Urteil des VerfG Nordrhein-Westfalen vom 23.03.2010

VerfG Nordrhein-Westfalen: kommunaler beamter, gesetzgebungsverfahren, anpassung, vertreter, verfügung, verwaltung, transparenzgebot, beamtenrecht, ausschuss, gesundheit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
5
Aktenzeichen:
Verfassungsgerichtshof NRW, VerfGH 29/08
23.03.2010
Verfassungsgerichtshof NRW
Verfassungsgerichtshof für das Land NRW
Urteil
VerfGH 29/08
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
G r ü n d e :
A.
Die Beschwerdeführer, die beiden Landschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen, wenden
sich gegen einzelne Bestimmungen im Zusammenhang mit der Übertragung der bisher den
Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben der Kriegsopferfürsorge, des sozialen
Entschädigungsrechts einschließlich der Kriegsopferversorgung sowie nach dem Gesetz
über den Bergmannversorgungsschein durch das Zweite Gesetz zur Straffung der
Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30. Oktober 2007 − Straffungsgesetz −
(GV. NRW. S. 481 ff.). Sie halten dieses Gesetz insoweit für unvereinbar mit dem Recht der
gemeindlichen Selbstverwaltung, als es die Überleitung von Beamten und den
Belastungsausgleich nach den Vorgaben des Konnexitätsprinzips betrifft. Zudem
beanstanden sie, im Gesetzgebungsverfahren sei gegen verfassungsrechtlich garantierte
prozedurale Vorgaben verstoßen und damit zugleich der Anspruch der Beschwerdeführer
auf gemeindefreundliches Verhalten verletzt worden.
I.
1.
Modernisierungsgesetz vom 9. Mai 2000 (GV. NRW. S. 462) zum 1. Januar 2001 in die
allgemeine staatliche Verwaltung eingegliedert worden. In seiner Entscheidung vom
6. April 2006 − II C – 2006 – 25 - 1 −, stellte der Landesrechnungshof die Ergebnisse einer
Untersuchung des Einsparpotentials in der Versorgungsverwaltung vor; dabei hinterfragte
er die Notwendigkeit von 11 Versorgungsämtern und prüfte, ob und ggf. welche
Synergieeffekte sich durch eine Zusammenführung der Versorgungsämter mit der
Abteilung 10 der Bezirksregierung Münster ergäben. Mit Kabinettbeschluss vom 2. Mai
2006 beschloss die Landesregierung, die Versorgungsämter aufzulösen. Die
Landesregierung informierte den Landtag im März 2007 über ihren in der
Verbändeanhörung befindlichen Gesetzentwurf zur Reform der Versorgungsverwaltung
(LT-Vorlage 14/989). Danach sollten die staatlichen Versorgungsämter zum 1. Januar 2008
aufgelöst und ihre Aufgaben weitgehend kommunalisiert werden. Die Beamten der
Versorgungsämter, die mit den auf kommunale Körperschaften übergehenden Aufgaben
betraut waren, sollten zum selben Zeitpunkt auf die jeweiligen Kommunen übergehen.
Schließlich enthielt der Gesetzentwurf Bestimmungen über einen Belastungsausgleich, der
den Kreisen und kreisfreien Städten sowie den Landschaftsverbänden für die
6
7
8
übernommenen Aufgaben gewährt werden sollte.
Das Große Kollegium des Landesrechnungshofs legte dem Landtag am 30. März 2007
einen Beratungsbericht gemäß § 88 Abs. 2 LHO NRW zur Organisation und zum
Personalbedarf der Versorgungsverwaltung vor (LT-Vorl. 14/1028). Darin hieß es, der
Landesrechnungshof habe in seiner Entscheidung vom 6. April 2006 nicht die Möglichkeit
bzw. die Auswirkungen einer Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung untersucht.
Gleichwohl gehe er davon aus, dass künftig bei der Bewertung, ob die
Versorgungsverwaltung kommunalisiert werden solle, die finanziellen Ergebnisse dieser
Entscheidung zu Grunde gelegt würden. Der Rechnungshof habe Zweifel, ob die bei einer
Zentralisierung der Versorgungsverwaltung bestehenden Einsparpotentiale auch bei einer
Kommunalisierung erreicht werden könnten. Möglicherweise sei der vom Land an die
Kommunen zu zahlende Belastungsausgleich unter verschiedenen Gesichtspunkten im
Gesetzentwurf zu hoch angesetzt worden.
Am 12. März 2007 fand zu dem Gesetzentwurf ein politisches Gespräch des
Innenministeriums, des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie des
Finanzministeriums mit den Hauptgeschäftsführern der kommunalen Spitzenverbände statt.
Unmittelbar anschließend wurde die förmliche Beteiligung der kommunalen
Spitzenverbände nach § 7 Abs. 1 Konnexitätsausführungsgesetz − KonnexAG NRW −
eingeleitet. Nach einem weiteren politischen Gespräch am 30. März 2007 gaben die
kommunalen Spitzenverbände am 5. April 2007 ihre Stellungnahmen ab und wurden am
19. April 2007 ergänzend angehört. Am 26. April 2007 fand ein Konsensgespräch gemäß
§ 7 Abs. 4 KonnexAG NRW statt.
2.
Landtag eingebracht. Nach der ersten Lesung führten der Ausschuss für Kommunalpolitik
und Verwaltungsstrukturreform sowie der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales in
einer gemeinsamen Sitzung am 6. September 2007 eine öffentliche Anhörung durch. Es
äußerten sich unter anderem Vertreter der kommunalen Spitzenverbände,
Rechtswissenschaftler, Behörden- und Verbandsvertreter sowie ein Vertreter des
Landesrechnungshofs. Der zuletzt Genannte führte aus, den Bedenken des
Landesrechnungshofs hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Aufgabenübertragung und des
an die Kommunen zu zahlenden Belastungsausgleichs habe der überarbeitete
Gesetzentwurf Rechnung getragen (Ausschussprotokoll 14/483, S. 21 f., sowie LT-
Stellungnahme 14/1408). Demgegenüber äußerten die Vertreter der kommunalen
Spitzenverbände und der Landschaftsverbände übereinstimmend die Auffassung, der
Regierungsentwurf stelle den kommunalen Aufgabenträgern die notwendigen Ressourcen
nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung; die Kostenfolgeabschätzung sei überdies in
zentralen Punkten nicht nachvollziehbar. Sie forderten eine wesentliche Nachbesserung
des Belastungsausgleichs, machten verfassungsrechtliche Bedenken gegen die
Regelungen zum Personalübergang geltend, und beanstandeten, dass der Gesetzentwurf
dem Landtag ohne eine abschließende Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände
zugeleitet worden sei (Ausschussprotokoll 14/483, S. 6 bis 13 und 38 bis 42 sowie LT-
Stellungnahmen 14/1414 und 14/1428). Zudem machten die Vertreter der
Landschaftsverbände darauf aufmerksam, dass sie wegen der absehbar zurückgehenden
Fallzahlen im Kriegsopferentschädigungsrecht trotz der vorgesehenen
Personalrückführung auf den optimierten Stellenbedarf mehr Personal erhalten würden, als
langfristig benötigt werde (Ausschussprotokoll 14/483, S. 12 f., 41 f.). Der ihnen
übertragene Bereich der Kriegsopferversorgung ist bereits nach Annahme der
Gesetzesbegründung von geringen und stark rückläufigen Fallzahlen geprägt, während der
9
10
11
12
13
14
Bereich des sozialen Entschädigungsrechts als besonders komplex bei vergleichsweise
geringen Fallzahlen gilt.
Zur abschließenden Sitzung des Ausschusses für Kommunalpolitik und
Verwaltungsstrukturreform im Oktober 2007 wurde ein Änderungsantrag mit geringfügigen
Änderungen am Gesetzentwurf eingebracht. Am Ende der Beratungen sprach sich der
Ausschuss mehrheitlich dafür aus, den Gesetzentwurf in der Fassung des
Änderungsantrags anzunehmen (Beschlussempfehlung und Bericht, LT-Drs. 14/5208).
Am 24. Oktober 2007 verabschiedete der Landtag in zweiter Lesung das Straffungsgesetz
(Plenarprotokoll 14/71), das am 20. November 2007 verkündet wurde (GV. NRW. S. 482)
und am Tag nach der Verkündung in Kraft trat.
3. a)
Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen −
Eingliederungsgesetz −. Dieses sieht in seinem § 1 vor, die den Versorgungsämtern
übertragenen Aufgaben den Kreisen und kreisfreien Städten, den Landschaftsverbänden
und den Bezirksregierungen zu übertragen sowie die Versorgungsämter mit Ablauf des
31. Dezember 2007 aufzulösen. Im Einzelnen werden die Aufgabenbereiche des
Schwerbehindertenrechts (§ 2) sowie des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (§ 5)
mit Wirkung vom 1. Januar 2008 auf die Kreise und kreisfreien Städte übertragen. Die
Bereiche der Kriegsopferfürsorge (§ 3) und des Sozialen Entschädigungsrechts (§ 4) gehen
zum gleichen Zeitpunkt auf die Landschaftsverbände über, auf den Landschaftsverband
Westfalen-Lippe als landesweite Zuständigkeit zusätzlich die Aufgaben nach dem Gesetz
über den Bergmannversorgungsschein (§ 8 Abs. 2). Die restlichen Zuständigkeiten der
Versorgungsämter werden − teilweise als landesweite Zuständigkeit − den
Bezirksregierungen übertragen.
b)
Eingliederungsgesetz bestimmt den Übergang der Beamten, die bei den
Versorgungsämtern mit den übergehenden Aufgaben betraut waren, zum 1. Januar 2008
kraft Gesetzes nach Maßgabe der Absätze 3 und 4 und der §§ 11 bis 21 auf die dort jeweils
genannten kommunalen Körperschaften. Ebenso ist die Überleitung der nicht unmittelbar
mit den übergehenden Aufgaben betrauten Beamten vorgesehen (§ 9 Abs. 1 Satz 4). Nach
den Absätzen 3 und 4 bereitet das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales den
Personalübergang auf der Grundlage eines Zuordnungsplans vor. Dieser Plan ist unter
Berücksichtigung sozialer Kriterien und dienstlicher Belange sowie unter angemessener
Mitwirkung der neuen Aufgabenträger zu erstellen (Abs. 3). Soweit Beamte auf kommunale
Körperschaften übergehen, sind zwischen dem Land und den aufnehmenden
Körperschaften für jedes Versorgungsamt Personalüberleitungsverträge abzuschließen
(Abs. 4).
