Urteil des VerfGH Berlin vom 14.03.2017

VerfGH Berlin: sachliche zuständigkeit, anspruch auf rechtliches gehör, örtliche zuständigkeit, unerlaubte handlung, holding, gerichtsstand, ort der begehung, daten, verfassungsbeschwerde, verfügung

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
67/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 15 Abs 1 Verf BE, § 50
VGHG BE, § 51 VGHG BE, § 32
ZPO, § 139 Abs 2 ZPO
Der Anspruch auf rechtliches Gehör begründet keine generelle
Verpflichtung des Gerichts, vor einer Entscheidung auf seine
Rechtsauffassung hinzuweisen.
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des Kammergerichts, mit
dem seine sofortige Beschwerde gegen einen Beschluss des Landgerichts Berlin in
einem einstweiligen Verfügungsverfahren zurückgewiesen wurde.
Im Dezember 2008 beantragte der Beschwerdeführer beim Landgericht Berlin den Erlass
einer einstweiligen Verfügung gegen die Beteiligte zu 2, ein Inkasso-Unternehmen mit
Sitz in Frankfurt am Main. Gegenstand des Antrags war u. a. der Widerruf von den
Beschwerdeführer betreffenden Negativeinträgen bei zwei Auskunfteien, der SCHUFA
Holding AG und der Producta Daten-Service GmbH, gegenüber diesen Auskunfteien und
die Unterlassung künftiger Meldungen offener Forderungen der Gläubigerin. Der von der
Beteiligten zu 2 gemeldete Forderungsbetrag belief sich auf 65 Euro. Der
Beschwerdeführer gab in seiner Antragsschrift den Streitwert vorläufig mit 9.000 Euro
(4.000 Euro je Widerrufsbegehren, 1.000 Euro für das Unterlassungsbegehren) an,
woraus sich für das einstweilige Verfügungsverfahren ein Ansatz von 6.000 Euro ergebe.
Das Landgericht wies unter dem 5. und 10. Dezember 2008 darauf hin, dass es für den
Eilantrag örtlich nicht zuständig sei, und regte an, eine Verweisung des Rechtsstreits an
das Landgericht Wiesbaden (Sitz der SCHUFA Holding AG) bzw. Frankfurt am Main (Sitz
der Beteiligten zu 2) zu beantragen. Der Beschwerdeführer blieb bei seiner Auffassung,
dass das Landgericht Berlin örtlich und sachlich zuständig sei, und beantragte hilfsweise
eine Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Bremen oder das Landgericht
Hannover; in beiden Städten, aber auch in Berlin, befinden sich Verbraucher-
Servicestellen der SCHUFA Holding AG.
Mit Beschluss vom 23. Dezember 2008 - 23 O 431/08 - wies das Landgericht Berlin den
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück und setzte den Verfahrenswert
auf 6000 Euro fest. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass es ebenso wie die
Landgerichte Bremen und Hannover für den Antrag örtlich unzuständig sei. Die
Beteiligte zu 2 habe ihren Sitz und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand in Frankfurt
am Main. Die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin werde auch nicht über § 32 ZPO
begründet, da die behauptete unerlaubte Handlung nicht in Berlin begangen worden sei.
Ort der Begehung sei sowohl der Ort, an dem der Täter gehandelt habe, als auch der
Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen worden sei (Erfolgsort). Der
Beschwerdeführer habe nicht vorgetragen, dass die Beteiligte zu 2 in Berlin gehandelt
habe. Der Erfolg der behaupteten unberechtigten Datenweitergabe sei bereits dadurch
eingetreten, dass die Daten in den Machtbereich der SCHUFA Holding AG mit Sitz in
Wiesbaden gelangt seien. Technisch dürfte es hierbei auf den Standort des Servers der
SCHUFA Holding AG ankommen. Dass sich dieser in Berlin befinde, habe der
Beschwerdeführer nicht vorgetragen. Es komme dagegen nicht darauf an, dass die
SCHUFA Holding AG die Daten verwende und Dritten zum Abruf zur Verfügung stelle
oder von welchen Orten aus (z. B. Verbraucher-Servicestelle Berlin) auf diese Daten
zugegriffen werden könne. Denn dies sei als ein über den Verletzungserfolg
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zugegriffen werden könne. Denn dies sei als ein über den Verletzungserfolg
hinausgehender weiterer Schaden einzustufen, auf den es für die Zuständigkeit nach §
32 ZPO gerade nicht ankomme. Eine Zuständigkeit der Landgerichte Bremen bzw.
Hannover sei ebenfalls nicht gegeben. Auch sie werde nicht dadurch begründet, dass
sich dort Verbraucher-Servicestellen der SCHUFA Holding AG befänden.
Hiergegen erhob der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde zum Kammergericht, der
das Landgericht mit Beschluss vom 26. Januar 2009 nicht abhalf. Im
Beschwerdeverfahren erklärte er den Rechtsstreit teilweise in der Hauptsache für
erledigt und beantragte höchst hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreits an das
Landgericht Verden an der Aller.
Mit Beschluss vom 5. März 2009 wies das Kammergericht die sofortige Beschwerde bei
einem Beschwerdewert von 6000 Euro zurück. Soweit der Beschwerdeführer von der
Beteiligten zu 2 Widerruf, Berichtigung oder Unterlassung gegenüber der Producta
Daten-Service GmbH begehre, sei der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung
unzulässig, da der Beschwerdeführer schon nicht darlege, dass insoweit ein
Gerichtsstand in Berlin begründet sei. Keine der Parteien habe ihren allgemeinen
Gerichtsstand in Berlin. In Betracht komme mithin nur der besondere Gerichtsstand des
§ 32 ZPO. Dass die Beteiligte zu 2, die ihren Sitz in Frankfurt am Main habe, die
unerlaubte Handlung (Datenübermittlung an die Producta) in Berlin begangen habe, sei
nicht dargelegt. Sitz der Producta sei ebenfalls Frankfurt. Ebenso fehle jeglicher Vortrag
zu den Verbreitungswegen und den Abrufmöglichkeiten von Informationen bei der
Producta bzw. zur tatsächlich erfolgten Weitergabe, so dass auch ein Gerichtsstand des
Erfolgsortes für Berlin nicht festgestellt werden könne. Auch für die Anträge betreffend
die SCHUFA Holding AG sei der Gerichtsstand gem. § 32 ZPO in Berlin nicht begründet.
Eine Verweisung an das Landgericht nach Bremen, Hannover oder Verden an der Aller
komme gleichfalls nicht in Betracht. Für die Ansprüche betreffend die Producta
Datenservice GmbH fehle es an jedwedem substantiierten Sachvortrag, der auf einen
Gerichtsstand nach § 32 ZPO an einem der genannten Orte schließen ließe. Bezüglich
der Ansprüche betreffend die SCHUFA Holding AG könne dahinstehen, inwieweit in
Bremen, Hannover oder Verden an der Aller ein Gerichtsstand im Sinne des § 32 ZPO
begründet wäre. Eine Verweisung an das dortige Landgericht komme jedenfalls mangels
sachlicher Zuständigkeit des Landgerichts (§§ 71 Abs. 1, 23 Abs. 1 Nr. 1 GVG) nicht in
Betracht. Dies folge schon aus dem eigenen Vortrag des Beschwerdeführers, der den
Verfahrenswert in der Antragsschrift für die Ansprüche betreffend beide Auskunfteien mit
6000 Euro angegeben habe. Die Ansprüche betreffend die SCHUFA Holding AG allein
könnten deshalb nur mit 3000 Euro bewertet werden. Jedenfalls sei nicht glaubhaft
gemacht, dass der Wert dieser Ansprüche 5000 Euro übersteige. Bei einer einzigen
offenen Forderung von nur 65 Euro liege dies auch nicht auf der Hand.
Gegen diesen, seinen Anwälten nach eigenen Angaben am 12. März 2009
zugegangenen Beschluss erhob der Beschwerdeführer am 26. März 2009
Anhörungsrüge, mit der er beantragte, den Prozess gemäß § 321a Abs. 5 ZPO
fortzuführen und den Rechtsstreit an das Landgericht Bremen, Hannover oder Verden
an der Aller, hilfsweise an das Amtsgericht Bremen, Hannover oder Verden an der Aller,
allerhöchst hilfsweise an das Landgericht Frankfurt am Main oder an das Amtsgericht
Frankfurt am Main zu verweisen. Er machte geltend: Völlig unerwartet und überraschend
habe das Kammergericht erstmals im Beschwerdeverfahren die Frage der örtlichen
Zuständigkeit offen gelassen und die unerwartete Rechtsansicht vertreten, es läge keine
sachliche Zuständigkeit der Landgerichte vor. Dies sei überraschend, weil das
Landgericht seine sachliche Zuständigkeit unzweifelhaft bejaht habe. Aus seiner - des
Beschwerdeführers - Sicht habe es deshalb bislang keinen Anlass gegeben, eine
Verweisung an ein Amtsgericht aufgrund einer angeblich fehlenden sachlichen
Zuständigkeit zu beantragen. Zu keinem Zeitpunkt habe das Kammergericht einen
richterlichen Hinweis erteilt, wonach der zur Entscheidung berufene Senat Zweifel an
seiner sachlichen Zuständigkeit habe. Wäre dies geschehen, hätte unproblematisch eine
Verweisung an die Amtsgerichte erfolgen können.
