Urteil des VerfGH Berlin vom 14.03.2017

VerfGH Berlin: anspruch auf rechtliches gehör, ordentliche kündigung, materielle rechtskraft, verfassungsbeschwerde, verschulden, berechtigung, irrtum, anfang, räumung, akte

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 10 Abs 1 Verf BE, Art 15
Abs 1 Verf BE, Art 23 Abs 1
Verf BE, § 49 Abs 1 VGHG BE, §
50 VGHG BE
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer mietete aufgrund eines schriftlichen Vertrages vom 7. August
1972 eine 1-Zimmer-Wohnung in Berlin-Spandau. Ab Februar 1997 wurden auf dem
Hausgrundstück Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten durchgeführt, in deren Folge
der Beschwerdeführer die Miete minderte. Nach vermieterseitiger Kündigung vom 20.
August 1999 wegen Mietrückstandes von mehr als zwei Monatsmieten beantragte der
Beschwerdeführer beim Amtsgericht Spandau (3 b C 824/99) die Verurteilung der
Vermieterin zu Mängelbeseitigungen und die Feststellung, dass das Mietverhältnis nicht
durch die Kündigung vom 20. August 1999 aufgelöst wurde. Die Vermieterin verlangte
widerklagend Räumung und kündigte am 2. Dezember 1999 erneut wegen der
Mietrückstände bis November 1999. Anfang Januar 2000 zahlte der Beschwerdeführer
2.000 DM unter Vorbehalt auf die Mietrückstände. Das Amtsgericht gab in seinem Urteil
vom 19. Januar 2000 dem Feststellungsantrag statt und wies die Widerklage ab, da auch
die Kündigung vom 2. Dezember 1999 das Mietverhältnis nicht beendet habe. Der
Vermieterin habe ein Kündigungsrecht aus den §§ 554, 554 a BGB a. F. für den Zeitraum
März 1997 bis Oktober 1999 nicht zugestanden. Es könne dahinstehen, ob sie die
jeweiligen monatlichen Mietrückstände ausreichend vorgetragen habe. Jedenfalls liege
ein Verschulden des Beschwerdeführers bei der ausgeübten Mietminderung nicht vor.
Ihm habe ein Minderungsrecht grundsätzlich zugestanden, wenn auch die geltend
gemachten Minderungsquoten von 30 % bis 50 % überhöht gewesen sein mögen.
Gerade bei der Beeinträchtigung durch Bauarbeiten und Baulärm würden die
Minderungsquoten in der Rechtsprechung stark divergieren, so dass dem Mieter eine
unzutreffende Einschätzung der Minderungshöhe zuzubilligen sei.
Der Beschwerdeführer teilte der Vermieterin mit Schreiben vom 7. März 2000 mit, dass
er die im Januar gezahlten Mietrückstände in Höhe von 2.000 DM nicht geschuldet habe.
Er wolle nunmehr die Miete für den Zeitraum Februar 1997 bis Oktober 1999 nicht mehr
in Höhe von 50 % sondern nur um 40 % mindern. Mit dem aus der Zahlung von 2.000
DM dann noch überschießenden Betrag rechne er mit den Mieten für März 2000 bis
einschließlich Juni 2000 auf.
Am 6. Juni 2000 erhob der Beschwerdeführer gegen die Vermieterin wiederum Klage
beim Amtsgericht (4 C 225/00), zunächst auf Durchführung von Schönheitsreparaturen.
Nachdem die Vermieterin am 27. Juni 2000 das Mietverhältnis wegen Mietrückstandes
von mehr als zwei vollen Monatsmieten seit März 2000 und wegen unregelmäßiger
Zahlung erneut gekündigt hatte, beantragte der Beschwerdeführer die Feststellung,
dass das Mietverhältnis nicht durch die Kündigung vom 27. Juni 2000 beendet worden
sei. Die Vermieterin beantragte widerklagend die Räumung. Die Akten des Rechtsstreits
3 b C 824/99 wurden beigezogen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Mit Urteil vom 8. November 2000 wies das Amtsgericht den Räumungsantrag zurück, da
weder die Kündigung vom 27. Juni 2000 noch die im Verlaufe des Prozesses erklärte
weitere Kündigung vom 27. August 2000 das Mietverhältnis beendet hätten. Ein
ausreichender Vortrag, welche Mieten noch offen seien, sei nicht erfolgt. Auch eine
ordentliche Kündigung sei nicht berechtigt, da nicht ersichtlich sei, dass der
Beschwerdeführer seine Pflichten in erheblichem Maße verletzt habe.
Hiergegen legte die Vermieterin Berufung beim Landgericht Berlin ein und verfolgte
zudem ihren Zahlungsanspruch für die Mieten Juli 2000 bis Februar 2001 weiter. In seiner
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zudem ihren Zahlungsanspruch für die Mieten Juli 2000 bis Februar 2001 weiter. In seiner
Berufungserwiderung führte der Beschwerdeführer aus, ein Rückstand von mehr als zwei
Monaten bestehe nicht. Selbst wenn die Minderungsquote zu hoch von ihm angesetzt
worden sei, sei dies nicht schuldhaft geschehen. Er habe sich zuvor beim Mieterverein
beraten lassen. Die Zahlung in Höhe von 2.000 DM im Januar 2000 sei unter Vorbehalt
der Rückforderung erfolgt. Da mit der Vermieterin keine Einigung erfolgt sei und das
Amtsgericht im Urteil vom 19. Januar 2000 (3 b C 824/99) auch keine Minderungsquote
festgelegt habe, sei er verfahren, wie mit Schreiben vom 7. März 2000 ausgeführt. Auch
vor dem Landgericht wurde die Akte zum Rechtsstreit 3 b C 824/99 beigezogen und war
Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Der Beschwerdeführer vertrat die Ansicht,
das Urteil in dieser Sache sei nicht nur bezüglich des Tenors, sondern auch bezüglich der
Entscheidungsgründe, insbesondere für möglichen Zahlungsverzug vor dem 20. August
1999, in Rechtskraft erwachsen. Das Landgericht erhob Beweis über die Frage des
Umfangs der Belästigungen aufgrund der Sanierung und Modernisierung durch
Zeugenvernehmungen. Im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.
September 2002 wurde von den Parteien die Frage des Verschuldens hinsichtlich des
Zahlungsrückstandes bei einem Irrtum über die Höhe der Minderungsquote erörtert.
Mit Urteil vom 5. November 2002 gab das Landgericht dem Räumungsantrag statt. Es
führte aus, der Vermieterin hätten für den Zeitraum von Juli 1997 bis Juni 2000
insgesamt Mietrückstände in Höhe von 2.781,35 DM gegen den Beschwerdeführer
zugestanden, weshalb die Kündigung vom 27. Juni 2000 das Mietverhältnis beendet
habe. Dem Beschwerdeführer sei es nur teilweise gelungen, die von ihm behauptete
Minderungshöhe zu beweisen. Aufgrund der Zeugenvernehmung habe das Gericht
davon ausgehen müssen, dass erhebliche Arbeiten nach dem Monat Juni 1999 nicht
mehr erfolgt seien, so dass allein für die Zeit von Juli 1999 bis November 1999
Rückstände in Höhe von 808,13 DM und somit mehr als zwei Monatsmieten aufgelaufen
seien. Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die
Rückstände nicht schuldhaft entstanden seien. In- soweit habe sich ein Irrtum über die
Höhe einer berechtigten Minderung nicht kausal ausgewirkt. Im Übrigen könne sich der
Beschwerdeführer auf einen Irrtum aber auch nicht berufen. Fahrlässigkeit könne ihm
zwar nur dann vorgeworfen werden, wenn er die Rechtslage nicht sorgfältig geprüft, ggf.
ohne Rechtsrat nicht gezahlt habe und zudem mit einer von seiner Auffassung
abweichenden Beurteilung durch die Gerichte nicht habe rechnen müssen. Der
Beschwerdeführer habe aber von einer abweichenden Beurteilung ausgehen müssen,
nachdem bereits zwei Prozesse zwischen den Parteien geführt worden seien (2 b C
804/96 und 3 b C 824/99), bei denen es ebenfalls um die Berechtigung zur Minderung
der Miete gegangen sei. Sollte der Beschwerdeführer sich zuvor Rechtsrat eingeholt
haben, wäre der jedenfalls unzutreffend erteilt worden, was sich der Beschwerdeführer
anrechnen lassen müsse.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, das
Berufungsurteil verletze ihn in seinen Grundrechten aus Art. 10 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1
und Art. 23 Abs. 1 VvB. Das Landgericht habe sich auf eine Entscheidung des
Amtsgerichts – 2 b C 804/96 – bezogen, die nicht Gegenstand des Verfahrens und der
mündlichen Verhandlung gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei dadurch gehindert
gewesen, darauf hinzuweisen, dass dieses Verfahren nicht zwischen den Parteien des
Ausgangsverfahrens geführt worden sei und der Entscheidung auch ein ganz anderer
Sachverhalt zugrunde gelegen habe. Eine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches
Gehör liege zudem in der Form einer Überraschungsentscheidung vor. Denn das
Landgericht habe seinen ausdrücklichen Hinweis nicht beachtet, dass das Amtsgericht
im Urteil vom 19. Januar 2000 (3 b C 824/99) die Unwirksamkeit der am 20. August 1999
ausgesprochenen Kündigungserklärung festgestellt habe und dieses Urteil insoweit
Rechtskraft wegen eines angeblichen Zahlungsrückstandes entfalte. Dieser Einwand
finde weder in den Urteilsgründen noch bei der Darstellung des Vorbringens des
Beschwerdeführers Erwähnung. Obgleich wegen der beigezogenen Akte nicht davon
ausgegangen werden könne, dass das Landgericht den Einwand gar nicht zur Kenntnis
genommen habe, lasse die Urteilsbegründung nicht erkennen, dass der Einwand bei der
Entscheidung erwogen worden sei. Darüber hinaus sei die Entscheidung des
Landgerichts willkürlich. Es lägen zahlreiche Fehler auf der Ebene des einfachen Rechts
vor, die in der Summe zur Annahme der Willkür berechtigen würden. Ferner sei er in
seinem auch durch Art. 23 Abs. 1 VvB geschützten Besitzinteresse verletzt.
II. 1. Die Verfassungsbeschwerde ist zum Teil unzulässig, im Übrigen unbegründet.
a) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er sei in seinem grundrechtlich
geschützten Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 15 Abs. 1 VvB verletzt, weil es
überraschend für ihn gewesen sei, dass das Urteil ein Verfahren einbezogen habe, das
nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, ist die Verfassungsbeschwerde
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nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, ist die Verfassungsbeschwerde
unzulässig.
Der in Art. 15 Abs. 1 VvB inhaltsgleich mit Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf
rechtliches Gehör ist eine Folgerung aus dem Rechtsstaatsgedanken für das gerichtliche
Verfahren. Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein, sondern soll vor
einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das
Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, NJW
1991, 2823). Dabei ist den jeweiligen Beteiligten die Möglichkeit zu geben, sich im
gerichtlichen Verfahren mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten.
Art. 15 Abs. 1 VvB verbietet daher, in einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und
Beweisergebnisse zugrunde zu legen, zu denen die Beteiligten vorher keine Gelegenheit
hatten, sich zu äußern. Eine gerichtliche Entscheidung stellt sich danach als unzulässige
Überraschung und damit als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar, wenn
das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen
Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit
eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf nicht zu rechnen
brauchten (Beschluss vom 20. August 1997 - VerfGH 46/97 – LVerfGE 7, 19 <22>).
Wird – wie hier – geltend gemacht, es sei nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt
worden, hat der Beschwerdeführer jedoch innerhalb der Beschwerdefrist des § 51
VerfGHG gemäß § 49 Abs. 1, § 50 VerfGHG darzulegen, was er bei ausreichender
Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte und warum die angegriffene
Entscheidung auf dem behaupteten Verfassungsverstoß beruht (vgl. Beschluss vom 11.
Januar 1995 – VerfGH 81/94 – LVerfGE 3, 3 <6>; st. Rspr.). Diesen Anforderungen
genügt das Beschwerdevorbringen nicht. Der Beschwerdeführer trägt lediglich vor, dass
er, hätte er gewusst, dass das Landgericht das Verfahren 2 b C 804/96 einbezieht,
mitgeteilt hätte, dass dort ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen habe und auch
andere Parteien den Rechtsstreit geführt hätten. Insbesondere unter Beachtung der
Tatsache, dass das Landgericht seine Begründung nicht nur auf dieses, sondern auch
ein weiteres Verfahren (3 b C 824/99) gestützt hat, lässt sich diesem Vortrag nicht
entnehmen, dass das Landgericht bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs zu
einer anderen Auffassung hätte kommen können, da der Beschwerdeführer auch bei
Berücksichtigung nur des Verfahrens 3 b C 824/99 von divergierenden Beurteilungen
ausgehen musste.
b) Die Verfassungsbeschwerde ist ebenfalls bereits unzulässig, soweit der
Beschwerdeführer rügt, die Entscheidung des Landgerichts verstoße gegen das in Art.
10 Abs. 1 VvB enthaltene Gleichheitsgebot.
Eine Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofs besteht insoweit für gerichtliche
Entscheidungen nur in engen Grenzen. Die Verfahrensgestaltung, die Würdigung des
Sachverhalts, die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts durch die
Fachgerichte im einzelnen Fall sind der Nachprüfung grundsätzlich entzogen (vgl.
Beschluss vom 30. Juni 1992 – VerfGH 9/92 – LVerfGE 1, 7 <8 f.>; st. Rspr.). Ein
verfassungsrechtlich zu beanstandender Verstoß unter dem Gesichtspunkt des
Willkürverbots des Art. 10 Abs. 1 VvB liegt nicht schon immer dann vor, wenn die
Rechtsanwendung Fehler enthält. Hinzu kommen muss vielmehr, dass die Entscheidung
schlechthin unhaltbar und deshalb objektiv willkürlich ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn
die Entscheidung unter keinem denkbaren Aspekt vertretbar ist und sich daher der
Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Hiervon kann nicht
ausgegangen werden, wenn das Gericht sich mit dem Sachverhalt und der Rechtslage
auseinandersetzt und seine Schlussfolgerungen nicht jeglichen sachlichen Grundes
entbehren (Beschluss vom 25. April 1994 – VerfGH 34/94 – LVerfGE 2, 16 <18>; st.
Rspr.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist der Vortrag des Beschwerdeführers im Sinne des §
49 Abs. 1, § 50 VerfGHG unzureichend. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht verpflichtet,
den Sachverhalt im Einzelnen von sich aus durch Hinzuziehung von Akten zu ermitteln.
Der Beschwerdeführer geht selbst davon aus, dass die von ihm aufgezählten
Einzelgründe für sich genommen die Schwelle der Verletzung einfachen Rechts nicht
überschreiten. Da er die von ihm genannten „Indizien“, die die Entscheidung in der
Summe als schlechthin unhaltbar erscheinen lassen sollen, lediglich aufzählt, ohne den
Sachverhalt im Einzelnen darzulegen, ist seine Bewertung nicht nachvollziehbar. Das
diesbezügliche Beschwerdevorbringen lässt nicht einmal erkennen, ob es sich bei den
aufgezählten Anhaltspunkten überhaupt um einfachrechtliche Fehler handeln könnte:
- Der Beschwerdeführer legt nicht dar, warum die Beweiswürdigung unvollständig sein
und im Hinblick auf seinen Vortrag insoweit überspannte Anforderungen gestellt worden
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und im Hinblick auf seinen Vortrag insoweit überspannte Anforderungen gestellt worden
sein sollen.
- Auch lässt sich nicht erkennen, dass das Landgericht die Aussage der Zeugin R. nicht
berücksichtigt hat. Da die Parteien zu der Zeugenaussage streitig vorgetragen hatten,
rechtfertigt allein die Tatsache, dass das Landgericht hierauf nicht im Einzelnen im Urteil
eingeht, diesen Schluss nicht.
- Darüber hinaus hat das Landgericht eine Minderungsquote von 20 % aufgrund der
Beweisaufnahme angenommen und ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei es nicht
gelungen, eine über die durch die Vermieterin in Höhe von 5 % bis 30 % gewährte
Minderung hinausgehende Berechtigung zur Minderung zu beweisen. Der
Beschwerdeführer legt nicht dar, warum die ausführliche Beweiswürdigung das
Landgericht nicht zu dieser Annahme berechtigt haben soll.
- Auch die Behauptung, das Landgericht habe eine Minderung für die Monate Juli bis
September 1999 nicht als berechtigt angesehen, obwohl diese von der Vermieterin
selbst anerkannt worden sei, lässt sich nicht nachvollziehen. Zwar hat das Landgericht
aufgrund der Beweisaufnahme eine Berechtigung zur Minderung nur bis Juni 1999 als
bewiesen angesehen. Bei seiner Berechnung der Mietrückstände hat es die von der
Vermieterin gewährten Minderungen jedoch ausweislich der Tabelle im Urteil
berücksichtigt.
- Auch dass die Berücksichtigung einer weiteren Zahlung in Höhe von 306,04 DM das
Landgericht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung hätte veranlassen können, wird
nicht dargelegt.
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.
a) Der Beschwerdeführer ist in seinem Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs
nicht dadurch verletzt, dass das Landgericht seinen Einwand, die Entscheidung des
Amtsgerichts 3 b C 824/99 sei in Rechtskraft erwachsen, nicht gesondert in den
Entscheidungsgründen aufgenommen hat.
Art. 15 Abs. 1 VvB verpflichtet die Gerichte zwar, das Vorbringen der Beteiligten zu
berücksichtigen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie sich in den Entscheidungsgründen
mit jedem Einzelvorbringen auseinandersetzen müssen (Beschluss vom 24. August
2000 – VerfGH 73/99 –). Vielmehr spricht grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass das
Gericht seiner Berücksichtigungspflicht nachgekommen ist (Beschluss vom 22. Mai 2001
– VerfGH 57/98 –). Eine Verletzung dieser Pflicht kann vom Verfassungsgerichtshof nur
festgestellt werden, wenn sie sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles
eindeutig ergibt.
Gemessen an diesen Voraussetzungen hat das Landgericht das Grundrecht auf
rechtliches Gehör nicht verletzt. Schon eine Gleichheit der Gegenstände liegt in den
beiden Verfahren entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht vor. Die innere,
materielle Rechtskraft im Sinne des § 322 ZPO reicht so weit, wie über den Klage- bzw.
Widerklageantrag wirklich entschieden wurde (vgl. Hartmann, in
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl. 2003, § 322, Rdnr. 9). Sie
bedeutet, dass das Gericht in einem späteren Prozess der Parteien über dieselbe Sache
an die Entscheidung gebunden ist. Gegenstand des ersten Prozesses vor dem
Amtsgericht waren die Kündigungen vom 20. August 1999 und 2. Dezember 1999. Das
Landgericht hatte demgegenüber über die Kündigung vom 27. Juni 2000 zu entscheiden.
Das Amtsgericht traf im Urteil vom 19. Januar 2000 keine Feststellungen zur Höhe der
berechtigten Mietminderung, sondern führte im Gegenteil aus, dass die geltend
gemachten Minderungsquoten von 30 % bis 50 % überhöht sein könnten.
Demgegenüber führte das Landgericht eine Beweisaufnahme zur Berechtigung der
Mietminderungen durch und kam zu dem Ergebnis, dass diese nur bis Juni 1999
berechtigt waren und allein die Rückstände von Juli bis November 1999 zur Kündigung
berechtigt hätten. Zwar hat das Amtsgericht im Urteil vom 19. Januar 2000 auch für die
Mieten bis November 1999 ausgeführt, den Beschwerdeführer treffe, selbst wenn die
Mietminderungen als zu hoch anzusehen wären, hieran jedenfalls kein Verschulden. Das
Amtsgericht berücksichtigte dabei aber die unter Vorbehalt Anfang Januar 2000 erfolgte
Zahlung von 2000 DM auf die Mietrückstände im unstreitigen Tatbestand. Das
Landgericht hatte demgegenüber von der danach mit Schreiben vom 7. März 2000
erfolgten Neuberechnung der Minderungsquoten durch den Beschwerdeführer für den
Zeitraum von Februar 1997 bis Dezember 1999 auszugehen. Auch die Würdigung des
Verschuldens des Beschwerdeführers hatte danach einen anderen Gegenstand. Es kann
daher unentschieden bleiben, ob die Ansicht des Amtsgerichts, dass dem
Beschwerdeführer ein Verschulden bei der Minderungsberechnung nicht anzulasten sei,
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Beschwerdeführer ein Verschulden bei der Minderungsberechnung nicht anzulasten sei,
überhaupt in Rechtskraft erwachsen konnte. Das Landgericht musste sich damit
auseinandersetzen, ob dem Beschwerdeführer aufgrund der Berechnung im Schreiben
vom 7. März 2000 ein Verschulden anzulasten war. Seine Ausführungen hierzu sind im
Sinne des Art. 15 Abs. 1 VvB verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal der
Beschwerdeführer noch im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. September 2002
ausdrücklich erklärte, die Minderungsbeträge seien mit Rücksicht auf das Urteil des
Amtsgerichts vom 19. Januar 2000 herabgesetzt worden und zwar ausdrücklich
rückwirkend, und im Anschluss die Parteien die Frage des Verschuldens erörterten.
Insbesondere hat das Landgericht auch berücksichtigt, dass das Amtsgericht im Urteil
vom 19. Januar 2000 zum Ausdruck gebracht hatte, dass die vom Beschwerdeführer
zuvor vorgenommene Minderung zu hoch sein könnte und hierzu im Übrigen eine
einzelfallbezogene, divergierende Rechtsprechung existiere. Dass dem
Beschwerdeführer vor diesem Hintergrund vom Mieterverein zwischen Januar und März
2000 eine genaue Quote empfohlen worden sein soll, ist schon schwer vorstellbar. Das
Landgericht hat aber vertretbar ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer ein solch
unzutreffender Rat zurechenbar wäre, sollte er ihm erteilt worden sein.
b) Der Beschwerdeführer ist auch nicht in der in Art. 23 Abs. 1 VvB verbürgten
Eigentumsgewährleistung verletzt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass diese
Gewährleistung auch den Mietbesitz umfasst, würde eine nach einfachem Recht
möglicherweise fehlerhafte und den widerstreitenden Interessen der Beteiligten nicht
hinreichend gerecht werdende gerichtliche Entscheidung nicht in jedem Fall eine
Verletzung des Eigentumsgrundrechts begründen. Dieses wäre vielmehr nur dann
verletzt, wenn die gerichtliche Entscheidung auf einer grundsätzlich unrichtigen
Anschauung von der Bedeutung und Reichweite dieses Grundrechts beruht. Das ist hier
nicht der Fall.
Die mietrechtlichen Kündigungsvorschriften regeln generell und abstrakt die
Verfügungsbefugnis des Eigentümers von vermietetem Wohnraum und bestimmen
insoweit Inhalt und Schranken des Eigentums in Abwägung der Interessen von Vermieter
und Mieter. Da das Landgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise §
554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB a. F. als eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung
ausgelegt hat und dabei auch den Einwendungen des Beschwerdeführers nachgegangen
ist, gebietet es Art. 23 Abs. 1 VvB entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers
nicht, diese einfachrechtliche Beurteilung durch eine davon losgelöste, unmittelbar
verfassungsrechtliche Beurteilung zu ersetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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