Urteil des VerfGH Berlin vom 14.03.2017

VerfGH Berlin: recht auf arbeit, fristlose kündigung, wohnung, verfassungsbeschwerde, nationale sicherheit, zusammenarbeit, ordentliche kündigung, subjektives recht, gesetzliche frist, willkürverbot

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
53/94
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 6 Abs 1 S 1 Verf BE, Art 12
Verf BE, Art 62 Verf BE
VerfGH Berlin: Abweisung einer Kündigungsschutzklage einer
Lehrerin aufgrund Falschbeantwortung eines
Personalfragebogens bezüglich Abgabe einer
Verpflichtungserklärung für den MfS mit Willkürverbot und
rechtlichem Gehör vereinbar
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde dagegen, daß ihre
Kündigungsschutzklage im arbeitsgerichtlichen Verfahren erfolglos geblieben ist.
Nach Abschluß ihrer Ausbildung als Lehrerin für die Unterstufe der allgemeinbildenden
Schule und als Erzieherin in Heimen und Horten war die Beschwerdeführerin seit Ende
1957 in Berlin K. an verschiedenen Schulen in ihrem Beruf tätig, und zwar zeitweilig auch
als stellvertretende Direktorin. Zwischenzeitlich war sie von August 1981 bis August
1985 Referentin beim Rat des Stadtbezirks P. , Abteilung Volksbildung, und dort
zuständig für die Anleitung der Lehrer und Erzieher im Rahmen der außerunterrichtlichen
Tätigkeit - Führung der Hortarbeit und Arbeitsgemeinschaftstätigkeit sowie aller
außerunterrichtlichen Leistungsvergleiche. Ab August oder September 1985 war sie
sodann an der 12. Oberschule in B. beschäftigt, und zwar bis 31. Juli 1990 als
stellvertretende Direktorin und später als Unterstufenlehrerin. Der von allen
Beschäftigten im November 1990 erneut auszufüllende Personalfragebogen enthält
unter Nr 19 u. a. folgende drei Fragen, die jeweils durch Ankreuzen mit "ja" oder "nein" zu
beantworten und gegebenenfalls mit weiteren Angaben vom Ausfüllenden zu erläutern
waren:
"Sind Sie für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/für das Amt für nationale
Sicherheit oder für eine der Untergliederungen dieser Ämter oder vergleichbare
Institutionen tätig gewesen?
Haben Sie finanzielle Zuwendungen von einer der genannten Stellen erhalten?
Haben Sie eine Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit einer der genannten
Stellen unterschrieben?"
Die Beschwerdeführerin verneinte in ihrem unter dem 7. November 1990
unterschriebenen und abgegebenen Personalfragebogen die genannten drei Fragen
jeweils durch Ankreuzen des Kästchens "nein", ohne eine zusätzliche Erläuterung
anzufügen.
Auf Auskunftsersuchen des Schulamts K. erstattete der Bundesbeauftragte für die
Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen
Republik (sogenannte Gauck-Behörde) einen Überprüfungsbericht und übersandte dabei
die Ablichtung einer von der Beschwerdeführerin am 12. April 1984 handschriftlich
geschriebenen und unterschriebenen Erklärung folgenden Inhalts:
"Erklärung
Hiermit erkläre ich mich bereit, das Ministerium für Staatssicherheit in Form der
Abdeckung und Legendierung der vom MfS im Kreiskabinett für außerunterrichtliche
Tätigkeit genutzten Räumlichkeiten gegenüber dritten Personen, insbesondere den
Mitarbeitern des KKA, zu unterstützen.
Ich verpflichte mich, über die Zusammenarbeit und über die in diesem Zusammenhang
bekannt werdenden Mittel und Methoden das MfS jedermann strengstes Stillschweigen
zu bewahren.
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Mir ist bewußt, daß ich bei bewußter Verletzung der Geheimhaltung strafrechtlich verfolgt
werden kann." ...
