Urteil des VerfGH Berlin vom 14.03.2017

VerfGH Berlin: rechtliches gehör, gleichheit im unrecht, schutz der ehe, verfassungsbeschwerde, aufenthaltserlaubnis, öffentliche gewalt, schutzwürdiges interesse, abschiebung, schwangerschaft

1
2
3
4
Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
70/00
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 10 Abs 1 Verf BE, Art 12
Abs 1 Verf BE, § 23 Abs 1 Nr 1
AuslG, § 55 Abs 2 AuslG, § 69
Abs 2 S 2 Nr 2 AuslG
VerfGH Berlin: Ablehnung der einstweiligen Aussetzung der
Abschiebung bis zur Entscheidung über erneuten
Aufenthaltserlaubnisantrag wegen Eheschließung mit einer
Deutschen verstößt nicht gegen das Willkürverbot - Schutz der
Ehe als Aufenthaltsduldungsanspruch im Einzelfall
Gründe
I.
Der 1980 geborene Beschwerdeführer zu 1. ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste
im Januar 1996 nach Deutschland zu seinem hier lebenden Vater ein. Seinen Antrag auf
Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung lehnte das Landeseinwohneramt Berlin mit
Bescheid vom 13. August 1996 ab, der durch Widerspruchsbescheid vom 12. September
1996 bestätigt wurde. Das dagegen gerichtete Klageverfahren wurde mit Blick auf den
vom Beschwerdeführer zu 1. im Mai 1999 gestellten Asylantrag eingestellt.
Mit Bescheid vom 8. Juni 1999 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab und drohte dem
Beschwerdeführer zu 1. die Abschiebung an, falls dieser nicht innerhalb einer Woche
nach Bekanntgabe der Entscheidung freiwillig ausreise. Das insoweit eingeleitete
Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatte keinen Erfolg. Der
Beschwerdeführer zu 1. nahm seine Asylklage im September 1999 zurück.
Am 17. Dezember 1999 beantragte der Beschwerdeführer zu 1. unter Hinweis auf die
am gleichen Tag erfolgte Eheschließung mit der Beschwerdeführerin zu 2., einer
deutschen Staatsangehörigen, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Über
diesen Antrag ist noch nicht entschieden. Unmittelbar im Anschluss an die Trauung
wurde der Beschwerdeführer zu 1. in Abschiebehaft genommen, aus der er am 30.
Dezember 1999 wieder entlassen wurde. Den ebenfalls am 17. Dezember 1999
gestellten Antrag, das Landeseinwohneramt im Wege der einstweiligen Anordnung zu
verpflichten, den Beschwerdeführer zu 1. nicht vor einer Entscheidung über seinen
Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abzuschieben, wies das
Verwaltungsgericht Berlin mit Beschluß vom 1. Februar 2000 - VG 31 A 442.99 - zurück.
Zur Begründung führte es aus, daß jedenfalls ein Anordnungsanspruch nicht dargetan
sei. Bei Stellung seines Aufenthaltserlaubnisantrags sei der Beschwerdeführer zu 1.
längst aufgrund des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge vom 8. Juni 1999 vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Sein Antrag auf
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis löse mithin mangels rechtmäßigen Aufenthalts
weder eine Genehmigungsfiktion nach § 69 Abs. 3 AuslG noch eine Duldungsfiktion
gemäß § 69 Abs. 2 AuslG aus. Das Landeseinwohneramt müsse infolgedessen die
bestehende vollziehbare Ausreisepflicht notfalls mittels Abschiebung durchsetzen. Die
Tatsache, daß der Beschwerdeführer zu 1. mittlerweile verheiratet sei, führe zu keiner
anderen Beurteilung.
Den dagegen von den Beschwerdeführern gestellten Antrag auf Zulassung der
Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht Berlin mit Beschluß vom 28. März 2000 -
OVG B SN 26.00 - zurück, der den Beschwerdeführern am 3. April 2000 zugestellt wurde.
Es bestünden keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen
Entscheidung. Das Verwaltungsgericht habe vielmehr den Erlaß der begehrten
einstweiligen Anordnung zu Recht und mit zutreffender Begründung abgelehnt. Die
Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß der Aufenthaltserlaubnisantrag wegen
vorangegangener Ausreiseaufforderung weder eine Fiktion des geduldeten noch des
erlaubten Aufenthalts auszulösen vermocht habe, werde nicht durch das Vorbringen in
Frage gestellt, die Ausländerbehörde erteile nach der Weisungslage in entsprechenden
Fällen stets eine Aufenthaltserlaubnis. Der Weisungslage zufolge, die nach der
Darstellung des Landeseinwohneramtes überdies nicht mehr praktiziert werde, habe nur
5
6
7
8
9
10
Darstellung des Landeseinwohneramtes überdies nicht mehr praktiziert werde, habe nur
ein Erteilungsermessen konkretisiert, nicht aber ein strikter Rechtsanspruch auf Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis begründet werden sollen. Ausschlaggebend sei jedoch, daß
ein Aufenthaltsgenehmigungsanspruch, wenn er denn bestünde, kein
Abschiebungshindernis im Sinne von § 55 Abs. 2 und 4 AuslG darstelle; dies ergebe sich
insbesondere daraus, daß die dem § 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2; Abs. 3 AuslG zugrunde
liegende Wertung des Gesetzgebers in Fällen der vorliegenden Art nicht dadurch
umgangen werden dürfe, daß dem Beschwerdeführer zu 1. eine Duldung zugesprochen
werde, obgleich sein Aufenthaltserlaubnisantrag keine der gesetzlichen Fiktionen
auslöse. Nicht vorgetragen sei, daß es dem Beschwerdeführer zu 1. im Hinblick auf seine
Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen unzumutbar sein sollte, die
eheliche Lebensgemeinschaft kurzfristig zu unterbrechen, um das Visumverfahren
durchzuführen, und daher insoweit ein zwingendes rechtliches Abschiebungshindernis
vorliegen könnte. Die Rechtssache weise auch keine besonderen tatsächlichen oder
rechtlichen Schwierigkeiten auf. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung
der Rechtssache sei nicht dargelegt; es fehle bereits an der Formulierung einer
klärungsbedürftigen Rechtsfrage. Auch der Zulassungsgrund der Divergenz sei nicht
gegeben, da das Verwaltungsgericht mit Blick auf die Weisungslage nicht von einer
Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin abgewichen sei. Auf die Interpretation
dieser Weisung sei es nach den Beschlussgründen nicht angekommen.
Gegen die vorgenannten Beschlüsse des Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichts
Berlin richtet sich die am 2. Juni 2000 eingegangene Verfassungsbeschwerde der
Beschwerdeführer, mit der sie eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 10, 12 und 15 Abs. 1
VvB rügen. Die Entscheidungen verstießen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da
die Ausländerbehörde jahrelang aufgrund entsprechender Weisungen ausländischen
Staatsbürgern, die nach Ablauf ihres legalen Aufenthalts einen deutschen
Staatsangehörigen geheiratet hätten, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt habe. Im
gerichtlichen Verfahren sei nicht konkret vorgetragen worden, wann und aus welchen
Gründen sich die Weisungslage geändert habe und wie die Ausländerbehörde nunmehr
in entsprechenden Fällen verfahre. Ein derartiges prozessuales Verhalten - das
Oberverwaltungsgericht habe offensichtlich weitergehende Kenntnisse als die
Beschwerdeführer gehabt - verletzte den in Art. 15 Abs. 1 VvB gewährleisteten Anspruch
der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör, nämlich sich dazu zu erklären, wann, wo,
wie und durch wen die Weisungslage geändert worden sei oder nicht. Angesichts der
bestehenden Ehe verletzten die angefochtenen Entscheidungen zudem Art. 12 VvB.
