Urteil des VerfGH Berlin vom 14.03.2017

VerfGH Berlin: aufschiebende wirkung, verfassungsbeschwerde, überwiegendes öffentliches interesse, vollziehung, interessenabwägung, strafbare handlung, europäisches gemeinschaftsrecht, rechtsschutz

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
15/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 15 Abs 4 S 1 Verf BE, Art 17
Verf BE, § 49 Abs 2 VGHG BE, §
80 Abs 5 VwGO, § 80 Abs 7
VwGO
Untersagung der Vermittlung von Sportwetten; erfolglose
Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidung im
vorläufigen Rechtsschutzverfahren
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-
Brandenburg, mit dem es den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten
abgelehnt hat.
1. Die Beschwerdeführerin betreibt ohne behördliche Erlaubnis eine Wettannahmestelle,
in der sie gegen Provision Sportwetten (sog. Oddset-Wetten) an ein im europäischen
Ausland ansässiges Unternehmen vermittelt. Diese Tätigkeit sowie die Werbung hierfür
untersagte ihr das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin mit
Verfügung vom 20. September 2006 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und
Androhung eines Zwangsgeldes. Ein im November 2006 gestellter Antrag auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb ohne Erfolg (VG 35 A 314.06 / OVG 1 S
16.07). Die Beschwerdeführerin hat nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage
gegen die Untersagungsverfügung erhoben. Mit Urteil vom 25. Februar 2010 - VG 35 A
122.07 - hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Gegen diese Entscheidung
hat das beklagte Land Berlin Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
Mit dem Berliner Landesgesetz über das öffentliche Glücksspiel vom 15. Dezember 2007
(GVBl. S. 604) stimmte das Land Berlin dem am 19. März 2007 von den Bundesländern
geschlossenen Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV - zu und verabschiedete das
Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag - AG GlüStV -. Der
Glücksspielstaatsvertrag und das Ausführungsgesetz traten am 1. Januar 2008 in Kraft.
Unter Berufung auf die veränderte Rechtslage beantragte die Beschwerdeführerin im
März 2008 die Abänderung der Beschlüsse im vorangegangenen Eilverfahren nach § 80
Abs. 7 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -. Das Verwaltungsgericht Berlin gab
dem Antrag statt und ordnete mit Beschluss vom 9. Mai 2008 - VG 35 A 75.08 - die
aufschiebende Wirkung der Klage der Beschwerdeführerin gegen die
Untersagungsverfügung mit der Begründung an, es bestünden nunmehr
schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des staatlichen
Sportwettenmonopols in seiner Ausgestaltung seit dem 1. Januar 2008. Angesichts der
erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken sei es nicht länger gerechtfertigt, den
privaten Vermittler weiter auf unbestimmte Zeit vom Wirtschaftsbereich der Sportwetten
auszuschließen, bis - möglicherweise erst nach Jahren und erneuter Anrufung des
Bundesverfassungsgerichts - eine verfassungskonforme Rechtsgrundlage für die
Untersagung geschaffen worden sei. Dies gelte auch bei Berücksichtigung der
gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs in § 9 Abs. 2 GlüStV.
Mit Urteilen vom 7. Juli 2008 (VG 35 A 108.07, 149.07, 167.08, juris) gab das
Verwaltungsgericht den Klagen anderer privater Sportwettenvermittler gegen
Untersagungsverfügungen statt, weil die Ausgestaltung des staatlichen
Sportwettenmonopols auch im Ausführungsgesetz zum neuen Glücksspielstaatsvertrag
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Sportwettenmonopols auch im Ausführungsgesetz zum neuen Glücksspielstaatsvertrag
nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im „Sportwetten-Urteil“ vom 28.
März 2006 (BVerfGE 115, 276) entspreche. Die Beschränkungen der Berufsfreiheit und
der Dienstleistungsfreiheit der Vermittler privater Sportwetten durch deren Ausschluss
von der erforderlichen Erlaubnis seien weder verfassungsrechtlich noch
gemeinschaftsrechtlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber sei seiner
verfassungsrechtlichen Verpflichtung nicht nachgekommen, die wesentlichen
Entscheidungen betreffend Art und Zuschnitt der Sportwetten, Vertrieb, Werbung und
Spielerschutz selbst zu treffen, sondern habe diese der Verwaltung überlassen. Einer
Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bedürfe es nicht, da die rechtliche und
tatsächliche Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols des Landes Berlin
zugleich gegen Gemeinschaftsrecht verstoße und deshalb die Verfassungswidrigkeit
nicht entscheidungserheblich sei. Insbesondere das Ziel der Suchtbekämpfung werde
nicht durch einen kohärenten und systematischen Beitrag zur Begrenzung der
Wetttätigkeit verwirklicht. Die zwangsläufige formelle Illegalität ihrer Tätigkeit könne den
Klägern wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht
entgegengehalten werden.
Durch die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung vom 19.
Dezember 2008 änderte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Beschluss
des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. Mai 2008 mit Ausnahme der
Streitwertfestsetzung und lehnte den Antrag der Beschwerdeführerin nach § 80 Abs. 7
VwGO mit der Maßgabe ab, dass der Antragsgegner Vollstreckungshandlungen erst
nach Ablauf des 31. Dezember 2008 vornehmen dürfe. Zur Begründung führte es aus,
es teile bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und
gebotenen summarischen Prüfung nicht die von der Vorinstanz dargelegten Zweifel an
der Vereinbarkeit des Glücksspielstaatsvertrages und des Berliner Ausführungsgesetzes
mit dem Grundgesetz und dem Gemeinschaftsrecht. Die gesetzliche Neuregelung weise
jedenfalls für die Zeit nach Auslaufen der vorgesehenen Übergangsfristen keine
normativ begründeten Vollzugsdefizite auf, die zu einer anderen Beurteilung Anlass
gäben. Derzeit noch bestehenden, normativ angelegten Vollzugsdefiziten sei mit der
tenorierten Umsetzungsfrist hinreichend Rechnung getragen. Soweit die
entscheidungserheblichen verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Fragen im
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden könnten,
seien sie dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Die insoweit noch vorzunehmende
Interessenabwägung gehe dabei zu Ungunsten der Beschwerdeführerin aus.