In den Akten das MfS betreffend die unter der Bezeichnung "Wandlitz" unterhaltene
konspirative Wohnung befindet sich auch folgende zur Person der Beschwerdeführerin
abgegebene "Beurteilung":
Der IM wurde am 12.04.1984 durch die KD Kopenick für die inoffizielle Zusammenarbeit
geworben. Der IM ist leitungsmäßig für das Objekt -Kreiskabinett für außerunterrichtliche
Tätigkeit der Abt. Volksbildung Köpenick verantwortlich und in diesem Zusammenhang
für die Absicherung der in diesem Objekt eingerichteten konspirativen Wohnung
eingesetzt. In der bisherigen Zusammenarbeit gab es keinerlei Probleme mit der IMK
und sie zeigte eine hohe Bereitwilligkeit unser Organ in ihrer Arbeit zu unterstützen. Die
KW wird durch den IM gegenüber den Mitarbeitern des KKA entsprechend der Legende
zuverlässig abgedeckt und es wurden bisher keine Hinweise auf eine Dekonspiration
bekannt. Der IM zeigt eine aufgeschlossene Haltung und war in der bisherigen
Zusammenarbeit immer ehrlich und kann als zuverlässig eingeschätzt werden."
Nach Eingang dieser Unterlagen wurde die Beschwerdeführerin am 16. Februar 1993 bei
ihrer Dienstbehörde in Gegenwart des zuständigen Bezirksstadtrats angehört. In dem
Sitzungsprotokoll ist u. a. vermerkt:
"- Zu dem Gauck-Bericht erklärte Frau N.:
Sie war 1984 als Referentin für sozialistische Erziehung in der Abteilung Volksbildung
tätig. In ihrem damaligen Dienstgebäude wurden zwei Wohnungen ausgebaut (eine
Wohnung für konspirative Zwecke für das MfS, die zweite für Urlauberaustausch).
1984 erschienen bei ihr zu Hause während einer Krankheit zwei Mitarbeiter des MfS, die
ihr die Bedeutung der konspirativen Wohnung für das MfS erklärten.
Sie erhielt Schlüssel für diese Wohnung, sollte Handwerker hineinlassen und die Möbel
für diese Wohnung annehmen. Der Schlüssel für diese vom MfS genutzte Wohnung lag
bei ihr im Büro im Panzerschrank.
Sie erklärte, daß diese Wohnung hauptsächlich abends und nachts genutzt wurde.
Einmal erhielt sie von Herrn R. (Mitarbeiter des MfS) einen Blumenstrauß zum
Frauentag.
Auf die Frage, warum sie im Personalfragebogen am 07.11.1990 die Frage 19. eine
Falschaussage getätigt hat und die Verpflichtungserklärung nicht angegeben hat,
erklärte sie:
Sie konnte sich nicht mehr erinnern, daß sie eine Verpflichtungserklärung unterschrieben
hat und hat diesen ganzen Vorgang verdrängt.
Später war sie nicht mehr als Referentin für sozialistische Erziehung tätig und hatte mit
dieser Wohnung dann nichts mehr zu tun. Sie habe nie Berichte über Personen
angefertigt und fühle sich nicht Schuldig.
Außer ihr wußte auch Herr H. (Direktor des Kreiskabinetts für außerunterrichtliche
Tätigkeit) über das Vorhandensein des Schlüssels zu dieser Wohnung Bescheid."
Eine unter dem 22. Februar 1993 ausgesprochene fristlose Kündigung des
Arbeitsverhältnisses der Beschwerdeführerin wurde später wegen Fehlers bei der
Personalratsbeteiligung zurückgezogen. Mit zwei im wesentlichen übereinstimmenden
Schreiben des Bezirksamts an die Beschwerdeführerin vom 17. Mai 1993 wurde sodann
nach Zustimmung des Personalrats erneut eine fristlose Kündigung sowie eine
ordentliche Kündigung mit Frist zum 31. Dezember 1993 ausgesprochen. Zur
Begründung wird u. a. ausgeführt: Die Beschwerdeführerin habe in dem Fragebogen,
Textziffer 19, sowohl eine Unterstützungstätigkeit für das MfS als auch die
Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung verschwiegen. Deswegen sei eine
Weiterbeschäftigung und ein Festhalten am Arbeitsverhältnis beim Bezirksamt K.
unzumutbar, weil das Vertrauensverhältnis nicht mehr vorhanden sei.
