Urteil des VerfGH Berlin vom 15.03.2017

VerfGH Berlin: sierra leone, verfassungsbeschwerde, erlass, aufenthaltserlaubnis, rechtsmittelbelehrung, bekanntgabe, vertreter, verhinderung, zustand, gewalt

1
2
3
4
Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
133/01, 133 A/01
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 31 Abs 1 VGHG BE, § 49 Abs
2 S 1 VGHG BE, § 51 VGHG BE,
§ 52 S 1 VGHG BE, § 114 ZPO
Tenor
Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Erlass einer einstweiligen
Anordnung werden abgelehnt.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
eines Rechtsanwalts für die Durchführung eines beabsichtigten
Verfassungsbeschwerdeverfahrens gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen.
Das Landeseinwohneramt lehnte einen Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 3. Dezember 1999 ab und drohte ihr die
Abschiebung an. Nachdem ihr Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8.
September 2000 zurückgewiesen worden war, erhob sie am 25. September 2000 Klage
vor dem Verwaltungsgericht mit dem Antrag, die vorgenannten Bescheide aufzuheben
und das Land Berlin zu verpflichten, ihr eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Das
Verwaltungsgericht wies die Klage durch Urteil vom 11. Mai 2001 - VG 11 A 527.00 - mit
der Begründung ab, die Versagung der Aufenthaltserlaubnis begegne im Hinblick auf § 8
Abs. 1 Nr. 3 AuslG keinen rechtlichen Bedenken. Nach dieser Vorschrift werde die
Aufenthaltsgenehmigung auch bei Vorliegen eines Anspruchs nach diesem Gesetz
versagt, wenn der Ausländer keinen erforderlichen Pass besitze; diese Voraussetzungen
lägen - wie auch der Vertreter der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung
eingeräumt habe - gegenwärtig vor. Eine Ausfertigung dieses Urteils wurde dem
Vertreter der Antragstellerin am 22. Mai 2001 zugestellt.
Die Beschwerdeführerin beantragte bei dem Oberverwaltungsgericht mit Schreiben vom
26. Mai 2001, ihr Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Einlegung der Berufung gegen
das Urteil des Verwaltungsgerichts zu bewilligen. Das Oberverwaltungsgericht lehnte den
Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren auf Zulassung der
Berufung durch Beschluss vom 2. Juli 2001 mit der Begründung ab, die beabsichtigte
Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dass die Antragstellerin
den Prozesskostenhilfeantrag, anders als den Berufungszulassungsantrag, selbst stellen
könne, entbinde sie nicht davon, wenigstens in der Art einer „Parallelwertung in der
Laiensphäre“ mit Minimalsubstanz einen Zulassungsgrund darzulegen, um dem Gericht
Anhaltspunkte für eine Beurteilung der Erfolgsaussichten ihres beabsichtigten
Zulassungsbegehrens zu geben. Diesen Anforderungen an die Darlegung eines
Zulassungsgrundes entspreche das Antragsvorbringen nicht. Es setze sich mit der
entscheidungstragenden Begründung des erstinstanzlichen Urteils nur am Rande
auseinander und lasse insbesondere nicht erkennen, dass u. a. die Voraussetzung eines
rechtmäßigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland für eine Ausnahme nach §
9 Abs. 1 Nr. 3 AuslG von dem besonderen Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AuslG
gegeben sein sollte. Eine Ausfertigung dieses Beschlusses wurde an die Antragstellerin
gemäß Kanzleivermerk am 6. Juli 2001 abgesandt. Die Antragstellerin beantragte
sodann mit Schreiben vom 12. Juli 2001 beim Oberverwaltungsgericht die Zulassung der
Berufung gegen das vorgenannte Urteil des Verwaltungsgerichts. Das
Oberverwaltungsgericht verwarf den Zulassungsantrag mit Beschluss vom 22. August
2001 und gab zur Begründung an, die Antragstellerin habe den Antrag mangels
Postulationsfähigkeit nicht selbst stellen können, sondern hätte sich - gemäß dem
bereits in der Rechtsmittelbelehrung des verwaltungsgerichtlichen Urteils gegebenen
Hinweis - dabei von einem Rechtsanwalt oder Rechtslehrer vertreten lassen müssen.
Mit ihrem am 17. September 2001 eingegangenen Antrag rügt die Antragstellerin
4
5
6
7
8
9
Mit ihrem am 17. September 2001 eingegangenen Antrag rügt die Antragstellerin
insbesondere eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3, 6, 19 Abs. 4 und Art. 103
Abs. 1 GG sowie Art. 12 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 4 VvB durch die Entscheidung der
Verwaltungsgerichte. Diese hätten ihre familiären Bindungen im Bundesgebiet sowie den
Umstand, dass sie nicht nach Sierra Leone zurückkehren könne, nicht berücksichtigt.
II. Die Anträge haben keinen Erfolg.
Prozesskostenhilfe kann der Antragstellerin nicht bewilligt werden, da die beabsichtigte
Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 52 Satz 1 VerfGHG i. V.
m. § 114 ZPO).
Die beabsichtigte Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Zwar kann eine - zumindest
die letztinstanzliche - Entscheidung im Prozesskostenhilfe-Verfahren zum Gegenstand
einer Verfassungsbeschwerde gemacht werden (vgl. Beschlüsse vom 8. Februar 1995 -
VerfGH 104/94 - LVerfGE 3, 10 <13> und vom 20. August 1997 - VerfGH 9/97 - LVerfGE
7, 11 <14 f.> sowie zum Bundesrecht: BVerfGE 7, 53 <55>). Da ein Rechtsmittel gegen
den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 2. Juli 2001 nicht gegeben ist (§ 152
Abs. 1 VwGO), ist auch der Rechtsweg für das Prozesskostenhilfeverfahren erschöpft
(vgl. § 49 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG). Jedoch ist die Zwei-Monats-Frist (§ 51 Abs. 1 Satz 1
VerfGHG) für die Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht gewahrt. Unbeschadet des
Umstands, dass die Fristen des § 51 VerfGHG durch das Gesuch um Bewilligung von
Prozesskostenhilfe nicht gehemmt werden (§ 52 Satz 2 VerfGHG), ist davon
auszugehen, dass die Frist für eine Verfassungsbeschwerde gegen den genannten
Beschluss bereits bei Eingang des vorliegenden Antrags auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe verstrichen war. Die Frist beginnt - soweit im vorliegenden
Zusammenhang von Bedeutung - mit der formlosen Mitteilung der in vollständiger Form
abgefassten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen
Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist, in anderen Fällen mit der sonstigen
Bekanntgabe an den Beschwerdeführer (vgl. § 51 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VerfGHG).
Gemäß dem Kanzleivermerk des Oberverwaltungsgerichts (Bl. 53 der Akte OVG 8 N
73.01) ist eine Ausfertigung des Beschlusses vom 2. Juli 2001 am 6. Juli 2001 formlos an
die Antragstellerin, die dem vorliegenden Antrag eine (Teil-)Kopie einer Ausfertigung
dieses Beschlusses beigefügt hat, abgesandt worden. Durch die Einreichung des Antrags
auf Zulassung der Berufung vom 12. Juli 2001 hat die Antragstellerin zu erkennen
gegeben, dass ihr der Beschluss vom 2. Juli 2001 spätestens zu diesem Zeitpunkt - und
mithin mehr als zwei Monate vor Eingang des vorliegenden Prozesskostenhilfe-Antrags -
bekannt gewesen ist; gemäß ihrer eigenen Angabe hat die Antragstellerin den „Antrag
auf Zulassung der Beschwerde“ aufgrund eines „oberverwaltungsgerichtlichen Hinweises
vom 2. Juli 2001“ in dem den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die
Zulassung der Berufung ablehnenden Beschluss gestellt (Bl. 4 der Antragsschrift vom
14. September 2001).
Eine beabsichtigte Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
vom 11. Mai 2001 ist ebenfalls unzulässig. Geht man zu Gunsten der Antragstellerin
davon aus, dass das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs (vgl. § 49 Abs. 2 Satz 1
VerfGHG) unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit beschränkt ist, wenn einem
Beschwerdeführer, der die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann,
Prozesskostenhilfe für die Beschreitung des Rechtswegs - hier für den dem
Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 1 VwGO unterliegenden Antrag auf Zulassung der
Berufung - abschließend wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung verweigert
worden ist (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 22, 349 <355> m. w. N.), so wäre eine
Verfassungsbeschwerde gegen das erstinstanzliche Urteil allenfalls innerhalb von zwei
Monaten nach Bekanntgabe der unanfechtbaren Ablehnung des Prozesskostenhilfe-
Antrags zulässig gewesen. Der Umstand, dass die Antragstellerin - ohne Beachtung des
ihr aufgrund der Rechtsmittelbelehrung des verwaltungsgerichtlichen Urteils bekannten
Vertretungszwangs - persönlich einen eindeutig unzulässigen Antrag auf Zulassung der
Berufung gestellt hat, ändert hieran nichts. Hält man die Erschöpfung des Rechtswegs
gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG dagegen auch in Fällen der vorliegenden Art für
geboten, so ist diesem Erfordernis durch den Antrag auf Zulassung der Berufung nicht
Genüge getan, da die Antragstellerin - wie dargetan - bereits eine
Zulässigkeitsvoraussetzung des an sich statthaften Rechtsmittels nicht erfüllt hat.
Schließlich böte auch eine - von der Antragstellerin wohl gleichermaßen beabsichtigte
(vgl. Bl. 4 der Antragsschrift: „… dem angefochtenen Beschluss vom 22. August 2001
…“) - Verfassungsbeschwerde gegen den den Antrag auf Zulassung der Berufung
verwerfenden Beschluss keine Erfolgsaussichten, da nicht einmal ansatzweise dargetan
ist, inwiefern der auf die bundesgesetzliche Regelung des Vertretungszwangs (§ 67 Abs.
1 VwGO) gestützte Beschluss die Antragstellerin in ihren in der Verfassung von Berlin
10
11
12
1 VwGO) gestützte Beschluss die Antragstellerin in ihren in der Verfassung von Berlin
enthaltenen Rechten verletzen könnte.
Auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung konnte keinen Erfolg haben.
Nach § 31 Abs. 1 VerfGHG kann der Verfassungsgerichtshof im Streitfall einen Zustand
durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile,
zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum
gemeinen Wohn dringend geboten ist. Dies ist grundsätzlich auch schon möglich, bevor
die Hauptsache anhängig ist (Beschluss vom 17. August 1998 - VerfGH 54 A/98 -
LVerfGE 9, 36 <39>). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt vorliegend aber
nicht in Betracht, da die angekündigte Verfassungsbeschwerde - wie dargelegt -
unzulässig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum