Urteil des VerfGH Berlin vom 26.10.1984

VerfGH Berlin: anspruch auf rechtliches gehör, fristlose kündigung, mietvertrag, verfassungsbeschwerde, öffentliche gewalt, rüge, grundstück, widerklage, rangrücktritt, mietsache

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
106/00
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 10 Abs 1 Verf BE, Art 15
Abs 1 Verf BE
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beschwerdeführer wohnen in einem Einfamilienhaus in Berlin-Heiligensee. Der
Beschwerdeführer zu 1. hatte das ca. 3.000 qm große Grundstück im Jahr 1971
erworben. Auf Grund eines notariellen Schenkungsvertrages vom 26. Oktober 1984
übereignete er das Grundstück seinen beiden Söhnen. In § 5 des Vertrages wurde ihm
sowie der Beschwerdeführerin zu 2. als Gesamtberechtigten ein lebenslanges
Wohnungsrecht an dem Grundstück einschließlich der darauf befindlichen Gebäude
eingeräumt. Gleichzeitig wurde geregelt, daß die Beschwerdeführer zur Instandhaltung
des Grundbesitzes einschließlich der Baulichkeit sowie zur laufenden Bewirtschaftung
verpflichtet sind. Am 28. März 1992 bestellten die Söhne als Grundstückseigentümer
zugunsten einer Hypothekenbank u.a. eine brieflose Grundschuld von 4.000.000 DM, der
Vorrang vor dem Wohnungsrecht der Beschwerdeführer im Grundbuch eingeräumt
wurde. Zugleich schlossen die Söhne als Vermieter und die Beschwerdeführer als Mieter
einen Mietvertrag über die auf dem Grundstück S. Straße [...] im vorderen Wohnhaus
befindliche Fünf-Zimmer-Wohnung. In § 2 Ziff. 1 des Mietvertrages wurde aufgenommen,
daß der Vertrag auf Lebenszeit geschlossen werde und daß eine Kündigung des
Vermieters nur aus wichtigem Grund zulässig sei. Weiter heißt es in § 4 Ziff. 3 des
Vertrages, daß die gesetzlichen Bestimmungen gälten, soweit in den vorstehenden
Vereinbarungen keine ausdrücklichen Regelungen getroffen seien.
Am 14. November 1996 ordnete das Amtsgericht Wedding zugunsten der
Hypothekenbank als Gläubigerin die Zwangsverwaltung über das Grundstück an und
bestellte einen Zwangsverwalter. Der Zwangsverwalter erklärte gegenüber den
Beschwerdeführern mit Schreiben vom 13. November 1997 die fristlose Kündigung des
Mietverhältnisses wegen nicht geleisteten Mietzinses für die Monate Januar bis
November 1997. Wegen des rückständigen Mietzinses in Höhe von 16.500 DM erhob er
außerdem Klage, mit der er zugleich die Räumung der Wohnung begehrte. Im Hinblick
auf während des Gerichtsverfahrens erfolgte Zahlungen durch die Beschwerdeführer
erklärte er später den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die Beschwerdeführer,
die sich der Erledigungserklärung nicht anschlossen, verlangten im Rahmen einer
Widerklage vom Zwangsverwalter wegen Minderungs- und Schadensersatzansprüchen
die Zahlung von insgesamt 520.171,98 DM mit der Begründung, daß ihnen wegen
erheblicher Mängel der Mietsache ein Minderungsrecht zugestanden habe und
deswegen auch die Miete nicht geschuldet gewesen sei.
Durch ein am 27. Juli 1999 verkündetes Urteil – 12 b C 366/97 –, berichtigt durch
Beschluß vom 31. August 1999, stellte das Amtsgericht Wedding fest, daß der
Räumungsanspruch sowie der Zahlungsanspruch des Zwangsverwalters in Höhe eines
Teilbetrages von 13.800 DM erledigt seien, weil die Kündigung wegen der
zwischenzeitlichen Zahlung des Mietzinses unwirksam geworden sei. Im übrigen wies es
die Klage ab. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, daß der Zwangsverwalter
zwar grundsätzlich berechtigt gewesen sei, von den Beschwerdeführern Mietzahlungen
zu verlangen und die fristlose Kündigung auszusprechen. Seine Zahlungsklage sei aber
wegen zugunsten der Beschwerdeführer bestehender Minderungsrechte nicht in vollem
Umfang begründet gewesen. Ferner verurteilte das Amtsgericht den Zwangsverwalter
unter Zurückweisung der Widerklage im übrigen, an die Beschwerdeführer 14.367,70 DM
nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen legten die Beschwerdeführer Berufung und der
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nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen legten die Beschwerdeführer Berufung und der
Zwangsverwalter Anschlußberufung ein.
Durch Urteil vom 5. Juni 2000 wies das Landgericht Berlin die Berufung der
Beschwerdeführer zurück und änderte auf die Anschlußberufung des Zwangsverwalters
das Urteil des Amtsgerichts Wedding, indem es feststellte, daß der Räumungsanspruch
sowie der Zahlungsanspruch in Höhe von 16.500 DM in der Hauptsache erledigt seien.
Die Widerklage der Beschwerdeführer wurde abgewiesen. Zur Begründung führte das
Landgericht aus, daß dem Zwangsverwalter die geltend gemachten Zahlungsansprüche
wegen rückständigen Mietzinses gemäß § 535 Satz 2 BGB in voller Höhe zugestanden
hätten. Den Beschwerdeführern stünden demgegenüber keine Minderungsrechte im
Sinne von § 537 Satz 1 BGB wegen der Mangelhaftigkeit der Mietsache zu, weil in § 5 des
notariellen Vertrages vom 26. Oktober 1984 für das Wohnungsrecht vereinbart worden
sei, daß ihnen die Instandhaltung des Grundbesitzes sowie die laufende Bewirtschaftung
obliege. Die im später geschlossenen Mietvertrag getroffene Bezugnahme auf die
gesetzlichen Bestimmungen führe nicht zum Wiederaufleben der in § 536 BGB
enthaltenen Verpflichtung des Vermieters zur Instandhaltung der Mietsache. Denn es
fehle an einer ausdrücklichen Aufhebung der Regelung zur Instandhaltungspflicht gemäß
dem Jahre zuvor vereinbarten Wohnungsrecht. Ersichtlich sei in dem Mietvertrag keine
Regelung zur Instandhaltung getroffen worden. Unter Berücksichtigung des Parteiwillens
sei dieser Umstand dahin auszulegen, daß die Parteien in Kenntnis der umfassenden
Regelung im Rahmen der Bestellung des Wohnungsrechts eine neuerliche Vereinbarung
über die Instandhaltungspflichten für entbehrlich gehalten hätten. Bei einer
nachträglichen Wohnungsrechtsbestellung entspreche es oft dem Parteiwillen, den
Mietvertrag aufzuheben und durch das Grundgeschäft zu ersetzen (BGH LM § 398
Nr.20). Eine etwa erforderliche Auslegung des Mietvertrages werde in der Regel dahin
gehen, daß die nicht ausschließlich mietrechtlichen Bestimmungen des Mietvertrages
als Bestandteil des Grundgeschäfts für das Wohnungsrecht weiter gelten sollten. Ähnlich
liege es hier: Angesichts der zeitlich umgekehrten Situation, nämlich des nachträglich
geschlossenen Mietvertrages, ergebe die Auslegung der insofern zunächst bestehenden
Lücke im Mietvertrag, daß die Bezugnahme auf die gesetzlichen Bestimmungen nur für
die Situationen habe gelten sollen, die nicht schon im Rahmen der Bestellung des
Wohnungsrechts geregelt worden seien. Schließlich stellte das Landgericht fest, daß der
Räumungsanspruch des Zwangsverwalters sich erledigt habe, weil die Kündigung vom
13. November 1997 unwirksam geworden sei. Diesbezüglich führte es weiter im
einzelnen aus, daß der Zwangsverwalter zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen sei
und die Beendigung des schuldrechtlichen Mietvertrages als Einrede dem dinglichen
Wohnungsrecht der Beschwerdeführer habe entgegenhalten können.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen das Berufungsurteil rügen die Beschwerdeführer
eine Verletzung von Art. 10 und 15 Abs. 1 der Verfassung von Berlin (VvB) sowie von Art.
14 und 19 GG.
Einen Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 VvB wegen der Verletzung des Anspruchs auf
Gewährung rechtlichen Gehörs begründen die Beschwerdeführer damit, daß das Gericht
den gesamten Tatsachenvortrag rechtlich zu erfassen und zu würdigen habe und nicht
einfach wesentliche Gesichtspunkte überlesen oder einfach vergessen könne. Hier sei es
sehr wesentlich gewesen, daß sie mit ihren Söhnen einen Rangrücktritt des
Wohnungsrechts vereinbart hätten, damit die Bank eine bessere Grundbuchposition
erhalte. Im Gegenzug sei ein Mietvertrag abgeschlossen worden. Auf diesen Punkt
hätten sie das Landgericht auch hingewiesen. Dennoch habe das Landgericht den
Gesichtspunkt des Rangrücktritts bei der Mietvertragsauslegung nicht einmal
ansatzweise gewürdigt und demzufolge auch bei der Auslegung des im Hinblick auf die
Frage der Instandsetzung und -haltung lückenhaften Mietvertrages verkannt.
Auch verkenne das Landgericht den Begriff der „Lücke“. Der Schluß des Landgerichts,
die Lücke des nachträglich geschlossenen Mietvertrages spreche dafür, daß die
Bezugnahme auf die gesetzlichen Bestimmungen nur für die Situationen gelten solle,
die nicht schon im Rahmen der Bestellung des Wohnungsrechts geregelt worden seien,
passe nicht. In der angefochtenen Entscheidung sei völlig verkannt worden, daß ein
dingliches Wohnrecht nichts mit einem schuldrechtlichen Mietvertrag zu tun habe und es
für die mietvertragliche Regelung völlig unerheblich sei, was in einem dinglichen
Wohnungsrecht vereinbart sei. Außerdem sei es nicht zulässig, eine solche neue
Rechtsauffassung „geheim“ zu halten und erst in der Entscheidung kundzutun. Hierin
liege eine Überraschungsentscheidung, zumal das Amtsgericht Wedding an der
Instandhaltungspflicht des Vermieters nicht gezweifelt habe. Das Landgericht hätte
zuvor beiden Parteien einen Hinweis erteilen müssen. Ferner verweisen die
Beschwerdeführer darauf, daß gerade bei einem hohen Streitwert das Gericht präzise zu
arbeiten habe und der Sach- und Streitstand eingehend gewürdigt werden müsse, auch
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arbeiten habe und der Sach- und Streitstand eingehend gewürdigt werden müsse, auch
wenn die Richter überlastet seien. Jeder Verstoß gegen diese Arbeitsweise stelle einen
Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör dar.
Einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz begründen die Beschwerdeführer damit,
daß sie, obwohl sie sich auf ein Wohnungsrecht berufen könnten, schlechter gestellt
seien als ein bloßer Mieter. Ein Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht liege vor, weil
die angegriffene Entscheidung den Grundsatz der vermieterseitigen
Instandhaltungspflicht aushebele. Hätte das Landgericht die Instandhaltungspflicht des
Vermieters erkannt, so hätte es sich mit der Berechtigung der Beschwerdeführer zur
Minderung befassen müssen und wäre dann zu dem Ergebnis gekommen, daß die
Kündigung unwirksam gewesen sei und eine Hauptsachenerledigung nicht habe
eintreten können. Es hätte der Widerklage zumindest teilweise stattgeben und den Tenor
erster Instanz bestätigen müssen.
II. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und im übrigen unbegründet.
1. Gemäß § 49 Abs. 1 VerfGHG kann jedermann Verfassungsbeschwerde mit der
Behauptung erheben, durch die öffentliche Gewalt des Landes Berlin in einem seiner in
der Verfassung von Berlin enthaltenen Rechte verletzt zu sein. Für die Zulässigkeit der
Verfassungsbeschwerde verlangt § 50 VerfGHG, daß das Recht, das verletzt sein soll,
bezeichnet wird. Soweit die Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 14 und 19 GG
rügen, ist ihre Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil sie sich insofern allein auf
Vorschriften des Grundgesetzes berufen und – anders als in Bezug auf den Anspruch auf
rechtliches Gehör sowie den Gleichheitssatz – neben den Vorschriften des
Grundgesetzes nicht auch die in der Verfassung von Berlin verbürgten Rechte benennen.
2. Im übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig, jedoch unbegründet. Die
Beschwerdeführer sind durch das von ihnen angegriffene Urteil des Landgerichts Berlin
nicht in ihren Rechten aus Art. 10 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 VvB verletzt.
a) Aus der in Art. 15 Abs. 1 VvB enthaltenen verfassungsrechtlichen Verbürgung des
rechtlichen Gehörs folgt zunächst, daß ein Gericht die Ausführungen der
Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung
zu ziehen hat (Beschluß vom 16. November 1995 – VerfGH 48/94 – LVerfGE 3, 113
<117>; st. Rspr.). Das heißt jedoch nicht, daß das Gericht sich in den schriftlichen
Entscheidungsgründen mit jedem Einzelvorbringen auseinandersetzen muß. Vielmehr ist
grundsätzlich davon auszugehen, daß ein Gericht das von ihm entgegengenommene
Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.
Der Verfassungsgerichtshof kann nur dann feststellen, daß ein Gericht seine Pflicht, den
Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, verletzt hat, wenn sich
dies aus den Umständen des einzelnen Falles eindeutig ergibt (Beschlüsse vom 16.
November 1995 – VerfGH 48/94 – LVerfGE 3, 113 <116 f.> und vom 22. Mai 1997 –
VerfGH 34/97 – LVerfGE 6, 80 <82>; st. Rspr.).
Nach diesen Grundsätzen kann eine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör
durch das Landgericht nicht festgestellt werden.
Die Rüge der Beschwerdeführer, das Landgericht habe ihren Vortrag, daß der
Mietvertrag im Gegenzug für den Rangrücktritt des Wohnungsrechts abgeschlossen
worden sei, nicht berücksichtigt und darüber hinaus den Gesichtspunkt des
Rangrücktritts bei der Mietvertragsauslegung nicht einmal ansatzweise gewürdigt, geht
fehl. Es trifft zwar zu, daß das Landgericht in der angegriffenen Entscheidung nicht
ausdrücklich auf den im Jahr 1992 erfolgten Rangrücktritt des Wohnungsrechts
zugunsten der der Bank eingeräumten Grundschuld eingegangen ist. Hierin liegt jedoch
kein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährung rechtlichen
Gehörs. Wie dargelegt, ist ein Gericht nicht verpflichtet, jeden einzelnen Vortrag einer
Partei ausdrücklich zu bescheiden. Es bestehen zudem keine Anhaltspunkte dafür, daß
das Landgericht das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis
genommen und nicht bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Das Landgericht hat
nämlich unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung eine ausführliche
rechtliche Würdigung zur Frage des Zusammentreffens von dinglichem Wohnungsrecht
und schuldrechtlichem Mietvertrag vorgenommen und im einzelnen ausgeführt, aus
welchen Gründen der nach Bestellung des Wohnungsrechts im Jahr 1984 nachträglich
erfolgte Abschluß des Mietvertrages im Jahr 1992 im Hinblick auf die in § 5 der
Vereinbarung über die beschränkte persönliche Dienstbarkeit den Beschwerdeführern
auferlegte Instandhaltungspflicht keine Auswirkungen haben könne. Aus der
Urteilsbegründung ist daher allein zu schließen, daß das Landgericht dem Vorbringen
der Beschwerdeführer zum Rangrücktritt keine maßgebliche Bedeutung beigemessen
hat. Damit wenden sich die Beschwerdeführer mit der Rüge, das Landgericht habe ihr
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hat. Damit wenden sich die Beschwerdeführer mit der Rüge, das Landgericht habe ihr
Vorbringen übergangen und darüber hinaus den Gesichtspunkt des Rangrücktritts bei
der Auslegung des im Hinblick auf die Frage der Instandsetzung und -haltung
lückenhaften Mietvertrages verkannt, der Sache nach gegen die Gewichtung der für und
gegen eine Instandhaltungspflicht sprechenden Umstände. Diese vom Landgericht
vorgenommene Gewichtung obliegt indes nicht der Überprüfung durch den
Verfassungsgerichtshof. Die Behauptung, die richterlichen Feststellungen seien falsch
oder der Richter habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für
weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen, vermag grundsätzlich
einen Verstoß gegen Art.15 Abs. 1 VvB nicht zu begründen. Die Gestaltung des
Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des
einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall sind Sache der dafür allgemein
zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogen.
Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, gerichtliche Entscheidungen - ähnlich
wie eine Rechtsmittelinstanz - in jeder Hinsicht auf ihre Übereinstimmung mit dem
einfachen Recht zu kontrollieren (Beschlüsse vom 30. Juni 1992 - VerfGH 9/92 - LVerfGE
1, 7 <8> und vom 26. Oktober 2000 – VerfGH 54/00 –; st. Rspr). Nur bei Verletzung von
spezifischem Verfassungsrecht kann der Verfassungsgerichtshof eingreifen. Spezifisches
Verfassungsrecht ist aber nicht schon dann verletzt, wenn eine Entscheidung objektiv
fehlerhaft sein sollte (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 22, 267 <273 f.>). Deswegen kann
die Verfassungsbeschwerde auch hinsichtlich der Rüge, das Landgericht habe unter
Verkennung des Begriffs der „Lücke“ unzutreffend den Schluß gezogen, daß die
Bezugnahme auf die gesetzlichen Bestimmungen im Mietvertrag nur für die Situationen
gelten solle, die nicht schon im Rahmen der Bestellung des Wohnungsrechts geregelt
worden seien, und zu Unrecht die Lücke im Mietvertrag hinsichtlich der
Instandhaltungspflicht mit den Regelungen des dinglichen Rechts geschlossen, keinen
Erfolg haben. Die weitere Rüge, das Landgericht habe den Sach- und Streitstand nicht
eingehend gewürdigt und dadurch gegen das Recht auf rechtliches Gehör verstoßen, ist
schon angesichts der ausführlichen Urteilsbegründung nicht nachvollziehbar.
Auch ist kein Gehörverstoß erkennbar, soweit die Beschwerdeführer rügen, es liege eine
Überraschungsentscheidung vor, weil das Landgericht seine Rechtsauffassung „geheim“
gehalten habe. Grundsätzlich ist das Gericht nicht dazu verpflichtet, vor der
Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen. Der Anspruch auf rechtliches
Gehör beinhaltet keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters mit der
Folge, daß es auch keine generelle Pflicht des Gerichts gibt, schon vor der Entscheidung
seine eigene Sachverhalts- und Beweiswürdigung sowie seine Rechtsauffassung
mitzuteilen (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 74, 1 <5>; BVerfGE 98, 218 <263>).
Allerdings ist es mit Art. 15 Abs. 1 VvB unvereinbar, wenn ein Gericht ohne vorherigen
Hinweis auf rechtliche Gesichtspunkte abhebt, mit denen auch ein gewissenhafter und
kundiger Prozeßbeteiligter – selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer
Rechtsauffassungen – nach dem bisherigen Prozeßverlauf nicht zu rechnen brauchte
(Beschluß vom 17. Januar 1997 – VerfGH 112/96 – LVerfGE 7, 49 <58>), denn eine
solche Verfahrensweise kommt im Ergebnis der Verhinderung des Vortrags der
Prozeßpartei gleich (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 84, 188 <190>).
Unter Anlegung dieser Maßstäbe kann das angegriffene Urteil nicht wegen eines
Verstoßes gegen Art. 15 Abs. 1 VvB aufgehoben werden. Das Landgericht hat in seinem
Urteil weder auf einen Sachverhalt abgestellt, der den Beschwerdeführern nicht bekannt
war, noch auf Rechtsausführungen, mit denen sie nach dem bisherigen Rechtsverlauf
nicht rechnen mußten. Die Beschwerdeführer wußten, daß der Ausgang der
Rechtsstreits davon abhing, ob ihnen oder dem Zwangsverwalter die Instandhaltung und
-setzung oblag, und daß es hierfür auf die Auslegung des Mietvertrages bzw. der
vorangegangenen Vereinbarung über das Wohnungsrecht ankam. Bereits das
Amtsgericht hatte sich in seinem Urteil zu dieser Frage - wenn auch im Rechtssinne der
Beschwerdeführer - kurz geäußert. Insbesondere aber hatte der Zwangsverwalter als
Prozeßgegner der Beschwerdeführer in seiner Berufungsbegründung ausführlich
dahingehend Stellung genommen, daß die Beschwerdeführer aufgrund der Vereinbarung
über das Wohnungsrecht zur Instandhaltung und –setzung verpflichtet gewesen seien
und daß sich an diesen Verpflichtungen durch den später abgeschlossenen Mietvertrag
nichts geändert habe, weil in dem Mietvertrag hierzu keine Regelung getroffen worden
sei. Hierauf hatten die Beschwerdeführer im übrigen ihrerseits mit Schriftsatz vom 3.
Januar 2000 erwidert.
b) Im Rahmen der Rüge, das in Art. 10 Abs. 1 VvB enthaltene Recht auf Gleichheit vor
dem Gesetz sei verletzt, kann der Verfassungsgerichtshof die Entscheidungen anderer
Gerichte nur in engen Grenzen überprüfen. Ein Verstoß gegen dieses Grundrecht liegt
nicht schon vor, wenn die Auslegung oder Anwendung des einfachen Rechts Fehler
enthält. Hinzukommen muß vielmehr, daß die Entscheidung sachlich schlechthin
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enthält. Hinzukommen muß vielmehr, daß die Entscheidung sachlich schlechthin
unhaltbar und deshalb objektiv willkürlich ist. Das ist nur dann der Fall, wenn sie unter
keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluß aufdrängt,
daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Davon kann nicht gesprochen werden,
wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine
Schlußfolgerungen nicht jedes sachlichen Grundes entbehren (Beschlüsse vom 25. April
1994 - VerfGH 34/94 - LVerfGE 2, 16 <18> und vom 20. August 1997 – VerfGH 46/97 –
LVerfGE 7, 19 <24>).
Nach diesem Maßstab überschreitet das angegriffene Urteil nicht die Grenze zur Willkür.
Wie bereits ausgeführt, hat das Landgericht seine Rechtsauffassung, daß den
Beschwerdeführern die Instandhaltung oblegen habe und ihnen deswegen gegenüber
dem Zwangsverwalter keine Minderungsrechte zugestanden hätten, eingehend unter
Berücksichtigung des Nebeneinanders von schuldrechtlichem Mietvertrag und
dinglichem Wohnungsrecht geprüft. Hierbei hat es die maßgeblichen Vorschriften sowie
die einschlägige Rechtsprechung herangezogen. Es kommt im Rahmen der
verfassungsrechtlichen Prüfung eines Verstoßes gegen das Willkürverbot nicht darauf an,
ob diese Ausführungen im einzelnen zu überzeugen vermögen. Daß die
Beschwerdeführer die Rechtsauffassung des Landgerichts nicht teilen, ist in diesem
Zusammenhang ebenfalls unerheblich. Jedenfalls kann keine Rede davon sein, die
Auffassung des Landgerichts entbehre jeder sachlichen Grundlage, sei unter keinem
denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar und müsse deshalb als willkürlich
qualifiziert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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