Die hiergegen rechtzeitig erhobene Kündigungsschutzklage der Beschwerdeführerin
hatte beim Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 13. August 1993 -...-) im vollem Umfang
Erfolg, weil die Kündigungserklärung unklar gefaßt sei, der Klägerin keine eigentliche
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Erfolg, weil die Kündigungserklärung unklar gefaßt sei, der Klägerin keine eigentliche
Tätigkeit für das MfS nachgewiesen werden könne und der fehlerhaft ausgeführte
Personalfragebogen allenfalls eine Abmahnung oder Anfechtung gerechtfertigt hätte.
Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten (Land Berlin) blieb erfolglos, soweit es
sich um die Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 17.
Mai 1993 handelte. Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung vom gleichen Tage änderte
das Landesarbeitsgericht Berlin demgegenüber das angefochtene Urteil und wies die
Klage der Beschwerdeführerin als unbegründet ab (Urteil vom 17. März 1994 - ... -). Zur
Begründung wird im wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin könne zwar keine Tätigkeit für
das frühere MfS und damit keine diesbezügliche Falschangabe im Personalfragebogen
nachgewiesen werden. Ihre handschriftlich gefertigte "Erklärung" vom 12. April 1984 für
das MfS sei aber als Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit im Sinne der
Angaben im Personalfragebogen vom 7. November 1990 anzusehen. Das sei der
Klägerin entgegen ihrer Einlassung im Prozeß auch bei der Ausfüllung des Fragebogens
bewußt gewesen. In Übereinstimmung mit der Grundsatzentscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 26. August 1993 - 8 AZR 561/92 - (NZA 1994, 25 = DtZ
1994, 121) folge aus einer solchen wahrheitswidrigen Versicherung in der Regel die
Ungeeignetheit für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst im Sinne der hier einschlägigen
Kündigungsvorschrift der Anlage I zum Einigungsvertrag, Kapitel XIX Abschn. III Nr. 1 Abs.
4 Nr. 1 ("wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder ... persönlicher Eignung den
Anforderungen nicht entspricht").
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit der am 15. Juni 1994 eingegangenen
Verfassungsbeschwerde gegen dieses ihr am 4. Mai 1994 in vollständiger Fassung
zugestellte Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts Berlin.
Sie trägt zur Begründung im wesentlichen vor: Es verstoße gegen das aus dem
verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgende Willkürverbot, wenn das
Landesarbeitsgericht die handschriftliche Erklärung vom 12. April 1984 als Verpflichtung
zur Zusammenarbeit und nicht lediglich als eine im Dienst abverlangte bloße
Schweigepflichtserklärung angesehen habe. Ihre Einlassung, daß sie den Fragebogen
nicht anders verstanden habe und bei seiner Ausfüllung auch die handschriftlich
abgegebene Erklärung nicht mehr in Erinnerung gehabt habe, hätte das Gericht nicht
einfach als Schutzbehauptung unberücksichtigt lassen dürfen. Es verstoße gegen den
verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz rechtlichen Gehörs, daß das
Landesarbeitsgericht nicht den von ihr als Zeugen benannten Schulleiter P. dazu gehört
habe, daß sie ihm noch am Tage vor der Anhörung vom 16. Februar 1993 gesagt habe,
daß sie ja eigentlich keine Befürchtung zu haben brauche, da sie ja nichts
unterschrieben hätte. Ferner hätte das Gericht auch auf das schriftsätzliche
Beweisangebot, "daß es sehr wohl möglich und nicht auszuschließen ist, daß sich die
Klägerin bei Ausfüllung des Fragebogens tatsächlich nicht an ihre frühere
Verpflichtungserklärung erinnert hat", die Einholung eines psychologischen
Sachverständigengutachtens anordnen müssen. Die Beschwerdeführerin rügt ferner,
daß durch die angegriffene Entscheidung auch das im Art 12 der Berliner Verfassung
verbürgte Recht auf Arbeit, das auch einen Bestandsschutz für bestehende
Arbeitsverhältnisse betreffe, verletzt sei.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Akten des vorangegangenen arbeitsgerichtlichen
Verfahrens (... Arbeitsgericht Berlin/... Landesarbeitsgericht Berlin) beigezogen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerdeführerin hat die gesetzliche Frist für die Einlegung der
Verfassungsbeschwerde (§ 51 Abs. 1 VerfGHG) gewahrt. Sie wendet sich gegen eine
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin, also einen gemäß § 49 Abs. 1 VerfGHG
grundsätzlich der Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof auf eine
Verfassungsbeschwerde unterliegenden Akt der öffentlichen Gewalt des Landes Berlin.
