Urteil des VerfGH Berlin vom 14.03.2017

VerfGH Berlin: verfassungsbeschwerde, öffentliches recht, öffentliche gewalt, juristische person, feuerwehr, gesundheit, eingriff, berufsausübung, form, erhaltung

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
63/94
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 11 Verf BE vom 01.09.1950,
Art 6 Abs 1 Verf BE vom
01.09.1950, Art 10 Abs 1 Verf
BE, Art 17 Verf BE, § 12 Abs 1
VGHG BE
Diese Entscheidung hat
Gesetzeskraft.
VerfGH Berlin: Ausschluß der Beteiligung privater
Krankentransportunternehmen an der Notfallrettung durch
Berliner Rettungsdienstgesetz mit
Berufsfreiheit und Gleichheitssatz vereinbar
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin betreibt in Berlin ein Krankentransportunternehmen. Sie bemüht
sich seit Jahren, in die vom Land Berlin getragene und organisierte Notfallrettung
integriert zu werden. Im Jahre 1986 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf
Übertragung von Aufgaben des Notfallrettungsdienstes. Der Senator für Inneres lehnte
diesen Antrag mit Bescheid vom 17. Oktober 1986 mit der Begründung ab, er sehe
keine Notwendigkeit, von der Möglichkeit des § 2 Abs. 1 des Berliner Feuerwehrgesetzes
- FwG Gebrauch zu machen und die Beschwerdeführerin mit dieser Ordnungsaufgabe zu
betrauen. Die Berliner Feuerwehr und die Hilfsorganisationen - der Arbeiter-Samariter-
Bund, das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter-Unfall-Hilfe und der Malteser-Hilfsdienst -
seien in der Lage, einen ordnungsgemäßen Notfallrettungsdienst bei - im Verhältnis zum
Bundesgebiet - überdurchschnittlich kurzen Eintreff- und Transportzeiten zu
gewährleisten. Die daraufhin von der Beschwerdeführerin erhobene Verpflichtungsklage
blieb vor dem Verwaltungsgericht und vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin erfolglos
(VG Berlin, Urteil vom 25. Januar 1989 - VG I A 275/86 -; OVG Berlin, Urteil vom 12.
Februar 1992 - OVG 1 B 32/89 -).
Während des Revisionsverfahrens trat am 22. Juli 1993 das Gesetz über den
Rettungsdienst für das Land Berlin (Rettungsdienstgesetz - RDG) vom 8 Juli 1993 (GVBl.
S. 313) in Kraft, das u. a. folgende Regelungen enthält:
§ 2 Abs.2 Satz l:
Aufgabe der Notfallrettung ist es, das Leben oder die Gesundheit von Notfallpatienten zu
erhalten, sie transportfähig zu machen und sie unter fachgerechter Betreuung in eine für
die weitere Versorgung geeignete Einachtung zu befördern.
§ 5 Abs. l:
Die Notfallrettung wird von der Berliner Feuerwehr als Ordnungsaufgabe
wahrgenommen. Daneben kann die für den Rettungsdienst zuständige
Senatsverwaltung den Hilfsorganisationen, wie dem Arbeiter-Samariter-Bund, der
Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, dem Deutschen Roten Kreuz, der Johanniter-
Unfall-Hilfe und dem Malteser-Hilfsdienst, diese Aufgabe übertragen. Die Aufgabe der
Notfallrettung kann in besonderen Fällen und soweit ein Bedarf besteht auch anderen
geeigneten privaten Einrichtungen übertragen werden.
23 Abs. l Satz 3:
Zur Gewährleistung der nach diesem Gesetz gestellten Anforderungen können
nachträglich Auflagen erteilt werden.
§ 23 Abs. 2 Satz 1:
Wer bis zu zwei Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes die Ausbildung zum
Rettungssanitäter abgeschlossen hat, kann danach abweichend von § 9 Abs. 3 in der
Notfallrettung zur Betreuung des Patienten eingesetzt werden, wenn er insgesamt über
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Notfallrettung zur Betreuung des Patienten eingesetzt werden, wenn er insgesamt über
eine mindestens 2000 Stunden umfassende praktische Erfahrung in diesem Bereich
verfügt.
Das Bundesverwaltungsgericht wies die Revision der Beschwerdeführerin gegen das
Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 12. Februar 1992 durch Urteil vom 3.
November 1994 zurück (BVerwG 3 C 17/92, BVerwGE 97, 79 = NJW 1995, 3067). In der
Begründung wird im einzelnen ausgeführt, § 5 Abs. 1 RDG sei verfassungsgemäß und
verstoße weder gegen Art. 12 Abs. 1 GG noch gegen Art. 3
Abs. 1 GG.
Über eine gegen dieses Urteil beim Bundesverfassungsgericht eingelegte, auf die
Verletzung von Vorschriften des Grundgesetzes gestützte Verfassungsbeschwerde (1
BvR 948/95) ist bisher nicht entschieden worden.
Mit der vorliegenden, mit Schriftsatz vom 20. Juli 1994 eingelegten
Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von Grundrechten
der Verfassung von Berlin in der bei Erlaß des RDG maßgeblichen, bis zum 28.
November 1995 gültigen Fassung, und zwar Art. 6 Abs. 1, 11, 15 und 23 Abs. 2 VvB
1950. Sie macht geltend, sie sei von den angegriffenen landesgesetzlichen Regelungen
selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. § 5 Abs. 1 Sätze 2 und 3 RDG schließe
ihre Einbeziehung wie auch die anderer Rettungsdienste, die nicht zum Kreis der
Hilfsorganisationen zählten, von vornherein aus. Durch § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG würden
Sekundärtransporte, die rechtlich bislang als Krankentransporte zu bewerten gewesen
seien, ebenfalls der Notfallrettung zugeschlagen und damit von einer Übertragung
dieser Aufgabe nach § 5 Abs. 1 RDG abhängig gemacht. Die Übergangsregelung des §
23 Abs. 1 Satz 3 RDG sei zu unbestimmt, da sie auch in dem Anpassungszeitraum der
Verwaltung den Rückgriff auf § 14 RDG erlaube und damit Belastungen zulasse, die in
grundrechtlich geschützte Sphären eingriffen. § 23 Abs. 2 RDG belaste sie insofern, als
diese Regelung zu einer Abwanderung qualifizierter Mitarbeiter führe, auf die sie jedoch
auch bei der Besetzung der Rettungsmittel "Krankenkraftwagen" angewiesen sei; dies
führe zu einem Wettbewerbsnachteil, der vor dem Hintergrund der funktionalen Einheit
des Rettungsdienstes im Land Berlin nicht gerechtfertigt sei. Durch die zitierten
Bestimmungen des Rettungsdienstgesetzes werde sie willkürlich benachteiligt, da ihr auf
Dauer jede Möglichkeit genommen werde, sich in dem Teilbereich der Notfallrettung zu
engagieren.
Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen,
daß die §§ 2 Abs. 2 Satz l, 5 Abs. 1 Sätze 2 und 3, 23 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 des
Gesetzes über den Rettungsdienst für das Land Berlin vom 8. Juli 1993 gegen die
Verfassung von Berlin verstoßen und nichtig sind.