Mit Beschluss vom 28. April 2009 wies das Kammergericht die Anhörungsrüge mit
folgender Begründung zurück: Der Beschwerdeführer mache im vorliegenden Verfahren
gegenüber der Beteiligten zu 2 wenn auch gleich lautende, so doch in der Sache
unterschiedliche Ansprüche wegen zweier unterschiedlicher Persönlichkeitsverletzungen
geltend, nämlich wegen unzulässiger Datenübermittlung an zwei unterschiedliche
Auskunfteien. Der Senat sei von den Angaben des Beschwerdeführers zum Wert seiner
Ansprüche nicht abgewichen. Er habe lediglich bei der Prüfung der hilfsweise beantragten
Verweisung für einen Teil der Ansprüche (betreffend die Persönlichkeitsverletzung durch
unzulässige Datenübermittlung an die Producta Daten-Service GmbH) die örtliche
Zuständigkeit der hilfsweise angerufenen Landgerichte verneint. Eine Verweisung wäre
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Zuständigkeit der hilfsweise angerufenen Landgerichte verneint. Eine Verweisung wäre
daher allenfalls für die abtrennbaren Ansprüche (§ 145 Abs. 1 ZPO) wegen der
Datenübermittlung an die SCHUFA Holding AG in Betracht gekommen. Diese aber
überstiegen nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Antragsschrift
5000 Euro nicht. Der Beschwerdeführer könne die Anhörungsrüge auch nicht darauf
stützen, dass er bei einem entsprechenden Hinweis höchst hilfsweise Verweisung an ein
Amtsgericht beantragt hätte. Gemäß § 139 Abs. 2 ZPO habe das Gericht auf
Gesichtspunkte hinzuweisen, die eine Partei erkennbar für unerheblich gehalten oder
übersehen habe oder die das Gericht anders beurteile als beide Parteien. Der Senat
habe die sachliche Zuständigkeit für die geltend gemachten Ansprüche weder anders als
die Parteien noch abweichend von dem erstinstanzlichen Gericht beurteilt. Es handle
sich auch nicht um einen Punkt, den der Beschwerdeführer erkennbar übersehen oder
für unerheblich gehalten habe, denn zum Wert seiner Ansprüche habe er in der
Antragsschrift vorgetragen. Der Senat sei lediglich bei der rechtlichen Prüfung der
geltend gemachten Ansprüche und Hilfsansprüche auf der Grundlage des Vorbringens
des Beschwerdeführers zu einer bestimmten Rechtsfolge gelangt. Darauf habe nicht
zuvor hingewiesen werden müssen.
Mit Schriftsatz vom 28. Mai 2009 hat der Beschwerdeführer „gegen den Beschluss des
Kammergerichts vom 28.04.2009“ Verfassungsbeschwerde erhoben. Im Rubrum der
Beschwerdeschrift bezeichnet er als Beschwerdegegenstand die Beschlüsse des
Kammergerichts vom 28. April und 5. März 2009 und den Beschluss des Landgerichts
Berlin vom 5. Januar 2009. Er rügt eine Verletzung seines in Art. 15 Abs. 1 VvB
niedergelegten Anspruchs auf rechtliches Gehör. Eine solche liege insbesondere vor,
wenn das Gericht einen bis zur Entscheidung nicht erörterten rechtlichen oder
tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung mache und so dem
Rechtsstreit eine Wendung gebe, mit der ein Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des
Verfahrens nicht habe rechnen müssen. Bis zur Beschwerdeentscheidung des
Kammergerichts hätten alle damit befassten Gerichte eine sachliche Zuständigkeit der
Landgerichte problemlos anerkannt. Dementsprechend habe das Landgericht Berlin eine
Verweisung an das Landgericht Frankfurt am Main angeregt und damit eindeutig zum
Ausdruck gebracht, dass es von einer sachlichen Zuständigkeit der Landgerichte
ausgehe. Damit sei zu seinen Gunsten eine Vertrauensposition begründet worden. Bis
ihm Gegenteiliges bekannt gemacht würde, habe er davon ausgehen dürfen, dass das
Landgericht sachlich zuständig sei. Ein Abgehen hiervon stelle nur dann keinen Verstoß
gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs dar, wenn er hierzu habe Stellung nehmen
können. Gerade dies sei ihm aber verweigert worden. Bei der Bestimmung der
sachlichen Zuständigkeit handle es sich auch nicht um eine bloße andere
Rechtsauffassung des Kammergerichts, die auf Grundlage des Vorbringens des
Beschwerdeführers entstanden sei. Die Streitwerthöhe sei nämlich auch von
tatsächlichen Gesichtspunkten geprägt. Somit hätte er bei einem rechtzeitigen Hinweis
jederzeit noch tatsächliche Gesichtspunkte vortragen können, die einen die
Zuständigkeit der Landgerichte begründenden Streitwert belegten. Angesichts seiner
nur vorläufigen Angaben zum Streitwert in der Antragsschrift hätte das Kammergericht
ihm die Möglichkeit geben müssen, erforderlichen Tatsachenvortrag zu ergänzen. Selbst
wenn die Landgerichte nicht zuständig wären, hätte das Kammergericht ihm die
Möglichkeit geben müssen, einen Hilfsantrag auf Verweisung an ein zuständiges
Amtsgericht zu stellen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ergebe sich schließlich
auch daraus, dass das Kammergericht völlig überraschend und ohne, dass dies jemals
erörtert worden sei, seine - des Beschwerdeführers - Korrekturansprüche getrennt habe.
Dies stehe in krassem Widerspruch zur herrschenden Meinung in Rechtsprechung und
Schrifttum. Dem Betroffenen einer Negativmeldung bei einer Auskunftei (z. B. der
SCHUFA Holding AG) stünden grundsätzlich zwei Anspruchsgegner zur Verfügung.
Gegen die Auskunftei habe der Betroffene Ansprüche auf Löschung, Berichtigung oder
Sperrung. Diese Ansprüche hätten sich angesichts der über 500 Auskunfteien in
Deutschland jedoch als wenig zweckdienlich erwiesen. Daher habe sich als zweiter
Anspruchsgegner die meldende Stelle herausgebildet. Werde sie einmal auf
Unterlassung bzw. Widerruf in Anspruch genommen, sei es ihr grundsätzlich untersagt,
Negativdateien zu melden, egal an welche Auskunftei. Dies habe den Vorteil, dass man
nur einen Gegner in Anspruch nehmen müsse. In all diesen Verfahren - wie auch hier -
werde die verantwortliche Stelle gegebenenfalls zum Widerruf gegenüber allen
Auskunfteien verurteilt. Daher werde eine Trennung der Ansprüche bislang auch nicht
vorgenommen. Von dieser Selbstverständlichkeit sei das Kammergericht ohne jede
Begründung abgewichen. Hierauf hätte er vorher hingewiesen werden müssen.
Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Äußerung.
II.
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1. Die Verfassungsbeschwerde wendet sich bei sinngerechtem Verständnis allein gegen
die im Ausgangsverfahren ergangene Sachentscheidung des Kammergerichts. Gerügt
wird die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch diese Entscheidung.
Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde – nach erfolglosem Anhörungsrügeverfahren -
zulässig. Sie entspricht insbesondere dem Begründungserfordernis in § 50 des Gesetzes
über den Verfassungsgerichtshof - VerfGHG -.
Die hier allein gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 15 Abs. 1
der Verfassung von Berlin - VvB -) ist nur dann gegeben, wenn nicht ausgeschlossen
werden kann, dass eine (weitere) Anhörung des Beschwerdeführers das Gericht zu einer
für diesen günstigeren Entscheidung hätte veranlassen können (vgl. hierzu und zum
Folgenden Beschluss vom 16. Dezember 2008 - VerfGH 15/08 -
www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de, Rn. 15 m. w. N., insoweit in GE
2009, 317 nicht abgedruckt; vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 28, 17 <20>; st. Rspr.).