Diese Prüfungskompetenz besteht grundsätzlich auch dann, wenn - wie im vorliegenden
Fall - die angegriffene gerichtliche Entscheidung auf der Anwendung von Bundesrecht
beruht. Die in der Verfassung von Berlin gewährleisteten Grundrechte sind auch in
diesem Bereich in Grenzen der Art. 142, 31 GG, nämlich soweit sie in Übereinstimmung
mit Grundrechten des Grundgesetzes stehen, von der rechtsprechenden Gewalt des
Landes Berlin zu beachten und damit dem Schutz durch den Verfassungsgerichtshof
das Landes Berlin anvertraut (vgl Beschluß vom 23. Dezember 1992 - VerfGH 38/92 =
NJW 1993, 513; Beschluß vom 2. Dezember 1993 - VerfGH 89/93 = NJW 1994, 536).
Auch die Zulässigkeitsvoraussetzung der Rechtswegerschöpfung (§ 49 Abs. 2 Satz 1
VerfGHG) ist erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hatte in der angegriffenen Entscheidung
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VerfGHG) ist erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hatte in der angegriffenen Entscheidung
die Revision nicht zugelassen, und die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde
gemäß § 72 a ArbGG kam hier nicht in Betracht. Unter diesen Umständen ist die
Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Voraussetzung für die
Rechtswegerschöpfung unzumutbar (Urteil vom 19. Oktober 1992 - VerfGH 24/92 =
NVwZ 1993, 1093 = JR 1993, 338).
2. Zur Zulässigkeit ist gemäß § 50 VerfGHG ferner erforderlich, daß in der Begründung
der Verfassungsbeschwerde das Recht, das durch eine Handlung der öffentlichen Gewalt
verletzt sein soll, bezeichnet wird. Das erfordert die konkrete und hinreichend deutliche
Darlegung der Möglichkeit, daß der Beschwerdeführer durch beanstandete Maßnahme in
einem seiner in der Verfassung von Berlin gewährleisteten subjektiven Rechte verletzt
sein könnte (vgl. Beschluß vom 13. Oktober 1993 - VerfGH 43/93 -). Dieses Erfordernis
ist nicht erfüllt, soweit die Beschwerdeführerin einen angeblichen Verstoß gegen Art. 12
VvB (Verletzung des Rechts auf Arbeit) geltend macht. Diese Verfassungsbestimmung
gewährt weder im Verhältnis zum Staat noch gar im Verhältnis zu dritten Personen ein
subjektives Recht auf Arbeit, sondern enthält lediglich einen Programmsatz (Beschluß
vom 11. August 1993 - VerfGH 64/93 -; vgl. auch Pfennig/Neumann, Verfassung von
Berlin, 2. Aufl., Art. 12 Rdnr. 1 m.w.N.). Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob und unter
welchen Voraussetzungen sich auch aus verfassungsrechtlichen Programmsätzen
ausnahmsweise Rechtspositionen ergeben mögen, welche mit einer
Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden können, denn die Beschwerdeführerin
trägt nichts vor, was im vorliegenden Falle eine derartige Annahme nachvollziehbar
stützen könnte.
3. Das von der Beschwerdeführerin als verletzt geregte Verfahrensgrundrecht
rechtlichen Gehörs ist in der Verfassung von Berlin über Art. 62 VvB im gleichen Umfang
wie bundesrechtlich nach Art. 103 Abs. 1 GG grundrechtlich verbürgt und unterliegt
damit der Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof (vgl. Beschluß vom 15. Juni 1993 -
VerfGH 18/92 = JR 1993, 519). Zu einem rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren und damit
zum Schutzbereich dieses Grundrechts gehört auch, daß das Beweisvorbringen einer
Partei vom Gericht berücksichtigt, d. h. zur Kenntnis genommen und in Erwägung
gezogen werden muß (vgl Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz, Art. 103 Rdnr. 553
mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Zu diesem
Prüfungsmaßstab hat die Beschwerdeführerin die konkrete Möglichkeit einer
Rechtsverletzung hinreichend dargetan, so daß die Verfassungsbeschwerde insoweit
zulässig ist. Entsprechendes gilt auch für die Rüge eines Verstoßes gegen den
verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in seiner Ausprägung als sog.
Willkürverbot. Diese in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 VvB im gleichen Sinne wie bundesrechtlich in
Art. 3 Abs. 1 GG enthaltene Verbürgung eröffnet die verfassungsgerichtliche Kontrolle,
ob eine gerichtliche Entscheidung etwa bei verständiger Würdigung der die Verfassung
beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß
aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (Beschluß vom 17. Februar
1993 - VerfGH 53/92 -).
Die vorgenannten verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstäbe eröffnen jedoch für den
Verfassungsgerichtshof nicht die Möglichkeit einer umfassenden rechtlichen
Nachprüfung, etwa nach Art eines Revisionsgerichts. Die Gestaltung des Verfahrens, die
Feststellung und Würdigung des Tatbestands, die Auslegung des einfachen Rechts und
seine Anwendung auf den Einzelfall sind Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte
und insoweit der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogen (vgl.
Beschluß vom 30. Juni 1992 - VerfGH 9/92 -).
4. Die angegriffene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin läßt in Anwendung
der vorgenannten Prüfungsmaßstäbe keinen Verfassungsverstoß zu Lasten der
Beschwerdeführerin erkennen.
Daß der Arbeitgeber rechtlich nicht gehindert war, die Beantwortung der in Nr. 19 des
Personalfragebogens gestellten Fragen zu verlangen, hat das Landesarbeitsgericht in
Übereinstimmung mit der zitierten Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts
angenommen und wird auch von der Beschwerdeführerin insoweit nicht in Zweifel
gezogen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist es nachvollziehbar und
verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot, wenn das
Landesarbeitsgericht die von der Beschwerdeführerin am 12. April 1984 gegenüber
Angehörigen des ehemaligen MfS abgegebene handschriftliche Erklärung als
"Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit" im Sinne der Frage Nr. 19 des
Personalfragebogens qualifiziert und die Beantwortung durch die Beschwerdeführerin
damit als objektiv unrichtig angesehen hat. Es kann aus verfassungsrechtlicher Sicht
auch nicht beanstandet werden, daß das Landesarbeitsgericht in Würdigung der
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auch nicht beanstandet werden, daß das Landesarbeitsgericht in Würdigung der
Gesamtumstände zu der Überzeugung gelangt ist, daß die Beschwerdeführerin sich bei
Ausfüllung des Personalfragebogens am 7. November 1990 noch die Abgabe der
handschriftlichen Erklärung vom 12. April 1984 gegenüber dem ehemaligen MfS bewußt
gewesen sei und daß sie den Personalfragebogen damit bewußt unrichtig ausgefüllt
habe. Die die Persönlichkeit und den Werdegang der Beschwerdeführerin einbeziehende
Würdigung, daß sich die Tatsache der Abgabe einer handschriftlichen
Verpflichtungserklärung so stark eingeprägt haben müsse, daß es ausgeschlossen sei,
die Vorgänge schon nach etwa 6 1/2 Jahren vergessen haben zu können, ist
nachvollziehbar und verletzt nicht die Grundsätze des verfassungsrechtlichen
Willkürverbots. Daß es für die Feststellung subjektiver Tatsachen auf die Würdigung
äußerer Indiztatsachen ankommt und daß damit auch der von der nicht
beweispflichtigen Beschwerdeführerin angetretene Gegenbeweis solche Indiztatsachen
treffen kann, hat das Landesarbeitsgericht nicht verkannt. Die von der
Beschwerdeführerin zur Stützung ihrer Rügen angeführten Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts in NJW 1990, 3259 Nr. 2 und NJW 1993, 2165 betreffen
gerade Fälle, in denen das Fachgericht grob verfahrenswidrig subjektive Tatsachen
überhaupt einer Beweiserhebung für unzugänglich erachtet hatte; sie sind daher hier
nicht einschlägig. Daß das Landesarbeitsgericht den schon erstinstanzlich von der
Beschwerdeführerin als Zeugen benannten Schulleiter P. nicht gehört hat, weil es die in
dessen Wissen gestellte Äußerung der Beschwerdeführerin als wahr unterstellen konnte,
kann mit den Fällen einer auch aus Verfassungsgründen unzulässigen Vorwegnahme der
Beweiswürdigung (vgl. etwa Bundesverfassungsgericht, NJW 1993, 254) nicht
gleichgestellt werden. Das Gericht hat die in das Wissen des Zeugen gestellte Äußerung
gerade als erwiesen unterstellt und lediglich ihre Erheblichkeit als gegenbeweisliche
Indiztatsache verneint. Diese Würdigung, wonach die Klägerin im Gespräch gegenüber
einem Kollegen durchaus auch aus verschiedenen Gründen bewußt die Unwahrheit
gesagt haben könnte, ist jedenfalls nachvollziehbar. Das Fachgericht hat in diesem
Zusammenhang den verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen einer alleinigen
Beurteilungskompetenz nicht überschritten. Soweit die Beschwerdeführerin in der
Begründung ihrer Verfassungsbeschwerde weiter geltend macht, das
Landesarbeitsgericht hätte den Zeugen schon deshalb vernehmen müssen, weil der
Zeuge im Zusammenhang mit seinen Wahrnehmungen auch einen "Eindruck von der
Glaubhaftigkeit der Selbstdarstellung" der Beschwerdeführerin geschildert hätte,
verkennt sie, daß der Zeuge nicht zu diesem Beweisthema benannt wurde, so daß
schon deshalb kein Verfassungsverstoß aus dem Gesichtspunkt rechtlichen Gehörs
vorliegt.
Daß das Landesarbeitsgericht kein psychologisches Sachverständigengutachten
eingeholt hat zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteuerung der
Beschwerdeführerin, sie habe sich bei Ausfüllung des Fragebogens tatsächlich nicht an
ihre frühere Verpflichtungserklärung erinnert, läßt ebenfalls keinen Verfahrensverstoß
verfassungsrechtlicher Relevanz erkennen. Die Beschwerdeführerin macht selbst nicht
geltend, daß irgendwelche Anhaltspunkte für konkrete körperliche oder seelische
Beeinträchtigungen mit der Folge von Gedächtnisstörungen bei ihr bestanden hätten.
Wenn das Gericht bei dieser Sachlage angenommen hat, die Gesamtwürdigung ohne die
Zuziehung des Fachwissens eines Psychologen schon unter Einsatz der eigenen
allgemeinen Lebenserfahrung zuverlässig vornehmen zu können, so liegt darin keine
willkürliche oder sonst verfassungsrechtlich bedenkliche Verfahrensgestaltung.
Daß die Beschwerdeführerin vor Ausfüllung des Personalfragebogens, wie unstreitig ist,
Zeit zum Überlegen hatte, hat das Landesarbeitsgericht nach den Umständen lediglich
dafür angeführt, daß eine diesbezügliche konkrete Fehlerquelle für etwaige
Erinnerungsstörungen nicht vorliege. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin
kann darin kein Verstoß gegen das Willkürverbot gesehen werden.
Auch im übrigen weist die angegriffene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts keinen
Verstoß gegen die genannten Verfassungsgrundsätze auf. Das gilt sowohl für die
rechtliche Beurteilung, wonach die auf "Tätigkeit" für das MfS gestützte
Kündigungserklärung des Landes Berlin auch den Gesichtspunkt der Falschausfüllung
zum Punkt "Verpflichtungserklärung" umfasse, als auch zur rechtlichen Subsumtion
unter den unbestimmten Rechtsbegriff fehlender persönlicher Eignung für die
Anforderungen im öffentlichen Dienst. Die Würdigung durch das Landesarbeitsgericht auf
der Grundlage der von ihm zitierten Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts
hat der Verfassungsgerichtshof nicht nach Maßgabe der Grundsätze als Revisionsgericht
nachzuprüfen. Er hat insbesondere nicht dazu Stellung zu nehmen, ob eine andere
Würdigung in Fällen dieser Art möglich oder gar näherliegend wäre. Jedenfalls die von der
Verfassung im Rahmen des objektiven Willkürverbots vorgegebenen Grenzen sind von
dem Fachgericht hier zweifelsfrei nicht verletzt worden, so daß dem
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dem Fachgericht hier zweifelsfrei nicht verletzt worden, so daß dem
Verfassungsgerichtshof ein Eingreifen verwehrt ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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