Jedenfalls auf der Grundlage der Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
sei von der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung auszugehen. Die anders lautenden
Entscheidungen des Verwaltungsgerichts seien durch den Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - überholt. Das
Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass der Glücksspielstaatsvertrag und das
Berliner Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag vorrangig dem Ziel dienten,
die Bevölkerung, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor den Gefahren der
Glücksspielsucht und der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität
zu schützen, und dass damit überragend wichtige Gemeinwohlziele verfolgt würden, die
selbst objektive Berufswahlbeschränkungen rechtfertigten. Mit Blick auf die vom
Bundesverfassungsgericht dargelegten verfassungsrechtlichen Zusammenhänge seien
die aus der Wesentlichkeitstheorie abgeleiteten Bedenken, die das Verwaltungsgericht
angeführt habe, nicht gerechtfertigt. Der Glücksspielstaatsvertrag und das Berliner
Ausführungsgesetz enthielten hinreichende Regelungen, die Art und Zuschnitt der
Sportwetten zum Gegenstand hätten und den Entscheidungsspielraum der Verwaltung
im Erlaubniserteilungsverfahren nachhaltig einengten. Der Gesetzgeber habe die
Regelung weiterer Detailfragen den Verwaltungsentscheidungen im Erlaubnisverfahren
überlassen dürfen. Angesichts der bereits im Glücksspielstaatsvertrag selbst
enthaltenen Regelungsdichte lasse sich aus dem Zusammenspiel von grundsätzlichen
Vorgaben im Staatsvertrag und näherer Ausgestaltung im Erlaubniserteilungsverfahren
nicht ein Regelungsdefizit im Sinne der Wesentlichkeitstheorie ableiten. Dies gelte auch
für die Durchsetzung der Werbungsbeschränkungen, die Festlegung eines Einsatzlimits
und die lediglich graduelle Verminderung der Zahl der Annahmestellen.
Die Neuregelung sei voraussichtlich auch mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. In
formeller Hinsicht gelte dies sowohl unter dem Gesichtspunkt der Notifizierungspflicht für
wettbewerbsbeeinträchtigende Rechtsnormen als auch einer fehlenden Evaluierung von
Gefahren, die mit dem Betreiben von Glücksspielen verbunden seien. Durchgreifende
Bedenken gegen die materielle Vereinbarkeit der Neuregelung ergäben sich bei
summarischer Prüfung weder hinsichtlich ihrer Widerspruchsfreiheit („innere Kohärenz“)
noch hinsichtlich der Zusammenschau mit anderen Regelungen („äußere Kohärenz“).
Anlass zu näherer Prüfung der inneren Kohärenz böten allenfalls die
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Anlass zu näherer Prüfung der inneren Kohärenz böten allenfalls die
Übergangsregelungen für die Dauer ihrer zeitlichen Anwendbarkeit bis zum 31.
Dezember 2008. Ungewollte Abweichungen von dem verfolgten Konzept, wie die
Sonderregelung in Rheinland-Pfalz und fortgeltende Erlaubnisse aus der Endzeit der
DDR, stellten die innere Kohärenz nur dann in Frage, wenn es sich als nicht möglich oder
politisch bzw. gesetzgeberisch nicht durchsetzbar herausstelle, binnen angemessener
Zeit Abhilfe zu schaffen. Schon die dieser Frage innewohnende zeitliche Komponente
sprenge den Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes. Anlass zu näherer Prüfung der
äußeren Kohärenz böten zum einen die von dem Regelungskonzept des
Glücksspielstaatsvertrages abweichende rechtliche Ausgestaltung der Pferdewetten und
der Automatenspiele, zum anderen die Frage der Effektivität des von dem Gesetzgeber
mit der Neuregelung zum 1. Januar 2008 verfolgten Konzepts. Auch insoweit seien
jedoch durchgreifende Bedenken nicht gegeben. Der Senat vermöge im Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes nicht die Feststellung zu treffen, der Gesetzgeber habe
den ihm auch gemeinschaftsrechtlich gegebenen Gestaltungsspielraum offensichtlich
überschritten. Ebenso wenig könne der Senat bei summarischer Prüfung feststellen,
dass es der Neuregelung deswegen an äußerer Kohärenz mangele, weil sie strukturelle
Defizite aufweise und von vornherein auf Ineffektivität angelegt sei. Die vermeintlichen
strukturellen Defizite, die das Verwaltungsgericht in den Urteilen vom 7. Juli 2008 geltend
gemacht habe, beruhten überwiegend darauf, dass die Wesentlichkeitstheorie
überspannt und die Regelung von Detailfragen im Zuge der Erlaubniserteilungsverfahren
als unzureichend angesehen werde. Dass dieser Ansatz nicht tragfähig sei, ergebe sich
bereits aus dem vorstehend zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.
Oktober 2008. Allerdings sei zuzugestehen, dass Art und Ausmaß der von den
staatlichen Monopolanbietern praktizierten Werbung noch immer Bedenken auslösten
und nicht stets den Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrages entsprächen. Der Senat
halte es jedoch für verfehlt, aus dem Umstand, dass sich die Glücksspielaufsicht bisher
womöglich als noch nicht hinreichend effektiv erwiesen habe, um die
Werbebeschränkungen des Glücksspielstaatsvertrages vollständig durchzusetzen,
bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Schlussfolgerung zu ziehen,
die gesetzliche Regelung sei auf fehlende Effektivität angelegt und deshalb im
gemeinschaftsrechtlichen Sinne inkohärent. Insoweit sei ein längerer
Beobachtungszeitraum erforderlich, um feststellen zu können, ob es sich bei der bisher
möglicherweise unvollständigen Durchsetzung der im Glücksspielstaatsvertrag
angelegten Werbeverbote gegebenenfalls um typische Anlaufschwierigkeiten einer
Neuregelung oder um ein normativ angelegtes, strukturelles Defizit handele. Auch
dieser Gesichtspunkt bedürfe weiterer Klärung im Hauptsacheverfahren.
Das gelte auch für Restzweifel, ob die behördenorganisatorische Trennung der
Glücksspielaufsicht von den für die Finanzen und die Beteiligungsverwaltung zuständigen
Behörden ausreiche, um sicherzustellen, dass effektives ordnungsbehördliches
Einschreiten nicht aus fiskalischen Motiven unterbleibe, wenn und soweit der staatliche
Monopolveranstalter Werbung betreibe, die den Vorschriften des
Glücksspielstaatsvertrages nicht entspreche. Auch insoweit sehe der Senat keinen Raum
dafür, wegen der in der Vergangenheit und zum Teil auch lediglich aus anderen
Bundesländern dokumentierten, rechtswidrigen Werbung bereits aktuell und im
Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes von einem die Verfassungsmäßigkeit des
Gesetzes in Zweifel ziehenden Vollzugsdefizit auszugehen. Vielmehr würden das
Werbeverhalten der staatlichen Anbieter und das Vollzugsverhalten der
Glücksspielaufsicht zu beobachten und einer Würdigung im Hauptsacheverfahren
zuzuführen sein.
Schließlich bestehe an der sofortigen Vollziehung der gegen die Beschwerdeführerin
ergangenen Untersagungsverfügung ein überwiegendes öffentliches Interesse. Aus den
Gründen, die das staatliche Wettmonopol und das Verbot der Veranstaltung und
Vermittlung von privaten Sportwetten rechtfertigten, folge zugleich ein besonderes
öffentliches Interesse an der Vollziehung, da nur so die Verwirklichung der mit dem
Verbot verfolgten Schutzzwecke sichergestellt werden könne. Diesen die sofortige
Vollziehung rechtfertigenden öffentlichen Interessen stünden keine gleichrangigen
privaten Interessen der Beschwerdeführerin an der Fortsetzung ihrer gewerblichen
Tätigkeit gegenüber. Ihr Vertrauen darauf, dass sie die Vermittlung privater Sportwetten
weiterhin ungehindert betreiben könne, sei schon deshalb stark eingeschränkt, weil sie
diese Tätigkeit aufgenommen habe, obwohl ihr das Verbot der Veranstaltung privater
Wetten und die sich daran anknüpfenden ordnungs- und strafrechtlichen Konsequenzen
bekannt gewesen seien. Ihre unternehmerische Entscheidung, gleichwohl ein Wettbüro
zu eröffnen, sei von vornherein risikobehaftet gewesen und verdiene kein Vertrauen.
2. Mit ihrer gegen diesen Beschluss gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt die
Beschwerdeführerin die Verletzung ihres Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus
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Beschwerdeführerin die Verletzung ihres Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus
Art. 15 Abs. 4 der Verfassung von Berlin - VvB -. Die Verfassungsbeschwerde sei nicht
auf die klärungsbedürftige Frage gerichtet, ob die Vermittlung von Sportwetten an EU-
konzessionierte Unternehmen mit Verfassungs- und Europarecht vereinbar sei. Die
Beschwerdeführerin wende sich dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht im
Eilverfahren bei bloß summarischer Prüfung dieser Frage den Eilantrag unter
Verkennung der Reichweite des Rechtsschutzes (stattgebender) erstinstanzlicher
Hauptsacheentscheidungen in Parallelverfahren zurückgewiesen habe. Zur Begründung
führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus:
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletze sie in ihrem Recht auf Gewährung
effektiven Rechtsschutzes, da ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse nicht
bestehe. Das Oberverwaltungsgericht habe die aufschiebende Wirkung der Klage gegen
die Untersagungsverfügung abgelehnt, obgleich offensichtlich sei, dass das
erstinstanzliche Gericht seine positive Eilentscheidung im Besonderen darauf stütze,
dass es bereits mehrere Hauptsacheverfahren zu Gunsten anderer privater Vermittler
entschieden habe. In diesen mit umfangreichster Begründung entschiedenen
Hauptsacheverfahren sei zudem eine ausführliche Beweisaufnahme durchgeführt und
sodann festgestellt worden, dass Untersagungsverfügungen der vorliegenden Art sowohl
gegen Verfassungsrecht als auch gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstießen.
Bei einer solchen Konstellation bedürfe es umso mehr eines besonderen öffentlichen
Interesses am Sofortvollzug, welches vom Oberverwaltungsgericht nicht dargelegt
worden sei. Dieses habe vielmehr pauschal in summarischer Prüfung an seiner
bisherigen Rechtsprechung festgehalten, obwohl sich die Gesetzeslage verändert habe
und auch der Prüfungsmaßstab ein anderer sei als in der sogenannten Übergangszeit.
Dabei habe es die erstinstanzlichen Hauptsacheentscheidungen außer Acht gelassen
bzw. nicht in der erforderlichen Art und Weise in die Interessenabwägung einfließen
lassen. Das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass sich in Fällen der vorliegenden Art
grundsätzlich eine eingeschränkte Prüfungskompetenz für das Beschwerdegericht
ergebe. Es habe sich darüber hinaus in einer Weise über die stattgebenden
Hauptsacheentscheidungen hinweggesetzt, die erkennen lasse, dass eine
Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungen nicht in der gebotenen Ausführlichkeit
und Gründlichkeit vorgenommen worden sei.
Das Oberverwaltungsgericht sei an die Bewertung der Erfolgsaussichten durch das
erstinstanzliche Gericht zunächst gebunden. Der Verfassungsgerichtshof des Landes
Berlin habe im Beschluss vom 1. November 2007 - VerfGH 103/07 - (LVerfGE 18, 123)
entschieden, dass es dem Beschwerdegericht nur in ganz engen Grenzen möglich sei,
eine abweichende Interessenabwägung zu treffen. Eine dem im Hauptsacheverfahren
gefundenen Ergebnis widersprechende Eilentscheidung könne nur ausnahmsweise, etwa
bei schwerwiegenden und offensichtlichen Mängeln der Hauptsacheentscheidung oder
sonst bei gleichwertigen Erkenntnismöglichkeiten und vergleichbar genauer und
intensiver Prüfung wie im Hauptsacheverfahren verfassungsrechtlich tragfähig sein.
Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Vor allem habe das Beschwerdegericht keine
vergleichbar genaue und intensive Prüfung wie das Verwaltungsgericht Berlin im
Hauptsacheverfahren vornehmen können. Dies habe das Oberverwaltungsgericht selbst
dadurch zum Ausdruck gebracht, dass es sich eine genauere Überprüfung im
Hauptsacheverfahren vorbehalten habe. Mit diesem Vorbehalt habe es das Recht der
Beschwerdeführerin auf effektiven Rechtsschutz verletzt.
Die vom Oberverwaltungsgericht dargelegten Maßstäbe erlaubten keine von den
Hauptsacheentscheidungen abweichende Entscheidung. Entgegen der Ansicht des
Beschwerdegerichts seien die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur gesetzlichen
Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols nicht durch die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2008 überholt. Diese Entscheidung, der ein
völlig anderer Sachverhalt zugrunde gelegen habe, betreffe andere Rechtsfragen und
verhalte sich nicht zur europarechtlichen Problematik. Darüber hinaus habe das
Bundesverfassungsgericht keine Prüfung des tatsächlichen Marktauftrittes vornehmen
können, da die im Staatsvertrag gewährte Übergangsregelung noch bis Ende des Jahres
2008 gegolten habe. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erster Instanz
berücksichtige auch die tatsächliche Ausgestaltung des staatlichen Monopols.
Selbst unterstellt, der rechtliche Gesichtspunkt der Wesentlichkeitstheorie sei nach der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2008 „überholt“, habe
das Oberverwaltungsgericht übersehen, dass das Verwaltungsgericht die
Hauptsacheentscheidung auf eine Vielzahl rechtlicher und tatsächlicher Gesichtspunkte
gestützt habe, die zudem nach umfangreicher Beweiserhebung wesentlich die
Entscheidung tragen würden. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht darauf verwiesen,
dass die vom Bundesverfassungsgericht geforderte konkrete Ausrichtung und
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dass die vom Bundesverfassungsgericht geforderte konkrete Ausrichtung und
Ausgestaltung an der Spielsuchtbekämpfung in den gesetzlichen Regelungen keinen
Niederschlag gefunden habe. Diese seien vielmehr von Formulierungen durchzogen, die
wesentliche Forderungen des Bundesverfassungsgerichts vom Gesetzgeber auf die
Behörde verlagerten. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht anhand der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Europarechtswidrigkeit festgestellt.
Über all dies setze sich das Oberverwaltungsgericht nach bloßer summarischer und zum
Teil unvollständiger Würdigung und Prüfung hinweg und suggeriere, dass es keine
Hauptsacheentscheidungen zu den offenen rechtlichen Fragen gebe. Unerheblich sei,
dass im Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung noch kein erstinstanzliches Urteil im
konkreten Verfahren ergangen sei. Sämtliche Verfahren seien gleich gelagert und
würden vom Verwaltungsgericht gleich entschieden.
Vorläufiger Rechtsschutz sei zu gewähren, wenn ohne ihn eine erhebliche Verletzung der
Rechte des Beschwerdeführers drohe, die durch die Entscheidung in der Hauptsache
nicht mehr beseitigt werden könne. Ohne die Aussetzung der Vollziehung der
Untersagungsverfügung drohe der Beschwerdeführerin der wirtschaftliche Ruin. Es sei
auch nicht ersichtlich, dass überragende Gemeinwohlinteressen eine von der
Hauptsacheentscheidung abweichende Entscheidung im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren erforderlich machten. Konkrete Gefahren habe das
Oberverwaltungsgericht entgegen den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im
Beschluss vom 27. April 2005 - 1 BvR 223/05 - nicht dargelegt. Es habe auch nicht
erkennbar in Erwägung gezogen, vermeintlichen Gefahren durch das mildere Mittel der
Auflagen zu begegnen.
Zudem habe das Beschwerdegericht unzutreffende Tatsachen in die
Interessenabwägung einfließen lassen, indem es davon ausgegangen sei, dass das
Vertrauen der Beschwerdeführerin an der Fortsetzung ihrer gewerblichen Tätigkeit schon
deshalb stark eingeschränkt sei, weil sie diese Tätigkeit aufgenommen habe, obwohl ihr
das Verbot der Veranstaltung privater Wetten und die sich daran anknüpfenden
ordnungs- und strafrechtlichen Konsequenzen bekannt gewesen seien. Das
Oberverwaltungsgericht verkenne, dass die Beschwerdeführerin die Tätigkeit zu einem
Zeitpunkt aufgenommen habe, für den die fachgerichtliche Rechtsprechung keine
objektive Anwendbarkeit des § 284 des Strafgesetzbuches - StGB - angenommen und
eine strafbare Handlung verneint habe Die Beschwerdeführerin habe weiterhin auf die
vom Bundesverfassungsgericht am 28. März 2006 festgestellte Europarechtswidrigkeit
vertrauen dürfen.
Aus allen diesen Gesichtspunkten ergebe sich zudem, dass die Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg willkürlich sei.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat den Beteiligten gemäß § 53 Abs. 1 des Gesetzes über
den Verfassungsgerichtshof - VerfGHG - Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Der Beteiligte zu 2 trägt im Wesentlichen vor: Die Verfassungsbeschwerde sei mangels
Beschwerdebefugnis und Rechtsschutzbedürfnis bereits unzulässig. Eine Verletzung von
Art.15 Abs. 4 VvB durch die angegriffene Entscheidung sei offensichtlich
ausgeschlossen. Die verfassungsrechtliche Problematik sei durch die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts in einer vergleichbaren Konstellation (Beschluss vom 20.
März 2009 - 1 BvR 2410/08 -) als geklärt anzusehen. Der Beschluss des
Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin vom 1. November 2007, auf den sich die
Beschwerdeführerin berufe, sei offensichtlich nicht einschlägig, da eine die
Beschwerdeführerin betreffende Hauptsacheentscheidung vor der Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts nicht ergangen sei. Das Rechtsschutzbedürfnis der
Beschwerdeführerin sei fraglich, da ihr selbst ein Obsiegen keinen rechtlichen Vorteil
brächte. Zum einen bestünde weiterhin das strafrechtliche Verbot des § 284 StGB, zum
anderen sei die Tätigkeit der Beschwerdeführerin auch nach § 4 Abs. 4 GlüStV verboten,
wonach die Veranstaltung und Vermittlung öffentlichen Glücksspiels im Internet generell
untersagt sei. Die Annahme der Wetten durch das ausländische Wettunternehmen
erfolge unkörperlich durch Nutzung des Internets, da die Spielangebote der Teilnehmer
über Online-Standleitungen an das Unternehmen weitergeleitet würden, womit der
Vertragsabschluss selbst im Internet stattfinde.
Die Verfassungsbeschwerde sei auch nicht begründet. Die Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 15
Abs. 4 VvB. Eine ausführliche Prüfung aller vom erstinstanzlichen Gericht oder den
Beteiligten aufgeworfenen Fragen sei verfassungsrechtlich nicht geboten gewesen. Die
Ausgestaltung des Sportwettmonopols entspreche der Verfassung von Berlin und
verstoße nicht gegen die in Art. 17 VvB statuierte Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin.
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verstoße nicht gegen die in Art. 17 VvB statuierte Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin.
Die angegriffenen Regelungen seien zur Zweckerreichung geeignet, weil dadurch die in §
1 GlüStV genannten Ziele gefördert würden.Mit dem Verweis auf diesbezügliche
Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts habe das Oberverwaltungsgericht den
Prinzipien effektiven Rechtsschutzes genügt, weil sich die verfassungsgerichtlichen
Wertungen allgemein auf Vermittler von Sportwetten übertragen ließen
Das Oberverwaltungsgericht habe im Rahmen seiner summarischen Prüfung im
Beschluss dargelegt und begründet, warum eine Verletzung der
Wesentlichkeitsrechtsprechung durch die gesetzlichen Regelungen nicht vorliege. Es
genüge damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Effektivität des
Rechtsschutzes. Dies gelte auch, soweit es die Entscheidung über die
Verfassungskonformität der Regelungen zur Aufsichtsbehörde im Glücksspielrecht - wie
das Verwaltungsgericht - offen gelassen und dies mit der Möglichkeit begründet habe,
dadurch die Wahrnehmung der aufsichtsrechtlichen Befugnisse über einen längeren
Zeitraum beobachten und beurteilen zu können. Es habe ferner eine ausführliche
summarische europarechtliche Würdigung des Glücksspielstaatsvertrages und des
Berliner Ausführungsgesetzes in formeller und materieller Hinsicht vorgenommen.
Zutreffend habe das Oberverwaltungsgericht festgehalten, dass aus den Gründen, die
das staatliche Wettmonopol und das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung von
Sportwetten rechtfertigten, zugleich ein besonderes öffentliches Interesse an der
Vollziehung folge, da nur so die Verwirklichung der mit dem Verbot verfolgten
Schutzzwecke sichergestellt werden könne. Konkrete Gefahren, die sich aus der Tätigkeit
der Beschwerdeführerin ergäben, seien nicht im Rahmen eines vorläufigen
Rechtsschutzes und jedenfalls nicht in der Beschwerdeinstanz zu prüfen. Zudem habe
es eine genauere rechtliche Prüfung von Einzelheiten der glücksspielrechtlichen
Ausgestaltung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten dürfen, ohne dass formulierte
Vorbehalte und „Restzweifel“ bei der Interessenabwägung zu Gunsten des privaten
Vollziehungsinteresses hätten berücksichtigt werden müssen. In verfassungskonformer
Weise habe es das private Aussetzungsinteresse gegenüber dem öffentlichen
Vollzugsinteresse als nachrangig angesehen.
Der von der Beschwerdeführerin angeführte Beschluss des Verfassungsgerichtshofs des
Landes Berlin vom 1. November 2007 sei nicht einschlägig. Er betreffe ausschließlich
asyl- und aufenthaltsrechtliche Verfahren, in denen in derselben Sache bereits eine
Hauptsacheentscheidung ergangen sei. Urteile des Verwaltungsgerichts Berlin, die
andere Streitgegenstände und andere Kläger beträfen, beschränkten weder die
Prüfungskompetenz des Oberverwaltungsgerichts in vorläufigen Rechtsschutzverfahren
noch entfalteten sie eine vorläufige Bindungswirkung oder determinierten die vom
Oberverwaltungsgericht im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende
Interessenabwägung. Andernfalls würde den Beteiligten unter Verletzung von Art. 15
Abs. 5 Satz 2 VvB der für ihren Einzelfall zuständige Richter faktisch entzogen.
Der Verfassungsgerichtshof habe im Beschluss vom 1. November 2007 maßgeblich auf
die verstärkte Erkenntnismöglichkeit und bessere Einwirkungsmöglichkeit im
Hauptsacheverfahren abgestellt. Vorliegend hätten in den Hauptsacheverfahren keine
Beweiserhebungen stattgefunden. Die Entscheidungen stützten sich auf ein
überdehntes Verständnis der Wesentlichkeitstheorie, mithin auf die Rechtsfragen einer
verfassungsrechtlichen Würdigung und nicht auf tatsächliche Fragen. Das
Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung dieser Rechtsfrage im Hauptsacheverfahren
keine gegenüber dem Oberverwaltungsgericht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren
bessere Erkenntnisgrundlage. Dessen ungeachtet habe der Verfassungsgerichtshof
nicht eine von der Beschwerdeführerin suggerierte Bindungswirkung statuiert, sondern
lediglich die maßgebliche Bedeutung einer Hauptsacheentscheidung für die
Interessenabwägung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren betont.
II.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist mit Ausnahme der pauschalen Rüge einer Verletzung
des Willkürverbots (Art. 10 Abs. 1 VvB) zulässig.
Der Rechtsweg ist im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG erschöpft. Die
Beschwerdeführerin kann nicht auf die noch ausstehende rechtskräftige Entscheidung im
Hauptsacheverfahren verwiesen werden, denn der geltend gemachte
Grundrechtsverstoß beruht gerade auf der Versagung von Eilrechtsschutz (vgl.
Beschluss vom 1. November 2007 - VerfGH 103/07 -, LVerfGE 18, 123 <131> und - wie
alle im Folgenden zitierten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs - unter
www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de). Durch die Versagung vorläufigen
Rechtsschutzes wird die Beschwerdeführerin bis zur Klärung der Rechtslage in der
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Rechtsschutzes wird die Beschwerdeführerin bis zur Klärung der Rechtslage in der
Hauptsache möglicherweise unter Verstoß gegen Art. 12 des Grundgesetzes - GG - bzw.
Art. 17 VvB an der weiteren Ausübung ihrer Vermittlungstätigkeit gehindert.
Eine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Recht aus Art. 15 Abs. 4 VvB ist nicht
offensichtlich ausgeschlossen. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum
Bundesrecht in vergleichbar gelagerten Fällen stellen grundsätzlich nicht bereits die
Beschwerdebefugnis in Frage.