Daher verlangt das Begründungserfordernis insoweit, dass der Beschwerdeführer
innerhalb der Beschwerdefrist des § 51 VerfGHG präzise darlegt, was er bei
ausreichender Gehörsgewährung über sein bisheriges Vorbringen hinaus noch
ausgeführt hätte und warum die angegriffene Entscheidung für ihn bei zusätzlichem
Vortrag vorteilhafter hätte ausfallen können. Nur dann kann geprüft werden, ob die
angegriffene Entscheidung auch auf einer Verletzung von Art. 15 Abs. 1 VvB beruht.
Diesen Anforderungen entspricht die Verfassungsbeschwerde. Der Beschwerdeführer
hat ausgeführt, was er im Falle eines rechtlichen Hinweises auf die aus Sicht des
Kammergerichts fehlende sachliche Zuständigkeit der Landgerichte vorgetragen und
dass er dann hilfsweise „Verweisung an ein zuständiges Amtsgericht“ beantragt hätte.
Welches Gericht damit gemeint ist, legt die Verfassungsbeschwerde zwar selbst nicht
dar. Der Beschwerdeführer hatte aber in seiner Anhörungsrüge (Schriftsatz vom 26.
März 2009) neben der Fortsetzung des Verfahrens ausdrücklich die Verweisung des
Rechtsstreits an mehrere Land- und Amtsgerichte, darunter auch hilfsweise das vom
Landgericht im Ausgangsverfahren als zuständig angesehene Landgericht Frankfurt am
Main, höchst hilfsweise das Amtsgericht Frankfurt am Main, beantragt. Es ist nicht Sache
des Verfassungsgerichtshofs, im Einzelnen zu prüfen, ob einer der Verweisungsanträge
nach den einfachrechtlichen Bestimmungen über die sachliche und örtliche
Zuständigkeit hätte Erfolg haben können. Auszuschließen ist dies jedenfalls nicht (vgl. zu
diesem Beurteilungsmaßstab BVerfG, NJW 2009, 1585 <1587>; NJW 1994, 848 <849>).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist aber unbegründet. Die angegriffene
Beschwerdeentscheidung des Kammergerichts verletzt den Beschwerdeführer nicht in
seinem Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
Der in Art. 15 Abs. 1 VvB verbriefte Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet jedem
an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten das Recht, sich vor einer gerichtlichen
Entscheidung nicht nur zu dem ihr zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur
Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfGE 86, 133 <144> zum inhaltsgleichen Art. 103 Abs.1
GG), insbesondere sachgerechte Anträge zu stellen. Daraus ergibt sich jedoch keine
generelle Verpflichtung des Gerichts, vor der Entscheidung seine Rechtsauffassung
kundzutun, und auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht, wie sie das
einfache Recht etwa in § 139 ZPO normiert. Es kann nur dann auch verfassungsrechtlich
geboten sein, einen Verfahrensbeteiligten auf rechtliche Gesichtspunkte hinzuweisen,
die das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legen will, wenn auch ein gewissenhafter
und kundiger Prozessbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer
Rechtsauffassungen - hiermit nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen
brauchte (st. Rspr., vgl. z. B. Beschlüsse vom 24. Juni 1999 - VerfGH 48/98 - LVerfGE 10,
72 (78) m. w. N. und 20. August 2008 - VerfGH 204/04, 204 A/04 - unter
www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de, Rn. 54; zum Bundesrecht: BVerfGE
84, 188 <190>; 86, 133 <144 f.>; zur Hinweispflicht bei von der Vorinstanz
abweichender Beurteilung von Prozessvoraussetzungen durch das Rechtsmittelgericht
vgl. BGH, NJW-RR 2006, 937).
Bei Anlegung dieses Maßstabs war das Kammergericht nach dem bisherigen Verlauf des
einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht nach Art. 15 Abs. 1 VvB gehalten, dem
Beschwerdeführer vor seiner Entscheidung zu erkennen zu geben, dass es die sachliche
Zuständigkeit eines Landgerichts nicht für gegeben ansah.
Eine solche Verpflichtung ergibt sich zunächst nicht schon daraus, dass das Landgericht
Berlin in seinem Beschluss die sachliche Zuständigkeit der Landgerichte für den
erhobenen Verfügungsanspruch nicht in Frage gestellt hatte. Denn bei einer aus der
Sicht des Landgerichts Berlin fehlenden örtlichen Zuständigkeit dieses Gerichts und der
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Sicht des Landgerichts Berlin fehlenden örtlichen Zuständigkeit dieses Gerichts und der
im Hilfsverweisungsantrag genannten Landgerichte Bremen und Hannover brauchte es
sich zur Frage der sachlichen Zuständigkeit der Landgerichte nicht zu äußern, sondern
konnte sie stillschweigend offenlassen.
Notwendig war der vom Beschwerdeführer vermisste rechtliche Hinweis des
Kammergerichts auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass das Landgericht dem
Beschwerdeführer in zwei Schreiben nahegelegt hatte, hilfsweise einen Antrag auf
Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Frankfurt am Main, den allgemeinen
Gerichtsstand der Beteiligten zu 2, zu stellen. Daraus war zwar abzulesen, dass das
Landgericht eine sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main offenbar
für gegeben ansah. Dies stand aber bezogen auf den allgemeinen Gerichtsstand der
Beteiligten zu 2 nach dem insoweit maßgeblichen, vom Beschwerdeführer für beide
Datenweitergaben angegebenen Streitwert ohnehin außer Frage. Bei gewissenhafter
Prozessführung konnte sich der Beschwerdeführer aber nicht darauf verlassen, dass
damit auch die sachliche Zuständigkeit eines anderen Landgerichts im
Beschwerdeverfahren gleichsam feststand. Zweifel daran ergaben sich bereits daraus,
dass sich das Landgericht in seinem den Verfügungsantrag zurückweisenden Beschluss
und im Nichtabhilfebeschluss allein mit möglichen Ansprüchen des Beschwerdeführers
befasst hatte, die sich aus einer Datenweitergabe durch die Beteiligte zu 2 an die
SCHUFA Holding AG ergaben, jedoch auf die mit dem Verfügungsantrag ebenfalls
angegriffene Datenweitergabe an die Producta Daten-Service GmbH mit keinem Wort
einging. Dass für beide Vorgänge außerhalb des allgemeinen Gerichtsstandes ein
einheitlicher Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gegeben war, war danach
zumindest offen. Auf diesen sich aus der erstinstanzlichen Entscheidung ohne weiteres
ergebenden Umstand musste das Kammergericht ebenso wenig hinweisen wie auf die
sich aus ihm ergebenden Folgerungen für die rechtliche Beurteilung der sachlichen
Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.
Eine Hinweispflicht des Beschwerdegerichts bestand gemessen an den
verfassungsrechtlichen Anforderungen weiterhin deshalb nicht, weil der
Beschwerdeführer in der Eingangsinstanz zwei rechtliche Hinweise des Landgerichts zur
örtlichen Zuständigkeit ignoriert und den sich bei umsichtiger Prozessführung
aufdrängenden Hilfsantrag auf Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht
Frankfurt am Main, den allgemeinen Gerichtsstand der Beteiligten zu 2, nicht gestellt
hatte. Bei dieser Sachlage konnte das Kammergericht davon ausgehen, dass es dem
Beschwerdeführer um eine Grundsatzentscheidung zur örtlichen Zuständigkeit Berliner
Gerichte für Ansprüche ging, die aus der Mitteilung falscher Negativeinträge in
Datenbanken von Auskunfteien resultieren. Diese Erwartung hat die angegriffene
Entscheidung - soweit es die mit den aus der Mitteilung der Beteiligten zu 2 an die
SCHUFA Holding AG resultierenden Ansprüche des Beschwerdeführers angeht - auch
erfüllt. In Bezug auf die Datenweitergabe an die Producta Daten-Service GmbH war dem
Kammergericht eine dahin gehende Prüfung mangels Sachvortrags des
Beschwerdeführers nicht möglich. Die fehlende Darlegung eines für beide
Datenweitergaben geltenden Gerichtsstandes außerhalb des allgemeinen
Gerichtsstandes der Beteiligten zu 2 führte zwangsläufig zu der vom Beschwerdeführer
beanstandeten Überlegung des Kammergerichts, ob für den Teil der Ansprüche, für den
der Beschwerdeführer vorgetragen hatte (Datenweitergabe an die SCHUFA Holding AG),
eine sachliche Zuständigkeit des Landgerichts gegeben war. Hierauf hinzuweisen war
verfassungsrechtlich ebenso wenig geboten wie ein nochmaliger Hinweis auf die
mögliche Verweisung an das für beide beanstandeten Datenweitergaben zuständige
Landgericht Frankfurt am Main, die der Beschwerdeführer bis dahin offenkundig nicht
wünschte.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 33, 34 VerfGHG.
Mit dieser Entscheidung ist das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof
abgeschlossen.
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