Urteil des VerfGH Berlin vom 14.03.2017

VerfGH Berlin: jugend und sport, schule, recht auf bildung, anwendung des rechts, bevorzugung, verfassungsbeschwerde, muttersprache, neue beweismittel, schüler, englisch

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
180/06, 180 A/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 3 Abs 1 GG, § 15 Abs 2 S 1
GAD, § 19 Abs 1 S 1 GAD, § 18
Abs 1 S 1 SchulG BE, § 55 Abs
3 S 2 SchulG BE
VerfGH Berlin: Teils aus Subsidiaritätsgründen unzulässige, im
Übrigen unbegründete Verfassungsbeschwerde gegen
Ablehnung der Aufnahme in die staatliche internationale Nelson-
Mandela-Gesamtschule - vorrangige Berücksichtigung der
Kinder von Bediensteten des Auswärtigen Amtes verstößt nicht
gegen den Gleichheitssatz iSv Art 10 Abs 1 Verf BE -
Bevorzugung von Geschwisterkindern bei der Vergabe der
Schulplätze willkürfrei
Gründe
I.
Die im Jahre 2000 geborene Beschwerdeführerin ist mit Beginn des Schuljahres
2006/2007 am 1. August 2006 schulpflichtig geworden. Sie begehrt die Aufnahme in die
Nelson-Mandela-Schule/Staatliche Internationale Gesamtschule Berlin.
Bei der Nelson-Mandela-Schule handelt es sich um einen von der Senatsverwaltung für
Schule, Jugend und Sport mit Schreiben vom 28. September 2000 genehmigten und bis
zum Ablauf des Schuljahres 2015/2016 befristeten Schulversuch. Hiernach gehört es zu
den Zielen der Nelson-Mandela-Schule, Schülerinnen und Schüler verschiedener
Nationalität, die sich zumeist nur vorübergehend in Berlin aufhalten, gemeinsam
durchgängig zweisprachig (deutsch-englisch) zu unterrichten und zu erziehen.
Insbesondere Kindern und Jugendlichen aus hochmobilen Familien solle es ermöglicht
werden, ihre durch den Wechsel gekennzeichnete Schullaufbahn ohne größere
Beeinträchtigungen zu durchlaufen und anschlussfähig zu halten. Damit werde der Rolle
Berlins als politisches Zentrum der Bundesrepublik Deutschland Rechnung getragen, die
nicht nur eine wachsende Zahl diplomatischer Einrichtungen zur Folge habe, sondern
auch die zunehmende Ansiedlung internationaler Unternehmen erwarten lasse. Es seien
bedarfsgerecht zwei bis vier erste Klassen einzurichten. Die Mindestfrequenz dieser
Klassen betrage 20, die Höchstfrequenz 28 Schüler. Durchschnittlich sei von 24 Schülern
auszugehen. Aufgenommen würden Schülerinnen und Schüler, die Deutsch bzw.
Englisch auf dem Niveau einer Muttersprache beherrschten. Bei der Einrichtung der
Klassen seien jeweils zehn Plätze an Schülerinnen und Schüler mit der Muttersprache
Deutsch zu vergeben, die übrigen Plätze an solche mit der Muttersprache Englisch.
Soweit in dem Schreiben nichts anderes bestimmt werde, fänden die allgemeinen für die
Berliner Schule geltenden Regelungen Anwendung.
Die Genehmigung vom 28. September 2000 wurde hinsichtlich der Aufnahme in die
Nelson-Mandela-Schule mit Schreiben der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und
Sport mit Schreiben vom 18. Dezember 2003 wie folgt modifiziert: Übersteige die Zahl
der Anmeldungen geeigneter Bewerberinnen und Bewerber die der verfügbaren Plätze
im Kontingent, seien bei der Auswahl vorrangig Kinder zu berücksichtigen, deren
Erziehungsberechtigte hochmobilen Personengruppen angehörten und glaubhaft
schriftlich erklärten, Berlin innerhalb eines begrenzten Zeitraums aus beruflichen
Gründen wieder verlassen zu müssen bzw. nachwiesen, dass ihre Kinder zuletzt eine
internationale Schule besucht hätten und die Schullaufbahn mit einem entsprechenden
Abschluss beenden wollten. Die Aufnahme erfolge unter den Kindern entsprechend der
beruflichen Tätigkeit ihrer Erziehungsberechtigten in folgender Reihenfolge: 1.
Auswärtiges Amt, 2. andere Einrichtungen des Bundes, diplomatische Vertretungen,
Universitäten, (international tätige) Unternehmen, Verbände, Medienbereich,
international tätige Organisationen. Seien innerhalb dieser Personengruppen nicht alle
Anmeldungen zu realisieren, entscheide das Los. Der Aufnahmevorrang sei bei der
Einrichtung einer Klasse auf 75 % der Plätze beschränkt. Die übrigen Plätze stünden
Schülerinnen und Schülern zur Verfügung, die dauerhaft in Berlin lebten.
Die Beschwerdeführerin beantragte im November 2005 die Aufnahme in die Nelson-
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Die Beschwerdeführerin beantragte im November 2005 die Aufnahme in die Nelson-
Mandela-Schule für das Schuljahr 2006/2007. Zur Begründung des Antrages verwies die
Mutter der Beschwerdeführerin darauf, dass sie in einem Unternehmen mit
Rotationsmodell arbeite und Berlin im Jahre 2008 aus beruflichen Gründen verlassen
müsse. Sie gehöre daher wohl zu einer hochmobilen Personengruppe.
Mit Bescheid des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin vom 24. Februar
2006, bestätigt durch Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 7. Juli 2006, lehnte
das Land Berlin den Aufnahmeantrag der Beschwerdeführerin ab. Zur Begründung
wurde angeführt, die Beschwerdeführerin gehöre zur Gruppe der hochmobilen
deutschsprachigen Kinder. Für diese Gruppe stünden im Schuljahr 2006/2007 25 Plätze
an der Nelson-Mandela-Schule zur Verfügung. Um die Aufnahme beworben hätten sich
55 zu berücksichtigende hochmobile deutschsprachige Kinder. 22 dieser Kinder seien
vorrangig aufgenommen worden, da sie mindestens einen Erziehungsberechtigten
hätten, der als Beschäftigter des Auswärtigen Amtes dem Rotationsverfahren unterliege.
Von den übrigen hochmobilen Bewerbern seien drei Kinder vorrangig aufgenommen
worden, da sie bereits ein Geschwisterkind an der Nelson-Mandela-Schule hätten. Der
Vorrang der Kinder von Beschäftigten des Auswärtigen Amtes, die dem
Rotationsverfahren unterlägen, folge aus der Vorgabe des Genehmigungsschreibens
und entspreche den besonderen Intentionen des Schulversuchs, Schulplätze für diese
Klientel bereitzustellen.
Gegen die Ablehnung ihrer Aufnahme in die Nelson-Mandela-Schule erhob die
Beschwerdeführerin im Juli 2006 bei dem Verwaltungsgericht Berlin Klage, über die noch
nicht entschieden ist. Zugleich beantragte sie, das Land Berlin im Wege einstweiliger
Anordnung zu verpflichten, sie zum Schuljahr 2006/2007 vorläufig in die 1. Klasse der
Nelson-Mandela-Schule aufzunehmen.
Mit Beschluss vom 1. August 2006 wies das Verwaltungsgericht den Antrag auf
vorläufigen Rechtsschutz zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, die
Kapazitätsberechnung und Verteilung der zur Verfügung stehenden Plätze an die
Bewerber sei rechtsfehlerfrei erfolgt. Die vorrangige Berücksichtigung der Kinder von
Bediensteten des Auswärtigen Amtes sei jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn -
wie hier - die hohe Mobilität von dem ausgewählten Bewerber dargelegt worden sei. Die
vorrangige Berücksichtigung von Geschwisterkindern sei gemäß § 55 Abs. 3 Satz 2
SchulG gerechtfertigt.
Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin beim Oberverwaltungsgericht Berlin-
Brandenburg Beschwerde. Zur Begründung trug sie u. a. vor, dass die Ablehnung der
Aufnahme in mehrfacher Hinsicht willkürlich sei. So würden Geschwisterkinder bei der
Vergabe der Plätze ohne sachlichen und rechtfertigenden Grund bevorzugt. Nach dem
Genehmigungsschreiben habe das Los zu entscheiden, sofern es mehr Bewerber als
Plätze gebe. Ein Rückgriff auf § 55 Abs. 3 SchulG sei nicht vorgesehen. Willkürlich sei es
auch, dass mit dem Genehmigungsschreiben vom 18. Dezember 2003 die
Auswahlkriterien zu Gunsten von Kindern der Angehörigen des Auswärtigen Amtes
geändert worden seien. Diese Änderungen der Zugangsvoraussetzungen seien
willkürlich, da sie einzig zu dem Zweck erfolgt seien, jeweils die von dem Land Berlin
gewollten Kinder an der Nelson-Mandela-Schule aufnehmen zu können.
Mit Beschluss vom 5. September 2006 wies das Oberverwaltungsgericht die Beschwerde
mit der Begründung zurück, das Beschwerdevorbringen, welches gemäß § 146 Abs. 4
Satz 6 VwGO den Umfang der gerichtlichen Prüfung des angefochtenen Beschlusses
bestimme, rechtfertige dessen Änderung oder Aufhebung nicht.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde sei die Bevorzugung von Geschwisterkindern
nicht zu beanstanden. Die Aufnahme in eine Grundschule im Rahmen eines
Schulversuchs vollziehe sich insoweit nach den in § 55 Abs. 3 Satz 2 SchulG
aufgeführten Kriterien, als nicht in dem Schulversuch selbst anderweitig spezifische,
sachlich vorrangige Aufnahmekriterien angelegt seien. Ein Losentscheid komme erst in
Betracht, wenn sowohl nach Maßgabe der spezifischen Auswahlkriterien des
Genehmigungsschreibens als auch unter Berücksichtigung der allgemeinen
Auswahlkriterien des § 55 Abs. 3 Satz 2 SchulG nicht allen Bewerbungen entsprochen
werden könne. Denn ein Losentscheid sei nur zulässig, wenn eine Gleichbehandlung
nach dem Zufallsprinzip geboten sei, weil ein Auswahlverfahren nach sachgerechteren
Kriterien nicht mehr möglich sei. Einer ausdrücklichen Regelung des
Genehmigungsschreibens hinsichtlich der Auswahl bei Geschwisterkindern bedürfe es
nicht, weil sich die insoweit maßgeblichen Voraussetzungen bereits aus § 55 Abs. 3 Satz
2 SchulG ergäben.
Die vorrangige Berücksichtigung von Kindern Bediensteter des Auswärtigen Amtes sei
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Die vorrangige Berücksichtigung von Kindern Bediensteter des Auswärtigen Amtes sei
jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn die Eltern ihre hohe Mobilität im Einzelfall
darlegten. Im Übrigen ergebe sich aus der mit Änderungsschreiben vom 18. Dezember
2003 erfolgten Neufassung des Genehmigungsschreibens, wonach nur noch der
Personengruppe der Beschäftigten des Auswärtigen Amtes auf der ersten Stufe Vorrang
eingeräumt werde und alle anderen als hochmobil bewerteten Personengruppen auf der
nächsten Stufe gleichbehandelt nebeneinander stünden, dass durch die Bevorzugung
der Kinder Beschäftigter des Auswärtigen Amtes nach den Vorstellungen des
Schulversuchs dessen Zielstellung besser verwirklicht werde. Die Nelson-Mandela-Schule
solle erklärtermaßen der Rolle Berlins als politisches Zentrum Deutschlands Rechnung
tragen. Danach sei es unbedenklich, wenn die typischen Belange der im Auswärtigen
Dienst der Bundesrepublik Deutschland periodisch weltweit Beschäftigten bevorzugte
Beachtung fänden. Die Beschwerdeführerin habe nicht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO
dargelegt, dass und warum die Annahme des dieser Regelung zugrunde liegenden
Bedarfs fehlerhaft sein könne.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer
Rechte aus Art. 20 Abs. 1 der Verfassung von Berlin - VvB - in Verbindung mit Art. 10
Abs. 1 VvB sowie Art. 59 Abs. 1 VvB. Sie beantragt zudem, das Land Berlin im Wege
einstweiliger Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig in eine der drei ersten Klassen in
die Staatliche Internationale Schule Berlin/Nelson-Mandela-Schule aufzunehmen.
Die Beschwerdeführerin hält die Verfassungsbeschwerde für zulässig; insbesondere sei
der Rechtsweg erschöpft. Es sei ihr nicht zumutbar, eine rechtskräftige Entscheidung in
der Hauptsache abzuwarten. Andernfalls würde ihr Aufnahmeanspruch durch Zeitablauf
vereitelt, da ihr dann die notwendigen Kenntnisse der englischen Sprache fehlten, um
dem zweisprachigen Unterricht folgen zu können.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzten ihr Recht auf Bildung gemäß Art. 20 Abs. 1
VvB. Dieses Recht in Verbindung mit dem Recht auf Gleichbehandlung gewähre
gleichberechtigte Zugangsmöglichkeiten zu allen staatlichen Bildungseinrichtungen; das
Zugangsrecht umfasse auch Schulversuche wie die Staatliche Internationale Schule
Berlin. Der faktische Ausschluss von dieser Bildungseinrichtung stelle einen wesentlichen
Eingriff in ihre Grundrechte dar, der gemäß Art. 59 Abs. 1 VvB einer gesetzlichen
Grundlage bedurft hätte. An einer gesetzlichen Regelung des Vergabeverfahrens fehle
es jedoch.
Sie sei in ihrem Grundrecht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen
Bildungseinrichtungen nach Art. 20 Abs. 1 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 VvB auch deshalb
verletzt, weil die Bevorzugung der Kinder von Angehörigen des Auswärtigen Amtes allein
durch sachfremde Überlegungen herbeigeführt werde und die Ungleichbehandlung
daher nicht gerechtfertigt sei. Die Beschäftigung der Eltern beim Auswärtigen Amt sei
als Differenzierungskriterium weder geeignet, den Zwecken des § 18 Abs. 1 Satz 1
SchulG zu dienen und das Schulwesen pädagogisch und organisatorisch
weiterzuentwickeln, noch sei dieses Kriterium geeignet, der Beeinträchtigung der
Schullaufbahn von Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken.
Schließlich sei die Bevorzugung der Geschwisterkinder bei der Vergabe der zur
Verfügung stehenden Schulplätze mit Art. 20 Abs. 1 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 VvB
unvereinbar. Einziges Kriterium zur Entscheidung über die Aufnahme sei die
Zugehörigkeit zu hochmobilen Elternhäusern. Eine Bevorzugung von Geschwisterkindern
unter Rückgriff auf die Regelungen des § 55 Abs. 3 SchulG sei in den
Genehmigungsschreiben nicht vorgesehen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Sie ist unzulässig, soweit sie sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom
1. August 2006 richtet. Denn die Beschwerdeführerin legt keine Verletzung von Rechten
durch diese Entscheidung dar, die im Beschwerdeverfahren nicht korrigierbar gewesen
wäre. Gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO tritt das Oberverwaltungsgericht als
Beschwerdegericht in den Grenzen des Rechtsmittels an die Stelle der ersten Instanz;
die Beschwerde kann - jedenfalls im Rahmen der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO -
auf neue Tatsachen gestützt und es können neue Beweismittel benannt werden. An der
grundsätzlichen Korrigierbarkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ändert es nichts,
dass das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die vom
Beschwerdeführer dargelegten Gründe zu prüfen hat und sich die Beschwerde mit der
angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen muss (Beschlüsse vom 19. August
2005 - VerfGH 111/04 - und 27. Juni 2006 - VerfGH 66/06, 66A/06).
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2. Unzulässig ist die Beschwerde ferner, soweit eine Verletzung von Art. 59 Abs. 1 VvB
gerügt wird. Insoweit steht der Zulässigkeit der in § 49 Abs. 2 VerfGHG zum Ausdruck
kommende Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Mit diesem Grundsatz ist es
unvereinbar, wenn ein - tatsächlicher oder vermeintlicher - Verfassungsverstoß im
Instanzenzug deshalb nicht nachgeprüft werden konnte, weil er dort nicht oder nicht in
ordnungsgemäßer Form gerügt worden ist (vgl. Beschlüsse vom 18. Juni 1998 - VerfGH
56/97 - LVerfGE 8, 59 <62>, 29. August 2001 - VerfGH 115/00 - GE 2001, 1332 <1334>
und 23. August 2004 - VerfGH 114/98 -; vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 16, 124 <127>;
54, 53 <65>; 74, 102 <114>). So liegt es hier.
Die Beschwerdeführerin hat erstmals mit der Verfassungsbeschwerde vorgebracht, der
Gesetzgeber sei gemäß Art. 59 Abs. 1 VvB verpflichtet, das Vergabeverfahren für die
Nelson-Mandela-Schule selbst zu regeln. Im Beschwerdeverfahren vor dem
Oberverwaltungsgericht hat sie dies unterlassen. Das Oberverwaltungsgericht war daher
gehindert, auf diese Frage einzugehen. Denn es prüft, wie ausgeführt, gemäß § 146 Abs.
4 Satz 6 VwGO nur die mit der Beschwerde dargelegten Gründe. Dass eine
entsprechende Rüge im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht von vornherein
aussichtslos und der Beschwerdeführerin entsprechender Vortrag daher nicht zumutbar
gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
3. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Bescheid des Bezirksamtes
Charlottenburg-Wilmersdorf vom 24. Februar 2006 und den Widerspruchsbescheid
derselben Behörde vom 7. Juli 2006 wendet, steht der Zulässigkeit der
Verfassungsbeschwerde gemäß § 49 Abs. 2 VerfGHG entgegen, dass der Rechtsweg
noch nicht erschöpft ist. Es ist der Beschwerdeführerin auch nicht unzumutbar, die
rechtskräftige Entscheidung über die gegen die Ausgangsbescheide gerichtete Klage
abzuwarten. Zwar haben die Fachgerichte im Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes deutlich gemacht, dass sie eine Klage in der Hauptsache für
aussichtslos halten. Die zur Entscheidung in der Hauptsache berufenen Spruchkörper
sind an diese Begründung jedoch nicht gebunden und sich regelmäßig auch der
Vorläufigkeit von rechtlichen Erwägungen zur Hauptsache, die im Rahmen des
einstweiligen Rechtsschutzes angestellt wurden, bewusst. Darüber hinaus haben die
Verwaltungsgerichte bislang nicht darüber entschieden, ob es Sache des Gesetzgebers
ist, das Verfahren über die Vergabe der Plätze an der Nelson-Mandela-Schule zu regeln.
4. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zwar zulässig, jedoch unbegründet.
Ist - wie hier - eine gerichtliche Entscheidung Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde,
besteht eine Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofs nur in engen Grenzen. Die
Verfahrensgestaltung, die Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung und Anwendung
des einfachen Rechts durch die Fachgerichte im einzelnen Fall sind der Nachprüfung
grundsätzlich entzogen. Der Verfassungsgerichtshof kann auf eine
Verfassungsbeschwerde hin nur dann eingreifen, wenn Verfassungsrecht verletzt ist,
insbesondere Grundrechte eines Betroffenen in ihrer Bedeutung und Tragweite
grundsätzlich verkannt worden sind oder die fachgerichtliche Entscheidung auf Willkür
beruht (Beschlüsse vom 28. Juni 2001 - VerfGH 48/01, 48 A /01 - LVerfGE 12, 34 <38>
und 16. Mai 2002 - VerfGH 124/01, 124 A/01 - LVerfGE 13, 42 <51>; st. Rspr.; vgl. zum
Bundesrecht: BVerfG, NJW 1996, 3071 <3072>). Ein solcher Verstoß ist hier nicht
gegeben.
a) Das Oberverwaltungsgericht ist zu dem von der Beschwerdeführerin beanstandeten
Ergebnis einer Versagung ihrer einstweiligen Zulassung zum Schulversuch im Rahmen
einer Interessenabwägung gekommen, die vom Fehlen eines Anordnungsanspruchs -
und das heißt von der voraussichtlichen Erfolgslosigkeit der Klage in der Hauptsache -
ausgeht. Zu dieser Entscheidung kommt das Oberverwaltungsgericht durch Anwendung
und Auslegung der Bestimmungen des Schulgesetzes für das Land Berlin (Schulgesetz -
SchulG) vom 26. Januar 2004 (GVBl. S. 26), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Juli
2006 (GVBl. S. 812), sowie den Inhalt des Genehmigungsschreibens der
Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport vom 28. September 2000 und der
nachfolgenden Modifizierungen. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 SchulG sind Schulversuche
innovative Maßnahmen, die das Schulwesen pädagogisch und organisatorisch
weiterentwickeln. Diesen Zwecken soll nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts der
an der Nelson-Mandela-Schule begonnene Schulversuch dienen. Dieser wird ausweislich
des Genehmigungsschreibens vom 28. September 2000 dadurch gekennzeichnet, dass
Schülerinnen und Schüler verschiedener Nationalität, die Deutsch bzw. Englisch auf dem
Niveau einer Muttersprache beherrschen, gemeinsam durchgängig zweisprachig
(deutsch-englisch) unter besonderer Berücksichtigung internationaler Inhalte
unterrichtet und erzogen werden. Die Klassen sollen grundsätzlich mit Schülern mit der
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unterrichtet und erzogen werden. Die Klassen sollen grundsätzlich mit Schülern mit der
Muttersprache Deutsch und Schülern mit der Muttersprache Englisch gemischt werden,
wobei eine überwiegende Zahl von Schülern mit der Muttersprache Englisch angestrebt
wird. Damit soll in einer (außerhalb der Schule) ganz überwiegend deutschsprachigen
Umgebung nicht zuletzt der Erfolg der zweisprachigen Unterrichtung und Erziehung bei
den Schülern gewährleistet werden, deren Muttersprache Deutsch ist. Der Schulversuch
hat nach den vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Rechtsgrundlagen zum Ziel,
Kindern und Jugendlichen aus hochmobilen Familien zu helfen, ihre durch den Wechsel
gekennzeichnete Schullaufbahn ohne größere Beeinträchtigungen zu durchlaufen und
anschlussfähig zu halten. Damit wird auf einen besonderen Bedarf reagiert, der sich aus
der Rolle Berlins als Hauptstadt Deutschlands und Sitz von Parlament und Regierung
ergibt. Soweit die Beschwerdeführerin die Verfassungsmäßigkeit dieses
Ausgangspunktes aus formellen Gründen in Frage stellt, ist sie mit diesem Vorbringen
ausgeschlossen (vgl. oben 2.).
Eine sachliche Entscheidung ist dagegen zu der Frage erforderlich, ob das
Oberverwaltungsgericht dadurch Bedeutung und Tragweite des Rechts auf Bildung (Art.
20 Abs. 1 VvB) und des Allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 10 Abs. 1 VvB) verkannt hat,
dass es die bevorzugte Berücksichtigung von Kindern solcher Bediensteter des
Auswärtigen Amtes, die nachweislich der so genannten Rotation unterliegen, im Rahmen
des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig für rechtmäßig erachtet hat. Dies ist nicht der
Fall. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Gericht die Auffassung vertreten hat, durch
die Bevorzugung dieser Kinder werde nach den Vorstellungen des Schulversuchs dessen
Zielstellung besser verwirklicht, und es sei unbedenklich, wenn die typischen Belange der
im Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland periodisch weltweit
Beschäftigten bevorzugte Beachtung fänden.
aa) Art. 20 Abs. 1 VvB gewährt jedem Menschen das Recht auf Zugang zu den
bestehenden öffentlichen Bildungseinrichtungen im Land Berlin nach Maßgabe der den
Zugang regelnden Gesetze. Die den Zugang regelnden rechtlichen Bestimmungen
müssen den Anforderungen des Art. 10 Abs. 1 VvB entsprechen (vgl. Driehaus, in: ders.,
Verfassung von Berlin, 2. Aufl. 2005, Art. 20, Rn. 2). Nach dem mit dem Grundrecht aus
Art. 3 Abs. 1 GG inhaltsgleichen (vgl. Beschluss vom 12. Dezember 1996 - VerfGH 38/96
- LVerfGE 5, 58 <60>) Art. 10 Abs. 1 VvB sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich.
Dem Gesetzgeber ist damit jedoch nicht jede Differenzierung verboten. Der
Gleichheitssatz verwehrt grundsätzlich auch nicht die Verwendung generalisierender,
typisierender und pauschalierender Regelungen (vgl. Urteil vom 12. Juli 2001 - VerfGH
152/00 - LVerfGE 12, 40 <61>; vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 103, 310 <319>; 111,
115 <137>). Es ist vielmehr grundsätzlich Sache des Normgebers, diejenigen
Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er mithin im
Rechtssinn als gleich ansehen will. Den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum muss
der Gesetzgeber allerdings sachgerecht ausüben. Was dabei in Anwendung des
Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd ist, lässt sich nicht abstrakt und
allgemein feststellen, sondern immer nur in Bezug auf die Eigenart des konkreten
Sachverhalts, der geregelt werden soll (Urteil vom 12. Juli 2001, a .a. O., S. 58; Beschluss
vom 1. November 2004 - VerfGH 120/03 - LKV 2005, 212, jeweils m. w. N.).
(1.) Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich danach
unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer
strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (Beschluss vom 6.
Oktober 1998 - VerfGH 32/98 - LVerfGE 9, 45 <53> und Urteil vom 12. Juli 2001, a. a. O.,
S. 58; vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 88, 87 <96>; 99, 367 <388>). Bei einer
Ungleichbehandlung von Personengruppen sind dem Gesetzgeber umso engere
Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder
Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig
auswirken kann (Urteil vom 12. Juli 2001 - VerfGH 152/00 - LVerfGE 12, 40 <58>; zum
Bundesrecht vgl. BVerfGE 112, 164 <174>; 105, 73 <110 f.>; 103, 173 <193>).
Entsprechendes gilt, je mehr sich Merkmale personenbezogener Differenzierung den in
Art. 10 Abs. 2 VvB genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, dass eine
an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt (vgl.
zum Bundesrecht BVerfGE 103, 310 <319>; 101, 275 <291>; 99, 376 <388>). Bei
lediglich verhaltens- oder sachverhaltsbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der
Bindungen vor allem davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr
Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden
wird (Urteil vom 12. Juli 2001, a. a. O., S. 58).
Die unterschiedliche Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, der eine
abgestufte Kontrolldichte bei der verfassungsgerichtlichen Prüfung entspricht (Urteil vom
12. Juli 2001, a. a. O., S. 59), ist auch von der Rechtsprechung und der Verwaltung zu
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12. Juli 2001, a. a. O., S. 59), ist auch von der Rechtsprechung und der Verwaltung zu
beachten. Denn sie dürfen bei der Auslegung und Anwendung des Rechts nicht zu einer
dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung gelangen (vgl. BVerfGE 69, 150 <160>;
99, 129 <139>, m. w. N.; BVerfG, StV 2001, 38 <39>; BVerwGE 77, 188 <192>; Starck,
in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 3 Abs. 1 Rn. 245; Gubelt, in: v.
Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 3 Rn. 36 ff.).
(2.) Nach diesen Grundsätzen ist es hier erforderlich, aber auch ausreichend, dass die
differenzierende Regelung auf hinreichend sachbezogenen, nach Art und Gewicht
vertretbaren Gründen beruht (vgl. zu diesem Maßstab Urteil vom 12. Juli 2001, a. a. O.,
S. 60 und Beschluss vom 1. November 2004, a. a. O., S. 213 m. w. N.). Einer
Beschränkung auf eine bloße Willkürkontrolle steht entgegen, dass die Vorgaben für die
Platzvergabe an der Nelson-Mandela-Schule an eine sachverhaltsbezogene
Unterscheidung - die dienstliche Verwendung eines Erziehungsberechtigten in der sog.
Rotation des Auswärtigen Dienstes - anknüpft, die sich einer Einflussnahme durch den
betroffenen Schüler weitgehend entzieht. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die
angegriffene Regelung zwar nicht die Ausübung eines Freiheitsgrundrechts einschränkt,
wohl aber den verfassungsmäßigen Anspruch der Beschwerdeführerin auf Teilhabe an
den vorhandenen öffentlichen Bildungseinrichtungen berührt (vgl. dazu OVG Koblenz,
NJW-RR 2000, 680; OVG Hamburg, NordÖR 2005, 545). Die staatlichen Organe
unterliegen andererseits nicht den strengen Bindungen an
Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Maßgeblich hierfür ist, dass der Staat bei der
Festlegung der Bildungs- und Erziehungsziele, die mit einem Schulversuch erreicht
werden sollen, einen weiten Gestaltungsraum hat, der die Bestimmung des Kreises der
Schüler, die für die Teilnahme am Schulversuch in Betracht kommen, umfasst. Da es
weder einen Anspruch auf eine flächendeckende Einführung solcher Schulversuche gibt,
noch einen Anspruch auf Aufnahme ohne Rücksicht auf die Kapazität der jeweiligen
schulischen Einrichtung (vgl. VG Augsburg, Beschluss vom 26. August 2004 - Au 3 E
04.1275 - juris), ist mit der Festlegung des Kreises der aufnahmeberechtigten Schüler
zwangsläufig eine Bevorzugung gegenüber anderen Schülern verbunden. Die sich
ergebende Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Schülern ist aus
verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich, wenn die bevorzugte Gruppe nach
sachgerechten Kriterien ausgewählt worden ist.
bb) Hieran gemessen ist die bevorzugte Berücksichtigung von Kindern Bediensteter des
Auswärtigen Amtes, die nachweislich der sog. Rotation unterliegen, nicht zu
beanstanden. Die bevorzugte Vergabe freier Schulplätze an diese Kinder gegenüber
Kindern, deren Erziehungsberechtigte etwa - wie die Mutter der Beschwerdeführerin - bei
einem (international tätigen) Unternehmen arbeiten und glaubhaft schriftlich erklären,
Berlin innerhalb eines begrenzten Zeitraums aus beruflichen Gründen wieder verlassen
zu müssen, beruht auf legitimen Gründen, die im Hinblick auf die Eigenart des in Frage
stehenden Sachverhalts und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der
differenzierenden Regelung hinreichend sachbezogen sind. Auch die Art der
Differenzierung ist sachbezogen. Es lässt sich aus dem Sachverhalt, den die
differenzierende Regelung zum Gegenstand hat, gerade für sie ein sachlich vertretbarer
Gesichtspunkt anführen.
(1.) Ausgangspunkt der Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts sind die mit dem
Schulversuch verfolgten Ziele. Es werden die Kinder bevorzugt, auf die das
pädagogische Programm und die Organisation der Nelson-Mandela-Schule in
besonderer Weise zugeschnitten ist. Vorrangig berücksichtigt werden Kinder, von denen
wegen des in Folge der beruflichen Verpflichtungen eines Erziehungsberechtigten
notwendigen Wechsels ins Ausland angenommen werden kann, dass ihnen im Verlauf
ihrer schulischen Laufbahn Nachteile drohen, die mit Hilfe einer zweisprachigen, auf
internationale Inhalte besonders ausgerichteten Unterrichtung und Erziehung
ausgeglichen werden können.
Dieser Ausgangspunkt wird von der Beschwerdeführerin in der Sache auch nicht in Frage
gestellt. Es ist verfassungsgerichtlich nicht zu beanstanden, wenn das
Oberverwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Bevorzugung von Kindern solcher
Erziehungsberechtigter, die im Auswärtigen Dienst stehen und dort nachweislich der so
genannten Rotation unterliegen, erkennbar auch diesem Zweck dient. Die
Differenzierung knüpft damit an Besonderheiten des Auswärtigen Dienstes gegenüber
anderen staatlichen Stellen oder privaten Unternehmen an, die geeignet sind, die
Ungleichbehandlung zu legitimieren.
Das Rotationsprinzip ist ein grundlegendes Strukturelement des Auswärtigen Dienstes
(vgl. OVG Münster, Urteil vom 2. Februar 2001 - 12 A 2882/99 -). Der Begriff steht für die
ständige Übung des Amtes, die Beamten des Auswärtigen Dienstes etwa alle drei bis
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ständige Übung des Amtes, die Beamten des Auswärtigen Dienstes etwa alle drei bis
fünf Jahre an einen anderen Einsatzort zu versetzen. Das Prinzip findet seinen
gesetzlichen Ausdruck insbesondere in § 14 Abs. 1 des Gesetzes über den Auswärtigen
Dienst (GAD) vom 30. August 1990 (BGBl. I S. 1842) mit späteren Änderungen, wonach
sich der Beamte des Auswärtigen Dienstes für Verwendungen an allen Dienstorten
bereit zu halten hat. Dabei hat der Bundesgesetzgeber anerkannt, dass sich aus der
Rotation besondere Belastungen und Nachteile für den Beamten und seine Familie
ergeben können. So bestimmt § 15 Abs. 1 GAD, dass die Fürsorge des Dienstherrn für
den Beamten des Auswärtigen Dienstes und seine Familie den Belastungen und
Gefährdungen des Dienstes und den besonderen Gegebenheiten im Ausland Rechnung
trägt. Der Dienstherr sorgt dafür, dass dem Beamten und seinen Familienangehörigen
aus einem Auslandseinsatz möglichst keine Nachteile entstehen (§ 15 Abs. 2 Satz 1
GAD). Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 GAD wird die Begleitung des ins Ausland entsandten
Beamten durch seinen Ehepartner und seine Kinder zum Schutz von Ehe und Familie
gefördert. Sie liegt im besonderen Interesse des Auswärtigen Dienstes (§ 19 Abs. 1 Satz
1 GAD). Das Gesetz über den Auswärtigen Dienst berücksichtigt in § 21 Abs. 1 Satz 1
auch die vorschulische und schulische Erziehung, Ausbildung und Entwicklung der Kinder
von Beamten des Auswärtigen Dienstes. Diese sind so zu fördern, dass Nachteile in ihrer
persönlichen Entwicklung im Vergleich zu im Inland heranwachsenden Kindern nach
Möglichkeit vermieden oder ausgeglichen werden.
Die bundesgesetzlichen Vorschriften belegen, dass die mit einem Schulwechsel ins
(fremdsprachige) Ausland verbundenen Gefahren für die schulische Entwicklung eines
Kindes den durch die Vergabepraxis an der Nelson-Mandela-Schule bevorzugten Kindern
in besonderem Maße drohen. Denn danach besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass
sie den ins Ausland entsandten Erziehungsberechtigten begleiten werden und der die
Rotation kennzeichnende stetig auftretende Wechsel des Einsatzortes auch die
schulische Laufbahn dieser Kinder prägen wird.
Demgegenüber ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Mutter der
Beschwerdeführerin im Speziellen oder die Angehörigen der nachrangig zu
berücksichtigenden hochmobilen Personengruppen im Allgemeinen einem stetig
auftretenden Wechsel des Arbeitsortes in gleichem Maße ausgesetzt sind wie die der
Rotation unterliegenden Beamten des Auswärtigen Dienstes. Ebenso wenig erkennbar
ist demgemäß, dass die Kinder dieser Erziehungsberechtigten den durch einen
Schulwechsel bedingten Gefahren für ihre schulische Entwicklung in gleichem Maße
ausgesetzt sind wie die Kinder aus der bevorzugten Gruppe. Hieraus ergibt sich, dass die
vorrangige Vergabe freier Schulplätze an die Kinder Bediensteter des Auswärtigen
Amtes, die der Rotation unterliegen, in besonderem Maße geeignet ist, die mit dem
Schulversuch an der Nelson-Mandela-Schule verfolgten Ziele, insbesondere den
Ausgleich der mit einem Schulwechsel ins (fremdsprachige) Ausland verbundenen
Nachteile, zu erreichen.
Die bevorzugte Berücksichtigung des hier in Frage stehenden Personenkreises ist ferner
deshalb sachlich vertretbar, weil es gemäß § 18 Abs. 2 Satz 3 SchulG zu den Eigenarten
eines Schulversuchs gehört, dass dieser wissenschaftlich oder in sonstiger geeigneter
Weise zu begleiten und auszuwerten ist. Der zu erwartende stetige Schulwechsel der
bevorzugten Kinder von Bediensteten des Auswärtigen Amtes bietet in besonderem
Maße die Möglichkeit, Erfolg oder Misserfolg des bis zum Schuljahr 2015/2016 befristeten
Schulversuchs wissenschaftlich zu begleiten und auszuwerten. Zudem kann die
vorrangige Berücksichtigung des fraglichen Personenkreises dazu beitragen, dass infolge
des regelmäßigen Wechsels dieser Kinder stets eine hinreichende Zahl freier Plätze
bereit gehalten werden kann für sog. Seiteneinsteiger im Sinne des
Genehmigungsschreibens vom 28. September 2000 (dort S. 2), also für Kinder, die nicht
in Übereinstimmung mit dem Schuljahresbeginn aus Auslandsschulen in die Nelson-
Mandela-Schule wechseln und sich voraussichtlich nicht auf Dauer in Berlin aufhalten
werden.
(2.) Die Gründe für die Ungleichbehandlung sind schließlich von hinreichendem Gewicht,
um die Ungleichbehandlung zu vertreten. Dabei wiegt schwer, dass einerseits den
bevorzugten Kindern in stärkerem Maße als den Kindern aus den anderen hochmobilen
Personengruppen Nachteile in ihrer schulischen Entwicklung drohen und andererseits
ihre bevorzugte Berücksichtigung deshalb in besonderem Maße Gewähr dafür bietet,
dass die wesentlichen Ziele des Schulversuchs verwirklicht werden. Den
Differenzierungsgründen wird weiteres Gewicht dadurch verliehen, dass die
bundesgesetzlichen Regelungen des Gesetzes über den Auswärtigen Dienst ein
gesamtstaatliches Interesse an einem reibungslosen Funktionieren des Auswärtigen
Dienstes zum Ausdruck bringen, welches das Interesse an einer nachteilsfreien
Ausbildung und Entwicklung der Kinder der ins Ausland entsandten Beamten umfasst.
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b) Nicht zum Erfolg verhilft der Beschwerdeführerin ferner die Rüge, die Bevorzugung von
Geschwisterkindern bei der Vergabe der zur Verfügung stehenden Schulplätze sei
willkürlich und verstoße deshalb gegen ihren Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zu
staatlichen Bildungseinrichtungen nach Art. 20 Abs. 1 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 VvB.
Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Bevorzugung von
Geschwisterkindern zulässig sei, ist nicht willkürlich. Ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 VvB
in seiner Ausprägung als Willkürverbot liegt nicht schon vor, wenn die Auslegung oder
Anwendung des einfachen Rechts Fehler enthält. Hinzukommen muss vielmehr, dass die
Entscheidung sachlich schlechthin unhaltbar und deshalb objektiv willkürlich ist. Eine
gerichtliche Entscheidung verletzt das mit Art. 3 Abs. 1 GG inhaltsgleiche Willkürverbot
nach Art. 10 Abs. 1 VvB nur dann, wenn die Entscheidung unter keinem denkbaren
Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf
sachfremden Erwägungen. Davon kann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich
mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Schlussfolgerungen nicht
jedes sachlichen Grundes entbehren (Beschlüsse vom 25. April 1994 - VerfGH 34/94 -
LVerfGE 2, 16 <18> und 20. August 1997 - VerfGH 46/97 - LVerfGE 7, 19 <24>).
aa) Aus den vom Oberverwaltungsgericht angeführten Gründen ist es sachlich
vertretbar, sämtliche Voraussetzungen des § 55 Abs. 3 Satz 2 SchulG als erfüllt
anzusehen, wenn bereits ein Geschwisterkind die Nelson-Mandela-Schule besucht. Es ist
- nicht zuletzt im Hinblick auf das spezifische Bildungsangebot der Nelson-Mandela-
Schule (vgl. auch OVG Berlin, NVwZ-RR 2002, 577 <578>) - nachvollziehbar und lässt
keine sachfremden Überlegungen erkennen, Geschwisterbindungen zu den
gewachsenen Bindungen im Sinne des § 55 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SchulG zu zählen, die im
Falle des Besuchs der zuständigen Grundschule durch das andere Geschwisterkind
beeinträchtigt würden. Ebenso plausibel ist es, eine erhebliche Erleichterung in der
Betreuung der Geschwisterkinder bei einem gemeinsamen Besuch der Wunschschule
anzunehmen (§ 55 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SchulG). Der einheitliche Schulweg, die bessere
Möglichkeit der Fürsorge des älteren für das jüngere Geschwisterkind und die Vorteile,
die für die Erziehungsberechtigten daraus erwachsen, dass sie nur mit einer Schule in
Kontakt treten müssen, vermögen diese Auffassung hinreichend zu begründen.
bb) Es überschreitet auch nicht die Grenze zur Willkür, dass es das
Oberverwaltungsgericht für rechtmäßig erachtet hat, das Los zwischen den Bewerbern
erst dann entscheiden zu lassen, wenn auch unter Berücksichtigung der allgemeinen
gesetzlichen Auswahlkriterien des § 55 Abs. 3 Satz 2 SchulG nicht alle Bewerbungen
berücksichtigt werden können.
Für die vorrangige Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmungen kann angeführt
werden, dass das Genehmigungsschreiben der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und
Sport vom 28. September 2000 ausdrücklich auf die Anwendung der allgemeinen für die
Berliner Schule geltenden Regelungen verweist, soweit in dem Schreiben nichts anderes
bestimmt werde. Weder dieses Schreiben noch die später ergangenen
Modifizierungsschreiben der zuständigen Senatsverwaltung schließen die Anwendung
des § 55 Abs. 3 Satz 2 SchulG ausdrücklich aus.
Ebenso wenig ist den Regelungen des Berliner Schulgesetzes zu entnehmen, dass die
Vergabebestimmungen des § 55 Abs. 3 Satz 2 SchulG im Falle eines Schulversuchs nur
dann heranzuziehen sind, wenn die Organisationsrichtlinien des Schulversuchs dies
ausdrücklich vorsehen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass ein Schulversuch
Ausnahmecharakter hat. So bestimmt § 18 Abs. 1 Satz 2 SchulG, dass im Rahmen von
Schulversuchen Abweichungen von den Bestimmungen des Schulgesetzes und den
aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen erprobt werden können. Der
Ausnahmecharakter eines Schulversuchs findet - auch nach den Vorstellungen des
Gesetzgebers (vgl. Abghs-Drs. 15/1842, S. 23) - weiteren Ausdruck darin, dass die
Genehmigung eines Schulversuchs gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 SchulG nur befristet erteilt
werden darf. Vor diesem Hintergrund ist es auch im Hinblick auf den Vorrang
gesetzlicher Vorschriften gegenüber Einzelfallregelungen der Verwaltung sachlich
vertretbar, die allgemein geltenden gesetzlichen Regelungen für anwendbar zu halten,
soweit die von der Schulaufsichtsbehörde erteilte Genehmigung des Schulversuchs (§ 18
Abs. 2 Satz 1 SchulG) ausdrücklich keine Abweichungen von den gesetzlichen
Bestimmungen regelt.
Eine sachliche Rechtfertigung findet die vorrangige Berücksichtigung des § 55 Abs. 3
Satz 2 SchulG zudem darin, dass nach der in Art. 12 Abs. 1 VvB in Übereinstimmung mit
Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm Ehe und Familie unter
dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Auch im Hinblick hierauf ist es
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dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Auch im Hinblick hierauf ist es
sachlich vertretbar, einer undifferenzierten Vergabe der freien Plätze im Losverfahren ein
Vergabeverfahren vorzuziehen, welches vorrangig auf die familiären Bindungen des
Kindes und die sich aus dem gemeinsamen Besuch derselben Schule ergebenden
Betreuungsvorteile für die gesamte Familie abstellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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