Ebenso wenig bestehen die vom Beteiligten zu 2 geäußerten Zweifel am
Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin. Eine erneute Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts über ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
gegen die ihr gegenüber ergangene Untersagungsverfügung nach einem Erfolg der
Verfassungsbeschwerde wäre für die Beschwerdeführerin rechtlich vorteilhaft. Ob eine
Fortsetzung bzw. Weiterführung der Vermittlungstätigkeit strafrechtliche Konsequenzen
nach sich zöge oder eine (weitere) Untersagungsverfügung auf andere Gründe, etwa auf
das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet (§ 4
GlüStV), gestützt werden könnte, bedarf gegebenenfalls der fachgerichtlichen Klärung
und wäre für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung.
Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht dadurch unzulässig geworden, dass
zwischenzeitlich mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. Februar 2010 eine der Klage
der Beschwerdeführerin stattgebende Entscheidung in der Hauptsache ergangen ist. Die
Beschwerdeführerin ist insoweit nicht auf die Möglichkeit eines weiteren
Abänderungsantrages im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2
VwGO zu verweisen. Ein solcher Antrag wäre offensichtlich aussichtslos. Das
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entscheidet in ständiger Rechtsprechung in
vorläufigen Rechtsschutzverfahren, dass entgegen der erstinstanzlichen Beurteilung des
Verwaltungsgerichts in Hauptsacheentscheidungen Sportwetten weiterhin nicht von
privaten Anbietern veranstaltet und vermittelt werden dürfen (vgl. Beschluss vom 21.
Januar 2010 - OVG 1 S 94.09 - www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist - soweit sie zulässig ist - nicht begründet. Die
angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg verletzt die
Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes
aus Art. 15 Abs. 4 VvB.
Aus Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB (gleich lautend Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG), der nicht nur die
Möglichkeit garantiert, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des
Rechtsschutzes verbürgt, ergeben sich besondere Anforderungen für die Auslegung und
Anwendung der gesetzlichen Regelungen über den vorläufigen Rechtsschutz (Beschluss
vom 16. September 2008 - VerfGH 81/08, 81 A/08 -, Rn. 8). Die Gerichte sind gehalten,
der besonderen Bedeutung jeweils betroffener Grundrechte und den Erfordernissen
eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE
79, 69 <74>). Der Verfassungsgerichtshof prüft nur, ob die fachgerichtliche
Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung
von der Bedeutung des Grundrechts des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz
beruhen (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, a. a. O.). Der Überprüfung unterliegt dabei hier
grundsätzlich allein, ob das Oberverwaltungsgericht seine Prüfung in einer Weise
durchgeführt hat, die hinsichtlich Umfang und Intensität den Anforderungen gerecht
wird, die Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB (wie Art. 19 Abs. 4 GG) an einen effektiven
verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz stellt. Entscheidend ist insoweit, dass die - in
rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht notwendig endgültige - Prüfung eingehend
genug ist, um den Beschwerdeführer vor erheblichen und unzumutbaren Nachteilen zu
schützen, die ihm möglicherweise daraus entstehen können, dass die
Untersagungsverfügung schon vor rechtskräftiger Bestätigung ihrer Rechtmäßigkeit
vollzogen wird (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 20. März 2009 - 1 BvR
2410/08 - Rn. 26, NVwZ 2009, 1221 <1223> m. w. N.).
Gegen kraft Gesetzes oder aufgrund besonderer behördlicher Anordnung sofort
vollziehbare belastende Verwaltungsakte (vgl. § 80 Abs. 2 VwGO) kann umfassender und
effektiver Rechtsschutz mit Hilfe des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 und 7
VwGO erlangt werden, indem das Gericht die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen
im Einzelfall anordnet bzw. wiederherstellt. Art. 15 Abs. 4 VvB gewährleistet die
aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen im Verwaltungsprozess nicht schlechthin.
Überwiegende öffentliche Belange können es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch
des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen
im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig zu treffen. Für die sofortige Vollziehung
eines Verwaltungsakts trotz anhängiger Rechtsbehelfe ist ein besonderes öffentliches
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eines Verwaltungsakts trotz anhängiger Rechtsbehelfe ist ein besonderes öffentliches
Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, welches den Verwaltungsakt
selbst rechtfertigt.
Bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug und dem
privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung kommt den Erfolgsaussichten des
Rechtsbehelfs eine wichtige Bedeutung zu (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, NVwZ 1982,
241; AuAs 1996, 62). Eine „summarische Prüfung“ in dem Sinne, dass die Prüfung im
Hauptsacheverfahren eingehender sein und deshalb ein anderes Ergebnis haben kann,
ist dabei kennzeichnend für das Eilverfahren und verfassungsrechtlich grundsätzlich
unbedenklich (zum Bundesrecht: BVerfGK 2, 29 <31>). Dabei ist der
Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je
schwerwiegender die auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der
Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. zuletzt etwa Beschlüsse vom 26. Februar
2008 - VerfGH 155/07 – Rn. 9 und 1. November 2007, a. a. O., S. 133 bzw. Rn. 34; zum
Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 8. April 2010 - 1 BvR 2709/09 - juris, Rn. 22).
Dementsprechend intensiver muss die Prüfung der Fachgerichte bereits im Eilverfahren
ausfallen und bei besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriffen zur Wahrung des
Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz eine konkrete Interessen- und Folgenabwägung
umfassen, wenn sich die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme nicht ohne
weiteres erschließt, d. h. nicht offensichtlich ist (vgl. Beschluss vom 1. November 2007,
a. a. O., S. 133 bzw. Rn. 35). Die Überprüfung muss in diesem Sinne auch im
vorliegenden Zusammenhang eingehend genug sein, um den Beschwerdeführer vor
erheblichen und unzumutbaren Nachteilen aus der vorläufigen Vollziehung der
Untersagungsverfügung zu schützen (zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 20.
März 2009, a. a. O.).
Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben wird die angegriffene Entscheidung gerecht.
a) Entgegen der Darstellung in der Verfassungsbeschwerde hat das
Oberverwaltungsgericht die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung
offensichtlich auf der Grundlage der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Rechtslage
vorgenommen und nicht pauschal an seiner bisherigen Rechtsprechung zur bis dahin
geltenden Rechtslage festgehalten.
b) Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das
Oberverwaltungsgericht aufgrund einer vorläufigen Prüfung der Regelungen des
Glücksspielstaatsvertrages im Eilrechtsschutzverfahren von der Verfassungsmäßigkeit
der Neuregelung und deren grundsätzlicher Vereinbarkeit mit den Anforderungen des
Gemeinschaftsrechts ausgegangen ist und jedenfalls für die Zeit nach Auslaufen der im
Glücksspielstaatsvertrag und im Berliner Ausführungsgesetz zum
Glücksspielstaatsvertrag angelegten Übergangsfristen nicht der Auffassung des
Verwaltungsgerichts gefolgt ist, die Neuregelung weise mit den Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts im „Sportwetten-Urteil“ und des Gemeinschaftsrechts nicht
vereinbare strukturelle Regelungsdefizite auf.
aa) Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit nicht die Bedeutung der durch Art. 17 VvB -
dessen Regelung ebenso wie Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG alle Aspekte der Berufsfreiheit
umfasst (Beschluss vom 16. September 2008, a. a. O., Rn. 7) - geschützten
Grundrechtsposition, insbesondere nicht die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
in dessen „Sportwetten-Urteil“ vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) verkannt.
Das Bundesverfassungsgericht hat zu vergleichbaren Eilentscheidungen des
Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 20. März 2009 (a.
a. O., S. 1223, Rn. 21) ausgeführt, das Oberverwaltungsgericht habe davon ausgehen
dürfen, dass die Ausgestaltung des - niedersächsischen - staatlichen
Sportwettmonopols zu dem von ihm für maßgeblich erachteten Zeitpunkt den vom
Sportwetten-Urteil (BVerfGE 115, 276) aufgestellten Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1
GG entspricht. Es habe die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages und des
Niedersächsischen Glücksspielgesetzes bei überschlägiger Prüfung dahingehend
bewerten dürfen, dass sie - trotz der vom Oberverwaltungsgericht unter bestimmten
Gesichtspunkten auch zutreffend angemerkten Kritik - in zureichendem Maße eine
suchtpräventive Ausrichtung des staatlichen Sportwettmonopols gesetzlich
gewährleisteten. Vorbehaltlich einer eingehenden verfassungsrechtlichen Prüfung im
Rahmen von Verfassungsbeschwerden gegen fachgerichtliche
Hauptsacheentscheidungen könne das grundlegende Regelungsdefizit, welches die alte
landesrechtliche Regelungslage gekennzeichnet habe, als grundsätzlich behoben
angesehen werden.
Das Oberverwaltungsgericht hat überdies seine Beurteilung der neuen Rechtslage nicht
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Das Oberverwaltungsgericht hat überdies seine Beurteilung der neuen Rechtslage nicht
allein auf den von ihm in Auszügen wörtlich zitierten Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2008 (NVwZ 2008, 1338) gestützt,
sondern in Auseinandersetzung mit den Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag und
unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des seine Rechtsauffassung teilenden
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 2. Juni 2008 - 10 Cs 08.1102 -
juris) begründet. Seine Entscheidung wäre daher auch dann nicht durchgreifend in Frage
gestellt, wenn die Einschätzung, die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts zur
Verfassungswidrigkeit der Neuregelung seien durch den zitierten Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts überholt, so nicht zuträfe. Es bedarf daher im vorliegenden
Verfahren keiner weiteren Erörterung, welche Schlussfolgerungen sich aus dem
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Einzelnen ziehen lassen.
bb) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen effektiven
verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz wahrt der angegriffene Beschluss auch im
Hinblick auf die Beurteilung der als solcher im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht
rügefähigen gemeinschaftsrechtlichen Dienst- und Niederlassungsfreiheit (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 20. März 2009, a. a. O., S. 1225). Das Oberverwaltungsgericht hat sich
sowohl mit den formalen als auch den materiellen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben
an die Ausgestaltung eines staatlichen Wettmonopols auseinandergesetzt. Es ist weder
vorgetragen noch ersichtlich, dass es diese offenkundig verkannt hätte. Auch begegnet
es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Oberverwaltungsgericht nach
summarischer Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung im Eilverfahren einen Verstoß
gegen Gemeinschaftsrecht offen gelassen und einer Klärung im Hauptsacheverfahren
nach weiterer Beobachtung der staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Spielsucht
vorbehalten hat. Eine intensivere Prüfung war zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes
insoweit nicht geboten (vgl. auch BVerfG, a. a. O., S. 1226).
cc) Das Oberverwaltungsgericht hat sich schließlich nicht in verfassungswidriger Weise
über stattgebende Urteile des Verwaltungsgerichts in parallel gelagerten Verfahren
anderer Sportwettenvermittler hinweggesetzt.
(1) Es hat sich mit den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt,
insbesondere auch mit dessen Ausführungen zum Gemeinschaftsrecht, von denen das
Verwaltungsgericht in seinem vorangegangenen Beschluss im Eilverfahren noch
ausdrücklich abgesehen hatte. Es ist der Argumentation des Verwaltungsgerichts mit
tragfähiger Begründung bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht gefolgt. Das
Verwaltungsgericht hat die Gemeinschaftswidrigkeit des staatlichen
Sportwettenmonopols im Wesentlichen aus den Gründen bejaht, die aus seiner Sicht
auch dessen Verfassungswidrigkeit begründen und denen sich das
Oberverwaltungsgericht im Eilverfahren mit verfassungsrechtlich nicht zu
beanstandender Begründung gerade nicht angeschlossen hat (s. o.). Die Feststellungen
des Verwaltungsgerichts zur tatsächlichen aktuellen Ausgestaltung des staatlichen
Wettangebots, insbesondere zu Art und Ausmaß der von den staatlichen
Monopolanbietern praktizierten Werbung, hat das Oberverwaltungsgericht aufgegriffen.
Dass es insoweit - anders als das Verwaltungsgericht - im Zeitpunkt seiner mit der
Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung kein in den gesetzlichen
Regelungen angelegtes strukturelles Defizit gesehen hat, begegnet keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken.
(2) Den Hauptsacheentscheidungen des Verwaltungsgerichts kommt überdies nicht die
Bedeutung eines in derselben Sache ergangenen erstinstanzlichen Urteils zu, wie sie der
Verfassungsgerichtshof im Beschluss vom 1. November 2007 (a. a. O., LVerfGE 18, 123)
betont hat: Danach hat das Beschwerdegericht in dem Verfahren, bis zu dessen
rechtskräftigem Abschluss über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu
entscheiden und in dem bereits eine Hauptsacheentscheidung ergangen ist, den
regelmäßig besseren Erkenntnismöglichkeiten und verstärkten Einwirkungsmöglichkeiten
der Beteiligten im Hauptsacheverfahren Rechnung zu tragen, zumal wenn die
Entscheidung nach Beweiserhebung ergangen ist. Eine dem im Hauptsacheverfahren
gefundenen Ergebnis widersprechende Eilentscheidung kann ohne Verstoß gegen das
Gebot effektiven Rechtsschutzes nur ausnahmsweise, etwa bei schwerwiegenden und
offensichtlichen Mängeln der Hauptsacheentscheidung oder sonst bei gleichwertigen
Erkenntnismöglichkeiten und vergleichbar genauer und intensiver Prüfung wie im
Hauptsacheverfahren verfassungsrechtlich tragfähig sein.
Abgesehen davon, dass die in der Verfassungsbeschwerde aufgeführten
Hauptsacheentscheidungen des Verwaltungsgerichts nicht die Beschwerdeführerin
betreffen, war die Ermittlung des konkreten entscheidungserheblichen Sachverhalts in
diesen Verfahren anderer Sportwettenvermittler nicht von entscheidungstragender
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diesen Verfahren anderer Sportwettenvermittler nicht von entscheidungstragender
Bedeutung. Im Mittelpunkt der bundesweit geführten Verfahren gegen die Untersagung
der privaten Sportwettenvermittlung stand und steht die Frage, ob die Ausgestaltung
des staatlichen Sportwettmonopols auf der Grundlage des Glücksspielstaatsvertrages
mit Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Das Verwaltungsgericht hat dies
für die Rechtslage in Berlin aufgrund einer vom jeweiligen konkreten Einzelfall losgelösten
rechtlichen Prüfung verfassungs- und gemeinschaftsrechtlicher Fragen verneint. Auf die
Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in den konkreten Verfahren kam
es insoweit nicht an, eine förmliche Beweisaufnahme fand ausweislich der mit der
Verfassungsbeschwerde vorgelegten Urteile des Verwaltungsgerichts auch nicht statt.
Die verwaltungsgerichtlichen Feststellungen zur tatsächlichen Ausgestaltung des
staatlichen Sportwettenangebots beruhten nicht auf den regelmäßig weiter gehenden
Erkenntnismöglichkeiten des Hauptsacheverfahrens, sondern wesentlich auf
allgemeinkundigen Erkenntnissen aus der Beobachtung des öffentlichen Auftritts und
der Werbemaßnahmen des staatlichen Wettveranstalters. Das Verwaltungsgericht
verfügte mithin für die Beurteilung der verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen
Rechtslage nicht über eine andere oder gar bessere Erkenntnisgrundlage als das
Oberverwaltungsgericht im Ausgangsverfahren. Dem Oberverwaltungsgericht war es
daher gemessen an Art. 15 Abs. 4 VvB nicht verwehrt, nach eigener eingehender
Prüfung ebenso wie andere Oberverwaltungsgerichte (z. B. BayVGH, Beschluss vom 2.
Juni 2008 - 10 CS 08.1008 - juris; HambOVG, Beschluss vom 25. März 2008 - 4 Bs 5/08 -
juris; OVG NRW, Beschluss vom 22. Februar 2008 - 13 B 1215/07 - juris) im Eilverfahren
vorläufig davon auszugehen, der Glücksspielstaatsvertrag entspreche den Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts im „Sportwetten-Urteil“ und es bestünden keine
durchgreifenden Bedenken gegen seine Vereinbarkeit mit den Anforderungen des
Gemeinschaftsrechts.
c) Auf der Grundlage der danach verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden
Beurteilung der Untersagungsverfügung als voraussichtlich rechtmäßig durfte das
Oberverwaltungsgericht auch angesichts der von ihm aufgezeigten „Restzweifel“ und der
dem Hauptsacheverfahren vorbehaltenen näheren Klärung insbesondere
gemeinschaftsrechtlicher Fragen in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise
von einem überwiegenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung
ausgehen. Insbesondere begegnen die Annahme eines besonderen
Vollziehungsinteresses und die Einschätzung, die unternehmerische Entscheidung der
Beschwerdeführerin, Sportwetten gegen Provision zu vermitteln, sei von vornherein
risikobehaftet gewesen und verdiene daher kein Vertrauen, keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Oberverwaltungsgericht war von Verfassungs
wegen - wie das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 20. März 2009 (a. a. O., S.
1225) zu Art. 19 Abs. 4 GG und zur vergleichbaren Rechtslage in Niedersachsen
ausgeführt hat - nicht gehalten, die konkrete Gefährlichkeit der Geschäftstätigkeit der
Beschwerdeführerin zu prüfen. Ebenso wenig musste es im Rahmen der
Interessenabwägung dem Umstand abwägungsentscheidende Bedeutung beimessen,
dass die Wettvermittlungstätigkeit zu einer Zeit aufgenommen worden ist, zu der sich
ein Ausschluss privater Anbieter aus verfassungsrechtlichen Gründen als
unverhältnismäßig und deshalb rechtswidrig darstellte.
Soweit sich die Beschwerdeführerin auf ihr Vertrauen in die Europarechtswidrigkeit der
Untersagungsverfügung beruft, gilt letztlich nichts anderes. Zum einen hat das
Oberverwaltungsgericht ohne Verfassungsverstoß die neue Rechtslage zum Zeitpunkt
seiner Entscheidung zugrunde gelegt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 20. März 2009,
a. a. O., S. 1223 bzw. Rn. 22), zum anderen war die alte Rechtslage für die Zeit davor
insoweit nicht abschließend geklärt. Das Bundesverfassungsgericht hatte im
„Sportwetten-Urteil“ mangels Zuständigkeit gerade keine verbindlichen Aussagen zu
gemeinschaftsrechtlichen Fragen gemacht (so ausdrücklich BVerfG, Beschluss vom 27.
Dezember 2007 - 1 BvR 3082/06 - juris, Rn. 20). Die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts von 27. April 2005 (BVerfGK 5, 196), auf die sich die
Beschwerdeführerin in der Verfassungsbeschwerde beruft, betraf die Anforderungen an
die Begründung eines besonderen öffentlichen Vollziehungsinteresses und bot keine
Grundlage für die Annahme, die Vermittlung privater Sportwetten könne nicht
rechtswirksam untersagt werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Mit dieser Entscheidung ist das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof
abgeschlossen.
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