Urteil des VerfGH Berlin vom 14.03.2017

VerfGH Berlin: wiedereinsetzung in den vorigen stand, anspruch auf rechtliches gehör, eidesstattliche erklärung, glaubhaftmachung, verfassungsbeschwerde, eigenes verschulden, schwiegermutter

1
2
3
Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
130/02, 179/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 103 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1
GG, § 33a StPO, § 409 StPO, §
410 Abs 1 StPO
VerfGH Berlin: Teils unzulässige, im Übrigen unbegründete
Verfassungsbeschwerde: Keine Verletzung des rechtlichen
Gehörs durch strafgerichtliche Entscheidung über
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der
Wiedereinsetzungsfrist - trotz Vorliegens eines Gehörsverstoßes
- da Gehörsgewährung zu keiner günstigeren Entscheidung
zugunsten des Beschwerdeführers geführt hätte
Tenor
1. Die Verfahren werden unter dem führenden Aktenzeichen VerfGH 130/02 zur
gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
3. ...
4. ...
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer, ein Arzt für Radiologie, war Beschuldigter in einem
Strafverfahren, das gegen ihn wegen des Verdachts eines versuchten
Abrechnungsbetruges mit einer Schadenshöhe von 92,01 DM geführt wurde. Am 19.
Januar 2001 erließ das Amtsgericht Tiergarten einen Strafbefehl, mit dem es eine
Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 400 DM, insgesamt 12.000 DM, festsetzte. Der
Strafbefehl wurde dem Beschwerdeführer durch Niederlegung unter Einwurf einer
schriftlichen Benachrichtigung durch den Türschlitz seiner Wohnung am 10. Februar 2001
zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2001 beantragte der Beschwerdeführer durch seinen
Verfahrensbevollmächtigten im Hinblick auf die versäumte Einspruchsfrist
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte zugleich Einspruch gegen den
Strafbefehl ein. Zur Begründung führte er an, er habe erstmals an diesem Tag anlässlich
einer mündlichen Verhandlung in einer anderen gegen ihn geführten Strafsache
Kenntnis von der Zustellung und der zwischenzeitlich eingetretenen Rechtskraft des
Strafbefehls erlangt. Er beantrage Akteneinsicht; erst danach sei ihm eine
Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgesuchs möglich. Unter dem 10. August 2001
übersandte das Amtsgericht Tiergarten die Strafakten zum Zweck der Gewährung von
Akteneinsicht an die Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers.
Mit Schriftsatz vom 21. August 2001 begründete der Beschwerdeführer seinen Antrag
auf Wiedereinsetzung: Er sei vom 3. bis einschließlich 11. Februar 2001 verreist gewesen.
Seine Schwiegermutter, die in dieser Zeit in seiner Wohnung gelebt habe, sei
angewiesen worden, jeglichen Posteingang auf den Esstisch zu legen. Der Einwurf der
Benachrichtigung über die Zustellung des Strafbefehls, eines kleinen grauen Zettels, sei
wie andere Tagespost auch durch den Briefschlitz in der Tür erfolgt. Seine
Schwiegermutter Frau M., die Kanadierin sei und nur wenig Deutsch spreche, sei davon
ausgegangen, dass es sich bei dem Zettel nur um Werbung handele, und habe ihn
vernichtet. Eine schriftliche Erklärung der Schwiegermutter in englischer Sprache sei
beigefügt. Soweit das Gericht eine deutsche Übersetzung für erforderlich halte, werde
um einen rechtlichen Hinweis gebeten. Eine eigene eidesstattliche Versicherung werde
nachgereicht; falls eine eidesstattliche Versicherung der Schwiegermutter für erforderlich
gehalten werde, werde ebenfalls um einen Hinweis gebeten. Der Schriftsatz vom 21.
August 2001 ging ausweislich des Posteingangsstempels am 30. August 2001 bei
Gericht ein, wurde der zuständigen Richterin jedoch erst am 5. Oktober 2001 vorgelegt.
4
5
6
7
8
9
10
Mit Schreiben vom 10. September 2001 setzte die Staatsanwaltschaft Berlin dem
Beschwerdeführer eine Frist zur Glaubhaftmachung der Voraussetzungen einer
Wiedereinsetzung bis zum 20. Oktober 2001.
Mit Schreiben vom 13. September 2001 übersandte der Beschwerdeführer eine eigene
eidesstattliche Versicherung des Sachverhalts. Mit Schreiben vom 18. und 22. Oktober
2001 überreichte er zwei eidesstattliche Versicherungen der Frau M. in englischer
Sprache.