Gemäß § 53 Abs. 3 in Verbindung mit § 44 VerfGHG haben das Abgeordnetenhaus und
der Senat von Berlin Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
II.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit sich die Beschwerdeführerin gegen § 5
Abs. 1 RDG wendet. Im übrigen ist sie unzulässig.
a) Nach § 49 Abs. 1 VerfGHG kann jedermann mit der Behauptung, durch die öffentliche
Gewalt des Landes Berlin in einem seiner in der Verfassung von Berlin enthaltenen
Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof
erheben, soweit nicht Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben
ist oder wird. Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde kann auch ein Landesgesetz
sein. Eine solche Verfassungsbeschwerde ist allerdings nur zulässig, wenn der
Beschwerdeführer geltend machen kann, durch das Gesetz selbst, gegenwärtig und
unmittelbar in seinen Rechten verletzt zu sein. Dabei bedeutet Unmittelbarkeit, daß das
Gesetz ohne einen weiteren vermittelnden Akt in den Rechtskreis des
Beschwerdeführers einwirkt. Dieses Erfordernis soll sicherstellen, daß eine
Verfassungsbeschwerde erst erhoben wird, wenn eine konkrete Beschwer vorliegt.
Bedarf es zur Anwendung des Gesetzes noch eines Vollziehungsaktes, kann es zur
Verletzung verfassungsmäßiger Rechte grundsätzlich erst durch die Anwendung des
Gesetzes kommen (vgl. Beschluß vom 17. September 1992 - VerfGH 16/92 -; vgl. auch
BVerfG NVwZ 1994, 889, 890).
aa) Die Beschwerdeführerin kann geltend machen, durch die Regelung in § 5 Abs. 1 RDG
unmittelbar in ihren Rechten verletzt zu sein. Indem § 5 Abs. 1 RDG die Notfallrettung
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unmittelbar in ihren Rechten verletzt zu sein. Indem § 5 Abs. 1 RDG die Notfallrettung
zur Ordnungsaufgabe erklärt und diese Aufgabe der staatlichen Feuerwehr zuweist,
werden private Einrichtungen, deren Geschäftszweck die Durchführung von
Rettungstransporten ist, von vornherein von dieser Tätigkeit ausgeschlossen. Damit
erscheint ein Eingriff in die Berufsfreiheit (vgl. Art. 11 VvB 1950), auf die sich auch die
Beschwerdeführerin als juristische Person des Privatrechts berufen kann (vgl.
Pfennig/Neumann, Verfassung von Berlin, 2. Aufl., Rdn. 47 vor Art. 6) zumindest möglich.
Die Notfallrettung ist der Beschwerdeführerin kraft Gesetzes verboten, es bedarf keiner
Umsetzung dieses gesetzlichen Verbotes etwa in Form einer Untersagungsverfügung.
Daß das RDG in § 5 Abs. 1 Satz 3 die Möglichkeit der Übertragung von
Notfallrettungsdienstaufgaben auf Private vorsieht, ändert nichts an der Unmittelbarkeit
der Beschwer. Denn der Beschwerdeführerin geht es um die generelle Beteiligung an der
Notfallrettung, die ihr aufgrund der Aufgabenzuweisung in § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG
verwehrt ist. Die Übertragung nach § 5 Abs. 1 Satz 3 RDG kommt nur in besonderen
Ausnahmefällen in Betracht, da nach dem gesetzgeberischen Willen die Notfallrettung
der Berliner Feuerwehr und den Hilfsorganisationen vorbehalten bleiben soll (vgl.
Amtliche Begründung zu § 5 Abs. 1 Satz 3 - Abgeordnetenhaus von Berlin Drs. 12/2881,
Seite 10). Da es nicht völlig ausgeschlossen erscheint, daß die Beschwerdeführerin
durch § 5 Abs. 1 RDG in ihren Rechten aus Art. 6 Abs. 1, 11 Abs. 1 VvB 1950 verletzt ist,
ist die Beschwerdebefugnis insoweit gegeben.
bb) Mit Blick auf § 2 Abs. 2 Satz l RDG kann eine unmittelbare Betroffenheit der
Beschwerdeführerin dagegen nicht festgestellt werden. Durch die darin enthaltene
Legaldefinition der Notfallrettung wird die Beschwerdeführerin nicht unmittelbar
beschwert. Auch in bezug auf § 23 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 RDG hat die
Besehwerdeführerin eine unmittelbare Betroffenheit nicht dargelegt. Der
Auflagenvorbehalt in § 23 Abs. 1 Satz 3 bewirkt keinen unmittelbaren Eingriff in den
Rechtskreis der Beschwerdeführerin. Eine Belastung tritt vielmehr erst dann ein, wenn
die zuständige Behörde von dem Auflagenvorbehalt Gebrauch macht. Da eine
entsprechende Maßnahme der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ist für einen
vorhergehenden Rechtsschutz durch den Verfassungsgerichtshof kein Raum.