In zwei nachgereichten Schriftsätzen vom 31. August und 13. September 2000 haben
die Beschwerdeführer des weiteren auf die Schwangerschaft und bevorstehende
Entbindung der Beschwerdeführerin zu 2. hingewiesen.
Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 VerfGHG ist der Senatsverwaltung für Justiz, der
Senatsverwaltung für Inneres sowie dem Landeseinwohneramt Berlin Gelegenheit
gegeben worden, sich zu der Verfassungsbeschwerde zu äußern.
II.
Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. a) Nach § 49 Abs. 1 VerfGHG kann jedermann mit der Behauptung, durch die
öffentliche Gewalt des Landes Berlin in einem seiner in der Verfassung von Berlin
enthaltenen Rechte verletzt zu sein, Verfassungsbeschwerde zum
Verfassungsgerichtshof erheben. Soweit - wie hier - Gegenstand der
Verfassungsbeschwerde auf Bundesrecht beruhende Entscheidungen Berliner Gerichte
sind, besteht die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofs in den Grenzen der Art.
142, 31 GG hinsichtlich solcher Grundrechte aus der Verfassung von Berlin, die mit vom
Grundgesetz verbürgten Grundrechten übereinstimmen (st. Rspr.; u.a. Beschluß vom 2.
Dezember 1993 - VerfGH 89/93 - LVerfGE 1, 169 <179 ff.>; Beschluß vom 6. Oktober
1998 - VerfGH 32/98 - NJW 1999, 47).
b) Der Rechtsweg im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG ist jedenfalls insoweit
erschöpft, als es um die Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungs-
und Oberverwaltungsgericht geht. Die im Eilverfahren ergangenen Entscheidungen
enthalten für die Beschwerdeführer eine selbständige Beschwer, die sich nicht mit
derjenigen eines sich anschließenden, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
betreffenden Hauptsacheverfahrens deckt. Dies trifft insbesondere zu, soweit die
Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 VvB gerade
durch die Eilentscheidungen rügen. In derartigen Fällen verlangt § 49 Abs. 2 Satz 1
VerfGHG im Ergebnis nur, daß der Rechtsweg des Eilverfahrens erschöpft ist (vgl.
Beschluß vom 12. Juli 1994 - VerfGH 94/93 - LVerfGE 2, 19 <25 f.>; Beschluß vom 17.
11
12
13
14
15
Beschluß vom 12. Juli 1994 - VerfGH 94/93 - LVerfGE 2, 19 <25 f.>; Beschluß vom 17.
Dezember 1997 - VerfGH 82, 82 A/97 - LVerfGE 7, 60 <64>).
Soweit die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang erstmals mit Schriftsätzen vom
31. August und 13. September 2000 auf die Schwangerschaft und bevorstehende
Entbindung der Beschwerdeführerin zu 2. hingewiesen haben, können sie mit diesem
Vortrag im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren allerdings nicht gehört
werden. Dieser Vortrag ist verspätet, weil er erst nach Ablauf der Beschwerdefrist des §
51 Abs. 1 Satz 1 VerfGHG erfolgt ist. Er erschöpft sich nämlich nicht in einer bloßen
Ergänzung des bisherigen Beschwerdevorbringens, sondern macht einen neuen
Sachverhalt zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde (vgl. zum Bundesrecht
BVerfGE 18, 85 <89>; 77, 275 <282>; 81, 208 <214 f.>). Abgesehen davon steht
seiner Berücksichtigung der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde
entgegen. Dieser in § 49 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG zum Ausdruck kommende Grundsatz
verlangt, daß ein Beschwerdeführer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im
engeren Sinne hinaus auch sonstige prozessuale Möglichkeiten ergreift, um eine
Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine
Grundrechtsverletzung zu verhindern (Beschluß vom 16. Dezember 1993 - VerfGH
104/93 - LVerfGE 1, 199 <201 >; Beschluß vom 31. Juli 1998 - VerfGH 80/97 - LVerfGE 9,
33 <35>). Eine Verfassungsbeschwerde ist deshalb unzulässig, wenn der
Beschwerdeführer eine nach Lage der Sache bestehende Möglichkeit, die behauptete
Grundrechtsverletzung in einem fachgerichtlichen Verfahren ohne Inanspruchnahme des
Verfassungsgerichtshofs zu beseitigen, nicht genutzt hat (Beschluß vom 31. Juli 1998,
a.a.0.). Das Vorbringen der Beschwerdeführer zur Schwangerschaft sowie
voraussichtlichen Entbindung der Beschwerdeführerin zu 2. war bislang nicht
Gegenstand der fachgerichtlichen Prüfung und konnte daher weder vom
Verwaltungsgericht noch vom Oberverwaltungsgericht berücksichtigt werden. Den
Beschwerdeführern steht insoweit noch die Möglichkeit offen, die mit Blick auf die
Schwangerschaft möglicherweise veränderte Sachlage im Rahmen eines
Abänderungsverfahrens gemäß § 123 in Verbindung mit einer analogen Anwendung des
§ 80 Abs. 7 VwG0 dem zuständigen Fachgericht zur Entscheidung zu unterbreiten und
auf diese Weise vorläufigen Rechtsschutz zu erlangen (vgl. BVerfG, Beschluß vom 23.
März 1995 - 2 BvR 492/95 u. 2 BvR 493/95 - InfAuslR 1995, 246 <251 >; Schoch, in:
ders./Schmidt- Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 Rdnr. 177, Stand der Kommentierung:
Februar 1998; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 123 Rdnr. 35 m.w.N.). Angesichts
dieser den Beschwerdeführern nach dem einschlägigen Prozessrecht eröffneten
Möglichkeit, einer etwaigen Grundrechtsverletzung im fachgerichtlichen Verfahren zu
begegnen, ist ihr Vortrag in den nachgereichten Schriftsätzen unzulässig.
c) Auch die Beschwerdeführerin zu 2. ist durch die angegriffenen Entscheidungen
betroffen. Zwar ist nach diesen Entscheidungen allein eine Abschiebung des
Beschwerdeführers zu 1. vor der Entscheidung über seinen Aufenthaltserlaubnisantrag
möglich; die Durchsetzung der Ausreisepflicht würde jedoch auch die
Beschwerdeführerin zu 2. berühren, welche als Ehefrau des Beschwerdeführers zu 1. ein
schutzwürdiges Interesse an dessen Verbleib im Inland hat (vgl. BVerfGE 51, 386
<395>).
d) Zweifelhaft ist allerdings, ob die Beschwerdeschrift mit Blick auf jedes von den
Beschwerdeführern als verletzt gerügte Grundrecht den Anforderungen genügt, die
gemäß §§ 49 Abs. 1, 50 VerfGHG an die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde zu
stellen sind, d.h. ob insoweit jeweils ein Sachverhalt aufgezeigt ist, aus dem sich mit
hinreichender Deutlichkeit die Möglichkeit eines Grundrechtsverstoßes ergibt. Bedenken
könnten insofern vor allem hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des Art. 15 Abs. 1 VvB
bestehen. Diese Bedenken können hier jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da die
Verfassungsbeschwerde jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben kann.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Die mit ihr angegriffenen gerichtlichen
Entscheidungen halten einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand.
a) Die Beschwerdeführer gehen im Kern zutreffend davon aus, daß die Verfassung von
Berlin in Art. 10 Abs. 1 mit demselben Umfang wie das Grundgesetz in Art. 3 Abs. 1 eine
umfassende Gleichheitsgarantie für alle Menschen verbürgt (st. Rspr.; vgl. zu Art. 6 Abs.
1 Satz 1 VvB a.F. bereits Beschluß vom 17. Februar 1993 - VerfGH 53/92 - LVerfGE 1, 65
<67>). Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn wesentlich Gleiches willkürlich ungleich
oder wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandelt wird (vgl. zu Art. 3 Abs. 1 GG:
BVerfGE 1, 14 <52>; 4, 144 <155>; 49, 148 <165>; 98, 365 <385>). Eine gerichtliche
Entscheidung verletzt das verfassungsrechtliche Willkürverbot ausschließlich, wenn sie
unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss
aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (Beschluß vom 25. April 1994 -
16
17
18
aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (Beschluß vom 25. April 1994 -
VerfGH 34/94 - LVerfGE 2, 16 <18>; Beschluß vom 20. August 1997 - VerfGH 46/97 -
LVerfGE 7, 19 <24>; vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 89, 1 <14>). Diese Voraussetzung
ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt.
Die Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes, mit dem die Beschwerdeführer eine
zeitweise Aussetzung der Abschiebung bis zur Entscheidung über den
Aufenthaltserlaubnisantrag erreichen wollten, ist ausweislich der Entscheidungsgründe
maßgeblich auf die Rechtsvorschrift des § 69 AuslG sowie das Fehlen eines im Wege
einstweiliger Anordnung sicherungsfähigen Duldungsanspruchs des Beschwerdeführers
zu 1. gestützt worden. Die entscheidungstragende Feststellung des Verwaltungs- und
Oberverwaltungsgerichts, daß der erneute Aufenthaltsgenehmigungsantrag des
Beschwerdeführers zu 1. mit Blick auf die vorangegangene Ausreiseaufforderung weder
eine Fiktion des geduldeten noch des erlaubten Aufenthalts auszulösen vermochte (§ 69
Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 3 AuslG), wird auch von den Beschwerdeführern nicht in
Abrede gestellt. Aufgrund der geltenden Rechtslage sind die Verwaltungsgerichte daher
zutreffend und in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon
ausgegangen, daß der Beschwerdeführer zu 1. mangels eines ihm nach § 69 AuslG
zustehenden vorläufigen Bleibe- oder Aufenthaltsrechts das
Aufenthaltserlaubnisverfahren grundsätzlich vom Ausland zu betreiben hat. Dies gilt
nach der gesetzgeberischen Konzeption selbst dann, wenn die Voraussetzungen für die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis offensichtlich erfüllt sein sollten (vgl. Hess. VGH,
Beschluß vom 27. Oktober 1992 - 12 TH 1409/92 - EZAR 622 Nr. 18, S. 4; OVG NW,
Beschluß vom 14. Dezember 1993 - 18 B 628/93 - EZAR Nr. 21, S. 3). Eine spezielle
Duldung für die Dauer des ausländerbehördlichen Verfahrens bis zur Entscheidung
kommt insoweit nicht in Betracht, weil das Gesetz einen derartigen Fall gerade
ausschließt (vgl. § 55 Abs. 1 bis 4, § 69 Abs. 2 und 3 AuslG; siehe aus dem Schrifttum
Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl. 1999, § 69 Rdnr. 16; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand
Oktober 1996, § 69 Rdnr. 68).
Angesichts der bestehenden gesetzlichen Regelung (vgl. insoweit auch § 9 Abs. 2
DVAuslG), auf welche sich die Verwaltungsgerichte im Eilverfahren gestützt haben, ist
kein Raum für die Annahme, die Gerichte hätten bei der Auslegung des einfachen Rechts
und seiner Anwendung im Einzelfall gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot
verstoßen. Daran vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführer auf eine eventuell
abweichende Weisungslage der Ausländerbehörde nichts zu ändern. Wenn - wie im Fall
der Beschwerdeführer - eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG begehrt
wird, können zwar die sich aus Art. 12 Abs. 1 VvB ergebenden Schutzwirkungen für Ehe
und Familie, was insbesondere das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt hat, eine
Aussetzung der Abschiebung und einen im Wege einstweiliger Anordnung
sicherungsfähigen Duldungsanspruch begründen. Dies wird angesichts der in § 69 AuslG
zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Konzeption jedoch maßgeblich von den
jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängen (vgl. zu Beispielsfällen Renner, a.a.0., §
69 Rdnr. 19). Aus einer generell abweichenden Verwaltungspraxis der Ausländerbehörde
können die Beschwerdeführer, unabhängig davon, ob eine derartige Weisungslage im
vorliegenden Fall überhaupt noch besteht, indes keinen Anspruch auf Gleichbehandlung
herleiten; selbst wenn in der Vergangenheit ohne weitere Einzelfallprüfung von einer
Durchsetzung der Ausreisepflicht abgesehen worden sein sollte, ließe sich aus Art. 10
Abs. 1 VvB hier jedenfalls kein Anspruch auf "Gleichheit im Unrecht" ableiten.
b) Die Rüge einer Verletzung des Art. 12 Abs. 1 VvB greift ebenfalls nicht durch. Der
Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 VvB ist vorliegend zwar insoweit berührt, als er auch
das Recht auf familiäres Zusammenleben umfasst. Art. 12 Abs. 1 VvB schützt aber den
ausländischen Ehepartner eines deutschen Staatsangehörigen nicht schlechthin vor
einer Abschiebung; das Interesse des deutschen Ehepartners daran, seine Ehe als eine
Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner im Bundesgebiet fortzusetzen, ist
allerdings bei jeder Entscheidung über den Aufenthalt eines Ausländers von Amts wegen
zu berücksichtigen (vgl. zu dem mit Art. 12 Abs. 1 VvB inhaltsgleichen Art. 6 Abs. 1 GG:
BVerfGE 35, 382 <408>; 51, 386 <397>). Diesen Anforderungen werden die
angefochtenen Entscheidungen gerecht. Insbesondere das Oberverwaltungsgericht prüft
in seinem letztinstanzlichen Beschluß, ob im Hinblick auf die Eheschließung des
Beschwerdeführers zu 1. mit einer deutschen Staatsangehörigen ein zwingendes
Abschiebungshindernis im Sinne des § 55 Abs. 2 AuslG vorliegt (vgl. dazu BVerwGE 106,
13 <17>). Seine Einschätzung, es sei nicht vorgetragen, daß dem Beschwerdeführer zu
1. eine kurzfristige Unterbrechung der ehelichen Lebensgemeinschaft zur
Visumsbeantragung unzumutbar sei, läßt sich nicht beanstanden. Auch im
Verfassungsbeschwerdeverfahren beziehen sich die Beschwerdeführer, soweit ihr
Vorbringen nach den vorstehenden Ausführungen zulässig ist und daher
Berücksichtigung finden kann, ohne weitere Begründung allein auf das Vorliegen einer
19
20
21
Berücksichtigung finden kann, ohne weitere Begründung allein auf das Vorliegen einer
"ernsthaften" Eheschließung. Damit ist nicht dargetan, daß das Oberverwaltungsgericht
die nach Art. 12 Abs. 1 VvB geschützten Bindungen zwischen dem Beschwerdeführer zu
1. und seiner deutschen Ehefrau in seiner Entscheidung unzureichend zur Geltung
gebracht hätte. Den privaten Belangen der Beschwerdeführer und dem insoweit zu
beachtenden Gebot der Verhältnismäßigkeit kann im übrigen nach § 8 Abs. 2 Sätze 3
und 4 AuslG durch eine Befristung der Wirkung der Abschiebung Rechnung getragen
werden (vgl. BVerfGE 51, 386 <398 f.>).
c) Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe den durch Art. 15 Abs. 1 VvB geschützten
Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör verletzt, kann der
Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Ausweislich der
Entscheidungsgründe kam es auf die Frage einer Änderung der Weisungslage der
Ausländerbehörde nicht an.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 33 und 34 VerfGHG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum