtiger Grund sei das staatliche Interesse an der Durchführung eines
gemeinsamen Strafverfahrens gegen die verschiedenen Angeklagten wegen des
sachlichen Zusammenhangs, den die Vorwürfe der Bandenkriminalität unter ihnen
herstellten. Insbesondere handelte es sich bei der langen Untersuchungshaftdauer
entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht nur um die Folge einer lediglich
zur Entlastung der Justiz getroffenen organisatorischen Maßnahme, um an der "knappen
Ressource Recht" zu sparen. Denn es ging vorliegend um die Aufklärung und Ahndung
von Straftaten, an denen mehrere Tatverdächtige mit unterschiedlichen Tatbeiträgen
beteiligt gewesen sein sollten, und es konnte nachvollziehbar davon ausgegangen
werden, durch die gleichzeitige Aburteilung eine umfassende Aufklärung sowie eine
gerechte Rechtsfindung und Strafzumessung sicherzustellen (vgl. auch OLG Hamm, JZ
1965, 545 f.). Hinsichtlich des Tatkomplexes der Anklagevorwürfe I. 1.-4., II. 2.-4., III. 1.
und 2. durfte eine Verbindung des gegen den Beschwerdeführer geführten Verfahrens
mit demjenigen gegen A. R. und N. R. angebracht erscheinen, da alle drei Angeklagten
der Vorwurf betraf, sich gemeinsam mit zwei gesondert Verfolgten zu einer Bande
zusammengeschlossen zu haben. Als geboten durfte ferner eine Verbindung des
Verfahrens hinsichtlich der Anklagepunkte I. 5.-16, II. 5.-7., IV. 5.-8., V. 1.-9., VI 1.-4., VII
1.-3. und VIII 1.-3., denen der Vorwurf eines Bandenzusammenschlusses zwischen sechs
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1.-3. und VIII 1.-3., denen der Vorwurf eines Bandenzusammenschlusses zwischen sechs
Angeklagten ohne den Beschwerdeführer zugrunde lag, erscheinen. Insoweit hat bereits
das Landgericht in seinem Beschluss vom 9. Juli 2002 darauf hingewiesen, dass durch
die Verbindung auch die Möglichkeit bestehe, aus den Beweisergebnissen zu dem einen
Rückschlüsse auf den anderen Tatbeitrag zu ziehen. Zudem lässt sich ein enger
Zusammenhang zwischen den zwei zur Anklage gestellten Komplexen auch daraus
schließen, dass für die verschiedenen Taten als Zeugen zum Teil dieselben Personen
benannt worden sind. Soweit der Beschwerdeführer anführt, gegen zwei weitere
Tatverdächtige sei "außerhalb der Reihe" verhandelt worden, was auch in Bezug auf ihn
möglich gewesen sei, ist diesem Einwand entgegenzuhalten, dass es sich bei den beiden
gesondert Verfolgten nach Aktenlage um geständige Hehler handelte.
Auch die Verhältnismäßigkeitsprüfung des Kammergerichts ist verfassungsrechtlich
unbedenklich. Das Kammergericht hat darauf hingewiesen, dass die Beweisaufnahme zu
dem unmittelbar nur den Mitangeklagten A. R. betreffenden Vorwurf zwar schon ein sehr
ausgedehntes zeitliches Ausmaß angenommen habe, dass aber andererseits das große
Gewicht der gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe zu berücksichtigen sei:
Allein bei dem schweren Bandendiebstahl aus der ....-Filiale sollten Waren im Werte von
etwa 440.000 bis 500.000 DM erbeutet worden sein, und die dem Beschwerdeführer zur
Last gelegten Vermögensdelikte bezögen sich insgesamt auf einen Wert von etwa
529.000 bis 589.000 DM. Das Kammergericht hat auch Bezug genommen auf die im
Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts vom 9. Juli 2002 unter 2. dargelegten
Ausführungen zur Fluchtgefahr und die dort genannte vorläufige Einschätzung einer
möglichen Gesamtfreiheitsstrafe von viereinhalb bis fünf Jahren. Der
Verfassungsgerichtshof hat im Beschluss vom 31. Oktober 2002 - das einstweilige
Anordnungsverfahren betreffend - dargelegt, dass angesichts dieser damals
bestehenden Straferwartung die Grenze zur absoluten Unverhältnismäßigkeit der
Fortdauer der Untersuchungshaft noch nicht überschritten war. An diesen Ausführungen
wird festgehalten.
Nachvollziehbar hat das Kammergericht ausgeführt, dass auch von einer die
Menschenwürde des Beschwerdeführers verletzenden Degradierung zum bloßen Objekt
des Verfahrens keine Rede sein könne, da die bisherige Beweisaufnahme auch ihn
insofern betreffe, als das Licht, das sie auf den Mitangeklagten A. R. werfe, von indizieller
Bedeutung für die Bewertung der den Beschwerdeführer betreffenden
Bandendeliktsvorwürfe sein könne.
Ferner ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass es bei dem der
Untersuchungshaft zugrunde liegenden Strafverfahren etwa zu einer dem Staat
zuzurechnenden vermeidbaren Verfahrensverzögerung gekommen wäre (zu diesem
Kriterium vgl. etwa BVerfG, NStZ 2005, 456 <456 f.>). Die Durchführung des
gemeinsamen Strafverfahrens gegen die verschiedenen Angeklagten war - wie
ausgeführt - wegen des sachlichen Zusammenhangs der Vorwürfe als solches
berechtigt. Dass zunächst solche Tatvorwürfe zum Gegenstand der Beweisaufnahme
gemacht worden sind, die allein den Angeklagten A. R. betrafen, beruhte nach den
Ausführungen des Landgerichts - dem Wunsch einiger Verteidiger folgend - darauf, dass
diese Fälle zu der Anordnung von Telefonüberwachungsmaßnahmen geführt hatten und
gegebenenfalls die Verwertbarkeit ihrer Ergebnisse hätte in Frage gestellt werden
können (vgl. Beschluss des Landgerichts vom 9. Juli 2002, S. 7). Anhaltspunkte dafür,
dass die Hauptverhandlung insgesamt in vermeidbarer Weise durch das Gericht
verzögert oder nicht mit der gebotenen besonderen Sorgfalt betrieben worden wäre
(hierzu vgl. etwa EGMR, NJW 2005, 3125 <3127>; BVerfGE 36, 264 <271 ff.>), sind nicht
ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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