Entsprechende Regelungen enthält § 10 Eingliederungsgesetz für die Überleitung der
Tarifbeschäftigten mit dem wesentlichen Unterschied, dass diese den kommunalen
Körperschaften kraft Gesetzes im Wege der Personalgestellung zur
Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt werden. Einzelheiten der
Personalgestellung sind in für jedes Versorgungsamt zu schließenden
Personalgestellungsverträgen zu regeln (Abs. 6).
Die §§ 11 bis 21 Eingliederungsgesetz regeln für den Bereich jedes Versorgungsamts den
Übergang der Beamten und Tarifbeschäftigen, soweit es für die Aufgabenerfüllung
erforderlich ist, entsprechend den von ihnen wahrgenommenen Aufgaben anteilig auf
15
16
17
18
19
20
bestimmte Kreise und kreisfreie Städte, Landschaftsverbände und Bezirksregierungen.
c)
enthalten. Kern dieser Regelungen ist der in § 23 vorgesehene Belastungsausgleich, der
den kommunalen Aufgabenträgern neben Sach- und Dienstleistungen gemäß § 24 für die
wesentlichen übernommenen Aufgaben gewährt wird.
Nach § 23 Abs. 2 Eingliederungsgesetz umfasst der finanzielle Ausgleich den
Personalaufwand für die übergeleiteten Beamten einschließlich der gesetzlichen
Leistungen des Dienstherrn mit Ausnahme der Versorgungsanwartschaften und der
Versorgungsleistungen. Dabei errechnet sich der Personalaufwand durch Multiplikation der
einzelnen Planstellen der übergeleiteten Beamten mit den Jahresdurchschnittskosten pro
Planstelle in Höhe von 35.000 Euro. Die Versor-gungsleistungen für die übergeleiteten
Beamten einschließlich der Beihilfeaufwendungen trägt das Land unmittelbar (§ 23 Abs. 9
Eingliederungsgesetz). Für die Tarifbeschäftigten ist kein Ausgleich vorgesehen, weil das
Land insoweit die gesamten Personalkosten leistet.
Als Ausgleich für den allgemeinen Sachaufwand ist nach § 23 Abs. 3 Satz 1
Eingliederungsgesetz ein pauschaler Zuschlag in Höhe von 10 % auf die fiktiven gesamten
Personalkosten vorgesehen. Berechnungsgrundlage ist die Zahl der nach der
Kostenfolgeabschätzung (Anlage 1 zum Straffungsgesetz) notwendigen Beschäftigten,
wobei der Jahresdurchschnittswert für Beamte von 35.000 Euro, für gestellte
Tarifbeschäftigte von 46.500 Euro und für im Wege des Nachersatzes betraute Beschäftigte
von 46.000 Euro anzusetzen ist. Zur Ermittlung der Jahresdurchschnittskosten sind die
veranschlagten Personalausgaben des Haushaltsansatzes für 2007 zu Grunde gelegt
worden; die in der Kostenfolgeabschätzung genannten Zahlen der jeweils notwendigen
Beschäftigten orientieren sich ausgehend vom im Jahr 2007 vorhandenen
Personalbestand von 1.500 Stellen schrittweise abnehmend an dem im Jahr 2014 zu
erreichenden optimierten Stellenbedarf von 1.348 Stellen zuzüglich der 19,5 Stellen der mit
der Widerspruchs- und Klagebearbeitung im Sozialen Entschädigungsrecht befassten
Beschäftigten, die gemäß § 22 Eingliederungsgesetz auf die Landschaftsverbände
übergehen. Daneben können nach § 23 Abs. 3 Satz 2 Eingliederungsgesetz die den
einzelnen Büroarbeitsplätzen der Beschäftigten der Versorgungsämter zugehörigen
Ausstattungsgegenstände einvernehmlich und unentgeltlich auf die jeweiligen neuen
Aufgabenträger übertragen werden.
Nur für die Jahre 2008 und 2009 ist in § 23 Abs. 4 Eingliederungsgesetz zur Abgeltung
aufgabenspezifischer Besonderheiten sowie des Umstellungsaufwandes ein weiterer
Zuschlag von 10 % auf den nach den Absätzen 2 und 3 ermittelten Personalaufwand
vorgesehen.
§ 23 Abs. 5 Eingliederungsgesetz bestimmt die von 2008 bis 2014 geringer werdende und
anschließend gleich bleibende Gesamthöhe des auf diese Weise ermittelten finanziellen
Ausgleichs wie folgt:
1. In den Jahren 2008 und 2009: 32.230.378 Euro
2. Im Jahr 2010: 26.081.906 Euro
3. Im Jahr 2011: 25.591.154 Euro
4. Im Jahr 2012: 25.100.402 Euro
5. Im Jahr 2013: 24.609.650 Euro
6. Ab dem Jahr 2014: 24.118.898 Euro.
21
22
23
24
25
26
27
28
29
Für den Fall, dass sich auf Grund der tatsächlichen Zuordnung der Beamten zu den
kommunalen Körperschaften Mehr- oder Minderbelastungen ergeben, ist eine Anpassung
im Verordnungsweg vorgesehen (§ 23 Abs. 5 Satz 3 Eingliederungsgesetz). Die Verteilung
dieser Gesamtbeträge auf die unterschiedlichen Aufgabenbereiche und kommunalen
Körperschaften ergibt sich aus der Kostenfolgeabschätzung (§ 23 Abs. 5 Satz 2
Eingliederungsgesetz) und dem in Anlage 2 zum Straffungsgesetz aufgeführten
Verteilschlüssel (§ 23 Abs. 6 Einglie-derungsgesetz).
§ 23 Abs. 7 Eingliederungsgesetz betrifft den Nachersatz für ausgeschiedene Beschäftigte,
zu dem die kommunalen Aufgabenträger berechtigt sind, soweit der vorhandene
Personalbestand den optimierten Bedarf unterschreitet und das Land keine entsprechende
Ersatzgestellung vornimmt.
Einzelheiten des finanziellen Ausgleichs nach § 23 Abs. 2 bis 9 Eingliederungsgesetz
können gemäß § 23 Abs. 10 des Gesetzes durch Rechtsverordnung geregelt werden.
Nach § 24 Eingliederungsgesetz gewährt das Land den kommunalen Körperschaften die
kostenlose Nutzung des bisher beim Land eingesetzten IT-Verfahrens, das auf Kosten des
Landes betrieben, gepflegt und weiterentwickelt wird. Allerdings haben die Kreise und
kreisfreien Städte die Anbindung an das Landesverwaltungsnetz in eigener Zuständigkeit
sicherzustellen.
§ 25 Eingliederungsgesetz schließlich sieht eine Auswertung des Belastungsausgleichs
sowie eine Anpassung vor, wenn sich herausstellt, dass die Annahmen der
Kostenprognose unzutreffend waren und der Ausgleich grob unangemessen ist.
Ergänzend zu diesen Bestimmungen wurde den neuen Aufgabenträgern nach
haushaltsrechtlichen Regelungen eine fachbezogene Pauschale in Höhe von insgesamt
32.045.000 Euro zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts sowie für Prozess- und
Gerichtskosten zur Verfügung gestellt. Die Summe wurde nachträglich um 1.325.800 Euro
erhöht, weil die kommunalen Aufgabenträger anders als zuvor das Land nicht von
Gerichtsgebühren befreit sind.
Mit Verordnung vom 13. Februar 2008 (GV. NRW. 190) wurden weitere Einzelheiten des
Belastungsausgleichs näher bestimmt. An ihre Stelle trat später die Verordnung vom
4. November 2008 (GV. NRW. S. 670) – AusgleichsVO −, mit der die Gesamthöhe des im
Jahr 2008 zu zahlenden Ausgleichs nach § 23 Abs. 5 Eingliederungsgesetz auf
33.531.513,50 Euro angepasst und in konkreten Beträgen auf die neuen Aufgabenträger
verteilt wurde. Die Gesamthöhe des für das Jahr 2009 zu gewährenden Ausgleichs wurde
mit Änderungsverordnung vom 5. November 2009 (GV. NRW. S. 553) auf 34.382.247,59
Euro angepasst. Für die Jahre 2008 und 2009 ist vorgesehen, zur Vermeidung einer
groben Unbilligkeit die Berechnung des Ausgleichs auf der Basis der am 1. Januar 2008
tatsächlich übergeleiteten Beamten und gestellten Tarifbeschäftigten vorzunehmen. Bei
Unterschreiten der im Verteilungsschlüssel in Anlage 2 Straffungsgesetz vorgesehenen
Gesamtzahl der jeweils zu stellenden Beschäftigen aus vom Land zu vertretenden Gründen
soll insoweit die Jahreskostenpauschale für Nachersatz zu Grunde gelegt werden (§ 4
AusgleichsVO).
II.
1.
Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Rechts der Selbstverwaltung, insbesondere ihrer
30
31
32
33
34
35
Personal- und Organisationshoheit, des Konnexitätsprinzips gemäß Art. 78 Abs. 3 LV NRW
und ihres Anspruchs gegen das Land auf gemeindefreundliches Verhalten geltend.
Sie beantragen
festzustellen, dass das Zweite Gesetz zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-
Westfalen vom 30. Oktober 2007 (GVBl. NRW. S. 481 ff.) insoweit mit den Vorschriften der
Landesverfassung über das Recht der Selbstverwaltung unvereinbar ist, als
die beamtenrechtlichen Überleitungsvorschriften unter Verstoß gegen die legislative
Kompetenzordnung erlassen worden sind und damit die verfassungsrechtlich garantierte
Personal- und Organisationshoheit verletzen,
der für die Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung vorgesehene
Belastungsausgleich die Vorgaben des Konnexitätsprinzips gemäß Art. 78 Abs. 3 LV NRW
missachtet und
im Gesetzgebungsverfahren gegen die verfassungsrechtlich garantierten prozeduralen
Vorgaben des Art. 78 Abs. 3 Satz 5 LV NRW i. V. m. §§ 7 und 8 KonnexAG NRW verstoßen
und damit zugleich der Anspruch der Beschwerdeführer auf gemeindefreundliches
Verhalten verletzt worden ist.
Zur Begründung tragen die Beschwerdeführer vor:
a)
die Befugnis zur Auswahl, Anstellung, Beförderung und Entlassung ihres Personals. Das
Straffungsgesetz greife unzulässigerweise in diese Hoheiten ein, weil es hinsichtlich der
Regelungen zur Überleitung der Beamten kompetenzwidrig vom Landesgesetzgeber
erlassen worden sei. Das Recht des Dienstherrenwechsels bei der Umbildung von
Körperschaften sei Bestandteil der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des
Bundes für Statusrechte und pflichten der Beamten gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG. Von
dieser Kompetenz habe der Bund durch die Anordnung der Fortgeltung der §§ 128 ff.
BRRG Gebrauch gemacht, was einer Regelungskompetenz des Landes entgegenstehe.
Selbst wenn die Überleitung von Beamten innerhalb eines Landes nicht unter die
Bundeskompetenz für Statusrechte fallen sollte, ergäbe sich nichts anderes. Dann könnten
die §§ 128 ff. BRRG gemäß Art. 125 a Satz 2 GG lediglich durch Landesrecht ersetzt
werden. Eine nur teilweise Änderung bei Fortbestand der bundesrechtlichen Regelung
stelle keine Ersetzung in diesem Sinne dar. Die §§ 128 ff. BRRG stellten zwar einen an
sich durch Landesrecht ersetzbaren abgrenzbaren Teilbereich dar, würden aber nicht
vollständig ersetzt, sondern lediglich teilweise bereichsspezifisch abgeändert.
b)
landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzips. Dieses verlange einen
finanzkraftunabhängigen vollständigen Ausgleich aller notwendigen durchschnittlichen
Aufwendungen, die durch wesentliche Belastungen bei Aufgabenübertragungen
entstünden. Das Ausgleichserfordernis bestehe danach immer dann, wenn in
nennenswertem Umfang kommunale Ressourcen in Anspruch genommen werden
müssten. Auch wenn der Aufwendungsersatz pauschaliert zu leisten sei, bestehe ein
kommunalindividueller Anspruch. Jede einzelne betroffene Gebietskörperschaft müsse die
realistische Möglichkeit haben, durch zumutbare eigene Anstrengungen zu einem
vollständigen Mehrbelastungsausgleich zu gelangen. Die zu leistenden Beträge müssten
auf Grund einer Kostenfolgeabschätzung ermittelt werden. Dabei seien alle zugänglichen
Erkenntnisse auszuschöpfen und die methodischen Vorgaben des
36
37
38
Konnexitätsausführungsgesetzes zu beachten, auch wenn diese nicht in allen Einzelheiten
Verfassungsrang besäßen. Entscheidend seien danach in erster Linie die Kosten der
übertragenen Aufgaben, die Einnahmen und die anderweitigen Entlastungen. Ergänzend
dürfe die Personalüberlassung in die Berechnung einbezogen werden, sofern hierdurch
kommunale Aufwendungen eingespart würden.
Der im Straffungsgesetz vorgesehene Belastungsausgleich leide zum einen an deutlichen
Mängeln im Prozess der Kostenfolgeabschätzung und bleibe zum anderen materiell-
rechtlich weit hinter dem verfassungsrechtlich gebotenen kommunalindividuellen
Vollkostenausgleich zurück. Im Gesetzgebungsverfahren sei als Berechnungsgrundlage
des Belastungsausgleichs lediglich der Stellenplan der Versorgungsverwaltung und der
Beratungsbericht des Landesrechnungshofs angegeben worden. Einzelheiten
insbesondere zu den Grundannahmen der ermittelten Stellenbedarfe seien nicht genannt
worden, obwohl sich die Untersuchung des Landesrechnungshofs gerade nicht auf die
Kommunalisierung, sondern eine angedachte Zentralisierung der Versorgungsverwaltung
bezogen habe. Auf die Unterschiede gehe der Gesetzentwurf nicht ein. Er lasse lediglich
erkennen, dass er ein beachtliches Rationalisierungs- und Synergiepotential zu Grunde
lege, das allerdings in der Versorgungsverwaltung selbst nicht genutzt worden sei.
Daneben seien die Grundlagen für die Ermittlung der Personalkosten nicht
nachvollziehbar. Unklar bleibe etwa, ob der Abbau einfacher Dienste sowie Beihilfekosten
hinreichend berücksichtigt worden seien. Der Höhe nach unzureichend sei die
Sachkostenpauschale. Hierbei fehle es an jeglichen Angaben dazu, welche Kosten mit ihr
abzugelten seien und ob diese angemessen aufgefangen würden. Demgegenüber habe
die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGST) eine jährliche
Pauschale in Höhe von 15.600 Euro ermittelt (KGST Bericht 12/2006). Ungeachtet dessen
stelle die gesetzlich vorgesehene prozentuale Pauschale auf zu niedrige Personalkosten in
Höhe von 35.000 Euro ab, weil dabei unzulässigerweise die Versorgungsleistungen und
anwartschaften außer Betracht blieben.
Der Belastungsausgleich sei auch deshalb unzureichend, weil es zu erheblichen
personalrechtlichen Vollzugsdefiziten gekommen sei, weshalb zahlreiche Beamte erst mit
deutlicher Verzögerung bei den neuen Aufgabenträgern angekommen seien. Die defizitäre
Ausstattung der Beschwerdeführer im Zuge der Kommunalisierung der
Versorgungsverwaltung lasse sich anhand eigener Kostenrechnungen und -prognosen im
einzelnen belegen. Nach Auswertung des Jahresabschlusses 2008 belaufe sich das
Gesamtdefizit der Beschwerdeführer für dieses Jahr auf insgesamt etwa 3 Millionen Euro,
obwohl die Anzahl der übergeleiteten Beschäftigten um etwa 20 bzw. 16 Stellen unterhalb
des Stellensolls liege. Nach Ermittlungen der Beschwerdeführer lägen die
durchschnittlichen jährlichen Personalkosten für die übergeleiteten Beamten deutlich über
40.000 Euro. Der Großteil der nicht gedeckten Kosten seien Sachkosten, die sich im
Wesentlichen aus Mietkosten für die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Räumlichkeiten,
Betriebskosten, IT-Kosten, Kosten für technische Geräte, Reise- und Fahrtkosten und
insbesondere dem allgemeinen Implementierungsaufwand zusammensetzten. Erstmals in
der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der Beschwerdeführer vorgetragen,
sie gingen in allen gemeinsam verhandelten Verfahren in den Bereichen der Versorgungs-
und Umweltverwaltung von einem kommunalen Gesamtdefizit in Höhe von 20 Millionen
Euro aus.
c)
verstoßen und hierdurch der Grundsatz des gemeindefreundlichen Verhaltens verletzt
worden. Das im Konnexitätsausführungsgesetz geregelte gestufte Verfahren zur
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände stelle sich als notwendige Ergänzung des
Konnexitätsprinzips dar. Die Notwendigkeit dieser Konsultation sei Ausdruck der
kommunalen Selbstverwaltung. Das zentrale Mitwirkungsrecht der kommunalen
Spitzenverbände sei verletzt worden. Trotz mehrfacher Nachfrage sei den Verbänden das
Protokoll des Konsensgesprächs bis zur Einbringung des Gesetzentwurfs in den Landtag
nicht rechtzeitig übermittelt worden. So hätten sie keine Gelegenheit erhalten, eine
abschließende Stellungnahme abzugeben, die dem Gesetzentwurf hätte beigefügt und
dem Landtag hätte zugeleitet werden können.
2.
Begründung im Wesentlichen Bezug auf ihre Ausführungen im Verfahren VerfGH 19/08.
Ergänzend führt sie aus:
Die von den Beschwerdeführern angeführten Kostendefizite ließen keine Rückschlüsse auf
die Tragfähigkeit der Kostenfolgeabschätzung zu. Sofern Kosten anfielen, weil die
Beschwerdeführer von den Sachleistungsangeboten des Landes keinen Gebrauch
machten, handele es sich nicht mehr um durchschnittliche Aufwendungen einer sparsam
wirtschaftenden Kommune. Nachdem es tatsächlich zum Stichtag 31. Dezember 2008 im
sozialen Entschädigungsrecht insgesamt zu einem Aufgabenrückgang um 27,33 %
gekommen sei, bestünden keine Zweifel, dass die behaupteten Kostendefizite der
Beschwerdeführer einer Überprüfung im Rahmen der Evaluierung nicht standhalten
würden.
3.
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
I.
Verfassungsgerichtshofgesetzes (VerfGHG) statthaft, weil die Beschwerdeführer
Gemeindeverbände im Sinne von Art. 78 LV NRW sind (vgl. VerfGH NRW, OVGE 48, 286,
288 f.) und sich gegen landesrechtliche Gesetzesvorschriften wenden, die sie für
unvereinbar mit Art. 78 Abs. 1 und 3 LV NRW halten.
II.
angegriffene Gesetz in ihrem Recht auf Selbstverwaltung nach Art. 78 Abs. 1 LV NRW,
insbesondere auch in seiner Ausprägung durch die Konnexitäts-bestimmungen in Art. 78
Abs. 3 LV NRW, verletzt zu sein. Eine Verletzung der von diesen Vorschriften umfassten
Personal- und Organisationshoheit sowie des Konnexitätsprinzips erscheint möglich. Denn
die Beschwerdeführer gehören zum Kreis jener Gemeindeverbände, auf die durch das
Eingliederungsgesetz neue Aufgaben übertragen und Beamte übergeleitet worden sind;
sie können auch geltend machen, der zur Aufgabenerfüllung vorgesehene Ausgleich
genüge nicht dem verfassungsrechtlichen Konnexitätserfordernis.
III.
52 Abs. 2 VerfGHG, erhoben worden.
C.
Die Verfassungsbeschwerden sind unbegründet.
I.
49
50
51
52
53
54
55
56
I.
Die Überleitung von Beamten auf die Beschwerdeführer durch das Eingliederungsgesetz
(unten II.), der Belastungsausgleich (unten III.) und die Beteiligung der kommunalen
Spitzenverbände im Gesetzgebungsverfahren (unten IV.) verstoßen nicht gegen Art. 78 LV
NRW.
1.
der Kommunalverfassungsbeschwerde nur auf eine Verletzung der "Vorschriften der
Landesverfassung über das Recht der Selbstverwaltung" überprüft werden. Art. 78 Abs. 1
LV NRW gewährleistet den Landschaftsverbänden als Gemeindeverbänden das Recht der
Selbstverwaltung mit der Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte (vgl.
VerfGH NRW, OVGE 48, 286, 293). Teilaspekte des Selbstverwaltungsrechts sind unter
anderem die Organisations-, die Personal- und die Finanzhoheit. Die Organisationshoheit
berechtigt die Landschaftsverbände, für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben Abläufe und
Entscheidungszuständigkeiten festzulegen sowie ihren Handlungsapparat selbst zu
organisieren einschließlich ihre Organe mit sachlichen und personellen Mitteln
auszustatten (vgl. VerfGH NRW, OVGE 48, 286, 299, und NWVBl. 2002, 101, 103; vgl. zu
Art. 28 Abs. 2 GG, BVerfGE 91, 228, 236). Die Personalhoheit beinhaltet die Befugnis, die
Bediensteten auszuwählen, anzustellen, zu befördern und zu entlassen (vgl. VerfGH NRW,
OVGE 48, 286, 304; BVerfGE 17, 172, 181 f.; BVerfGE 91, 228, 245). Die Finanzhoheit
bezieht sich auf die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung, namentlich auf die
Befugnis, die Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft einschließlich der Haushaltsführung im
Rahmen der Gesetze selbständig zu regeln, sowie auf das Recht auf eine angemessene
Finanzausstattung (vgl. VerfGH NRW, NWVBl. 2002, 101, 103). Hierzu gehört gemäß
Art. 78 Abs. 3 LV NRW mittlerweile auch der Anspruch auf einen besonderen
Anforderungen entsprechenden Kostenausgleich bei Übertragung neuer Aufgaben auf die
Gemeinden oder Gemeindeverbände.
2.
nicht absolut. Art. 78 Abs. 2 LV NRW garantiert dieses Recht ebenso wie Art. 28 Abs. 2 GG
nur im Rahmen der Gesetze.
Gesetzliche Eingriffe in das Selbstverwaltungsrecht unterliegen im Hinblick auf das
verfassungsrechtliche Gewicht der Gewährleistung Grenzen. Sie dürfen den Kernbereich
der Selbstverwaltungsgarantie der Landschaftsverbände nicht antasten und haben
außerhalb des Kernbereichs das Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie das Willkürverbot zu
beachten (vgl. VerfGH NRW, OVGE 48, 286, 300 m. w. N.).
II.
Die Zuweisung von Beamten an die Beschwerdeführer durch § 9 Eingliederungsgesetz im
Zuge der Übertragung neuer Aufgaben verstößt nicht gegen ihre Organisations- und
Personalhoheit.
1.
Befugnis der Beschwerdeführer zur eigenständigen Personalauswahl und zur
organisatorischen Regelung ihrer Angelegenheiten bleibt im Wesentlichen unberührt (vgl.
VerfGH NRW, OVGE 45, 303, 305; BVerfGE 91, 228, 242). Lediglich im Rahmen eines
gesetzlich angeordneten Aufgabenübergangs werden Beamte, die die Aufgaben bisher
wahrgenommen haben, auf die Beschwerdeführer übergeleitet (vgl. VerfGH NRW, OVGE
48, 286, 304; BVerfG, LKV 1994, 145; BVerfGE 17, 172, 182 ff., 185 ff.; BVerwG, Buchholz
415.1 Nr. 33). Dem Nachteil, Personal beschäftigen zu müssen, das die Beschwerdeführer
57
58
59
60
61
nicht selbst ausgesucht haben, steht der Vorteil gegenüber, dass das zu übernehmende
Personal für die Erledigung der neuen Aufgaben sachkundig ist. Bereits deshalb ist ein nur
eingeschränktes Mitspracherecht der Kommunen gegenüber dem Regelungsmodell nach
§ 128 Abs. 3 und 4 BRRG unter dem Gesichtspunkt des gemeindlichen
Selbstverwaltungsrechts nicht schon für sich gesehen bedenklich.
2.
Landes rügen, ist diese Rüge zwar verfassungsrechtlich zulässig (a), sie greift aber im
Ergebnis nicht durch (b).
a)
auch solche Verfassungsbestimmungen und Verfassungsgrundsätze, die nach ihrem Inhalt
das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen geeignet sind (vgl.
VerfGH NRW, OVGE 48, 286, 303; OVGE 46, 295, 306 f. und 10). Sie werden
Prüfungsmaßstab, soweit sie sich als Konkretisierung des kommunalen
Selbstverwaltungsrechts darstellen (vgl. BVerfGE 119, 331, 357).
Verfassungsbestimmungen über die Gesetzgebungskompetenz prägen die
Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung, soweit ihr Gegenstand auch
kommunale Belange sind, so dass die Gemeinden durch solche Regelungen in ihren
Selbstverwaltungsbefugnissen betroffen werden. Nach dem Kompetenzverteilungssystem
der Art. 70, 72 ff. GG gehören Gemeindeangelegenheiten grundsätzlich zur
Gesetzgebungskompetenz der Länder, so dass Eingriffe in das kommunale
Selbstverwaltungsrecht im Regelfall durch Landesrecht erfolgen (vgl. BVerfGE 56, 298,
310). Sofern allerdings die Bundesverfassung Kompetenznormen bereithält, die dem
Bundesgesetzgeber die Regelung selbstverwaltungsrelevanter Sachverhalte übertragen,
prägen auch diese das kommunale Selbstverwaltungsrecht. In diesem Sinne können die
Kommunen im Hinblick auf ihre Organisations- und Personalhoheit auch die Einhaltung
das Beamtenrecht betreffender Bundesgesetzgebungskompetenzen verlangen, soweit sie
in ihrer Eigenschaft als Dienstherren kommunaler Beamter berührt werden. Sie brauchen
deshalb landesrechtliche Regelungen, die in den dem Bund insoweit vorbehaltenen
Kompetenzraum eindringen, nicht hinzunehmen. Die Prüfungskompetenz des
Verfassungsgerichtshofs erstreckt sich auch auf die Frage, ob der Landesgesetzgeber die
die kommunalen Belange regelnde Kompetenzzuordnung beachtet hat.
b)
Statusrechte und -pflichten der Beamten gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 und Art. 125 b Abs. 1
GG ein, indem dort im Zusammenhang mit der Zuweisung der den bisherigen
Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben an die Kreise, kreisfreien Städte und
Landschaftsverbände Einzelheiten zur Zuordnung der Beamten auf die neuen
Aufgabenträger geregelt werden.
Die Gesetzgebungskompetenz des Landes zur Übertragung der Aufgaben der
Versorgungsverwaltung auf die neuen kommunalen Aufgabenträger ergibt sich je nach
übertragenem Rechtsgebiet aus den Kompetenzen zur Einrichtung von Behörden nach
Art. 84 Abs. 1 GG oder Art. 85 Abs. 1 GG bzw. zum kommunalen Organisationsrecht nach
Art. 70 Abs. 1 GG. Diese Kompetenzen umfassen die Regelungsbefugnis für den − in § 9
Eingliederungsgesetz bestimmten − aufgabenakzessorischen Übergang von
Landesbeamten zu den neuen kommunalen Aufgabenträgern (vgl. VerfGH NRW, OVGE
48, 286, 303 ff.; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2008 − B 9 VS 1/08 R −, juris, Rn. 39
m. w. N.). Der Personalübergang dient der Durchführung der Änderung der
Aufgabenverteilung nach §§ 2 bis 8 Eingliederungsgesetz im Zuge der Auflösung der
62
63
64
Aufgabenverteilung nach §§ 2 bis 8 Eingliederungsgesetz im Zuge der Auflösung der
Versorgungsämter gemäß § 1 Abs. 3 Eingliederungsgesetz. Gegen derartige
Überleitungen von Beamten im Zusammenhang mit Änderungen der Aufgabenverteilung
durch Landesgesetzgeber sind in der Vergangenheit keine kompetenzrechtlichen
Bedenken geltend gemacht worden (vgl. hierzu bereits BVerfGE 17, 172, 187 f.).
Der Landesgesetzgeber hat sich mit den Bestimmungen zur Überleitung von Beamten in §
9 Eingliederungsgesetz im Rahmen seiner organisationsrechtlichen Zuständigkeit gehalten
und nicht in eine Bundesgesetzgebungskompetenz für das Beamtenrecht eingegriffen.
aa)
Satz 2 Beamtenstatusgesetz vom 17. Juni 2008 (BGBl. I S. 1010) nicht außer Kraft
getretenen rahmenrechtlichen Vorschriften in Kapitel II des
Beamtenrechtsrahmengesetzes, insbesondere mit § 128 Abs. 4 i. V. m. Abs. 2 Satz 2
BRRG. Danach gilt unter anderem für den Fall, in dem Aufgaben einer Körperschaft
vollständig oder teilweise auf eine oder mehrere andere Körperschaften übergehen, dass
die beteiligten Körperschaften innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach dem
Zeitpunkt, in dem die Umbildung vollzogen ist, im Einvernehmen miteinander zu
bestimmen haben, von welchen Körperschaften die einzelnen Beamten zu übernehmen
sind. Diese Vorgaben gelten hinsichtlich der Rechtsstellung übergeleiteter Beamter gemäß
Art. 125 b Abs. 1 Satz 1 GG i. V. m. Art. 75 GG in der bis zum 1. September 2006 geltenden
Fassung (GG a. F.) fort. Denn sie sind auf Grund des Art. 75 GG a. F. erlassen worden und
könnten auch nach dem 1. September 2006 als Bundesrecht erlassen werden. Hinsichtlich
der Rechtsstellung übergeleiteter Beamter gehört § 128 Abs. 4 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 BRRG
zum Statusrecht, für das der Bund nunmehr gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG die
konkurrierende Gesetzgebungskompetenz besitzt (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 2008, 268,
betreffend einen landesinternen Dienstherrenwechsel; ebenso Degenhart, in: Sachs, GG,
5. Aufl. 2009, Art. 74 Rn. 114 a). Demgegenüber ist dem im Gesetzgebungsverfahren zum
Ausdruck gebrachten eingeschränkten Verständnis des Statusbegriffs nicht zu folgen,
wonach landesinterne Dienstherrenwechsel nicht dazu gehören sollen (vgl. BT-Drs.
16/813, S. 14; BR-Drs. 462/06 (B), S. 3; BT-Drs. 16/4027, S. 24; BT-Drs. 16/8189; BT-Drs.
16/8910). Dieses Verständnis ist vom Wortsinn unter Berücksichtigung der hergebrachten
Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG nicht mehr gedeckt.
Denn zu den Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums gehört die grundsätzlich
lebenszeitige Übertragung eines statusrechtlichen Amts (vgl. BVerfGE 121, 205, 220 ff.,
222). Diesem ist auch bei der Umbildung von Körperschaften Geltung zu verschaffen (vgl.
BT-Drs. 16/4027, S. 43 sowie BT-Drs. 16/4038; dazu Günther, ZBR 2010, 1, 18). Bezüglich
des als Bundesrecht fortgeltenden Rahmenrechts bleiben nach alledem gemäß Art. 125 b
Abs. 1 Satz 2 GG die Befugnisse und Verpflichtungen der Länder zur Gesetzgebung
unberührt.
bb)
erlassen hat, bleibt danach wie bisher die Gesetzgebungskompetenz der Länder erhalten.
Die Ländervorschriften müssen sich allerdings in den vom Bund gegebenen Rahmen
einpassen. Dabei durfte der Bund zwar einzelne abschließende Bestimmungen vorsehen,
wenn er daneben den Ländern Raum für freie gesetzgeberische Gestaltung ließ (vgl.
BVerfGE 4, 115, 129 f.). Jedoch spricht der Charakter einer Bestimmung als
Rahmenvorschrift im Zweifel dafür, dass sie auf eine Ausfüllung hin angelegt ist (vgl.
BVerfGE 25, 142, 152). Ob und inwieweit eine in Ausübung der Rahmenkompetenz
erlassene Vorschrift auf Ausfüllung durch den Landesgesetzgeber hin angelegt ist,
erschließt sich insbesondere aus dem Sinn der einzelnen Vorschrift, ihrer Stellung im
Zusammenhang des Gesetzes und aus der Entwicklung der geregelten Materie (vgl.
65
66
BVerfGE 64, 323, 347 und BVerfGE 25, 142, 152).
cc)
ergänzende Regelungen durch Landesgesetz zur Zuordnung der übergehenden Beamten
auf neue Aufgabenträger (a. A. OVG NRW, Urteil vom 30. April 2007 − 1 A 1939/06 −, juris,
Rn. 44). Diese fortgeltenden rahmenrechtlichen Überleitungsvorschriften sind zwar in dem
Kapitel II des Beamtenrechtsrahmengesetzes enthalten, das überschrieben ist, mit
"Vorschriften, die einheitlich und unmittelbar gelten". Ihnen kommt jedoch nicht der
Charakter einer bundesrechtlichen Negativregelung zu, die landesrechtliche
Bestimmungen zur näheren Zuordnung im Zuge einer Aufgabenübertragung übergehender
Beamter auf neue Körperschaften ausschlösse. Dem für das öffentliche Dienstrecht
zuständigen Bundesrahmengesetzgeber kam es nur auf die bundeseinheitliche Wahrung
der Rechtsstellung von Umbildungen betroffener Beamter an, die durch einen möglichst
reibungslosen Übergang gesichert werden sollte. Sinn des Regelungskomplexes der
§§ 128 ff. BRRG ist es lediglich, die Rechtsstellung der Beamten bei körperschaftlicher
Umbildung ihres Dienstherrn zu wahren, ohne in die Organisationsfreiheit der
übernehmenden Körperschaften einzugreifen (vgl. BVerwGE 57, 98, 104 f.). Insbesondere
landesinterne Körperschaftsumbildungen sind von den §§ 128 ff. BRRG nur im Interesse
eines gleichmäßigen Schutzes der Beamten gegenüber den Nachteilen eines
unfreiwilligen Dienstherrenwechsels erfasst worden (vgl. BT-Drs. 2/1449, S. 62; dazu Koch,
in: Behrens (Hrsg.), Göttingen Stiftungsuniversität?, 2003, S. 81, 90). Dabei konnte und
sollte nicht das Recht des Landesgesetzgebers beschnitten werden, in Ausübung seiner
Verfassungskompetenzen zur Einrichtung von Behörden nach Art. 84 Abs. 1 GG oder
Art. 85 Abs. 1 GG und zum kommunalen Organisationsrecht nach Art. 70 Abs. 1 GG solche
Regelungen zu erlassen, die unter Wahrung der Rechtsstellung von Umbildungen
betroffener Beamter eine zeitnahe Entscheidung über ihre Verteilung ermöglichen (vgl.
VerfGH NRW, OVGE 48, 286, 305). Insbesondere die Regelung des § 128 Abs. 2 Satz 2
BRRG dient nur dem erklärten Zweck, im Interesse des Dienstherrn und der Beamten in
angemessener Frist zu klaren Rechtsverhältnissen zu gelangen (vgl. BT-Drs. 2/1449,
S. 62). Die Vorschrift belässt dem Organisationsgesetzgeber den ihm zustehenden
Freiraum, solange die "wohlerworbenen Rechte" der Beamten dabei nicht verkürzt werden
(vgl. Löwer, in: Behrens (Hrsg.), Göttingen Stiftungsuniversität?, 2003, S. 149, 151). Damit
hindert auch das dort bestimmte Einvernehmenserfordernis den Landesgesetzgeber nicht,
in Ausübung seiner Kompetenzen spezielle Regelungen über die Verteilung der
Bediensteten zu schaffen. Es trägt nach dem dargestellten Normzweck nur dem Umstand
Rechnung, dass ein Eingriff in die Organisationsfreiheit der übernehmenden
Körperschaften im Rahmen der Bundesgesetzgebungskompetenz für das Beamtenrecht
kompetenzrechtlich untersagt wäre, soweit die Organisationsgesetzgebungskompetenz
des Landesgesetzgebers reicht. Dabei ermöglicht es den beabsichtigten Schutz der
beamtenrechtlichen Rechtsstellung auch dann, wenn spezielle organisationsrechtliche
Vorschriften über die Verteilung von Beamten auf neue Dienstherren fehlen.
Die dem Landesgesetzgeber damit neben § 128 Abs. 2 Satz 2 BRRG verbleibende
organisationsrechtliche Regelungsbefugnis hat sich mit der Beschränkung der
Bundesgesetzgebungskompetenz auf die grundlegenden Statusrechte und pflichten der
Beamten durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG (vgl. BT-Drs. 16/813, S. 14.) und mit der nur
insoweit bestehenden Fortgeltungsanordnung des teilweise aufrecht erhaltenen früheren
Rahmenrechts nach Art. 125 b Abs. 1 Satz 1 GG noch erweitert. Danach verbleiben dem
Landesgesetzgeber für landesinterne Körperschaftsumbildungen Freiräume, die er unter
Wahrung des vom Bund gezogenen und die Statusrechte der Beamten betreffenden
Rahmens ausfüllen kann: Bei Aufgabenübertragungen und Behördenumbildungen muss
67
68
69
70
71
die Rechtsstellung der Beamten gewahrt bleiben und in angemessener Frist von höchstens
sechs Monaten bestimmt werden, von welchen Körperschaften die einzelnen Beamten zu
übernehmen sind. Unter Beachtung dieser zwingenden rahmenrechtlichen Vorgaben für
die Regelung der Statusrechte und -pflichten der Beamten bleibt kompetenzrechtlich Raum
für eine speziellere landesorganisationsrechtliche Zuordnung der einzelnen Beamten zu
neuen Aufgabenträgern.
dd)
Rahmens. Er führt zu keiner Beeinträchtigung des Status der übergeleiteten Beamten.
Vielmehr sichert er diesen und gewährleistet zudem eine unmittelbare Überleitung ohne
Übergangszeiträume auf der Grundlage eines unter Berücksichtigung sozialer Kriterien und
dienstlicher Belange unter angemessener Mitwirkung der neuen Aufgabenträger erstellten
Zuordnungsplans. Eine in zeitlicher Hinsicht derart optimierte Regelung reicht so weit in
das dem Landesgesetzgeber vorbehaltene Landesorganisationsrecht hinein, dass sie dem
Bundesgesetzgeber auch als Annexregelung zum Beamtenstatusrecht versperrt wäre.
Allein der Umstand, dass einzelne Rechtsstreitigkeiten für Verzögerungen gesorgt haben,
zieht die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers für eine auf unmittelbare
Überleitung der Beamten ausgerichtete Organisationsregelung nicht in Zweifel.
III.
Der für die Übertragung neuer Aufgaben durch §§ 23 bis 25 Eingliederungsgesetz
vorgesehene Belastungsausgleich verstößt nicht gegen die Vorgaben des
Konnexitätsprinzips gemäß Art. 78 Abs. 3 LV NRW.
1. a)
5 LV NRW in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 22. Juni 2004 (GV. NRW. S. 360)
nähere Vorgaben für eine Kostenerstattungsregelung fest, die gleichzeitig mit einer
Verpflichtung der Gemeinden oder Gemeindeverbände zur Übernahme und Durchführung
öffentlicher Aufgaben durch Gesetz oder Rechtsverordnung gemäß Satz 1 getroffen werden
muss. Führt die Übertragung neuer oder die Veränderung bestehender und übertragbarer
Aufgaben zu einer wesentlichen Belastung der davon betroffenen Gemeinden oder
Gemeindeverbände, ist dafür gemäß Satz 2 durch Gesetz oder Rechtsverordnung auf
Grund einer Kostenfolgeabschätzung ein entsprechender finanzieller Ausgleich für die
entstehenden notwendigen, durchschnittlichen Aufwendungen zu schaffen. Nach Satz 3
soll der Aufwendungsersatz pauschaliert geleistet werden. Satz 4 sieht eine Anpassung
des finanziellen Ausgleichs für die Zukunft vor, wenn nachträglich eine wesentliche
Abweichung von der Kostenfolgeabschätzung festgestellt wird. Gemäß Satz 5 regelt das
Nähere zu den Sätzen 2 bis 4 ein Gesetz, das die Grundsätze der Kostenfolgeabschätzung
festlegt und Bestimmungen über eine Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände trifft.
In dieser Form wurde die Regelung während des Gesetzgebungsverfahrens in den
Ausschussberatungen erarbeitet und schließlich von allen damaligen Fraktionen des
Landtags (SPD, CDU, FDP, Bündnis 90/Die Grünen) getragen. Mit der Einführung des
strikten Konnexitätsprinzips zwischen gesetzlicher Aufgabenveranlassung und
Finanzierungslast soll sichergestellt werden, dass die Kommunen zukünftig vor
Aufgabenübertragungen oder -veränderungen ohne konkreten Ausgleich der zusätzlichen
finanziellen Belastungen geschützt werden. Die Neuregelung soll zu mehr Transparenz
und einer Schärfung des Kostenbewusstseins führen. Zu diesem Zweck sieht die
Verfassung vor, dass das Land und die kommunalen Spitzenverbände in einem gesetzlich
geregelten Beteiligungsverfahren über die Aufgabenübertragung bzw. -veränderung und
die Kostenabschätzung ins Gespräch kommen, und zwar mit dem erklärten Ziel, einen
72
73
die Kostenabschätzung ins Gespräch kommen, und zwar mit dem erklärten Ziel, einen
Kompromiss zu finden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses, LT-
Drs. 13/5515, S. 20).
b)
Grundlage der gemeindlichen Selbstverwaltung zu sichern, zu unterscheiden. Es ist eine
von der Finanzkraft der Kommune unabhängige Ausgleichsregelung, die neben die
allgemeinen Bestimmungen zur Absicherung einer finanziellen Mindestausstattung durch
originäre kommunale Einnahmen und den kommunalen Finanzausgleich tritt (vgl. LT-Drs.
13/5515, S. 21; BVerfGE 103, 332, 360; BayVerfGH, BayVBl. 2007, 364, 365). Mit dem
Erfordernis eines "entsprechenden" finanziellen Ausgleichs hat sich der Verfassungsgeber
bewusst für das sogenannte strikte Konnexitätsprinzip entschieden. Ein bloß
"angemessener" Ausgleich im Sinne eines relativen Konnexitätsprinzips genügt nicht (vgl.
auch VerfGH Bbg., DÖV 2002, 522, 523; SächsVerfGH, LKV 2001, 223, 224; StGH
Bad.Württ., ESVGH 49, 5, 11).
c)
über die Deckung der Kosten nach dem strikten Konnexitätsprinzip setzt voraus, dass sich
der Gesetzgeber über die finanziellen Auswirkungen der gesetzlichen Regelung auf die
Gemeinden und Gemeindeverbände klar wird und seine Entscheidungsgrundlagen,
insbesondere zum Schutz der Kommunen, transparent macht (vgl. BayVerfGH, BayVBl.
2007, 364, 366, m. w. N.). Deshalb verpflichtet die Verfassung den Gesetzgeber zur
Aufstellung einer Kostenfolgeabschätzung. Ergänzend sichert sie das Transparenzgebot
ab durch den Verfassungsauftrag, in einem Ausführungsgesetz die Grundsätze der
Kostenfolgeabschätzung festzulegen und Bestimmungen über eine Beteiligung der
kommunalen Spitzenverbände zu treffen. Aus der dieser Verfassungsbestimmung
ausweislich der Gesetzesbegründung zu Grunde liegenden Überzeugung, ein striktes
Konnexitätsprinzip funktioniere nicht ohne eine Verfahrensregelung (vgl. LT-Drs. 13/5515,
S. 20), ergibt sich erstens, dass ein solches Ausführungsgesetz verfassungsrechtlich
zwingend erlassen sein muss und dass zweitens der aufgabenübertragende Gesetzgeber
in diesem (einfachen) Gesetz einen Rahmen für die Kostenfolgeabschätzung und das
Beteiligungsverfahren vorfindet, an den er gebunden ist. Nach dem Sinngehalt der
Neufassung des Art. 78 Abs. 3 Satz 5 LV NRW muss der Gesetzgeber bereits im
Entwurfsstadium einer beabsichtigten Aufgabenübertragung diesen Rahmen beachten.
Obwohl das Ausführungsgesetz einfaches Recht ist, das der Gesetzgeber (unter Befolgung
der verfassungsrechtlichen Bindung) ändern kann, muss der aufgabenübertragende
Gesetzgeber kraft der verfassungsrechtlichen Verpflichtung aus Art. 78 Abs. 3 Satz 5 LV
NRW die zentralen von ihm selbst gesetzten Maßstäbe des Ausführungsgesetzes
einhalten (vgl. zum verfassungsrechtlich verankerten Schutz der Selbstverwaltung durch
einfachrechtlich ausgestaltete Verfahren Kemmler, DÖV 2008, 983, 990 m. w. N., sowie
StGH Bad.-Württ., ESVGH 49, 241, 252 ff., 256, unter Bezugnahme auf BVerfGE 90, 60, 96;
ebenso BayVerfGH, Entscheidung vom 28. November 2007 − Vf. 15-VII-05 −, juris,
Rn. 213 ff., unter Bezugnahme auf BVerfGE 86, 90, 108 f.). Konkret verpflichtet das
Landesverfassungsrecht zur Befolgung des Ausführungsgesetzes, soweit es entsprechend
dem verfassungsrechtlichen Erfordernis nach Art. 78 Abs. 3 Satz 5 Halbsatz 2 LV NRW die
Grundsätze der Kostenfolgeabschätzung festlegt und Bestimmungen über eine Beteiligung
der kommunalen Spitzenverbände trifft. Über Grundsätze hinausgehende Detailregelungen
eines Ausführungsgesetzes zur Aufstellung der Kostenfolgeabschätzung haben dagegen
nur insoweit verfassungsrechtliche Bedeutung, als ihnen Kernvorgaben für die
Kostenaufstellung zu entnehmen sind. So enthalten die Bestimmungen über die Prognose
einzelner Kostenansätze die grundsätzliche Vorgabe, ob bestimmte Kosten präzise
geschätzt und nachvollziehbar bemessen werden müssen oder aus
74
75
Vereinfachungsgründen als vergröbernde Pauschale bzw. pauschaler Zuschlag
veranschlagt werden dürfen. Weil das Ausführungsgesetz einfaches Gesetz ist, selbst also
nicht unmittelbar verfassungsrechtlicher Maßstab für die Normenkontrolle ist, ist es nicht
Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, die Einhaltung des Ausführungsgesetzes durch den
Gesetzgeber in allen Einzelheiten zu überprüfen. Vielmehr ist die verfassungsgerichtliche
Kontrolle insoweit auf die Frage beschränkt, ob der Gesetzgeber seine grundsätzliche
verfassungsrechtliche Bindung an das Ausführungsgesetz verkannt hat. Das bedeutet
auch, dass versehentliche Unstimmigkeiten keine verfassungsrechtliche Relevanz haben,
solange sie sich nur unerheblich auf das Prognoseergebnis auswirken. Ohnehin gilt für
jede Prognose, dass sie mit zahlreichen Unwägbarkeiten belastet ist, so dass geringfügige
Begründungsdefizite die Normverwerfung nicht rechtfertigen. Einer missbräuchlichen
Ausnutzung des Prognosespiel-raums wird dadurch vorgebeugt, dass in bewusst
fehlerhaften Kostenansätzen stets eine Verkennung der Bindung an das
Ausführungsgesetz liegt.
d)
verfassungsrechtlich verpflichtet, die im Konnexitätsausführungs-gesetz vom 22. Juni 2004
(GV. NRW. S. 360) − KonnexAG − enthaltenen Grundsätze der Kostenfolgeabschätzung
und Bestimmungen über eine Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände einzuhalten.
Danach sind der Kostenfolgeabschätzung gemäß § 3 Abs. 1 KonnexAG die bei
wirtschaftlicher Verwaltungstätigkeit entstehenden notwendigen, durchschnittlichen Kosten
zu Grunde zu legen. Abs. 2 verlangt darüber hinaus, dass die Kosten der übertragenen
Aufgabe, die Einnahmen und die anderweitigen Entlastungen zu schätzen und die
Ermittlungen schriftlich zu dokumentieren sind. Die so ermittelte Mehrbelastung (Abs. 6) ist
gemäß § 4 Abs. 1 KonnexAG in der Form auszugleichen, dass über einen Verteilschlüssel
die auf die jeweiligen Gemeinden und Gemeindeverbände entfallenden Kostenpauschalen
festgesetzt werden. Dabei soll der Verteilschlüssel in sachlich angemessener Weise aus
dem Regelungsgehalt des Aufgabenübertragungsgesetzes abgeleitet werden. Darüber
hinaus bestimmt § 3 Abs. 3 KonnexAG detailliert die zur Ermittlung der geschätzten Kosten
der übertragenen Aufgabe durchzuführenden Einzelschritte. Zumindest im Grundsatz hat
der Gesetzgeber auch diese zu befolgen, soweit er nicht − wegen seiner nur
grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bindung zulässigerweise − aus nachvollziehbaren
Gründen eine im Wesentlichen vergleichbar geeignete andere Vorgehensweise wählt, die
sich etwa mit geringerem Verwaltungsaufwand bewältigen lässt. Jedenfalls hat der
Gesetzgeber die Kosten präzise und nachvollziehbar zu schätzen, soweit das
Ausführungsgesetz nicht eine pauschalere Bemessung gestattet. Hierzu kann es etwa
geboten sein offen zu legen, inwieweit und aus welchen Gründen der Gesetzgeber
gegebenenfalls von den in § 3 Abs. 3 KonnexAG grundsätzlich vorgegebenen
Einzelschritten abweicht. Auch wird regelmäßig − sofern dies nicht offensichtlich ist −
erkennbar sein müssen, welche Kostenarten nach Einschätzung des Gesetzgebers
voraussichtlich nicht anfallen oder sich nicht erhöhen werden und welche Annahmen
dieser Bewertung zu Grunde liegen. Das gilt auch, wenn von einem Kostenausgleich
insoweit abgesehen wird, als bestimmte Kosten anderweitig, etwa durch Sachleistungen
oder ergänzende Regelungen im Haushaltsplan, gedeckt werden. Die Beteiligung der
kommunalen Spitzenverbände regeln die §§ 7 und 8 KonnexAG. Sie sollen die
kommunalen Spitzenverbände in die Lage versetzen, auf der Grundlage einer
nachvollziehbaren Abschätzung mit dem Land einen konsensorientierten
partnerschaftlichen Dialog zu führen, in dem die Kostenfolgen möglichst objektiv
abgeschätzt werden (vgl. LT-Drs. 13/5515, S. 27).
e)
76
77
Begründung der Verfassungsänderung anknüpfend an die Rechtsprechung des
Verfassungsgerichtshofs NRW vom Gesetzgeber nicht mehr verlangt werden als eine auf
vernünftigen Erwägungen beruhende Schätzung, für die er über einen Prognosespielraum
verfügt (vgl. LT-Drs. 13/5515, S. 21, 24, unter Bezugnahme auf VerfGH NRW, OVGE 49,
278, 289). Der Verfassungsgerichtshof kann Einschätzungen bzw. Prognosen des
Gesetzgebers über die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung nur dann beanstanden,
wenn sie im Ansatz oder in der Methode offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar
sind (vgl. VerfGH NRW, DVBl. 2008, 241, 244, m. w. N.). Zudem soll durch Zahlung eines
pauschalierten Aufwendungsersatzes gemäß Art. 78 Abs. 3 Satz 3 LV NRW anstelle einer
denkbaren Spitzabrechnung der Verwaltungsaufwand gering gehalten werden (vgl. LT-Drs.
13/5515, S. 20, 22). Jedoch muss die Kostenaufstellung nach dem vom Verfassungsgeber
ausdrücklich verfolgten Transparenzgebot und nach der angestrebten Schutzfunktion für
die Kommunen die wesentlichen Entscheidungsgrundlagen nachprüfbar erkennbaren
lassen (ähnlich NdsStGH, DVBl. 1998, 185, 186, und NVwZ-RR 2001, 553, 554 f.; LVerfG
LSA, DVBl. 1998, 1288, 1289 und DVBl. 2004, 434, 435; VerfG Bbg., DÖV 2002, 522,
523 f.; ThürVerfGH, NVwZ-RR 2005, 665, 671 u. 672 f.; Schoch, VBlBW 2006, 122, 126).
Dabei hat sich die Prognose nicht an einem kommunalindividuellen Vollkostenausgleich
zu orientieren. Vielmehr ist der anzustrebende Vollkostenausgleich an der Gesamtheit der
Kommunen auszurichten und in pauschalierter Form auf die einzelnen Aufgabenträger zu
verteilen.
2.
unter den gegebenen Umständen, unter denen verfassungsrechtliches Neuland über die
konkreten Anforderungen des Konnexitätsprinzips zu betreten ist, noch gerecht. Der
Gesetzgeber hat seine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bindung an das
Ausführungsgesetz nicht verkannt (unten a); die Kostenfolgeabschätzung lässt unter dem
Gesichtspunkt des Transparenzgebots die wesentlichen Entscheidungsgrundlagen noch
ausreichend erkennen und erlaubt eine grobe Nachvollziehbarkeit der Ansätze (unten b).
Dies genügt derzeit vor allem deshalb verfassungsrechtlichen Anforderungen, weil der
Gesetzgeber entsprechend dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art. 78 Abs. 3 Satz 4 LV
NRW zu einer Überprüfung seiner Ansätze und gegebenenfalls zur Selbstkorrektur
verpflichtet ist (unten c). Künftig ist der Gesetzgeber bei Regelung konnexitätsrelevanter
Sachverhalte jedoch gehalten, sich an den vom Verfassungsgerichtshof näher konturierten
verfassungsrechtlichen Vorgaben zu orientieren und seine unter grundsätzlicher
Beachtung des Konnexitätsausführungs-gesetzes ermittelten Kostenansätze nicht nur grob,
sondern im Einzelnen nachvollziehbar offen zu legen (unten d).
a)
Eingliederungsgesetz grundsätzlich an den Vorgaben des § 3 KonnexAG orientiert. Er hat
die Kosten der übertragenen Aufgaben geschätzt sowie die Grundlagen und das Ergebnis
der Ermittlungen schriftlich dokumentiert. Die Schätzung geht aus von dem bei
wirtschaftlicher Verwaltungstätigkeit vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltenen
Personalbedarf. Sie legt auf der Grundlage des Haushaltsansatzes für das Jahr 2007
ermittelte Personalkostenpauschalen sowie einen an § 3 Abs. 3 Nr. 4 Halbsatz 1 Alt. 1
KonnexAG ausgerichteten pauschalen Zuschlag für Sachausgaben zu Grunde. Der dem
Landtag im März 2007 informationshalber zugeleitete Gesetzentwurf (LT-Vorlage 14/989)
lässt erkennen, dass die (in den eigentlichen Gesetzentwurf übernommene) schrittweise
Kürzung beim Personalbedarf "unter Berücksichtigung der sowohl aufgabenspezifischen
Absetzungen (in Anlehnung an den LRH-Bericht) sowie 15 % allgemeinen Synergien
ermittelt" worden ist. Die "aufgabenspezifischen Absetzungen" sind näher erläutert als
Erhöhung der Leitungsspannen, Reduzierung von Stellen durch die Integration der
78
79
80
81
Befundberichtsabrechnungen in die Sachbearbeitung und die Reduzierung von Stellen
durch die Einführung der elektronischen Akte sowie im anteiligen Bereich des ärztlichen
Dienstes um die Reduzierung von Schreibkraft-Stellen. Die Verteilschlüssel zur gebotenen
Gewährung eines pauschalisierten Ausgleichsbetrags an die einzelnen Aufgabenträger
orientieren sich, soweit die Landschaftsverbände betroffen sind, entsprechend § 4 Abs. 1
Sätze 2 und 3 KonnexAG in grundsätzlich sachgerechter Weise an den regionalen
Antrags- bzw. Bestandszahlen.
aa)
KonnexAG davon abgesehen, sämtliche Umstände der Aufgabendurchführung im
Einzelnen zu beschreiben. Hierin liegt unter den gegebenen Umständen keine Verkennung
der grundsätzlichen Bindung an das Konnexitätsausführungs-gesetz. Da die übertragenen
Aufgaben bereits zuvor ausgeübt worden waren, konnte zur Ermittlung der notwendigen
Personalkosten der Kommunen in grundsätzlicher Übereinstimmung mit dem
Rechtsgedanken aus § 3 Abs. 3 Nr. 3 Halbsatz 2 KonnexAG verfassungsrechtlich
bedenkenfrei und mit geringerem Verwaltungsaufwand auf Erfahrungen aus der bisherigen
staatlichen Versorgungsverwaltung zurückgegriffen werden.
bb)
Bindung an das Konnexitätsausführungsgesetz beachtet. § 3 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1
KonnexAG stellt dem Gesetzgeber frei, ob er den Sachaufwand für einen Büroarbeitsplatz
aus Vereinfachungsgründen mit einem pauschalen Zuschlag in Höhe von 10 vom Hundert
auf den Personalaufwand oder mit einer Sachkostenpauschale veranschlagt. Daran hat
sich der Gesetzgeber aus Praktikabilitätsgründen zulässigerweise orientiert, indem er den
Sachaufwand für einen Büroarbeitsplatz mit einem pauschalen Zuschlag in Höhe von
10 vom Hundert auf den Personalaufwand veranschlagt und daneben die kostenlose
Übernahme der Ausstattungsgegenstände sowie die Nutzung der IT-Verfahren durch die
kommunalen Aufgabenträger vorgesehen hat.
Soweit der Gesetzgeber bei der Ermittlung des Sachaufwandszuschlags nach § 3 Abs. 3
Nr. 4 Satz 1 KonnexAG die gemäß § 23 Abs. 9 Eingliederungsgesetz vom Land zu
tragenden Versorgungs- und Beihilfeleistungen für die übergeleiteten Beamten nicht als in
die Berechnung eingehende Personalkosten angesehen hat, konnte dafür in der
mündlichen Verhandlung keine nachvollziehbare Begründung gegeben werden. Dem ist
jedoch von Verfassungs wegen schon deshalb nicht weiter nachzugehen, weil weder
vorgetragen noch ersichtlich ist, dass aus diesem Grund der Ausgleich der
Mehrbelastungen unter Verkennung der Bindung an das Ausführungsgesetz im Ergebnis
zu niedrig prognostiziert worden sein könnte.
Die Richtigkeit der Prognose über die Auskömmlichkeit des Sachkostenausgleichs wird
insbesondere nicht durch das von den Beschwerdeführern angeführte Gutachten der KGST
in Frage gestellt, das ausschließlich auf Grund empirischer Daten der Stadt Köln eine
höhere Pauschale empfiehlt. Ob entsprechend hohe Kosten bei wirtschaftlicher
Verwaltungstätigkeit notwendig anfallen, ist nicht ermittelt worden. Der KGST-Bericht Nr.
12/2006 geht selbst davon aus, die Berechnung durchschnittlicher Sachkosten eines
Büroarbeitsplatzes sei wegen örtlich sehr unterschiedlicher Ausstattung kaum möglich
(S. 12 f.). Schon deshalb ist er bereits im Ansatz nicht geeignet, die grundsätzliche
Sachgerechtigkeit der gesetzlich zur Schaffung von Rechtssicherheit festgelegten
Pauschale in Frage zu stellen. Darüber hinaus sind in die Empfehlung der KGST zu einem
erheblichen Teil Kostenfaktoren eingeflossen, die im konkreten Fall bei den kommunalen
Aufgabenträgern nicht anfallen müssen, weil ihnen Einrichtungsgegenstände und IT-
82
83
84
85
86
Verfahren kostenfrei vom Land zur Verfügung gestellt werden.
Allerdings hat der Gesetzgeber auf Grund des verfassungsrechtlichen Gebots, die
Prognose an einem vollständigen Kostenausgleich auszurichten, künftig bei der
Anwendung des § 3 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1 KonnexAG gegebenenfalls offen zu legen, weshalb
er für verschiedene Büroarbeitsplätze unterschiedlich hohe Sachkostenzuschläge für
angemessen erachtet.
b)
lässt im Übrigen entgegen den oben unter 1. entwickelten verfassungsrechtlichen
Vorgaben nicht alle wesentlichen Grundannahmen und Rechenschritte erkennen, die zur
Ermittlung der Personalkostenpauschalen, des optimierten Stellenbedarfs und des
Sachkostenausgleichs geführt haben. Jedoch ermöglichen die angegebenen
Berechnungsgrundlagen eine grob überschlägige Nachvollziehbarkeit und lassen keine
grundsätzlichen Ermittlungsfehler mit erheblichen Auswirkungen auf die Höhe des
Belastungsausgleichs erkennen.
aa)
Titel 422 01 und 429 00) sind die Personalkostenpauschalen mit 35.000 Euro für Beamte
und 46.500 Euro für Tarifbeschäftigte nicht offensichtlich zu niedrig bemessen. 26.063.900
Euro Personalkosten entfielen auf 809 Beamten-Planstellen und 45.853.300 Euro
Personalkosten auf 1036 Tarifbeschäftigte. Damit verursachte jede Planstelle
durchschnittliche Kosten in Höhe von 32.217,43 Euro und jede Tarifbeschäftigtenstelle in
Höhe von 44.259,94 Euro. Ob sich die jeweils deutlich darüber liegenden Pauschalen
letztlich tatsächlich als auskömmlich erweisen, berührt damit nicht die Vertretbarkeit der
Schätzung, sondern hat nur Einfluss auf eine etwaige Nachbesserungspflicht des
Gesetzgebers.
bb)
Gesetzentwurfs lassen Rückschlüsse auf die Ermittlung der Stellenoptimierungspotentiale
in Anlehnung an die Empfehlungen des Landesrechnungshofs in seiner Entscheidung vom
6. April 2006 zu. Hieraus sind die der Schätzung zu Grunde liegenden wesentlichen
Annahmen und Stellenreduzierungspotentiale zum großen Teil erkennbar, wenn auch
gewisse Unklarheiten über die genaue Berechnung verbleiben. Die Stelleneinsparungen
verfolgen entsprechend der Vorgabe in § 3 Abs. 1 KonnexAG das Ziel, nur die bei
wirtschaftlicher Verwaltungstätigkeit entstehenden notwendigen Kosten auszugleichen. Die
den Berechnungen zu Grunde liegende Einschätzung, bei kommunaler Aufgabenerfüllung
seien gleich hohe Einsparpotentiale erzielbar, wie sie für die staatliche Verwaltung ermittelt
worden seien, liegt im Rahmen der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative. Auch
wenn diese Beurteilung äußerst umstritten war, so war sie doch nicht von vornherein
unrealistisch. Schließlich hatten sich namhafte Vertreter der kommunalen Spitzenverbände
gezielt mit dem Argument für vermehrte Aufgabenübertragungen auf die Kommunen
ausgesprochen, die Kommunen könnten im Vergleich mit landeseigenen Behörden
staatliche Aufgaben zu denselben oder sogar geringeren Kosten erbringen (so etwa
Schink, NWVBl. 2005, 85, 91; Henneke, DVBl. 2006, 867). Erst die Praxiserfahrungen und
die anstehende Auswertung des Belastungsausgleichs werden erweisen, ob diese
Grundannahme auf Dauer tragfähig ist.
Soweit die Beschwerdeführer in der Ausschussanhörung geltend gemacht haben, wegen
absehbar zurückgehender Fallzahlen im Kriegsopferentschädigungsrecht würden sie auch
im Umfang des verminderten ("optimierten") Stellenbedarfs mehr Personal erhalten, als
langfristig benötigt werde, kann sich daraus erst recht keine zu beanstandende
87
88
89
90
langfristig benötigt werde, kann sich daraus erst recht keine zu beanstandende
Unterschätzung des Kostenausgleichs ergeben. Denn die Kosten dieses Personals
werden vorbehaltlich einer Anpassung der Ausgleichssumme auch dann voll getragen,
wenn es nicht mehr voll ausgelastet sein sollte und sogar für andere Aufgaben eingesetzt
werden könnte. Auch der Sachaufwandsausgleich würde sich weiter an dieser
Personalstärke orientieren und bei zurückgehendem Aufwand durch die übergegangenen
Materien eher zu einer Überkompensation führen.
cc)
Nutzung von IT-Verfahren noch finanziell auszugleichenden Sachkosten für
Büroarbeitsplätze hat der Gesetzgeber nachvollziehbar in Form eines pauschalen
Zuschlags abgedeckt. Daneben hat er weitere ebenfalls pauschal ausgeglichene
Sachkosten nur auf Grund des Umstellungsaufwands in den ersten zwei Jahren
prognostiziert. Dies lässt zwar den Schluss zu, dass der Gesetzgeber ab dem dritten Jahr
über die gestellten Sachleistungen und den Sachkostenzuschlag hinaus − auch in Form
von Verwaltungsgemeinkosten − keinen weitergehenden Sachaufwand erwartet. Allerdings
lässt die Kostenfolgeabschätzung nicht erkennen, ob dieser Annahme ein zutreffendes
Normverständnis zu Grunde liegt, wonach der Sachkostenzuschlag nach § 3 Abs. 3 Nr. 4
Satz 1 Halbsatz 1 KonnexAG nur die Kosten für Büroarbeitsplätze abdeckt und gemäß
Halbsatz 2 der sonstige aufgabenspezifische Sachaufwand gesondert zu schätzen ist.
Dass aus diesem Grund möglicherweise nennenswerter von vornherein abzusehender
weiterer Sachaufwand aus der Betrachtung ausgeblendet worden sein könnte, lässt sich
dem Vorbringen der Beschwerdeführer jedoch nicht entnehmen. Insbesondere liegt die
dem Ausgleich zu Grunde liegende Annahme, Verwaltungsgemeinkosten würden sich
durch die Integration sehr kleiner Verwaltungseinheiten in die bestehende kommunale
Verwaltung voraussichtlich nicht erhöhen, im Rahmen des gesetzgeberischen
Prognosespielraums. Sie wird im Übrigen von den Beschwerdeführern nicht substantiiert
und quantifizierbar in Frage gestellt. Das von den Beschwerdeführern geltend gemachte
Defizit, das vor allem durch Sachkosten angefallen sein soll, lässt als solches nicht
erkennen, dass bereits im Vorhinein absehbare notwendige Kosten bei der Prognose
unberücksichtigt geblieben sein könnten.
dd)
mündlichen Verhandlung die kommunale Unterdeckung auf insgesamt 20 Millionen Euro
beziffert hat, liegt dem kein nachvollziehbarer Sachvortrag zu Grunde. Auch soweit er
darüber hinaus auf eine Fülle weiterer Ungereimtheiten im Rahmen der
Kostenfolgeabschätzung hingewiesen hat, sind diese gleichfalls nicht näher spezifiziert
worden.
ee)
Personalkostenpauschalen, der Stellenreduzierungspotentiale und der finanziell
auszugleichenden Sachkosten auf Grund der besonderen Umstände
verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die verbleibenden quantitativ eher marginalen
Unklarheiten erscheinen vor dem Hintergrund der rechtlichen Unsicherheit über die
konkreten verfassungsrechtlichen Anforderungen des Konnexitätsprinzips vor einer
grundsätzlichen Klärung durch den Verfassungsgerichtshof vertretbar. Die
Kostenaufstellung ist nicht bereits deshalb offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig
widerlegbar, weil sie unter einzelnen Aspekten in Frage gestellt werden kann.
c)
verfassungsrechtlichen Anforderungen hingenommen werden, weil § 25
Eingliederungsgesetz eine Anpassung des Belastungsausgleichs verlangt, wenn sich
91
92
93
94
herausstellt, dass die Annahmen der Kostenprognose unzutreffend waren und der
Ausgleich grob unangemessen ist. Im Rahmen der hierfür ohnehin durchzuführenden
Evaluation sind alle Annahmen und Berechnungen im Einzelnen kritisch daraufhin
auszuwerten, ob sie nach den tatsächlichen Erfahrungen der kommunalen
Aufgabenerfüllung realitätsgerecht sind und ob sie den mittlerweile durch den
Verfassungsgerichtshof geklärten Anforderungen an die Kostenprognose entsprechen. Im
Hinblick auf die bisher in Teilen nur grob nachvollziehbare Kostenschätzung ist
besonderes Augenmerk darauf zu richten, ob sich die Personalkostenpauschalen und der
pauschalierte Zuschlag für den Arbeitsplatzaufwand in Verbindung mit den gewährten
Sachleistungen auch ohne eine weitergehende Erstattung aufgabenspezifischen
Sachaufwands oder eines Aufwands für Verwaltungsgemeinkosten bei wirtschaftlicher
Verwaltungstätigkeit durchschnittlich als auskömmlich erwiesen haben. Ebenfalls in den
Blick zu nehmen ist, ob die Annahmen betreffend des künftig verminderten Stellenbedarfs
nach den bisherigen Erfahrungen weiterhin tragfähig sind. Schließlich sind die dem
Verteilschlüssel zu Grunde liegenden Annahmen auf ihre fortdauernde Aktualität zu
überprüfen. Bei der Überprüfung ist von dem Erfordernis eines pauschalierten Ausgleichs
aller durch die Aufgabenübertragung entstehenden Aufwendungen auszugehen; auch
wenn eine Spitzabrechnung nicht vorzunehmen ist, sind hierbei − soweit verfügbar −
grundsätzlich die in den Kommunen tatsächlich entstandenen Kosten zu Grunde zu legen,
solange keine Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Verwaltungstätigkeit bestehen.
Allein der mögliche Umstand, dass tatsächlich höhere Kosten entstanden sind als
veranschlagt, rechtfertigt nicht bereits den Rückschluss auf eine unwirtschaftliche
Verwaltungstätigkeit. Über das Ergebnis ist dem Landtag so zu berichten, dass dieser in
der Lage ist, eine belastbare Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Anpassung des
Belastungsausgleichs zu treffen.
d)
Gesetzgeber an den vom Verfassungsgerichtshof näher konturierten
verfassungsrechtlichen Vorgaben zu orientieren. Insbesondere ist er gehalten, unter
grundsätzlicher Beachtung des Konnexitätsausführungsgesetzes die Grundannahmen und
Berechnungen der Kostenansätze nicht nur grob, sondern im Einzelnen nachvollziehbar
offen zu legen und auf diese Weise einen konsensorientierten partnerschaftlichen Dialog
mit den kommunalen Spitzenverbänden zu ermöglichen. Hierzu gehört es auch, im
Beteiligungsverfahren beanstandete Unklarheiten, die auf Grund einer zulässigerweise
vergröbernden Darstellung der Kostenaufstellung verblieben sind, zum Anlass zu nehmen,
die in Frage stehenden Positionen bei nächster Gelegenheit soweit möglich im Einzelnen
prüffähig zu erläutern.
IV.
Der Anspruch der Beschwerdeführer auf gemeindefreundliches Verhalten ist nicht verletzt
worden. Im Gesetzgebungsverfahren ist nicht gegen die verfassungsrechtlich garantierten
prozeduralen Vorgaben des Art. 78 Abs. 3 Satz 5 LV NRW i. V. m. §§ 7 und 8 KonnexAG
NRW verstoßen worden.
Der von den Beschwerdeführern angeführte Grundsatz gemeindefreundlichen Verhaltens
stellt keinen eigenständigen rechtlichen Maßstab dar. Er ist aus Art. 78 Abs. 1 LV
abzuleiten und begründet als akzessorisches Gebot für sich allein keine selbständigen
Pflichten des Landes (vgl. VerfGH NRW, OVGE 48, 286, 298 m. w. N.). In diesem Rahmen
greift der Einwand der Beschwerdeführer, im Gesetzgebungsverfahren sei gegen
zwingende prozedurale Vorgaben verstoßen worden, nicht durch. Die kommunalen
Spitzenverbände hätten auf der Grundlage des ihnen vorliegenden Entwurfs und der
Abstimmungsgespräche mit der Landesregierung einschließlich des Konsensgesprächs
eine abschließende Stellungnahme abgeben und sich zu der Kostenprognose äußern
können. Da zu dem von der Landesregierung angekündigten Zeitpunkt für die Einbringung
des Gesetzentwurfs keine abschließende Stellungnahme vorlag, konnte diese gemäß § 8
KonnexAG weder der Vorlage des Gesetzentwurfs zur Beschlussfassung durch die
Landesregierung beigefügt noch gemeinsam mit dem Gesetzentwurf dem Landtag
zugeleitet werden.