Durch Beschluss vom 2. Oktober 2001, der am 29. November 2001 ab- und dem
Beschwerdeführer am 30. November 2001 zuging, verwarf das Amtgericht Tiergarten
den Einspruch gegen den Strafbefehl unter Zurückweisung des
Wiedereinsetzungsantrages als unzulässig. Der Einspruch wahre nicht die Frist nach §§
409, 410 der Strafprozessordnung - StPO - und sei damit unzulässig. Der
Wiedereinsetzungsantrag sei zurückzuweisen, da die eidesstattliche Erklärung des
Betroffenen nicht zur Glaubhaftmachung ausreiche.
Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer am 30. November 2001 sofortige
Beschwerde ein. Zur Begründung verwies er auf die ihm von der Staatsanwaltschaft
Berlin mir Schreiben vom 10. September 2001 gesetzte Frist zur Glaubhaftmachung bis
zum 20. Oktober 2001. Im Hinblick darauf habe er zwei eidesstattliche Versicherungen
der Frau M. eingereicht, die im vom 2. Oktober 2001 datierenden Beschluss nicht
berücksichtigt worden sein könnten. Im Übrigen habe er in der Begründung seines
Wiedereinsetzungsgesuchs um einen gerichtlichen Hinweis gebeten, wenn die vorgelegte
schriftliche Erklärung der Schwiegermutter nicht ausreiche; ein solcher Hinweis sei nicht
erfolgt.
Das Landgericht Berlin verwarf die sofortige Beschwerde durch Beschluss vom 21.
Dezember 2001 als unbegründet. Das Amtsgericht habe zu Recht die begehrte
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung des
Einspruchs gegen den Strafbefehl abgelehnt, weil der Beschwerdeführer die behauptete
unverschuldete Fristversäumung nicht glaubhaft gemacht habe. Seine eigene
eidesstattliche Erklärung reiche hierzu ebenso wenig aus wie die in englischer Sprache
abgefasste Erklärung der Frau M. von Oktober 2001. Gemäß § 184 des
Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG - seien schriftliche Erklärungen in fremder Sprache
unbeachtlich. Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer hätte hierauf vor der
Entscheidung des Amtsgerichts auch nicht hingewiesen werden müssen.
Mit Schriftsatz vom 10. Januar 2002 beantragte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht
Tiergarten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der
Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren. Gleichzeitig beantragte er die Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen den Strafbefehl und
legte gegen diesen nochmals Einspruch ein. Zur Begründung erklärte sein
Prozessbevollmächtigter im Wege eidesstattlicher Versicherung, den Beschwerdeführer
zu keinem Zeitpunkt auf die Notwendigkeit einer deutschen Übersetzung der
eidesstattlichen Versicherung der Frau M. hingewiesen zu haben. § 184 GVG sei von ihm
nicht beachtet worden, und er habe sich darauf verlassen, im Falle der Notwendigkeit
einer deutschen Übersetzung den erbetenen Hinweis des Gerichts zu erhalten. Seiner
Auffassung nach finde im Übrigen § 184 GVG nicht auf Urkunden in fremder Sprache wie
die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen Anwendung. Der Beschwerdeführer
habe keinerlei Anlass gehabt, an seiner Zuverlässigkeit als Verteidiger zu zweifeln. Es
entspreche ständiger Rechtsprechung, dass einem Angeklagten Versäumnisse seines
Verteidigers nicht zuzurechnen seien. Zur Glaubhaftmachung wurden nunmehr durch
einen beeidigten Dolmetscher gefertigte Übersetzungen der eidesstattlichen
Versicherungen der Frau M. von Oktober 2001 eingereicht.
Mit Beschluss vom 11. März 2002 verwarf das Amtsgericht Tiergarten den Einspruch des
Beschwerdeführers gegen den Strafbefehl unter Zurückweisung des
Wiedereinsetzungsantrages. Der Einspruch gegen den Strafbefehl sei verspätet
eingegangen und deshalb erneut als unzulässig zu verwerfen. Daneben sei auch der
Wiedereinsetzungsantrag vom 10. Januar 2002 als unzulässig zu verwerfen, weil er nicht
binnen einer Woche nach Wegfall der Hindernisse bei Gericht eingegangen sei. Nachdem
der Verteidiger am 10. August 2001 Akteneinsicht genommen habe, hätte der
Beschwerdeführer binnen einer Woche vortragen müssen, weshalb er an der Einhaltung
der Einspruchsfrist gehindert gewesen sei und wann der Hinderungsgrund in Wegfall
geraten sei. Derartige Umstände habe der Beschwerdeführer jedoch erstmals mit
Schreiben vom 21. August 2001 und damit verspätet vorgetragen.
