Urteil des VerfG Brandenburg vom 15.03.2017

VerfG Brandenburg: regierung, herkunft, verfassungsgericht, aufwand, geheimhaltung, verweigerung, chef, fragerecht, landesverwaltung, geschäftsordnung

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Gericht:
Verfassungsgericht
des Landes
Brandenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
31/00
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 56 Abs 2 S 1 Verf BB, Art 56
Abs 2 S 2 Verf BB, Art 56 Abs 3
S 2 Verf BB, Art 56 Abs 4 S 1
Verf BB
VerfG Potsdam: Verletzung des Fragerechts einer
Landtagsabgeordneten wegen Verweigerung vollständiger und
nach bestem Wissen erteilter Antwort der Landesregierung auf
Frage nach aktueller Personal- und Gehaltsstruktur in
Landesministerien
Gründe
A.
Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Frage, ob die Landesregierung das Recht
einer Abgeordneten auf ordnungsgemäße Beantwortung einer Kleinen und einer
Mündlichen Anfrage verletzt hat.
I.
Die Antragstellerin ist seit Beginn der 3. Wahlperiode im September 1999 Mitglied des
Landtags Brandenburg. Mit der Kleinen Anfrage Nr. 359 (Landtagsdrucksache 3/854 vom
31. März 2000) richtete sie die folgenden Fragen an die Landesregierung:
"1. Wie viele Angestellte und wie viele Beamte der Ministerien des Landes Brandenburg
stammen (bezogen auf den Wohnsitz vor dem Jahr 1989) jeweils aus den alten und wie
viele jeweils aus den neuen Bundesländern?
2. Wie sieht die Personalstruktur hinsichtlich der Herkunft (im Sinne der Frage 1) und
aufgeschlüsselt nach Ministerium und Personalebenen entsprechend folgender
Tabellenvorgabe aus:
Ministerium für ...
Personalebene Anzahl der Person(en) Anzahl der Personen
aus den alten
aus den neuen
Bundesländern
Bundesländern
Minister
StaatssekretärIn
AbteilungsleiterInnen
ReferatsleiterInnen
Sonstige MitarbeiterInnen
(...)
4. Welche Gehaltsstaffelung ergibt sich gegenwärtig detailliert in den Personalebenen
des jeweiligen Ministeriums in Bezug auf die Bezahlung nach BAT-Ost und BAT-West
entsprechend folgender Tabellenvorgabe? Ministerium für ...
Personalebene Anzahl der Person(en), Anzahl der Personen,
die nach BAT-West
die nach BAT-Ost
bezahlt werden
bezahlt werden
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Minister
StaatssekretärIn
AbteilungsleiterInnen
ReferatsleiterInnen
Sonstige MitarbeiterInnen
Namens der Landesregierung beantwortete die Ministerin der Finanzen die Kleine
Anfrage am 4. Mai 2000 (Landtagsdrucksache 3/1053 vom 9. Mai 2000) wie folgt:
"Zu den Fragen 1, 2 und 4:
Die Landesregierung verweist auf die Antworten zu den Anfragen 1592 (LT DS 2/5126),
1847 (LT DS 2/5967) und 1903 (LT DS 2/6224).
Die Anfrage beinhaltet im Vergleich zu den bereits zur gleichen Thematik beantworteten
Kleinen Anfragen von Mitgliedern der PDS- Landtagsfraktion aus den Jahren 1998/99
nuanciert andere Fragestellungen. Eine detaillierte Beantwortung würde erneute
Ressortumfragen erforderlich machen.
Diesen Aufwand hält die Landesregierung nicht für angebracht; im zehnten Jahr der
deutschen Einheit sollte die biografische Herkunft der Beschäftigten in den Ministerien
keine Rolle mehr spielen.
So werden Neueinstellungen grundsätzlich nach fachlicher Eignung, Befähigung und
Leistung vorgenommen. Die Frage des Wohnsitzes vor 1989 ist dabei unerheblich. Im
Ergebnis werden daher Bewerber aus allen Bundesländern und den Mitgliedstaaten der
Europäischen Union eingestellt."
In der Sitzung des Landtages vom 17. Mai 2000 richtete die Antragstellerin die
Mündliche Anfrage Nr. 237 an die Landesregierung. Ausweislich des Protokolls nahm die
Antragstellerin auf ihre Kleine Anfrage und die Antwort der Landesregierung Bezug und
führte anschließend aus:
"Diese Antwort befriedigt mich in keiner Weise, zumal bekannt ist, dass
Brandenburgerinnen und Brandenburger ostdeutscher Herkunft nach wie vor kaum eine
Chance haben, in mittlere und leitende Führungspositionen der Landesverwaltung zu
gelangen. Zudem gibt es nicht wenige Fälle, wo Bewerber aus den neuen
Bundesländern, selbst mit Studienabschlüssen nach 1990, bei Einstellungen in der
Landesverwaltung die schlechteren Karten haben.
Ich frage deshalb die Landesregierung nochmals: Wie sieht die Personalstruktur in der
Staatskanzlei und den Ministerien hinsichtlich der Herkunft aus den alten bzw. neuen
Bundesländern bei Staatssekretären, Abteilungsleitern, Referatsleitern und sonstigen
Mitarbeitern aus?"
Für die Landesregierung beantwortete der Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Speer,
die Mündliche Anfrage in der Landtagssitzung wie folgt (Protokoll, S. 745):
"Frau Dr. Schröder, es gibt drei Möglichkeiten, wie man diese Frage beantworten kann.
Die erste wäre formal: ich verweise auf die Antwort der Landesregierung. Es hat sich in
der Zeit zwischen der schriftlichen Einreichung der Antwort auf die Anfrage und heute
nichts geändert.
Die zweite Möglichkeit - auch formal - wäre zu sagen: Im Rahmen einer Mündlichen
Anfrage ist das, was Sie abfragen, überhaupt nicht zu beantworten. Ansonsten wären die
90 Minuten hier ausgeschöpft.
(...) Genau daraufhin haben wir auch im zehnten Jahr geantwortet und - wie Sie richtig
zitieren - gesagt: Wir sehen keine Notwendigkeit und halten es auch nicht für sinnvoll,
diese Frage immer wieder zu stellen und zu beantworten. Ich frage Sie: Wer ist nach Ihrer
Definition ein Landeskind? Ist jemand, der 1990 aus Spandau nach Falkensee gezogen
ist und dort seit zehn Jahren bei der Polizei oder im Kommunaldienst arbeitet, aus Ihrer
Sicht ein Landeskind oder nicht? Aus meiner Sicht ist er eines, denn er zahlt seine
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Sicht ein Landeskind oder nicht? Aus meiner Sicht ist er eines, denn er zahlt seine
Steuern und dient dem Wohle des Landes. (...) Diese Differenzierung, die Sie anmahnen,
bringt uns nicht weiter. Deswegen ist meine Bitte, hier mit Gelassenheit heranzugehen.
Ich sage: Das von Ihnen geschilderte Problem wächst sich aus."
Mit Schreiben vom 30. Mai 2000 forderte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der
PDS-Fraktion im Landtag den Ministerpräsidenten mit Verweis auf Art. 56 Abs. 2 LV auf,
die Anfrage der Antragstellerin bis zum 15. Juni 2000 nach bestem Wissen und
vollständig zu beantworten. Der Chef der Staatskanzlei antwortete hierauf mit Fax vom
14. Juni 2000, daß der Landesregierung kein differenziertes Zahlenmaterial vorliege und
dieses nur durch eine vollständige und aufwendige Ressortumfrage gewonnen werden
könne. Zudem müßte die Landesregierung bei der Beantwortung abgrenzbare Kriterien
der biografischen Herkunft selbst aufstellen. Nach den vorliegenden Zahlen seien zum 1.
April 2000 in der Landesverwaltung 38.899 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen, von
denen 527 Angestellte und Arbeiter (1,35 %) eine Vergütung im Volumen der
Westvergütung erhielten. Von den 33.812 Beamten hätten zum gleichen Zeitpunkt 2617
Beamte (7,74 %) Bezüge auf Westniveau erhalten. In bezug auf die aktuelle Personal-
und Gehaltsstruktur in den Ministerien und nachgeordneten Behörden des Landes seien
diese Zahlen nur von eingeschränkter Aussagekraft, da von den "West"-bezahlten
Landesbediensteten eine Reihe aus den neuen Bundesländern stammten, während eine
Vielzahl von aus den alten Bundesländern "stammenden" Beschäftigten nach Osttarif
bezahlt werde. Aus sich heraus gäben diese Zahlen keinen hinreichenden Aufschluß
darüber, inwieweit der kontinuierliche Rückgang der nach Westtarif Beschäftigten darauf
zurückzuführen sei, daß mehr und mehr ehemalige DDR-Bürger - wie es ernsthaftes Ziel
der Landesregierung sei - Führungsaufgaben wahrnähmen. Der Kern der Frage der
Abgeordneten sei durch bloße statistische Erhebungen schwer zu erreichen. Die Frage,
wer ein Brandenburger, ein Landeskind, ein Ossi und ein Wessi sei, sei jedes Jahr, das zu
1990 hinzuaddiert werde, schwieriger zu beantworten. Eine Diskriminierung von
Beschäftigten ostdeutscher Biografie finde nicht statt. Genauso sei die Landesregierung
verpflichtet, einer Diskriminierung von solchen westdeutscher Biografie
entgegenzutreten.
II.
Die Antragstellerin hat sich am 13. Juli 2000 an das Verfassungsgericht gewandt. Sie
macht geltend, durch Inhalt, Umfang und Form der Antwort der Antragsgegnerin auf die
Kleine Anfrage und die Mündliche Anfrage in ihrem Recht nach Art. 56 Abs. 2 Satz 2
Landesverfassung (LV) auf "nach bestem Wissen" und "vollständig" zu erteilende Antwort
verletzt zu sein. Es sei Aufgabe der/des Abgeordneten, die Regierung u.a. durch
Anfragen im Parlament zu kontrollieren. Nur bei Durchsetzung des
verfassungsrechtlichen Informationsanspruchs der Abgeordneten könnten die aus dem
Mandat erwachsenden Rechte wahrgenommen werden. Die Vorgaben des erkennenden
Verfassungsgerichts zum Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht nach Art. 56 Abs. 3 LV
ließen sich erst recht auf das Fragerecht der Abgeordneten übertragen. Indem die
Antragsgegnerin deutlich gemacht habe, daß sie aufwendige Ressortumfragen nicht
mehr für angebracht halte, weil die biografische Herkunft der Beschäftigten in den
Ministerien keine Rolle mehr spiele, habe sie hinsichtlich der detaillierten Offenlegung der
Personal- und Gehaltsstruktur der Ministerien für sich Ermessen und eine
Entscheidungsprärogative in Anspruch genommen, obwohl ihr dies nach Art. 56 Abs. 2
Satz 2 LV nicht zustehe. Im Gegensatz zu den Auskunftsersuchen nach Art. 56 Abs. 3 LV
sei bei Kleinen Anfragen die in § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Landtages
(GeschO LT) geregelte Frist von vier Wochen stets als ausreichend für Recherchen und
Abstimmung anzusehen. Die Weigerung der Antragsgegnerin sei auch nicht unter dem
Gesichtspunkt der gegenseitigen Rücksichtnahme der Staatsorgane zu rechtfertigen, da
Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Regierung durch den hier in Betracht kommenden
Einsatz eines Sachbearbeiters für etwa eine Arbeitswoche nicht beeinträchtigt würden.
Die Antragsgegnerin habe einen unverhältnismäßigen Aufwand nicht belegt. Auch der
Verweis auf die Antworten zu früheren Anfragen sei unzureichend. Die Landesregierung
gehe selbst von einer nuanciert anderen Fragestellung aus. Die früher vorgelegten
Statistiken ließen keine Verhältniszahlen zu, weil die sonstigen Mitarbeiter im Sinne einer
Gesamtzahl der Beschäftigten eines Ministeriums nicht angegeben seien. Zudem hätten
sich nach der Neuwahl des Landtages Personalstruktur und Zuschnitt der Ministerien
verändert. Die die Antragstellerin interessierende Frage, ob die Arbeitsmarktchancen der
Brandenburgerinnen und Brandenburger ostdeutscher Herkunft auch wegen
Benachteiligungen bei der Besetzung freier Stellen schlechter seien, sei aktuell, da jetzt
auch Ostdeutsche über entsprechende Qualifikationen und Berufserfahrung für Stellen
im gehobenen und höheren Dienst verfügten.
Aus den genannten Gründen verletze auch die Beantwortung der Mündlichen Anfrage
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Aus den genannten Gründen verletze auch die Beantwortung der Mündlichen Anfrage
Nr. 237 die Antragstellerin in ihrem Recht aus Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV. Wie der Umfang
der bisherigen Antworten auf die erwähnten Kleinen Anfragen in der zweiten Wahlperiode
sowie umfänglich beantwortete Mündliche Anfragen zu anderen Themen zeigten,
könnten im zeitlichen Rahmen einer Fragestunde auch komplexe Sachverhalte mit
Zahlenangaben behandelt werden. Da die Verletzung des Fragerechts bereits mit der
Ausgabe der Antwort als Landtagsdrucksache bzw. mit der Beantwortung in der
Fragestunde erfolgt sei, sei das Schreiben des Chefs der Staatskanzlei vom 14. Juni
2000 diesbezüglich unbeachtlich. Im übrigen könne auch dieses Schreiben mangels
differenzierter Zahlen keine vollständige Beantwortung darstellen.
Die Antragstellerin beantragt,
1. festzustellen, daß die Landesregierung die Antragstellerin in ihren Rechten aus Art. 56
Abs. 2 Satz 2 LV verletzt hat, indem sie die Kleine Anfrage Nr. 359 vom 28. März 2000,
Landtagsdrucksache 3/854 vom 31. März 2000, zur "Aktuellen Personal- und
Gehaltsstruktur in den Ministerien des Landes Brandenburg" mit der
Landtagsdrucksache 3/1053 vom 9. Mai 2000 nicht nach bestem Wissen und vollständig
beantwortet hat,
2. festzustellen, daß die Landesregierung die Antragstellerin in ihren Rechten aus Art. 56
Abs. 2 Satz 2 LV verletzt hat, indem sie die Mündliche Anfrage Nr. 237 in der 15. Sitzung
des Landtages vom 17. Mai 2000 zur "Personalstruktur in den Ministerien" nicht nach
bestem Wissen und vollständig beantwortet hat."
Ferner beantragt die Antragstellerin,
ihr die notwendigen Auslagen zu erstatten.
III.
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert. Mit
Schreiben vom 8. November 2000 hat sie der Antragstellerin eine weitere schriftliche
Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 359 übersandt.
Der Landtag hat von einer Äußerung abgesehen.
B.
Das Verfassungsgericht hat eine mündliche Verhandlung einstimmig nicht für
erforderlich gehalten (§ 22 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg -
VerfGGBbg).
Der Antrag der Antragstellerin hat Erfolg.
I.
Der Antrag ist nach Art. 113 Nr. 1 LV, §§ 12 Nr. 1, 35 ff. VerfGGBbg zulässig.
Gegenstand des Verfahrens ist die Auslegung der Landesverfassung aus Anlaß einer
Streitigkeit über den Umfang der den Beteiligten durch die Verfassung übertragenen
Rechte und Pflichten. Die Antragstellerin ist als Abgeordnete gemäß Art. 113 Nr. 1 LV
und § 35 i.V.m. § 12 Nr. 1 VerfGGBbg im Organstreitverfahren beteiligtenfähig. Da sie
geltend macht, durch die Antwort der Antragsgegnerin auf ihre Anfragen in ihrem Recht
auf eine "nach bestem Wissen" und "vollständig" zu erteilende Auskunft nach Art. 56
Abs. 2 Satz 2 LV verletzt zu sein, ist sie gemäß § 36 Abs. 1 VerfGGBbg auch
antragsbefugt. Die Antragsgegnerin ist als Verfassungsorgan ebenfalls beteiligtenfähig.
Die sechsmonatige Antragsfrist nach § 36 Abs. 3 VerfGGBbg ist gewahrt.
Das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin ist nicht dadurch entfallen, daß die
Landesregierung mit Schreiben vom 8. November 2000 eine Antwort auf die in der
Kleinen Anfrage gestellten Fragen in der gewünschten tabellarischen Anordnung
gegeben hat. Da der Wortlaut des an das Verfassungsgericht und des an die
Antragstellerin gerichteten Übersendungsschreibens der Landesregierung auch kein
Eingeständnis einer Verletzung des verfassungsrechtlichen Fragerechts der
Antragstellerin durch die ursprünglichen Antworten erkennen läßt, besteht das
berechtigte Interesse an der Feststellung eines darin liegenden Verfassungsverstoßes
fort.
II.
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Der Antrag ist begründet.
Die Antragsgegnerin hat das in Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV gewährleistete Recht der
Antragstellerin verletzt, indem sie es unterlassen hat, die Kleine Anfrage Nr. 359 (hierzu
nachfolgend 1.) und die Mündliche Anfrage Nr. 237 (hierzu nachfolgend 2.) unverzüglich
nach bestem Wissen und vollständig zu beantworten.
1. a) Nach Art. 56 Abs. 2 Satz 1 LV haben die Abgeordneten u.a. das Recht, im Landtag
Fragen zu stellen. Fragen an die Regierung sind unverzüglich nach bestem Wissen und
vollständig zu beantworten (Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV). Das Nähere regelt die
Geschäftsordnung (Art. 56 Abs. 2 Satz 3 LV).
Vollständig ist die Antwort, wenn alle Informationen, über die die Regierung verfügt oder
mit zumutbarem Aufwand verfügen könnte, lückenlos mitgeteilt werden, d.h. nichts, was
bekannt ist oder was mit zumutbarem Aufwand hätte in Erfahrung gebracht werden
können, verschwiegen wird. Nicht vollständig ist auch eine ausweichende Antwort (vgl.
Sächsischer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 16. April 1998 - Vf.19-I-97, LKV 1998,
315; Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Beschluß vom 25. November 1997 - StGH
1/97 -, S. 8 des Entscheidungsumdrucks). Dies bedeutet allerdings nicht, daß die
Auskunft ohne Rücksicht darauf, was und wie genau gefragt worden ist, in Details
ausufern muß. In Zweifelsfällen kann es Sache der/des Abgeordneten sein, ergänzend
nachzufragen. In jedem Fall muß die Auskunft jedoch stimmig und aus sich selbst heraus
verständlich sein und darf nichts Wesentliches oder erkennbar Interessierendes
vorenthalten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 18.
Dezember 1997 - VfGBbg 16/97 -, LVerfGE 7, 138, 141, zu dem in Art. 56 Abs. 3 LV
gewährleisteten Auskunftsrecht der Abgeordneten). Bestem Wissen entspricht die
Antwort, wenn das Wissen, das bei der Landesregierung präsent ist, sowie jene
Informationen mitgeteilt werden, die innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand
eingeholt werden können (vgl. Sächsischer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 16. April
1998 - Vf. 19-I-97, LKV 1998, 315).
Obgleich Art. 56 Abs. 2 LV - anders als die entsprechenden Regelungen einiger anderer
Landesverfassungen (vgl. Art. 40 Abs. 3 der Verfassung des Landes Mecklenburg-
Vorpommern, Art. 51 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Sachsen, Art. 23 Abs. 3 der
Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, Art. 67 Abs. 3 der Verfassung des Freistaats
Thüringen; der Fassung in Brandenburg vergleichbar dagegen: Art. 24 Abs. 1 der
Niedersächsischen Verfassung und Art. 53 Abs. 2 LV der Verfassung des Landes
Sachsen-Anhalt) - dies nicht ausdrücklich regelt, unterliegt allerdings die dem Fragerecht
des Abgeordneten korrespondierende Antwortpflicht der Landesregierung Grenzen.
Solche Grenzen ergeben sich zum einen aus der Verbandskompetenz des Landes und
der Organkompetenz der Regierung. Da die Landesregierung nur für ihre Amtsführung -
im Sinne einer Rechenschafts- und Einstandspflicht für eigenes Handeln -verantwortlich
ist, braucht sie nur in solchen Angelegenheiten Auskunft zu geben, die in ihre
Zuständigkeit fallen (vgl. Landesverfassungsgericht Sachsen- Anhalt, Urteil vom 17.
Januar 2000 - LVG 6/99 -, NVwZ 2000, 671, 672). Im übrigen kann zur Bestimmung der
sich aus der Verfassung ergebenden Grenzen der Antwortpflicht die - dem Wortlaut nach
zunächst nur die in Art. 5b Abs. 3 LV geregelte Erteilung von Auskünften und Vorlage
amtlicher Unterlagen betreffende - Schrankenbestimmung des Art. 56 Abs. 4 LV
entsprechend herangezogen werden. Für eine unterschiedliche Behandlung von
Auskunftsersuchen im Rahmen parlamentarischer Anfragen ist kein sachlicher Grund
ersichtlich. Nach Art. 56 Abs. 4 Satz 1 LV darf aber die Erteilung von Auskünften oder die
Vorlage von Akten und sonstigen amtlichen Unterlagen (nur) abgelehnt werden, wenn
überwiegende öffentliche oder private Interessen an der Geheimhaltung dies zwingend
erfordern. Mit dem Begriff der "privaten Interessen an der Geheimhaltung" nimmt der
Verfassungsgesetzgeber die Grundrechtsverbürgung des Art. 11 LV in Bezug (vgl.
Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. Juni 1996 - VfGBbg 3/96 -,
LVerfGE 4, 179, 186). Öffentliche Interessen an der Geheimhaltung können sich etwa aus
dem Wesen der Exekutivverantwortung ergeben. In diesem Sinne ist ein "Kernbereich
exekutiver Eigenverantwortung" anzuerkennen, der - in im einzelnen schwer
abzusteckenden Grenzen - einen selbst im Verhältnis zu parlamentarischen
Untersuchungsausschüssen nicht offenbarungspflichtigen Initiativ-, Beratungs- und
Handlungsbereich einschließt (vgl. BVerfGE 67, 100, 139). Ob bereits das Gebot, daß die
Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Regierung nicht gefährdet werden darf, die
Verweigerung der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage rechtfertigen kann (so
Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Oktober 1993 -
VerfGH 15/92 -, NVwZ 1994, 678, 679 f.; offengelassen durch den Sächsischen
Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 16. April 1998 - Vf.14-I-97, LKV 1998, 316, 317;
ablehnend etwa Versteyl, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz- Kommentar, 3. Aufl. 1995,
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ablehnend etwa Versteyl, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz- Kommentar, 3. Aufl. 1995,
Rn. 22 zu Art. 43) oder gegebenenfalls nur eine Verzögerung der Beantwortung
rechtfertigt (vgl. Weis, DVBl. 1988, 268, 273), bedarf aus Anlaß des vorliegenden Falles -
wie nachfolgend unter b)bb) dargelegt wird - keiner abschließenden Entscheidung.
Art. 56 Abs. 4 Satz 1 LV bestimmt weiter, daß die öffentlichen oder privaten Interessen
an der Geheimhaltung "überwiegend" sein und die Auskunftsverweigerung "zwingend
erfordern" müssen. Im Rahmen der danach anzustellenden Abwägung zwischen dem
Informationsinteresse des Abgeordneten und dem gegebenenfalls zu
berücksichtigenden Geheimhaltungsinteresse (vgl. zu diesem Abwägungserfordernis
bereits Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. Juni 1996 - VfGBbg
3/96 -, LVerfGE 4, 179, 187) ist auch der Bedeutung der Pflicht zur erschöpfenden
Beantwortung parlamentarischer Anfragen für die Funktionsfähigkeit des
parlamentarischen Systems Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, NJW 1996, 2085; BVerfGE
57, 1, 5). Das Fragerecht erfüllt keinen Selbstzweck, sondern hat die Funktion, den
sachlichen Aufgaben der/des einzelnen Abgeordneten zu dienen. Die Abgeordneten sind
aufgrund ihres Mandats berufen, eigenverantwortlich an den Aufgaben mitzuwirken, die
dem Landtag obliegen. Das setzt voraus, daß sie über die hierfür erforderlichen
Informationen verfügen. Wegen der Komplexität der im Landtag zu behandelnden
Gegenstände und der von ihm mitzugestaltenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen
und politischen Zusammenhänge sind die Abgeordneten dabei in der Regel auf die
Informationen angewiesen, die der Regierung insbesondere durch die
Ministerialverwaltung zur Verfügung stehen (vgl. Verfassungsgerichtshof für das Land
Nordrhein-Westfalen, a.a.O., S. 679; Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil
vom 17. Januar 2000 - LVG 6/99 -, NVwZ 2000, 671, 672). Hätten die Abgeordneten
keinen Zugriff auf den Informationsstand der Ministerialverwaltung, wäre die Kontrolle
der Regierung durch das Parlament erheblich erschwert. Der Landesverfassungsgeber
war in diesem Sinne bestrebt, einem - in den alten Ländern und im Bund vielfach zu
beobachtenden - informationellen Ungleichgewicht zwischen Exekutive und Legislative
und insbesondere zwischen Exekutive und Opposition mit der Einräumung möglichst
umfassender Informationsrechte jedes einzelnen Abgeordneten entgegenzuwirken (vgl.
Breidenbach/Kneifel-Haverkamp, in: Simon/Franke/Sachs, Handbuch der Verfassung des
Landes Brandenburg, Rn. 30 zu § 21). Dieser Zielsetzung entsprechend kommt in
Zweifelsfällen dem Informationsinteresse des Abgeordneten das höhere Gewicht zu.
Daraus folgt weiter, daß die Landesregierung nach der Verfassungsrechtslage im Land
Brandenburg - anders als etwa in Nordrhein-Westfalen (vgl. hierzu
Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Oktober 1993 -
VerfGH 15/92, NVwZ 1994, 678, 679) - bei der Beurteilung der Frage, welche
Informationen sie den Abgeordneten zur Verfügung stellt, keinen nicht nachprüfbaren
Beurteilungsspielraum hat, sondern in dieser Hinsicht der vollen
verfassungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt (so auch Verfassungsgerichtshof des
Freistaats Sachsen, Urteil vom 18. April 1998 - Vf. 14-I-97 -, LKV 1998, 316, 317, zu Art.
51 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung). Dem entspricht, daß nach Art. 56 Abs. 4 Satz 2
LV die Entscheidung über die Verweigerung einer Auskunft dem Abgeordneten
mitzuteilen und zu begründen ist.
b) Die Behandlung der Kleinen Anfrage der Antragstellerin durch die Landesregierung
wird den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Die Antwort
der Landesregierung vom 4. Mai 2000 war nicht vollständig und nach bestem Wissen
erteilt (aa). Auf die verfassungsrechtlichen Grenzen ihrer Antwortpflicht hat sich die
Landesregierung weder berufen noch ist ersichtlich, daß sie vorliegend berührt waren
(bb).
aa) Nach dem Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 359 - soweit Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens - begehrte die Antragstellerin Informationen darüber, wie viele
Angestellte und wie viele Beamte der Ministerien des Landes Brandenburg (bezogen auf
den Wohnsitz vor dem Jahr 1989) jeweils aus den alten und wie viele jeweils aus den
neuen Bundesländern stammen, wie die Personalstruktur hinsichtlich der Herkunft (im
Sinne der Frage 1) und aufgeschlüsselt nach Ministerium und Personalebenen
entsprechend einer vorgegebenen Tabelle aussieht und welche Gehaltsstaffelung sich
gegenwärtig in den Personalebenen des jeweiligen Ministeriums in Bezug auf die
Bezahlung nach BAT-Ost und BAT-West entsprechend einer vorgegebenen Tabelle
ergibt.
In ihrer schriftlichen Antwort vom 4. Mai 2000 verwies die Landesregierung auf die
Antworten zu den Anfragen 1592 (LT DS 2/5126), 1847 (LT DS 2/5967) und 1903 (LT DS
2/6224). Gleichzeitig führte sie aus, daß die Anfrage im Vergleich zu den bereits zur
gleichen Thematik beantworteten Kleinen Anfragen von Mitgliedern der PDS-
Landtagsfraktion aus den Jahren 1998/99 nuanciert andere Fragestellungen beinhalte
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Landtagsfraktion aus den Jahren 1998/99 nuanciert andere Fragestellungen beinhalte
und eine detaillierte Beantwortung erneute Ressortumfragen erforderlich machen
würden. Diesen Aufwand halte sie - die Landesregierung - nicht für angebracht, da im
zehnten Jahr der deutschen Einheit die biografische Herkunft der Beschäftigten in den
Ministerien keine Rolle mehr spielen sollte. So würden Neueinstellungen grundsätzlich
nach fachlicher Eignung, Befähigung und Leistung vorgenommen. Die Frage des
Wohnsitzes vor 1989 sei dabei unerheblich. Im Ergebnis würden daher Bewerber aus
sämtlichen Bundesländern sowie den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
eingestellt.
Mit diesem Inhalt war die Antwort auf die Frage der Antragstellerin unvollständig und
entsprach nicht bestem Wissen im Sinne des Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV. Die Antwort war
schon nicht in sich stimmig. Denn einerseits wird die Antragstellerin auf drei "zur
gleichen Thematik" ergangene Antworten zu parlamentarischen Anfragen aus der
vorangegangenen Wahlperiode des Landtages verwiesen. Andererseits spricht die
Landesregierung ihrerseits von einer "nuanciert anderen Fragestellung", deren
detaillierte Beantwortung erneute Ressortumfragen erforderlich machen würde. Auch
abgesehen von diesem inneren Widerspruch konnte die Antwort schon deshalb nicht
"vollständig" sein, weil die Verhältnisse nicht gleichgeblieben waren. Vor allem auf der
Leitungsebene der Ministerialverwaltung kann sich die Personalstruktur verhältnismäßig
schnell verändern. Mit derartigen Veränderungen ist vornehmlich dann zu rechnen, wenn
wie vorliegendenfalls nach einer Neuwahl des Landtages die Zusammensetzung der
Regierung wechselt. Schon wegen dieses besonderen Aktualitätsbezuges konnte hier
das im Rahmen früherer Anfragen anderen Abgeordneten unterbreitete Zahlenmaterial
dem Informationsinteresse der Abgeordneten nicht mehr gerecht werden. Die
ausweichende und sich im Kern in einer politischen Bewertung der Fragestellung
erschöpfende Antwort der Landesregierung war auch nicht mit Blick auf durch die
Formulierung der Kleinen Anfrage eröffnete Auslegungsspielräume gerechtfertigt. Die
Fragen der Antragstellerin waren hinreichend klar formuliert. Sie zielten erkennbar nicht
auf eine politische Bewertung, sondern auf konkretes Zahlenmaterial. Die begehrten
Informationen lagen auch nicht außerhalb des Zugriffs der Landesregierung, sondern
hätten - wie im übrigen schon in der Antwort der Landesregierung selbst eingeräumt und
nach Einleitung des Organstreitverfahrens in die Tat umgesetzt - mittels einer
Ressortumfrage in Erfahrung gebracht werden können. Der Landesregierung blieb es im
übrigen unbenommen, in ihrer Antwort darauf aufmerksam zu machen, daß und warum
nach ihrer Auffassung der Aussagewert des in dieser Form erfragten Zahlenmaterials
begrenzt sei.
bb) Die Verweigerung einer vollständigen und nach bestem Wissen erteilten Antwort auf
die Kleine Anfrage der Antragstellerin war nicht gerechtfertigt. Dabei kann dahinstehen,
ob die Unvollständigkeit der Beantwortung schon deshalb verfassungswidrig ist, weil es
entgegen Art. 56 Abs. 4 Satz 2 LV an einer Begründung der in dieser
Verfassungsbestimmung vorausgesetzten Art fehlte. Die Landesregierung hat sich nicht
etwa auf die verfassungsrechtlichen Grenzen ihrer Antwortpflicht berufen, sondern
lediglich mitgeteilt, daß sie den mit der detaillierten Beantwortung verbundenen Aufwand
"nicht für angebracht" halte. Auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren hat sie im
übrigen - ohne Begründung - davon abgesehen, Ausführungen zur
verfassungsrechtlichen Rechtfertigung ihres Verhaltens zu machen.
Es ist auch nicht ersichtlich, daß die verfassungsrechtlichen Grenzen der Antwortpflicht
der Regierung hier berührt sein könnten. Fragen der Personalstruktur der
Ministerialverwaltung liegen nicht außerhalb der Kompetenz des Landes oder des
Verantwortungsbereichs der Landesregierung. Private Interessen, insbesondere Belange
des Datenschutzes, standen der Auskunft nicht entgegen, da lediglich statistische
Angaben erfragt wurden. Soweit - insbesondere auf Minister- und Staatssekretärsebene
- eine Anonymisierung faktisch nicht durchführbar ist, hätte gegebenenfalls - wie etwa in
der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1903 (LT-Drs. 2/6224)
geschehen - der Versuch unternommen werden können, von der begehrten
Differenzierung nach Ämtergruppen oder Ressorts teilweise abzusehen. Letztlich dürfte
allerdings insoweit kein "überwiegendes" Geheimhaltungsinteresse im Sinne der
Schrankenbestimmung des Art. 56 Abs. 4 Satz 1 LV bestehen, weil die Lebensläufe der
Regierungsmitglieder und politischen Beamten der Landesregierung durchweg ohnehin
aus anderen Quellen erschließbar sind und das Interesse von Abgeordneten an der
Unterrichtung über die biografische Herkunft der führenden Vertreter der
Landesregierung und ihre besoldungsrechtliche Einstufung im Zweifel von dem
Informationsanspruch der Mandatsträger gedeckt ist.
Auch öffentliche Interessen, die die Geheimhaltung hätten erfordern können, sind hier
nicht erkennbar. Der "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" der Landesregierung
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nicht erkennbar. Der "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" der Landesregierung
im Sinne eines nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereichs wird
durch die hier erbetene Auskunft über die aktuelle Personal- und Gehaltsstruktur in den
Ministerien nicht berührt. Insbesondere fallen die Fragen nicht etwa deshalb in den
"Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung", weil sie die Organisationsgewalt und
Personalhoheit der Landesregierung berühren. Es geht nicht - was möglicherweise
bedenklich wäre - um konkrete Personalentscheidungen, sondern um Auskunft über
einen Gesamtbefund.
Eine vollständige Antwort auf die Fragen der Antragstellerin stellt auch keine Gefahr für
die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Regierung dar. Ob ein solcher
Auskunftsverweigerungsgrund nach der Verfassung überhaupt anzuerkennen wäre, kann
dabei offen bleiben. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß dieser Gesichtspunkt im
vorliegenden Fall zum Tragen gekommen wäre. Soweit die Landesregierung in ihrer
Antwort auf die Kleine Anfrage auf den mit den erforderlichen Ressortumfragen
verbundenen "Aufwand" hingewiesen hat, führen sowohl die Beantwortung vergleichbarer
parlamentarischer Anfragen in der vorangegangenen Wahlperiode als auch die
Beschaffung der erfragten Informationen während der Anhängigkeit des vorliegenden
Organstreitverfahrens vor Augen, daß eine Gefährdung der Arbeits- und
Funktionsfähigkeit der Regierung durch die Beantwortung derartiger Anfragen nicht zu
besorgen ist. Ob im Hinblick auf die zur Beschaffung der Informationen erforderliche
Ressortumfrage ohne Verstoß gegen das Erfordernis der "Unverzüglichkeit" im Sinne des
Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV eine längere Bearbeitungszeit einzuräumen gewesen wäre,
kann dahinstehen. An die in § 60 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung des Landtages
(GeschO LT) bestimmte Frist von vier Wochen zur Beantwortung Kleiner Anfragen ist die
Landesregierung - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - rechtlich ohnehin nicht
gebunden (vgl. hierzu Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 18.
Dezember 1997 - VfGBbg 16/97 -, LVerfGE 7, 138, 141). Die Landesregierung hat auch
nicht etwa den Versuch gemacht, über den Präsidenten des Landtages das - wenn auch
rechtlich nicht zwingend erforderliche - Einverständnis der Antragstellerin zu einer
Fristverlängerung einzuholen (vgl. § 61 Abs. 2 Satz 1 GeschO LT). Vielmehr hat sie die
vollständige Beantwortung unter Hinweis auf den damit verbundenen Aufwand endgültig
abgelehnt.
2. Auch die für die Landesregierung durch den Chef der Staatskanzlei in der Sitzung des
Landtages vom 17. Mai 2000 erteilte Antwort auf die mündliche Anfrage Nr. 237
entsprach nicht den Anforderungen des Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV. Die Beantwortung
erfolgte unvollständig, ohne daß hierfür eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung
bestand. Dabei kann dahinstehen, ob die für die schriftliche Beantwortung der Kleinen
Anfragen geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Vollständigkeit (vgl.
oben zu 1.a) im Hinblick auf die begrenzten Möglichkeiten der mündlichen Darstellung in
der Sitzung des Landtages uneingeschränkt Anwendung finden können. Vorliegend war
die mündliche Anfrage nicht als selbständige mündliche Anfrage innerhalb der
Fragestunde zu behandeln (vgl. § 62 Abs. 1 GeschO LT in Verbindung mit der als Anlage
2 beigefügten Richtlinie für die Fragestunde), sondern als Fortsetzung des Verfahrens
der vorangegangenen schriftlichen Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 359 dar (vgl. §
61 Abs. 1 Satz 1 GeschO LT). Die Frage, wie die Personalstruktur in der Staatskanzlei
und den Ministerien hinsichtlich der Herkunft aus den alten bzw. neuen Bundesländern
bei Staatssekretären, Abteilungsleitern, Referatsleitern und sonstigen Mitarbeitern
aussehe, stellte sich als verkürzte Fassung der detaillierteren Fragestellung in der
Kleinen Anfrage dar. Dieser Zusammenhang war, wie der Verweis auf die schriftliche
Antwort zeigt, auch der Landesregierung bewußt. Die Beantwortung konnte deshalb
nicht mit Blick auf die zeitlichen Grenzen der Fragestunde abgelehnt werden.
Die inhaltlichen Ausführungen des Chefs der Staatskanzlei in der Sitzung des Landtags
genügten dem Informationsanspruch der Antragstellerin ebenfalls nicht. Soweit der Chef
der Staatskanzlei auf die schriftliche Antwort verwiesen hat, kann auf die obigen
Ausführungen oben (zu 1.) Bezug genommen werden. Weitere Informationen zur Sache
ließen sich den mündlichen Ausführungen nicht entnehmen. Die Landesregierung
machte vielmehr lediglich geltend, daß sie die Frage weder für notwendig noch für
sinnvoll halte und daß das Problem "sich auswachse". Derartige politische Bewertungen
sind zwar auch im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Anfragen
selbstverständlich zulässig. Richtet sich das Auskunftsbegehren eines Abgeordneten
aber - wie hier - auf Fakten, kann eine bewertende Stellungnahme der Landesregierung
aber immer nur ergänzender und kommentierender Art sein, eine sachliche Information
jedoch nicht ersetzen. Soweit in der Antwort schließlich darauf hingewiesen wurde, daß
eine Definition des "Landeskindes" fehle, ging auch das an der Sache vorbei. Der
Wortlaut der Kleinen Anfrage bezeichnet den Wohnsitz vor dem Jahr 1989 als
Abgrenzungskriterium. Darüber, ob dies sachgerecht ist, mag man verschiedener
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Abgrenzungskriterium. Darüber, ob dies sachgerecht ist, mag man verschiedener
Meinung sein. Die Eindeutigkeit der Fragestellung wird hierdurch jedoch nicht berührt.
Verfassungsrechtliche Grenzen der Antwortpflicht hat die Landesregierung auch in bezug
auf die Beantwortung der mündlichen Anfrage der Antragstellerin nicht geltend gemacht.
Insofern kann auf die Ausführungen zu 1. verwiesen werden. Insbesondere ist auch
insoweit für eine erhebliche und unvermeidbare Vernachlässigung sonstiger
vordringlicher Regierungsaufgaben als Folge der Beantwortung der Anfrage nichts
dargetan oder ersichtlich.
3. Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß weder das Fax- Schreiben des Chefs der
Staatskanzlei an den Parlamentarischen Geschäftsführer der PDS-Fraktion vom 14. Juni
2000 noch die unter dem 8. November 2000 übermittelte Antwort der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage der Antragstellerin Gegenstand des vorliegenden
Organstreitverfahrens sind. Der Umfang der Prüfung durch das
Landesverfassungsgericht wird im Verfahren der Organklage durch den Antrag
bestimmt, der den Streitgegenstand begrenzt (vgl. BVerfGE 57, 1, 4, m.w.N.).
III.
Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der Erstattung ihrer Auslagen hat keinen
Erfolg. Insoweit kann weiterhin offenbleiben, ob in einem Organstreitverfahren eine
Auslagenerstattung deshalb außer Betracht bleiben muß, weil die Beteiligten derselben
Rechtsperson angehören (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom
20. Juni 1996 - VfGBbg 3/96 -, LVerfGE 4, 179, 189). Denn jedenfalls sind besondere
Billigkeitsgründe im Sinne des § 32 Abs. 7 VerfGGBbg, die eine angesichts der
Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 32 Abs. 1 VerfGGBbg) und des fehlenden
Anwaltszwangs nur ausnahmsweise in Betracht kommende Auslagenerstattung
rechtfertigen würden, nicht ersichtlich. Das Obsiegen der Antragstellerin für sich allein
rechtfertigt eine Anordnung der Erstattung der Auslagen im Organstreitverfahren -
anders als im Verfassungsbeschwerdeverfahren - nicht (vgl. Verfassungsgericht des
Landes Brandenburg, a.a.O.).
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