Urteil des VerfG Brandenburg vom 15.03.2017

VerfG Brandenburg: verfassungsbeschwerde, hauptsache, verfassungsgericht, gewalt, pflichtverteidiger, link, quelle, strafverfahren, sammlung, ermittlungsverfahren

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Gericht:
Verfassungsgericht
des Landes
Brandenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
39/98 EA
Dokumenttyp:
Einstweilige
Anordnung
Quelle:
Normen:
§ 141 StPO, § 203 StPO, §§ 304ff
StPO, § 304 StPO, § 30 Abs 1
VerfGG BB
(VerfG Potsdam: Ablehnung des Antrags auf Erlaß einer eA
gegen erstinstanzlichen Eröffnungsbeschluß nach StPO § 203,
sowie der Bestellung und Auswahl eines Pflichtverteidigers)
Gründe
A.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Beschluß des Amtsgerichts , mit dem das
strafgerichtliche Hauptverfahren gegen ihn eröffnet wird. Zur Begründung macht er
geltend, im Ermittlungsverfahren unter Verstoß gegen das rechtliche Gehör weder von
der Polizei noch von der Staatsanwaltschaft vernommen worden zu sein. Im Wege der
einstweiligen Anordnung möchte er seine "Vernehmung als Zeuge" in dieser Sache
erreichen. Außerdem wendet er sich dagegen, daß das Amtsgericht ihm einen
Pflichtverteidiger bestellt hat.
B.
I.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Das Verfassungsgericht kann nach § 30 Abs. 1
Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) einen Zustand durch einstweilige
Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung
drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl
dringend geboten ist. Insoweit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts ein
strenger Maßstab anzulegen. Stellt sich die Anrufung des Verfassungsgerichts in der
Hauptsache als offensichtlich unzulässig oder unbegründet dar, kann auch der Antrag
auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg haben. Ansonsten ist eine von den
Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige Abwägung vorzunehmen, wobei den
Gründen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung besonderes - dem Fall drohender
Gewalt vergleichbares - Gewicht zukommen muß und, im Sinne einer zusätzlichen
Voraussetzung, die Anordnung "zum gemeinen Wohl" und "dringend" geboten sein muß
(vgl. zu alledem etwa die Entscheidungen des Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg vom 30. November 1993 - VfGBbg 3/93 EA, LVerfGE 1, 205, 206; vom 22.
Dezember 1993 - VfGBbg 9/93 -, LVerfGE 1, 214, 216 f.; vom 15. Dezember 1994 -
VfGBbg 14/94 EA -, LVerfGE 2, 214, 219 f.; von 20. Juni 1996 - VfGBbg 14/96 EA -,
LVerfGE 4, 190, 197). Hiernach kommt vorliegend der Erlaß einer einstweiligen
Anordnung nicht in Betracht.
1. Zum einen kann die Anrufung des Verfassungsgerichts in der Hauptsache keinen
Erfolg haben. Eine Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts, mit
dem das Hauptverfahren eröffnet und dem Antragsteller ein Pflichtverteidiger bestellt
worden ist, wäre unzulässig. Der erstinstanzliche Eröffnungsbeschluß ist als bloße
Zwischenentscheidung mit der Verfassungsbeschwerde grundsätzlich nicht angreifbar
(vgl. BVerfGE 1, 9, 10; 25, 336, 343; NJW 1989, 2464; NJW 1995, 316). Die Bestellung
eines Pflichtverteidigers nach § 141 Strafprozeßordnung (StPO) als solche ist mangels
Beschwer ebenfalls nicht mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar. Sie ist eine den
Beschuldigten begünstigende Entscheidung, die seine wirksame Verteidigung im
Strafverfahren sichern soll (vgl. BVerfGE 39, 238, 242). Soweit sich der Antragsteller
auch gegen die Auswahl des Verteidigers wendet, scheitert die Zulässigkeit einer
Verfassungsbeschwerde daran, daß der Rechtsweg noch nicht ausgeschöpft ist (vgl. § 45
Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg). Die Auswahl des Pflichtverteidigers ist mit der Beschwerde
nach § 304 ff. StPO angreifbar (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl. 1997, §
142, Rdn. 19). Der Vortrag des Antragstellers läßt nicht erkennen, daß er von dieser
Rechtsschutzmöglichkeit erfolglos Gebrauch gemacht hat.
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2. Zum anderen sieht das Gericht in der Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den
Antragsteller keinen schweren Nachteil von solchem Gewicht, daß der Erlaß einer
einstweiligen Anordnung gerechtfertigt wäre. Die Entscheidung stellt lediglich einen
prozessualen Zwischenschritt dar, der die - gemäß § 264 Abs. 1 StPO nach dem
Ergebnis der Verhandlung zu treffende - Entscheidung im Hauptverfahren weder
vorwegnimmt noch präjudiziert.
Zudem ist nicht ersichtlich, daß der Erlaß der einstweiligen Anordnung im Sinne von § 30
Abs. 1 VerfGGBbg zum "gemeinen Wohl" und "dringend" geboten wäre. Es handelt sich -
bei aller Bedeutung für den Antragsteller selbst - um eine Angelegenheit ohne
unmittelbare Auswirkungen auf das Gemeinwohl.
II.
Der Beschluß ist unanfechtbar.
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