11
12
13
14
15
16
17
18
19
Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer am 25. März 2002 sofortige
Beschwerde ein. Er führte an, das Amtsgericht sei erstmalig davon ausgegangen, dass
der Verteidiger am 10. August 2001 Akteineinsicht genommen habe und danach binnen
Wochenfrist kein Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden sei. Dieser Sachverhalt sei
offenkundig falsch. Zum einen sei bereits mit Schriftsatz vom 27. Juli 2001
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt worden. Zum anderen seien die Akten
per Post erst am 14. August 2001 im Büro des Verfahrensbevollmächtigten
eingegangen. Die weiteren Ausführungen zur Antragsbegründung und
Glaubhaftmachung seien mit Schriftsatz vom 21. August 2001 erfolgt. Sollten sie nicht
fristgerecht eingegangen sein, habe das Amtsgericht übersehen, dass die
Glaubhaftmachung sogar noch im Beschwerderechtszug nachgeholt werden könne.
Rein vorsorglich für den Fall, dass die Antragsbegründung vom 27. Juli 2001 nicht
ausreichend und der Schriftsatz vom 21. August 2001 verspätet gewesen sei, werde
erneut die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der
Wiedereinsetzungsfrist beantragt. Sowohl der Antrag vom 27. Juli 2001 als auch die
Begründung vom 21. August 2001 seien ausschließlich auf Veranlassung seines
Verteidigers hin gefertigt worden. Dieser versicherte an Eides Statt, dass ausschließlich
er Fristen notiert und den Schriftsatz vom 21. August 2001 gefertigt und bei Gericht
eingereicht habe.
Auf die Beschwerde hin hob das Landgericht Berlin den Beschluss des Amtsgerichts
Tiergarten vom 11. März 2002 durch Beschluss vom 26. April 2002 auf und stellte fest,
dass es bei dem Beschluss des Landgerichts Berlin vom 21. Dezember 2001 verbleibe.
Durch den genannten Beschluss habe es in dieser Sache bereits abschließend
entschieden. Die Schriftsätze des Beschwerdeführers vom 10. Januar und 25. März 2002
würden als (weitere unzulässige) Beschwerde betrachtet, über die das hierfür zuständige
Beschwerdegericht zu entscheiden habe.
Mit Schriftsatz vom 15. Mai 2002 erhob der Beschwerdeführer gegen den Beschluss vom
26. April 2002 Gegenvorstellung und beantragte gemäß § 33 a StPO die Nachholung
rechtlichen Gehörs. Er verwies darauf, dass sein Antrag vom 10. März 2002 einen völlig
neuen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist
darstelle, über den, nachdem der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 11. März
2002 aufgehoben worden sei, noch nicht entschieden sei. Hierdurch sei sein Anspruch
auf rechtliches Gehör verletzt.
Das Landgericht Berlin erklärte auf die Gegenvorstellung hin mit Beschluss vom 29. Mai
2002, es verbleibe bei dem Beschluss der Kammer vom 26. April 2002.
Mit Beschluss vom 24. Juli 2002 stellte das Kammergericht fest, dass eine Entscheidung
des Senats nicht veranlasst sei. Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien weder
der Antrag des Beschwerdeführers vom 10. Januar 2002 noch seine sofortige
Beschwerde vom 25. März 2002 als "weitere Beschwerden" gegen den Beschluss des
Landgerichts vom 21. Dezember 2001 zu behandeln. Nach dem eindeutigen Wortlaut
handele es sich bei der Antragsschrift um einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zum Antrag auf Wiedereinsetzung gegen
die Versäumung der Einspruchsfrist. Ebenso eindeutig ihrem Wortlaut nach richte sich
die Rechtsmittelschrift gegen den Beschluss vom 11. März 2002, mit dem das
Amtsgericht über den neuerlichen Wiedereinsetzungsantrag vom 10. Januar 2002 in der
Sache entschieden habe. Der Beschluss des Landgerichts vom 26. April 2002 sei einer
Überprüfung durch den Senat nicht zugänglich. Es handele sich um eine das Verfahren
über den neuerlichen Wiedereinsetzungsantrag förmlich abschließende und nicht mit der
weiteren Beschwerde anfechtbare, wirksame Sachentscheidung des
Beschwerdegerichts. Ob das Landgericht - und gegebenenfalls mit welchem Ergebnis -
die vorstehenden Ausführungen zum Anlass nehme, sich nochmals mit der gegen den
Beschluss vom 26. April 2002 erhobenen Gegenvorstellung zu befassen, bleibe allein
seiner Entscheidung überlassen.