Normadressat der Regelung in § 23 Abs. 2 Satz 1 RDG ist nicht die Beschwerdeführerin,
vielmehr der Personenkreis der Rettungssanitäter. Soweit die Beschwerdeführerin eine
Abwanderung qualifizierten Personals aufgrund dieser Regelung befürchtet, handelt es
sich um wirtschaftliche und damit mittelbare Auswirkungen der gesetzlichen Regelung
(vgl. BVerfGE 34, 338, 340). Da § 23 Abs. 2 Satz 1 RDG die Beschwerdeführerin nicht
selbst in eigenen Rechten betreffen kann, ist die Verfassungsbeschwerde auch insoweit
unzulässig.
b) Nach alledem ist die Verfassungsbeschwerde nur zulässig, soweit sich die
Beschwerdeführerin gegen die Regelung in § 5 Abs. 1 RDG wendet. Insoweit scheitert die
Zulässigkeit auch nicht an der Subsidiaritätsklausel des § 49 Abs. 1 Satz 1 VerfGHG, da
sich die beim Bundesverfassungsgericht eingelegte Verfassungsbeschwerde gegen die
in dem um die Zulassung der Beschwerdeführerin zum Rettungsdienst geführten
Verwaltungsstreitverfahren ergangenen Entscheidungen richtet und damit nicht gegen
den Hoheitsakt, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
c) Die Verfassungsbeschwerde ist auch fristgerecht erhoben. Entgegen der Auffassung
der Senatsverwaltung für Inneres ist die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde
nicht abgelaufen. Gemäß § 51 Abs. 2 VerfGHG kann die Verfassungsbeschwerde gegen
eine Rechtsvorschrift nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten der Rechtsvorschrift
erhoben werden. Diese Frist ist gewahrt. Nach § 24 Abs. 1 RDG trat das Gesetz am Tag
nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt in Kraft, somit am 22.Juli 1993.
Gemäß §§ 187 Abs. 2 Satz 1, 188 Abs. 2 BGB endete die Jahresfrist am 21. Juli 1994,
24.00 Uhr. Die Verfassungsbeschwerde ging am 21. Juli l994 beim Kammergericht ein,
am 22. Juli 1994 beim Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin. Da sich der
Verfassungsgerichtshof gemäß § 12 Abs. 1 VerfGHG der Geschäftsstelle und der
Geschäftseinrichtungen des Kammergerichts bedient, genügt der Eingang beim
Kammergericht zur Fristwahrung (vgl. Beschluß vom 17. Februar 1994 - VerfGH 106/93 -
).
2. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie jedoch nicht begründet. § 5
Abs. 1 RDG ist mit der Verfassung von Berlin vereinbar.
a) Art. 11 VvB 1950 (wortgleich mit dem jetzt geltenden Art.17 VvB n. F. vom 23.
November 1995) ist nicht verletzt. Diese Vorschrift gewährleistet ausdrücklich u.a. die
freie Wahl des Berufs. Der Verfassungsgerichtshof hat bisher nicht entschieden, ob
damit auch die Freiheit der Berufsausübung landesverfassungsrechtlich in dem Umfang
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damit auch die Freiheit der Berufsausübung landesverfassungsrechtlich in dem Umfang
geschützt wird, wie dies bundesrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG erfolgt, oder ob die
Berliner Regelung dahinter in dem Sinne zurückbleibt, daß sie nur insoweit vor Eingriffen
in die Berufsausübung schützt, als damit bereits unmittelbare Auswirkungen auf die
Entscheidung über die Berufswahl verbunden sind (vgl. das Urteil vom 31 Mai 1995 -
VerfGH 55/93 - JR 1996, 146). Darauf kommt es indes im vorliegenden Falle nicht an.
Denn selbst bei Annahme eines solchen beschränkten Gewährleistungsbereichs berührt
die Regelung in § 5 RDG den Schutzbereich des Art. 11 VvB 1950 (jetzt Art. 17 VvB n. F.).
Die Verstaatlichung einer Tätigkeit durch Schaffung eines Verwaltungsmonopols stellt für
private Unternehmer die schärfste Form ihrer Beschränkung dar (vgl.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. November 1994 - BVerwG 3 C 17/92 - BVerwGE
97, 79, 84). Auch wenn man die Notfallrettung nicht als eigenständigen Beruf auffaßt,
sondern als einen Teil der Berufsausübung eines Krankentransportunternehmers
versteht, ist hier ein Fall gegeben, in dem eine Berufsausübungsregelung unmittelbare
Auswirkungen auf die Berufswahlentscheidung haben kann.
Der damit gegebene Eingriff in Art.11 VvB 1950 ist indessen zum Schutze überragend
wichtiger Gemeinschaftsgüter gerechtfertigt (vgl. BVerwG, aaO, sowie den zum
Saarländischen Rettungsdienstgesetz ergangenen Beschluß des VerfG vom 18.
November 1985 - 1 BvR 1462/83 -).
Gemäß § 2 Abs. 2 RDG ist es Aufgabe der Notfallrettung, das Leben oder die Gesundheit
von Notfallpatienten zu erhalten, sie transportfähig zu machen und sie unter
fachgerechter Betreuung in eine für die weitere Versorgung geeignete Einrichtung zu
befördern. Notfallpatienten sind Personen, die sich in einem lebensbedrohlichen Zustand
befinden oder bei denen schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten sind, wenn sie
nicht umgehend geeignete medizinische Hilfe erhalten. Dient die Notfallrettung mithin
unmittelbar der Erhaltung höchstrangiger Verfassungsgüter, nämlich Leben und
Gesundheit, kann nicht beanstandet werden, daß der Gesetzgeber die Notfallrettung zur
Ordnungsaufgabe erklärt hat und der staatlichen Feuerwehr zugewiesen hat. Wie der
Staat öffentliche Aufgaben erledigen lassen will, ist im allgemeinen Sache seines freien
Ermessens (BVerfGE 17, 371, 377). Private haben keinen Anspruch, bei der Erfüllung
öffentlicher Aufgaben beteiligt zu werden. Wenn sich der Staat zum Schutze eines
besonders wichtigen Gemeinschaftsguts, nämlich zur Erhaltung des bedrohten
menschlichen Lebens, dazu entschließt, die Notfallrettung zur öffentlichen Aufgabe zu
erklären und primär in die Hände der Feuerwehr zu legen, ohne dem Einzelnen ein
subjektiv-öffentliches Recht auf Beteiligung einzuräumen, so läßt das eine
Überschreitung des gesetzgeberischen Ermessens nicht erkennen (vgl. BVerfG,
Beschluß vom 18. November 1985 - 1 BvR 1462/83 -).
Für einen Formenmißbrauch ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin in
diesem Zusammenhang nichts ersichtlich (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 3. November
1994 BVerwG 3 C 17/92 - aaO, S. 86). Die Feuerwehr fährt nämlich nach wie vor
zahlreiche Einsätze selbst. Den Belangen privater Unternehmer hat der Berliner
Gesetzgeber dadurch hinreichend Rechnung getragen, daß er ihnen und den
Hilfsorganisationen die Durchführung des Krankentransports außerhalb des
Notfallbereichs (§ 2 Abs. 3 RDG) in privatrechtlicher Form überlassen hat (§ 5 Abs. 2 Satz
1 RDG).
b) § 5 Abs. 1 RDG verstößt auch nicht gegen die verfassungsrechtliche
Gleichheitsgarantie, die bei Erlaß des Gesetzes in Art. 6 Abs. 1 VvB 1950 in demselben
Umfang wie nach Art. 3 Abs. 1 GG verbürgt war (vgl. Beschluß vom 17. Februar 1993 -
VerfGH 53/92*-) und jetzt in Art. 10 VvB n. F. geregelt ist. Es ist verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden, daß gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG die sog. Hilfsorganisationen bei
der Übertragung von Aufgaben der Notfallrettung bevorzugt werden, während andere
private Einrichtungen grundsätzlich ausgeschlossen sind und gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3
RDG nur "in besonderen Fällen und soweit Bedarf besteht" herangezogen werden. Es
erscheint allerdings zweifelhaft, ob es zur sachlichen Rechtfertigung einer solchen
Ungleichbehandlung ausreicht, daß die Hilfsorganisationen im Unterschied zu sonstigen
privaten Unternehmen dem Gesetzgeber von vornherein in ihrer Struktur und
Dauerhaftigkeit bekannt waren und sich in der Vergangenheit in der Notfallrettung
bewährt hatten. Entsprechendes gilt auch für die Erwägung, daß im Interesse einer
effizienten Aufgabenerfüllung der Beteiligtenkreis möglichst klein gehalten werden sollte.
Grundsätzlich ist es der Behörde zuzumuten, die Eignung und Zuverlässigkeit auch
privater Einrichtungen zu prüfen und zu überwachen sowie bei einem begrenzten Kreis
von Betreibern ein sachgerechtes Auswahlverfahren einzurichten.
Eine durchgreifende Rechtfertigung für die den Rettungsdiensten eingeräumte
Sonderstellung bei der Beteiligung an der Notfallrettung folgt aber aus dem Anliegen,
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Sonderstellung bei der Beteiligung an der Notfallrettung folgt aber aus dem Anliegen,
daß für den Katastrophenschutz und Zivilschutz große Kapazitäten vorgehalten werden
müssen. Die Hilfsorganisationen sind mit ihrer großen Zahl von ausgebildeten und
geübten Helfern und der entsprechenden Ausrüstung für die Erfüllung dieser Aufgaben
unverzichtbar (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 3. November 1994 - BVerwG 3 C 17/92 -
aaO, S. 87).
Die mit dem Vorhalten der Kapazitäten verbundene wirtschaftliche Belastung wird
gemildert und die gewünschte Geübtheit nur erzielt, wenn Kapazitäten und Helfer auch
außerhalb von Katastrophen eingesetzt werden und ausgelastet sind. Durch die
Einbindung der privaten Krankentransportunternehmen wäre diese Vorsorge für den
Katastrophenfall nicht in gleicher Weise ausreichend zu gewährleisten.
c) Auch Art. 15 Abs. 1 Satz 1 VvB 1950 (jetzt Art. 23 Abs. 1 Satz 1 VvB n F.), der - wie
Art. 14 Abs. 1 GG - das Eigentum gewährleistet, ist nicht verletzt. Zu den hierdurch
geschützten Rechtspositionen gehören alle vermögenswerten Rechte, die die
Rechtsordnung einem privaten Rechtsträger zuordnet. Die Reichweite des Schutzes der
Eigentumsgarantie bemißt sich danach, welche Befugnisse einem Eigentümer zum
Zeitpunkt der gesetzgeberischen Entscheidung konkret zustehen. Da die
Beschwerdeführerin in diesem Zeitpunkt keinen Anspruch darauf hatte, im Bereich der
Notfallrettung tätig zu werden, ist Art. 15 Abs. 1 Satz 1 VvB 1950 nicht berührt.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 33 f. VerfGHG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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