Mit Schreiben vom 7. August 2002 bat der Beschwerdeführer das Landgericht Berlin
daraufhin um unverzügliche Mitteilung, ob beabsichtigt sei, entweder über die
Gegenvorstellung neu zu entscheiden oder sich mit dem Antrag nach § 33 a StPO zu
befassen oder nunmehr auch über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden.
Mit seiner am 30. September 2002 eingegangenen Verfassungsbeschwerde (VerfGH
130/02) macht der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 10
Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 4 der Verfassung von Berlin - VvB - geltend.
Die Beschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten vom 11. März 2002 und des Landgerichts
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
Die Beschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten vom 11. März 2002 und des Landgerichts
Berlin vom 26. April 2002 verletzten ihn in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus
Art. 15 Abs. 1 VvB, da beide Gerichte nicht beachtet hätten, dass es für ihn in diesem
Verfahren um den erstmaligen Zugang zum Gericht gehe. Gerade in dieser Situation
stehe der Grundsatz des rechtlichen Gehörs überspannten Anforderungen an
Wiedereinsetzungsanträge entgegen. Sein Antrag auf Wiedereinsetzung in die
Wiedereinsetzungsfrist sei damit begründet worden, dass sein
Verfahrensbevollmächtigter es schuldhaft unterlassen habe, ihn über die Notwendigkeit
der Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seiner Schwiegermutter in deutscher
Übersetzung zu informieren. Das Amtsgericht habe sich in seinem Beschluss mit
diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt. Auch das Landgericht habe sein
Rechtsschutzziel verkannt und den eindeutig formulierten Antrag auf Wiedereinsetzung
als weitere Beschwerde ausgelegt. Obwohl es sich um einen erneuten, auf einen neuen
Sachverhalt gestützten Antrag handele, lehne es eine Befassung mit der Sache ab.
Diese Vorgehensweise zwinge zu dem Schluss, dass die Gerichte das Vorbringen nicht
zur Kenntnis genommen und bei ihren Entscheidungen nicht in Erwägung gezogen
hätten.
Ferner werde er in seinen Rechten aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 VvB verletzt, weil
über seinen Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs gemäß § 33 a StPO nicht
entschieden worden sei. Eine Entscheidung sei auch nicht mehr zu erwarten; das
Landgericht meine gegebenenfalls, mit seinem Beschluss vom 29. Mai 2002 bereits über
den Antrag entschieden zu haben.
Schließlich liege auch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 10 Abs. 1 VvB
vor. Denn entgegen dem geltenden Grundsatz, dass sich ein Beschuldigter
Anwaltsverschulden nicht zurechnen lassen müsse, werde er aufgrund der angegriffenen
Entscheidungen für dieses zur Verantwortung gezogen.
Mit Beschluss vom 27. November 2002 stellte das Landgericht Berlin "auf die erneute
Gegenvorstellung des Angeklagten mit Verteidigerschriftsatz vom 7. August 2002" fest,
dass es beim Beschluss der Kammer vom 26. April 2002 verbleibe. Dabei wurde
"ergänzend bemerkt", die durch Beschluss vom 21. Dezember 2001 als unzulässig
abgelehnte Wiedereinsetzung wäre auch in der Sache unbegründet gewesen. Wer in
Kenntnis gegen ihn laufender Strafverfahren während seiner Urlaubsabwesenheit seine
Postzugangsangelegenheiten in der vom Beschwerdeführer mitgeteilten Weise regele,
handele jedenfalls nicht unverschuldet, wenn er von erfolgten Zustellungen keine
Kenntnis erhalte und Fristen versäume. Auf das behauptete Anwaltsverschulden komme
es daher nicht an. Die Nachholung rechtlichen Gehörs komme nicht in Betracht, weil dies
schon im Wiedereinsetzungs- und anschließenden Beschwerdeverfahren erfolgt sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit einer weiteren
Verfassungsbeschwerde vom 6. Dezember 2002 (VerfGH 179/02), zu deren Begründung
er im Wesentlichen auf die im Verfahren VerfGH 130/02 angeführten Gründe verweist.
Der Beschluss vom 27. November 2002 enthalte keine weitere oder erneute
Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt.
Entsprechend § 53 Abs. 1 VerfGHG ist den Präsidenten des Landgerichts Berlin und des
Amtsgerichts Tiergarten Gelegenheit gegeben worden, sich zu den
Verfassungsbeschwerden zu äußern.
II.
Die Verfassungsbeschwerden haben keinen Erfolg.
Der Verfassungsgerichtshof geht im Verfahren VerfGH 130/02 davon aus, dass sich der
Beschwerdeführer nicht gegen den eingangs der Beschwerdeschrift bezeichneten
Beschluss des Landgerichts Berlin vom 21. Dezember 2001 wendet, der richtigerweise
das Aktenzeichen 520 Qs 153/01 tragen müsste. Wie sich aus den Rechts-ausführungen
zur Begründung der Verfassungsbeschwerde eindeutig ergibt, richtet sich diese vielmehr
gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 26. April 2002, dessen Aktenzeichen
525 Qs 49/02 eingangs der Beschwerdeschrift genannt ist. Im Übrigen wäre eine gegen
den Beschluss vom 21. Dezember 2001 erhobene Verfassungsbeschwerde bereits
unzulässig, weil sie nicht die Darlegungserfordernisse der § 49 Abs. 1 und § 50 des
Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof - VerfGHG - erfüllte.
Die Verfassungsbeschwerden sind danach teilweise unzulässig (1.), im Übrigen
zumindest unbegründet (2.).
1. a) Die im Verfahren VerfGH 130/02 erhobene Verfassungsbeschwerde ist unzulässig,
28
29
30
31
32
33
34
35
1. a) Die im Verfahren VerfGH 130/02 erhobene Verfassungsbeschwerde ist unzulässig,
soweit sie sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 11. März 2002
richtet, da dieser Beschluss vom Landgericht Berlin aufgehoben wurde und ihn deshalb
nicht mehr beschwert; im Übrigen legt der Beschwerdeführer keine Verletzung von
Rechten durch diese Entscheidung dar, die im Verfahren der sofortigen Beschwerde vor
dem Landgericht nicht korrigierbar gewesen wäre.
b) Die Verfassungsbeschwerden sind auch insoweit unzulässig, als der Beschwerdeführer
die Verletzung seiner Ansprüche auf rechtliches Gehör nach § 15 Abs. 1 VvB und auf
Zugang zum Gericht nach Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB mit der Begründung rügt, das
Landgericht habe über seinen Antrag auf Nachholung rechtlichen Gehörs gemäß § 33 a
StPO nicht entschieden. Denn eine solche Entscheidung ist jedenfalls - nach Erhebung
der Verfassungsbeschwerde im Verfahren VerfGH 130/02 - durch Beschluss des
Landgerichts vom 27. November 2002 ergangen. Es kommt nicht darauf an, dass sich
das Landgericht darin nicht näher mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers
auseinandergesetzt und demgemäß nicht die begehrte Entscheidung über dessen
Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgeholt hat. Aus dem Beschluss
wird zumindest deutlich, dass das Gericht eine Nachholung der Gehörsgewährung nicht
für erforderlich hielt, weil rechtliches Gehör bereits im "Wiedereinsetzungs- und
anschließenden Beschwerdeverfahren" gewährt worden sei.
Die im Verfahren VerfGH 179/02 unmittelbar gegen den Beschluss des Landgerichts
vom 27. November 2002 erhobene Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der auf
dessen Gegenvorstellung und Rüge nach § 33 a StPO ergangene Beschluss für sich
genommen keine eigene Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Rechten
begründen kann.
c) Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das in Art. 10 Abs. 1 VvB
enthaltene Gleichheitsgebot geltend macht, entspricht die Begründung seiner
Verfassungsbeschwerde VerfGH 130/02 nicht den in § 49 Abs. 1 und § 50 VerfGHG
geregelten Darlegungserfordernissen.
Im Hinblick auf Art. 10 Abs. 1 VvB besteht eine Prüfungsbefugnis des
Verfassungsgerichtshofs für gerichtliche Entscheidungen nur in engen Grenzen. Die
Verfahrensgestaltung, die Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung und Anwendung
des einfachen Rechts durch die Fachgerichte im einzelnen Fall sind der Nachprüfung
grundsätzlich entzogen (vgl. Beschluss vom 30. Juni 1992 - VerfGH 9/92 - LVerfGE 1, 7
<8 f.>; st. Rspr.). Ein verfassungsrechtlich zu beanstandender Verstoß unter dem
Gesichtspunkt des Willkürverbots des Art. 10 Abs. 1 VvB liegt nicht schon immer dann
vor, wenn die Rechtsanwendung Fehler enthält. Hinzukommen muss vielmehr, dass die
Entscheidung schlechthin unhaltbar und deshalb objektiv willkürlich ist. Dies ist nur dann
der Fall, wenn die Entscheidung unter keinem denkbaren Aspekt vertretbar ist und sich
daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (Beschluss
vom 25. April 1994 - VerfGH 34/94 - LVerfGE 2, 16 <18>; st. Rspr.). Gemessen an
diesen Maßstäben ist der Vortrag des Beschwerdeführers unzureichend. Er beruft sich
lediglich pauschal darauf, dass er entgegen dem geltenden Grundsatz, wonach sich ein
Beschuldigter Anwaltsverschulden nicht zurechnen lassen müsse, zur Verantwortung
gezogen werde. Damit legt er jedoch weder die Voraussetzungen einer Anwendung
dieses Grundsatzes für seinen Fall dar noch führt er Gründe für die Annahme an, das
Landgericht könne mit seinen Entscheidungen die Grenze zur Willkür überschritten
haben.
2. Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung seines Grundrechts aus
Art. 15 Abs. 1 VvB durch den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 26. April 2002 kann
dahin stehen, ob die Verfassungsbeschwerde den Erfordernissen der § 49 Abs. 1 und §
50 VerfGHG genügt, insbesondere hinreichend darlegt, dass die angegriffene
Entscheidung auf einer Verletzung dieses Rechts beruht. Denn die
Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.
Durch die Entscheidung des Landgerichts ist der Beschwerdeführer zwar in seinem
Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden (a). Es kann jedoch
ausgeschlossen werden, dass die Gehörsgewährung im Ergebnis zu einer für den
Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung geführt hätte (b).
a) Der in Art. 15 Abs. 1 VvB enthaltene - mit Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)
inhaltsgleiche - Anspruch auf rechtliches Gehör ist eine Folgerung aus dem
Rechtsstaatsgedanken für das gerichtliche Verfahren. Der Einzelne soll nicht bloßes
Objekt des Verfahrens sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu
Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können.
Dabei ist den jeweiligen Beteiligten die Möglichkeit zu geben, sich in dem gerichtlichen
36
37
38
Dabei ist den jeweiligen Beteiligten die Möglichkeit zu geben, sich in dem gerichtlichen
Verfahren mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Diesem Recht
entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur
Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (Beschluss vom 16. November 1995 -
VerfGH 48/94 - LVerfGE 3, 113 <116 f.>; st. Rspr.; vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 54,
117 <123>; 60, 1 <5>; 66, 260 <263>; 69, 145 <148>). Art. 15 Abs. 1 VvB schützt
aber regelmäßig nicht davor, dass das Gericht tatsächlichen Umständen nicht die
richtige Bedeutung beimisst oder die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (vgl. zum
Bundesrecht BVerfGE 76, 93 <98>; 64, 1 <12>). Vielmehr ist grundsätzlich davon
auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der
Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Der
Verfassungsgerichtshof kann nur dann feststellen, dass ein Gericht seine Pflicht verletzt
hat, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, wenn sich dies
aus den Umständen des einzelnen Falles eindeutig ergibt (Beschlüsse vom 16.
November 1995, a. a. O., und 22. Mai 1997 - VerfGH 34/97 - LVerfGE 6, 80 <82>, st.
Rspr.; vgl. zum Bundesrecht BVerfG, NJW-RR 1995, 1033 <1034>).
Im Strafbefehlsverfahren dient zudem das Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand unmittelbar der Verwirklichung der von Art. 15 Abs. 1 und 4 VvB verbürgten
Rechtsschutzgarantien. Der Anspruch eines Angeklagten auf ersten Zugang zum
Gericht und auf rechtliches Gehör wird durch die Möglichkeit des Einspruchs (§ 410 Abs.
1 StPO) gewährleistet. Bei unverschuldeter Versäumung der Einspruchsfrist hängt die
Verwirklichung dieses Rechts davon ab, dass dem Betroffenen Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gemäß §§ 44 ff. StPO gewährt wird. Deshalb dürfen bei der Anwendung
und Auslegung der für die Wiedereinsetzung maßgeblichen prozessrechtlichen
Vorschriften die Anforderungen daran nicht überspannt werden, was der Betroffene
veranlasst haben und vorbringen muss, um nach einer Fristversäumnis die
Wiedereinsetzung zu erhalten (Beschlüsse vom 6. Mai 1998 - VerfGH 37/96 - JR 1999,
188 und 15. November 2001 - VerfGH 113/01, 113 A/01 -; vgl. zum Bundesrecht
BVerfGE 31, 388 <390>; 54, 80 <83 f.>; 67, 208 <212>; st. Rspr.).
Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist eine Verletzung des Anspruchs des
Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs festzustellen. Das Landgericht
hat in seinem Beschluss vom 26. April 2002 den Antrag des Beschwerdeführers auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung des
Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist, den dieser mit
Schriftsatz vom 10. Januar 2002 beim Amtsgericht Tiergarten gestellt und mit Schriftsatz
vom 25. März 2002 im Rahmen seiner sofortigen Beschwerde gegen den
amtsgerichtlichen Beschluss vom 11. März 2002 wiederholt und ergänzt hatte,
übergangen und ihn keiner abschließenden Sachentscheidung zugeführt. Dadurch, dass
das Landgericht lediglich den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten aufgehoben hat,
mit dem dieses - wie das Kammergericht in seinem Beschluss vom 24. Juli 2002
zutreffend ausführt - über den (zweiten) Wiedereinsetzungsantrag in der Sache
entschieden hatte, ist der Antrag im Ergebnis unbeschieden geblieben. Indem das
Landgericht zugleich festgestellt hat, es verbleibe bei seinem Beschluss vom 21.
Dezember 2001, mit dem es abschließend über den (ersten) Antrag auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen
den Strafbefehl entschieden hatte, und indem es die maßgeblichen Schriftsätze des
Beschwerdeführers als "weitere Beschwerde" betrachtet und an das Kammergericht
abgegeben hat, hat es das Vorbringen des Beschwerdeführers zum neuerlichen
Wiedereinsetzungsgesuch nicht hinreichend in Erwägung gezogen. Vielmehr wird
deutlich, dass das Landgericht der Auffassung war, durch seinen Beschluss vom 21.
Dezember 2001 bereits in der Sache abschließend entschieden zu haben. Damit hat es
aber die Statthaftigkeit eines wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist nach § 45
Abs. 1 Satz 1 StPO gestellten Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl.
Graalmann-Scheerer, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2006, § 44 Rn. 8; Maul, in:
Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 45 Rn. 4; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl.
2006, § 45 Rn. 3; jeweils m. w. N.) ebenso wie dessen Bedeutung im konkreten Fall
verkannt und den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen
Gehörs verletzt.
Dies ergibt sich auch aus den auf die Gegenvorstellung und den Antrag auf Nachholung
rechtlichen Gehörs in den Schriftsätzen des Beschwerdeführers vom 15. Mai und 7.
August 2002 hin ergangenen Beschlüssen des Landgerichts vom 29. Mai und 27.
November 2002. Darin lehnt das Gericht erneut eine inhaltliche Befassung mit dem
Antrag und Vorbringen des Beschwerdeführers ab. Soweit es in der letztgenannten
Entscheidung feststellt, die durch seinen Beschluss vom 21. Dezember 2001 als
unzulässig abgelehnte Wiedereinsetzung wäre auch in der Sache unbegründet gewesen,
trifft es erkennbar wiederum keine Entscheidung über den zweiten Antrag auf
39
40
41
42
trifft es erkennbar wiederum keine Entscheidung über den zweiten Antrag auf
Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist, sondern macht lediglich
"ergänzende Bemerkungen" zu der aus seiner Sicht fehlenden Erfolgsaussicht des
zugrunde liegenden Begehrens des Beschwerdeführers, in zulässiger Weise Einspruch
gegen den ergangenen Strafbefehl einzulegen.
b) Die dargestellten Versäumnisse führen gleichwohl nicht zu einer Aufhebung des
Beschlusses des Landgerichts vom 26. April 2002, da dieser im Ergebnis nicht auf einer
Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht. Vielmehr kann ausgeschlossen werden, dass
eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Befassung mit dem
Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers zu einer anderen, ihm günstigeren
Entscheidung geführt hätte.
Das Landgericht hätte für den Fall, dass es sich mit dem erneuten, mit einer
unverschuldeten Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist begründeten Antrag des
Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 10. Januar 2002 in
der Sache befasst hätte, die gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 11. März 2002
gerichtete sofortige Beschwerde als unbegründet verwerfen müssen. Denn das
Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht den erneuten Wiedereinsetzungsantrag als
unzulässig verworfen. Es hat hierfür zwar irrtümlich die Antragsfrist des § 45 Abs. 1 Satz
1 StPO nicht als gewahrt gesehen, weil es auf den Zeitpunkt des Wegfalls des
Hindernisses zur Einhaltung der Einspruchsfrist gegen den zugrunde liegenden
Strafbefehl abstellte. Bei zutreffender Würdigung des Vorbringens des
Beschwerdeführers hätte es indessen davon ausgehen müssen, dass mit den
Beschlüssen des Amtsgerichts Tiergarten vom 2. Oktober 2001 und des Landgerichts
Berlin vom 21. Dezember 2001, mit denen der erste Wiedereinsetzungsantrag des
Beschwerdeführers als unzulässig abgelehnt worden war, keine Versäumung der
Wiedereinsetzungsfrist festgestellt, sondern dem Beschwerdeführer lediglich die
mangelnde Glaubhaftmachung fehlenden Verschuldens gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO
vorgehalten worden war. Ein (erneuter) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand kommt jedoch nur im Falle der Versäumung einer Frist i. S. d. § 45 Abs. 1 Satz 1
StPO in Betracht. Hierunter fällt - wie dargestellt - zwar auch die Wiedereinsetzungsfrist
selbst, nicht aber die Versäumung rechtzeitiger Glaubhaftmachung, da diese nach dem
klaren Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht fristgebunden ist, sondern bei der
Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag, somit bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Wiedereinsetzungsverfahrens (ganz h. M., vgl. BVerfGE 41, 332 <338>;
Meyer-Goßner, a. a. O., § 45 Rn. 7 m. w. N.), erfolgen kann. Eine Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist ist danach nicht statthaft,
wenn der Betroffene - wie hier - nicht rechtzeitig während des Verfahrens ein
Beweismittel vorlegen konnte (missverständlich dagegen Graalmann-Scheerer, a. a. O.,
§ 45 Rn. 21, unter Hinweis auf Rechtsprechung zur früheren Gesetzesfassung). Der
Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung war somit mangels festgestellter
Versäumung der ursprünglichen Wiedereinsetzungsfrist von vornherein unzulässig.
Auf die Begründetheit des Vorbringens des Beschwerdeführers, die während des Laufes
des ersten Wiedereinsetzungsverfahrens unterbliebene Vorlage einer von einem
Dolmetscher gefertigten Übersetzung der in englischer Sprache abgefassten
eidesstattlichen Erklärung der Frau M. beruhe auf Versäumnissen seines Verteidigers
und sei ihm deshalb nicht nach § 44 Satz 1 StPO als eigenes Verschulden zuzurechnen
war, kommt es nach alledem nicht an.
Da sich der Beschwerdeführer in der Begründung seiner Verfassungsbeschwerden nicht
gegen den rechtskräftigen Beschluss des Landgerichts vom 21. Dezember 2001 wendet,
hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu entscheiden, ob das Landgericht mit diesem
Beschluss das rechtliche Gehör dadurch verletzt hat, dass es ohne vorherigen Hinweis
Anforderungen an den Sachvortrag stellte, mit denen auch ein gewissenhafter und
kundiger Prozessbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer
Rechtsauffassungen - nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte
(vgl. Beschlüsse vom 17. Dezember 1997 - VerfGH 112/96 - LVerfGE 7, 49 <58>, 24.
Juni 1999 - VerfGH 48/98 - LVerfGE 10, 72 <78> und 25. Januar 2001 - VerfGH 148 A/00,
148/00 -; vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144 f.>; BVerfG, NJW
2003, 2524). Im Hinblick auf die gerade im Strafbefehlsverfahren aus Art. 15 Abs. 1 und
4 VvB folgenden verfassungsrechtlichen Anforderungen wäre zu erwägen gewesen, ob
dass Landgericht erstmalig mit seiner das Wiedereinsetzungsverfahren abschließenden
Beschwerdeentscheidung maßgeblich auf den neuen rechtlichen Gesichtspunkt
abstellen durfte, schriftliche Erklärungen in fremder Sprache seien für die
Glaubhaftmachung unbeachtlich. Dies erscheint jedenfalls deshalb bedenklich, weil der
Beschwerdeführer mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21. August 2001
bereits das Amtsgericht um einen rechtlichen Hinweis gebeten hatte, falls das Gericht
43
44
bereits das Amtsgericht um einen rechtlichen Hinweis gebeten hatte, falls das Gericht
eine deutsche Übersetzung der englischsprachigen Erklärung seiner Schwiegermutter
für erforderlich halte. Im Hinblick darauf dürfte es auch von einem gewissenhaften und
kundigen Rechtsanwalt nicht ohne weiteres zu erwarten gewesen sein, mit der auf § 184
GVG gestützten Rechtsauffassung des Landgerichts zu der in Rechtsprechung und
Literatur auch abweichend behandelten Frage der Glaubhaftmachung durch
fremdsprachige Erklärungen zu rechnen (vgl. OLG Bamberg, NStZ 1989, 335;
Graalmann-Scheerer, a. a. O., § 45 Rn. 17; Maul, a. a. O., § 45 Rn. 11). Die Ankündigung
einer Übersetzung auf entsprechenden gerichtlichen Hinweis hin hätte dagegen eher
dem Landgericht Veranlassung geben müssen, dem Beschwerdeführer unter
Fristsetzung die Möglichkeit zur Nachholung einer ausreichenden Glaubhaftmachung
einzuräumen (vgl. VerfGH Brandenburg, NStZ-RR 2002, 239; Weßlau, in: Systematischer
Kommentar zur StPO, Stand Oktober 2006, § 45 Rn. 12; Graalmann-Scheerer, a. a. O., §
45 Rn. 27).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum