Urteil des StGH Niedersachsen vom 29.04.2013

StGH Niedersachsen: jugendamt, jugendhilfe, verfassungskonforme auslegung, finanzkraft, rüge, finanzausgleich, gestaltungsspielraum, zusammenarbeit, gleichbehandlung, anhörung

Zur Verfassungsmäßigkeit der Erhebung einer
Jugendhilfeumlage als Sonderumlage im Rahmen der
Regionsumlage, die nur von den regionsangehörigen
Gemeinden ohne eigenes Jugendamt aufzubringen
ist
1. Die Jugendhilfeumlage (§ 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG) als
Sonderumlage im Rahmen der Regionsumlage verletzt nicht das Recht der
betroffenen Gemeinden auf kommunale Selbstverwaltung gemäß Art. 58 NV.
Der Gesetzgeber hat den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum
nicht überschritten.
2. Die Jugendhilfeumlage verstößt weder gegen das Willkürverbot noch
gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit; sie verletzt auch nicht das Gebot
der interkommunalen Gleichbehandlung.
3. Der Staatsgerichtshof lässt offen, ob das zum kommunalen
Finanzausgleich entwickelte Verbot der Übernivellierung auf die
Jugendhilfeumlage anwendbar ist.
4. Die vom Gesetzgeber bei der Ermittlung der Jugendhilfeumlage gewählte
Anknüpfung an die Aufwendungen für das Jugendamt der Region im
vorvergangenen Jahr würde sich für den Fall als sachwidrig erweisen, dass
sich zwischen dem Bezugsjahr und dem Festsetzungsjahr die Zahl der
Gemeinden ohne eigenes Jugendamt verringert. Insoweit ist jedoch eine
verfassungskonforme Auslegung möglich.
5. Ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz liegt nicht deshalb vor,
weil § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG keine Regelung trifft, nach
welchem Maßstab die betroffenen Gemeinden die Jugendhilfeumlage
aufzubringen haben. Es reicht aus, dass das NFAG eine entsprechende
Regelung enthält.
6. Die Aufbringung der Jugendhilfeumlage nach Maßgabe der Finanzkraft
der betroffenen Gemeinden ist nicht sachwidrig.
§ 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 des Niedersächsischen
Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) vom 17. Dezember 2010 (Nds.
GVBl. S. 576), Satz 5 geändert durch Artikel 4 des Gesetzes zur Änderung
des Niedersächsischen Gesetzes über den Finanzausgleich und anderer
Gesetze vom 18. Juli 2012 (Nds. GVBl. S. 279) und § 160 Abs. 4 Satz 7 des
Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes vom 17. Dezember
2010 (Nds. GVBl. S. 576), geändert durch Artikel 7 des Gesetzes zur
Änderung des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes und zur Änderung
kommunal- und brandschutzrechtlicher Vorschriften vom 12. Dezember
2012 (Nds. GVBl. S. 589)
Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Urteil vom 29.04.2013, 2/12, StGH 2/12
§ 1 KJHGAG ND, § 160 Abs 4 S 7 KomVerfG ND, § 166 Abs 3 S 5 KomVerfG ND, §
166 Abs 3 S 4 KomVerfG ND, Art 57 Abs 6 Verf ND, Art 57 Abs 4 Verf ND, Art 58 Verf
ND
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Gründe
A.
Die Beschwerdeführerinnen sind 11 Städte und Gemeinden aus der Region
Hannover, die nicht örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind und
dementsprechend kein eigenes Jugendamt unterhalten. Sie wenden sich
gegen die Einführung einer „Sonderumlage“ im Rahmen der Berechnung der
Regionsumlage durch § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 des Niedersächsischen
Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) vom 17. Dezember 2010
(Nds. GVBl. S. 576), geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. Juli 2012
(Nds. GVBl. S. 279). Die Umlage ist den regionsangehörigen Gemeinden, die
nicht örtliche Träger der Jugendhilfe sind (im Folgenden auch: Gemeinden
ohne eigenes Jugendamt), auferlegt worden. Weiterhin greifen die
Beschwerdeführerinnen die Regelung des § 160 Abs. 4 Satz 7 NKomVG in der
Fassung des Artikels 7 des Gesetzes vom 12. Dezember 2012 (Nds. GVBl. S.
589) an, nach der die Region Hannover die Sätze 5 und 6 dieser Bestimmung
auf weitere Aufgaben und Leistungen nach dem Achten Buch des
Sozialgesetzbuchs (SGB VIII) anwenden und damit an die regionsangehörigen
Gemeinden mit eigenem Jugendamt weitergehende Erstattungen leisten kann.
I.
Nach § 69 Abs. 1 SGB VIII werden die Träger der öffentlichen Jugendhilfe
durch Landesrecht bestimmt.
Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und
Jugendhilfegesetzes (AG KJHG) vom 5. Februar 1993 (Nds. GVBl. S. 45)
erfüllen Landkreise und kreisfreie Städte (örtliche Träger) die Aufgaben der
Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII innerhalb ihres eigenen
Wirkungskreises durch das Jugendamt. Darüber hinaus sind örtliche Träger
nach § 1 Abs. 2 AG KJHG die Landeshauptstadt Hannover und auch solche
kreisangehörigen Gemeinden, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes (1993)
bereits die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe i.S.d. Absatzes 1 erfüllt
haben. Das zuständige Ministerium hat die Bestimmung zum örtlichen Träger
zurückzunehmen, wenn die Gemeinde dies beantragt oder ihre
Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe
nicht mehr gewährleistet ist.
Am 1. Januar 2012 waren in Niedersachsen auf der Grundlage dieser
Zuständigkeitsnorm außerhalb der Region Hannover die 37 Landkreise, die
8 kreisfreien Städte und die Stadt Göttingen für die Kinder- und Jugendhilfe
zuständig. Neben der Region Hannover verfügten die Landeshauptstadt und 2
weitere regionsangehörige Gemeinden über ein eigenes
Jugendamt. Außerhalb der Region Hannover nahmen von den etwa 440
Städten und Gemeinden nur 6 kreisangehörige Städte diese Aufgabe wahr.
Bis zur Gründung der Region Hannover im Jahr 2001 hatten im ehemaligen
Landkreis Hannover lediglich die Städte Burgdorf und Lehrte ein eigenes
Jugendamt unterhalten.
Die Finanzierung der Aufgaben im Bereich der Jugendhilfe erfolgte im Rahmen
der allgemeinen Finanzierungsinstrumente der Kommunen.
II.
Durch das Gesetz über die Region Hannover (RegHanG) vom 5. Juni 2001 ist
die Region Hannover gebildet worden. Sie besteht aus den Gemeinden im
Gebiet der Region Hannover (dem früheren Landkreis Hannover) und der
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Landeshauptstadt Hannover. Ihrer Rechtsnatur nach ist die Region Hannover
– ebenso wie die Landkreise – ein Gemeindeverband und eine
Gebietskörperschaft. Sie weist Parallelen zu einem Landkreis auf,
unterscheidet sich von diesem aber dadurch, dass sie die Landeshauptstadt
Hannover einschließt. Auf die anderen regionsangehörigen Gemeinden waren
nach § 5 Satz 2 RegHanG die für kreisangehörige Gemeinden geltenden
Vorschriften anzuwenden, soweit durch Rechtsvorschriften nichts anderes
bestimmt war (§ 5 Satz 2 RegHanG). Für die Region Hannover fanden die für
Landkreise geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit in dem
Gesetz über die Region Hannover nichts anderes bestimmt war (§ 3 Abs. 3
Satz 1 RegHanG).
Nach § 8 Abs. 6 Satz 1 RegHanG war die Region Hannover der örtliche Träger
der öffentlichen Jugendhilfe, soweit dazu nicht regionsangehörige Gemeinden
bestimmt worden waren. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Möglichkeit
geschaffen, dass die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe innerhalb der
Region Hannover dezentral auch von weiteren regionsangehörigen
Gemeinden wahrgenommen werden können. Dementsprechend regelte § 11
Abs. 4 RegHanG, dass Gemeinden mit mehr als 30.000 Einwohnerinnen und
Einwohnern sowie die Stadt S. auf Antrag zu örtlichen Trägern der öffentlichen
Jugendhilfe bestimmt werden konnten.
Um den regionsangehörigen Gemeinden die Übernahme von Aufgaben im
Bereich der Jugendhilfe zu erleichtern (vgl. Nds. LT-Drs. 14/3010, S. 5) und um
einen angemessenen Lastenausgleich innerhalb der Region zu gewährleisten
(vgl. Nds. LT-Drs. 14/1880, S. 79), hat der Gesetzgeber im RegHanG spezielle
Finanzierungsregelungen im Zusammenhang mit der Übernahme der
Aufgaben im Bereich der öffentlichen Jugendhilfe aufgestellt. So hat die
Region Hannover nach § 8 Abs. 6 Satz 4 RegHanG anderen
regionsangehörigen örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe auf Antrag
einen angemessenen pauschalierten Kostenausgleich bis zu 80 v.H. der
Personal- und Sachkosten für Leistungen nach den §§ 19, 21, 29 - 35a, 41 -
43, 52, 55, 56, 59 und 90 Abs. 3 SGB VIII zu gewähren. Hierbei handelt es sich
um gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder (§ 19),
Unterstützung bei notwendiger Unterbringung zur Erfüllung der Schulpflicht
(§ 21), soziale Gruppenarbeit (§ 29 - 35a), Hilfe für junge Volljährige,
Nachbetreuung (§ 41 - 43), Mitwirkung im Verfahren nach dem
Jugendgerichtsgesetz (§ 52), Beistandschaft, Amtspflegschaft und
Amtsvormundschaft (§ 55 und 56), Beurkundungen (§ 59) und pauschalierte
Kostenbeteiligung (§ 90 Abs. 3).
Voraussetzung für die Kostenerstattung war nach § 8 Abs. 6 Satz 5 RegHanG,
dass die regionsangehörigen Gemeinden ihre Jugendhilfeplanung mit der
Region Hannover abstimmten und ihr den Abschluss von Vereinbarungen
nach § 78b SGB VIII übertrugen. Weiterhin konnte die Region Hannover nach
§ 8 Abs. 6 Satz 6 RegHanG die Anwendung der Sätze 4 und 5 auf weitere
Aufgaben und Leistungen nach dem SGB VIII erstrecken.
Aufgrund der genannten Regelungen hätten von den insgesamt
21 regionsangehörigen Städten und Gemeinden 7 weitere die Möglichkeit
gehabt, ein eigenes Jugendamt einzurichten und entsprechende
Kostenerstattungen von der Region zu erhalten. Tatsächlich machten in der
Folge 3 regionsangehörige Gemeinden von dieser Möglichkeit Gebrauch und
ließen sich zu örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bestimmen. Damit
gibt es zurzeit 7 Jugendämter in der Region Hannover: das Jugendamt der
Region Hannover, das Jugendamt der Landeshauptstadt Hannover sowie 5
weitere Jugendämter in den 20 übrigen regionsangehörigen Gemeinden.
III.
Mit dem NKomVG vom 17. Dezember 2010 (Nds. GVBl. S. 576), das am 1.
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November 2011 in Kraft trat, fasste der Gesetzgeber die bis zu diesem
Zeitpunkt geltenden unterschiedlichen Kommunalgesetze zusammen.
Dementsprechend trat das RegHanG mit Ablauf des 31. Oktober 2011 außer
Kraft.
Die Regelungen über die Aufgabenverteilung in der Region Hannover im
Bereich der Jugendhilfe sowie die Bestimmungen über Erstattungsansprüche
der regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt hat das
NKomVG weitgehend aus dem RegHanG übernommen. So entspricht § 160
Abs. 4 NKomVG inhaltlich § 8 Abs. 6 Satz 3 RegHanG. In der Fassung des Art.
7 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes
und zur Änderung kommunal- und brandschutzrechtlicher Vorschriften vom
12. Dezember 2012 (Nds. GVBl. S. 589) hat § 160 Abs. 4 NKomVG folgenden
Wortlaut:
1
Die Region Hannover ist der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe,
soweit dazu nicht regionsangehörige Gemeinden bestimmt worden sind.
2
Sie
ist Träger zentraler Einrichtungen und Leistungsangebote auch für das Gebiet
anderer örtlicher Träger der Jugendhilfe, soweit diese eine solche
Aufgabenübernahme mit ihr vereinbart haben.
3
Sie ist ferner dafür zuständig,
die Jugendhilfeplanung innerhalb der Region Hannover durch eine
Rahmenplanung aufeinander abzustimmen, auch mit anerkannten Trägern der
freien Jugendhilfe und mit der überörtlichen Planung.
4
Die Region Hannover ist
auch zuständig für die Förderung der auf ihrer Ebene bestehenden
Jugendverbände und ihrer Zusammenschlüsse.
5
Anderen örtlichen Trägern
der öffentlichen Jugendhilfe gewährt sie auf Antrag einen angemessenen
pauschalierten Kostenausgleich bis zu 80 Prozent der Personal- und
Sachkosten für Leistungen nach den §§ 19, 21, 29 bis 35 a, 41 bis 43, 52, 55,
56, 59 und 90 Abs. 3 des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII).
6
Voraussetzung dafür ist, dass diese Träger ihre Jugendhilfeplanung mit der
Region Hannover abstimmen und ihr den Abschluss von Vereinbarungen
nach § 78 b SGB VIII übertragen.
7
Die Region Hannover kann die Sätze 5 und
6 auf weitere Aufgaben und Leistungen nach dem Achten Buch des
Sozialgesetzbuchs anwenden.“
In der nunmehr geltenden Fassung entspricht auch der von den
Beschwerdeführerinnen angegriffene § 160 Abs. 4 Satz 7 NKomVG der
früheren Gesetzesfassung. Ebenfalls keine wesentlichen Änderungen
ergaben sich aus der Übernahme des § 11 Abs. 4 RegHanG in § 163 Abs. 4
NKomVG. § 163 Abs. 4 NKomVG lautet:
1
Neben den in § 1 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Kinder-
und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG) bestimmten örtlichen Trägern der
öffentlichen Jugendhilfe können auf Antrag auch die übrigen
regionsangehörigen Gemeinden mit mehr als 30.000 Einwohnerinnen und
Einwohnern sowie die Stadt S. durch das zuständige Ministerium hierzu
bestimmt werden.
2
Die Bestimmung nach Satz 1 ist aufzuheben, wenn die
Gemeinde dies beantragt.“
Eine wesentliche Änderung hat jedoch die Vorschrift über die Erhebung der
Regionsumlage erfahren. Der von den Beschwerdeführerinnen angegriffene
§ 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG trifft eine Sonderregelung im Bereich der
Aufwendungen für die Jugendhilfe. Hierdurch wollte der Gesetzgeber eine
Benachteiligung der regionsangehörigen Städte und Gemeinden beseitigen,
die selbst die Aufgabe des örtlichen Trägers der Jugendhilfe wahrnehmen. §
166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG trat mit Wirkung vom 1. Januar 2012 in
Kraft und hat in der durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung des
Niedersächsischen Gesetzes über den Finanzausgleich und anderer Gesetze
vom 18. Juli 2012 (Nds. GVBl. S. 279) geänderten Fassung folgenden
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Wortlaut:
4
Ebenfalls abweichend von den Vorschriften des Niedersächsischen
Gesetzes über den Finanzausgleich ist die Regionsumlage des Weiteren so
zu berechnen, dass ein nach Maßgabe des Satzes 5 zu bestimmender Betrag
allein von den regionsangehörigen Gemeinden, die nicht örtliche Träger der
Jugendhilfe sind, getragen wird.
5
Zur Bestimmung des Betrages nach Satz 4
wird von einem Betrag in Höhe der nicht durch Erträge gedeckten
Aufwendungen der Region für die Erbringung der von § 160 Abs. 4 Sätze 5 bis
7 erfassten Leistungen aus dem zur betreffenden Regionsumlage
vorvergangenen Jahr ein Betrag in Höhe des Prozentsatzes abgezogen, der
den regionsangehörigen Gemeinden, die Träger der öffentlichen Jugendhilfe
sind, nach § 160 Abs. 4 Sätze 5 bis 7 als Kostenausgleich erstattet worden ist.“
Nach der gesetzlichen Regelung tragen die Gemeinden mit eigenem
Jugendamt nach wie vor die Aufwendungen für einen Teil der von ihnen durch
ihr Jugendamt erbrachten Leistungen vollständig. Für die in § 160 Abs. 4
Satz 5 NKomVG genannten Leistungen tragen sie mindestens 20 % der
Aufwendungen selbst. Die übrigen bis zu 80 % der (von der Region
erstatteten) Aufwendungen tragen ebenfalls – wie zuvor –
alle regionsangehörigen Gemeinden nach ihrer Finanzkraft im Rahmen der
allgemeinen Regionsumlage. Die Aufwendungen für das Jugendamt der
Region für die Erbringung der in § 160 Abs. 4 Satz 5 NKomVG genannten
Leistungen tragen nunmehr in Höhe von mindestens 20 % –
korrespondierend zu der Selbstbeteiligungsquote der Gemeinden mit eigenem
Jugendamt – ausschließlich die regionsangehörigen Gemeinden ohne
eigenes Jugendamt. Die verbleibenden bis zu 80 % der genannten
Aufwendungen für das Jugendamt der Region tragen alle regionsangehörigen
Gemeinden über die Regionsumlage nach ihrer Finanzkraft.
Von den Beschwerdeführerinnen haben lediglich 3 Gemeinden – nämlich die
Städte B., N. a. R. und W. – mehr als 30.000 Einwohner.
B.
I.
Die Beschwerdeführerinnen erheben Verfassungsbeschwerde gem. Art. 54
Nr. 5 der Niedersächsischen Verfassung (NV) i.V.m. § 8 Nr. 10 des Gesetzes
über den Staatsgerichtshof (StGHG) mit den Anträgen,
1. § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG (Nds. GVBl. S. 576) für
unwirksam zu erklären;
2. § 160 Abs. 4 Satz 7 NKomVG für unwirksam zu erklären;
3. hilfsweise festzustellen, dass § 160 Abs. 4 Satz 7 und § 166 Abs. 3
Sätze 4 und 5 NKomVG mit Art. 57 Abs. 1 NV nicht vereinbar sind.
1. Die Beschwerdeführerinnen sind der Auffassung, die angegriffene Norm des
§ 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG sei formell nicht ordnungsgemäß
zustande gekommen und damit nichtig. Die diesbezügliche Beschlussfassung
des Landtags sei ohne vorherige Anhörung der Beschwerdeführerinnen
erfolgt. Deren Anhörung wäre jedoch erforderlich gewesen, da die mit § 166
Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG eingeführte „Sonderumlage“ unmittelbar und
schwerwiegend in die Finanzkraft der betroffenen Gemeinden eingreife. Das in
Art. 57 Abs. 6 NV normierte Anhörungsrecht der kommunalen
Spitzenverbände reiche nicht aus, um die Rechte der Beschwerdeführerinnen
zu wahren.
Der Gesetzgeber habe mit der Einführung der Jugendhilfeumlage als
Sonderumlage, die nur von den regionsangehörigen Gemeinden ohne
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eigenes Jugendamt aufzubringen sei, den ihm zustehenden
Gestaltungsspielraum überschritten. Die Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe
obliege im Ausgangspunkt der Region Hannover. Diese sei für das
Regionsgebiet der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe und damit der
originäre Kostenträger. Die regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes
Jugendamt trügen mit der Jugendhilfeumlage somit nicht etwa einen Teil der
Kosten, die sie selbst verursachten. Durch die Jugendhilfeumlage würden die
regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt vielmehr dazu
herangezogen, Aufwendungen zu tragen, die allein die Region zu finanzieren
habe. Die Jugendhilfeumlage als Sonderumlage verletze damit das Gebot der
Systemgerechtigkeit. Zudem habe der Gesetzgeber in der Region Hannover
mit der Jugendhilfeumlage eine zweite Umverteilungsebene geschaffen.
Gewinner dieser Regelungen seien die finanzstarken Gemeinden mit eigenem
Jugendamt, Verlierer die finanzstarken Gemeinden ohne eigenes Jugendamt.
Bei seiner Entscheidung über die Einführung der Jugendhilfeumlage sei der
Gesetzgeber von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Entgegen
seiner Einschätzung habe vor Einführung der Jugendhilfeumlage eine
Doppelbelastung oder eine sonstige finanzielle Benachteiligung der
regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt nicht bestanden. Die
regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt hätten zwar bis zur
gesetzlichen Neuregelung in § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG einen
angemessenen Kostenausgleich nur bis zu 80 % der ihnen entstehenden
Aufwendungen für die eigenen Jugendämter erhalten. Dies habe zu einem
Verbleiben eines „Eigenanteils“ in Höhe von mindestens 20 % der
Gesamtkosten geführt. Hierin liege aber keine Benachteiligung, da sich die
betreffenden Gemeinden in Kenntnis der finanziellen Belastungen freiwillig für
die Einrichtung eines eigenen Jugendamtes entschlossen hätten. Zudem
entspreche der Eigenanteil, den die regionsangehörigen Gemeinden mit
eigenem Jugendamt zu tragen hätten, in etwa der Aufgabenverteilung
zwischen der Region und diesen Gemeinden, die nur einen Teil der Aufgaben
der Jugendhilfe wahrnähmen.
Die Regelung in § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG verletzte darüber hinaus
das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung. Sie privilegiere ohne
hinreichenden sachlichen Grund regionsangehörige Gemeinden mit eigenem
Jugendamt und benachteilige regionsangehörige Gemeinden ohne eigenes
Jugendamt. Dies gelte insbesondere für die regionsangehörigen Gemeinden
mit weniger als 30.000 Einwohnern. Diese könnten aufgrund ihrer geringen
Einwohnerzahl keinen Antrag nach § 165 NKomVG stellen, zu örtlichen
Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bestimmt zu werden. Diese Gemeinden
seien zudem aus rechtlichen Gründen daran gehindert, sich
zusammenzuschließen, um so zusammen die Einwohnergrenze von 30.000
zu überschreiten und gemeinsam die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe
nach dem SGB VIII wahrzunehmen. Dies ergebe sich zum einen aus § 69
Abs. 3 und 4 SGB VIII, zum anderen aus §§ 1 ff. des Niedersächsischen
Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit (NKomZG).
Zudem habe der Gesetzgeber die vom Staatsgerichtshof im „Göttingen-Urteil“
vom 16. Mai 2001 (- StGH 6/99 u.a. -, NStGHE 4, 31) statuierte
Begründungspflicht verletzt. Danach habe der Gesetzgeber seine
Entscheidungen im Rahmen des legislativen Gestaltungsspielraums plausibel
und nachvollziehbar zu begründen, wenn er die bisher geltenden Regelungen
für einen Teil der betroffenen Gemeinden unter Aufrechterhaltung der
Regelungen für die übrigen Gemeinden verändere. Dieser Begründungspflicht
sei der Gesetzgeber vorliegend nicht nachgekommen.
Weiterhin verstoße die Jugendhilfeumlage gegen das in der Rechtsprechung
des Staatsgerichtshofs herausgearbeitete Verbot der Übernivellierung. Nach
der Durchführung des kommunalen Finanzausgleichs dürfe eine finanzstarke
Gemeinde nicht schlechter dastehen als eine finanzschwache. Durch die
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Einführung der Jugendhilfeumlage komme es jedoch zu Änderungen in der
bisherigen Finanzkraftreihenfolge der regionsangehörigen Gemeinden. Das
ergebe sich aus den von den Beschwerdeführerinnen vorgelegten
Aufstellungen.
Darüber hinaus sehen sich die Beschwerdeführerinnen unter Verletzung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes gegenüber kreisangehörigen Gemeinden
außerhalb der Region Hannover, die ebenfalls über kein eigenes Jugendamt
verfügten, benachteiligt. Indem sich die Regelung des § 166 Abs. 3 Sätze 4
und 5 NKomVG auf die Gemeinden in der Region Hannover beschränke,
verstoße sie gegen den allgemeinen Grundsatz, dass gleich gelagerte Fälle
auch gleich behandelt werden sollten.
Schließlich sei auch die konkrete Ausgestaltung der Jugendhilfeumlage
verfassungswidrig. So verstoße es gegen das Willkürverbot, dass der
Gesetzgeber in § 166 Abs. 3 Satz 5 NKomVG als verbindliche Grundlage für
die Berechnung der Jugendhilfeumlage die Verhältnisse des vorvergangenen
Jahres festgelegt habe, ohne die jeweils aktuellen Verhältnisse zu
berücksichtigen.
Zudem treffe das NKomVG unter Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz
keine Regelung darüber, nach welchem Maßstab die regionsangehörigen
Gemeinden ohne eigenes Jugendamt die Jugendhilfeumlage aufzubringen
hätten. Der Gesetzgeber wäre jedoch von Verfassungs wegen dazu
verpflichtet gewesen, insoweit im NKomVG eine ausdrückliche Regelung zu
treffen.
Gehe man wie der Gesetzgeber und die Landesregierung davon aus, dass die
regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt die
Jugendhilfeumlage nach Maßgabe ihrer Finanzkraft aufbringen müssten und
nicht nach Maßgabe der sehr unterschiedlichen konkreten
Kostenverursachung, wäre dies sachwidrig. Insoweit hätte es näher gelegen,
eine Regelung wie in § 56 der Kreisordnung (KrO) Nordrhein-Westfalens zu
treffen.
2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerden gegen § 160 Abs. 4 Satz 7
NKomVG richteten, stehe deren Zulässigkeit nicht der Umstand entgegen,
dass die genannte Regelung mit der früheren Gesetzesfassung des § 8 Abs. 6
Satz 6 RegHanG wortgleich sei. Insoweit sei die in der genannten Vorschrift
eröffnete Befugnis der Region, Erstattungsleistungen gegenüber den
regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt auf weitere
Leistungen nach dem SGB VIII auszudehnen, für sich genommen
unproblematisch. Für die Beschwerdeführerinnen ergebe sich jedoch eine
zusätzliche Belastungswirkung des § 160 Abs. 4 Satz 7 NKomVG durch das
Zusammenspiel mit der in § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG neu
eingeführten Jugendhilfeumlage. Falls die Region von der Möglichkeit
Gebrauch mache, an die Gemeinden mit eigenem Jugendamt weitergehende
Erstattungen zu leisten, erhöhe sich zugleich die Jugendhilfeumlage, die allein
von den Gemeinden ohne eigenes Jugendamt aufzubringen sei und damit die
finanzielle Belastung der Beschwerdeführerinnen. Diese zusätzliche und
einseitige Belastungswirkung reiche nach dem Urteil des
Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. Oktober 2012 (LVG 23/10,
www.lverfg.justiz.sachsen-anhalt.de) aus, um die Frist zur Erhebung einer
Verfassungsbeschwerde nach § 36 Abs. 2 StGHG neu in Gang zu setzen. Die
beschriebene zusätzliche Belastung durch die erhöhte Jugendhilfeumlage als
Sonderumlage würde die sachwidrige finanzielle Belastung der
Beschwerdeführerinnen weiter erhöhen, so dass die Verfassungsbeschwerde
auch insoweit begründet sei.
II.
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Der Niedersächsische Landtag hat mit Beschluss vom 27. September 2012
von einer Stellungnahme abgesehen.
III.
Die Niedersächsische Landesregierung hat zu der Verfassungsbeschwerde
Stellung genommen.
1. Die Verfassungsbeschwerden seien unbegründet, soweit sie sich gegen §
166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG richteten. Die angegriffene Vorschrift sei in
einem formell ordnungsgemäßen Verfahren erlassen worden. Der Landtag
habe die kommunalen Spitzenverbände in Übereinstimmung mit Art. 57 Abs. 6
NV angehört. Diese Anhörung sei verfassungsrechtlich ausreichend.
Die Jugendhilfeumlage verstoße nicht gegen verfassungsrechtliche Vorgaben.
Es bleibe dem Ermessen des Gesetzgebers überlassen, wie er die
horizontalen und vertikalen interkommunalen Finanzbeziehungen gestalte. Der
Gesetzgeber habe den ihm zustehenden weiten Gestaltungspielraum mit der
Einführung der Jugendhilfeumlage als Sonderumlage nicht überschritten. Dies
gelte auch für deren konkrete Ausgestaltung.
Der Gesetzgeber habe bereits mit der regionsspezifischen
Finanzierungsregelung, nach der die Region für bis zu 80 % der Personal- und
Sachkosten des gemeindlichen Trägers der Kinder- und Jugendhilfe für die
Wahrnehmung bestimmter Aufgaben nach dem SGB VIII aufkomme, bewusst
einen Anreiz für die regionsangehörigen Gemeinden geschaffen, diese
Aufgabe von der Region zu übernehmen. Die dazu bereiten Gemeinden
hätten lediglich einen Eigenanteil zu tragen, der eine wirtschaftliche
Aufgabenwahrnehmung gewährleiste. Demgegenüber hätten die im übrigen
Landesgebiet zuständigen kreisangehörigen Gemeinden mit eigenem
Jugendamt die Finanzierung dieser Aufgabe eigenständig zu bewältigen.
Die von den Beschwerdeführerinnen angegriffene Regelung in § 166 Abs. 3
Sätze 4 und 5 NKomVG habe die bereits bestehende regionsspezifische
Finanzierungsregelung lediglich ergänzt. Trotz einer Kostenübernahme von
bis zu 80 % durch die Region sei die Übernahme der Aufgaben der
Jugendhilfe nur für wenige regionsangehörige Gemeinden attraktiv gewesen.
Indem nun die Gemeinden mit eigenem Jugendamt teilweise von der
Regionsumlage entlastet würden, erführen diese eine höhere finanzielle
Unterstützung. Hierdurch werde ein weiterer Anreiz für die Gemeinden ohne
eigenes Jugendamt geschaffen, auf ihren Antrag zu örtlichen Trägern der
öffentlichen Jugendhilfe bestimmt zu werden. Darüber hinaus sollten die
Gemeinden mit eigenem Jugendamt dazu motiviert werden, diese Aufgabe
auch weiterhin wahrzunehmen.
Die angegriffene Regelung sei zur Erreichung eines legitimen
Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich. Zweck der gesetzlichen
Neuregelung des § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG sei es, die durch die
Aufgabenübernahme und die damit einhergehende finanzielle
Doppelbelastung entstandene Benachteiligung der Gemeinden mit eigenem
Jugendamt im Wege eines interregionalen Kostenausgleichs zu beseitigen.
Hierzu werde die Finanzierung der Jugendhilfe aus dem allgemeinen
Umlageverbund herausgenommen und im Wege einer
trägerschaftsorientierten Differenzierung der Kostenverteilung geregelt. Dies
führe nicht zu einer sachwidrigen Belastung der regionsangehörigen
Gemeinden ohne eigenes Jugendamt. Diese würden nunmehr zwar in einem
größeren Umfang als zuvor zur Finanzierung der Jugendhilfe herangezogen;
ihre Belastung gehe aber keinesfalls über die Finanzierung dieser Aufgabe
hinaus.
Anders als die Beschwerdeführerinnen meinten, ermögliche es die Regelung
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des § 165 Abs. 5 Satz 2 NKomVG kleineren regionsangehörigen Gemeinden,
im Wege der interkommunalen Zusammenarbeit gemeinsam mit einer anderen
Gemeinde oder mehreren anderen Gemeinden die entsprechende
Mindesteinwohnergrenze von 30.000 zu erreichen und auf diese Weise die
Aufgabe des örtlichen Jugendhilfeträgers gemeinsam zu übernehmen.
Schließlich verstoße die Regelung des § 166 Abs. 3 Satz 5 NKomVG auch
nicht gegen das auf Art. 58 NV beruhende Verbot der „Übernivellierung“. Die
von den Beschwerdeführerinnen behauptete „Rangstellenverschiebung“ der
Gemeinden untereinander liege nicht vor. Jedenfalls seien die von den
Beschwerdeführerinnen in den Vergleichstabellen dargestellten Werte
ungeeignet, die behauptete Wirkungsweise der angegriffenen Regelungen zu
belegen, da sie grundlegende Variablen des kommunalen Finanzausgleichs
unberücksichtigt ließen.
Die zur Überprüfung gestellte Bestimmung verstoße ferner nicht gegen das
Gebot interkommunaler Gleichbehandlung. Es sei nicht schlechthin verboten,
für verschiedene niedersächsische Gemeinden voneinander abweichende
Regelungen zu treffen. Verboten sei lediglich eine willkürliche
Ungleichbehandlung kommunaler Körperschaften. Die ausschließlich die
regionsangehörigen Gemeinden betreffende Regelung sei durch regionale
Besonderheiten in der Region Hannover sachlich gerechtfertigt.
Die Situation in der Region Hannover unterscheide sich in rechtlicher und
tatsächlicher Hinsicht erheblich von der Situation der übrigen
niedersächsischen Landkreise. Der Gesetzgeber habe im AG KJHG für das
Land Niedersachsen eine Konzentration der Aufgaben der Jugendhilfe auf der
Landkreisebene vorgesehen. Abweichend hiervon habe er im RegHanG für
die Region Hannover von vornherein den Ansatz verfolgt, die
regionsangehörigen Städte und Gemeinden zu stärken und zu einer möglichst
ortsnahen Wahrnehmung der Aufgaben der Jugendhilfe zu veranlassen. Diese
Absicht komme in der Regelung zum Ausdruck, wonach – anders als im
übrigen Land Niedersachsen – in der Region Hannover alle Gemeinden mit
mehr als 30.000 Einwohnern berechtigt seien, die Aufgaben der Jugendhilfe
als örtliche Träger zu übernehmen.
Da valide Daten benötigt würden, sei es auch sachgerecht, dass bei der
Ermittlung des Betrages nach § 166 Abs. 3 Satz 5 NKomVG
(Jugendhilfeumlage) auf die Aufwendungen der Region im vorvergangenen
Jahr zurückgegriffen werde. In dem Zeitpunkt, in dem die Region ihren
Haushalt aufstelle und über die Höhe der Regionsumlage beschließe, lägen
die Daten des vergangenen Jahres noch nicht vor. Zwar sei die Heranziehung
der Daten des vorvergangenen Jahres nicht von höchster Aktualität, es
würden damit aber – wenn auch mit Verzögerung – Ist-Daten und keine bloßen
Planzahlen zugrunde gelegt.
Es sei ebenfalls sachgerecht und nicht systemwidrig, dass die
regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt die
Jugendhilfeumlage nach Maßgabe ihrer jeweiligen Finanzkraft und nicht nach
Maßgabe der tatsächlichen durch die jeweilige Gemeinde verursachten
Kosten aufzubringen hätten. Dadurch werde der Ausgleichsgedanke der
Jugendhilfeumlage besonders hervorgehoben.
2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerden gegen § 160 Abs. 4 Satz 7
NKomVG richteten, bestünden bereits Zweifel an deren Zulässigkeit. Die
angegriffene Regelung entfalte für die Beschwerdeführerinnen keine
eigenständige Beschwer. Die genannte Regelung sei zudem bereits wortgleich
in § 8 Abs. 6 Satz 6 RegHanG vom 5. Juni 2001 enthalten gewesen. Soweit
die Beschwerdeführerinnen argumentative Querverbindungen von § 160
Abs. 4 Satz 7 NKomVG zu § 166 NKomVG herstellten, seien die Beschwerden
jedenfalls unbegründet.
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IV.
In der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2013 haben Regionspräsident
J.und die Leiterin des Fachbereichs Jugend der Region Hannover B. als
sachkundige Dritte Fragen des Staatsgerichtshofs und der Beteiligten zu dem
Verfahren der Berechnung und Erhebung der Jugendhilfeumlage beantwortet.
C.
Die Verfassungsbeschwerden sind unbegründet.
I.
Verfassungsbeschwerden sind zulässig, aber unbegründet.
1. Die gegen die genannte Regelung erhobene formell-rechtliche Rüge greift
nicht durch. Die angegriffene Vorschrift des NKomVG ist in einem formell
ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen. Die von den
Beschwerdeführerinnen geltend gemachte Verletzung eines Anhörungsrechts
liegt nicht vor.
Die verfahrensrechtliche Absicherung der verfassungsrechtlich verbürgten
Rechtsposition der Kommunen im Gesetzgebungsverfahren wird durch Art. 57
Abs. 6 NV bewirkt, der eine Anhörung der kommunalen Spitzenverbände zur
Pflicht macht (Nds. StGH, Urteil vom 16. Mai 2001 - StGH 6/99 u.a. -, NStGHE
4, 31, 49.). Die Anhörung der Kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens
hat während des Gesetzgebungsverfahrens stattgefunden. Die Einführung der
Jugendhilfeumlage in § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG beruht auf einem
Änderungsvorschlag der Fraktionen der CDU und FDP vom 4. Oktober 2010
(1. Nachtrag zur Vorlage 16 zu Nds. LT-Drs. 16/2510). Hierzu haben die
kommunalen Spitzenverbände schriftlich Stellung genommen (Schreiben der
Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens vom
13. Oktober 2010, Vorlage 17 zu Nds. LT-Drs. 16/2510). Ein darüber
hinausgehendes Anhörungsrecht einzelner Gemeinden sieht die Verfassung
nicht vor. Ein solches Recht ist auch von Verfassungs wegen nicht geboten.
2. Die von den Beschwerdeführerinnen erhobenen materiell-rechtlichen Rügen
sind ebenfalls unbegründet.
Der Gesetzgeber hat mit der Jugendhilfeumlage als Sonderumlage, die nur
von den regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt
aufzubringen ist, den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht
überschritten.
a) Prüfungsmaßstab sind die Grundsätze, die der Staatsgerichtshof zu Art. 58
NV entwickelt hat, in entsprechender Anwendung.
aa) Die Niedersächsische Verfassung enthält mit Art. 57 Abs. 4 NV einerseits
und mit Art. 58 NV andererseits zwei selbstständige Ausformungen der
finanziellen Absicherung der kommunalen Gebietskörperschaften, die sich auf
verschiedene kommunale Aufgabenbereiche beziehen und auch ihrem
Regelungscharakter nach verschieden sind (Nds. StGH, Beschluss vom 15.
August 1995 - StGH 2,3,6 bis 10/93 -, NStGHE 3, 136, 156 ff.). Art. 57 Abs. 4
NV regelt abschließend die Frage einer Aufgabenübertragung durch
Landesgesetze und deren Finanzierung. Art. 58 NV regelt allgemein und
umfassend die aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen (Nds.
StGH, Urteil vom 16. Mai 2001 - StGH 6/99 u.a. -, NStGHE 4, 31, 56 ff.).
Durch das Gesetz zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung vom
27. Januar 2006 (Nds. GVBl., S. 58) ist in Gestalt des Art. 57 Abs. 4 Satz 2 NV
eine Vorschrift geschaffen worden, die den Gesetzgeber verpflichtet, bei der
Statuierung von Pflichtaufgaben auch im eigenen Wirkungskreis stets eine
Regelung über den finanziellen Ausgleich zu treffen. Dies gilt jedoch nur für
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Pflichtaufgaben, die nach dem 1. Januar 2006 zugewiesen werden. Für
Vorschriften über Pflichtaufgaben, die vor dem 1. Januar 2006 erlassen
worden sind, bedeutet dies, dass diese nach wie vor dem Regelungsregime
des Art. 58 NV unterliegen.
Die von der Beschwerdeführerin angegriffene Norm des § 166 Abs. 3 Sätze 4
und 5 NKomVG enthält eine Regelung im Rahmen der Berechnung der
Regionsumlage. Sie steht aber in sachlichem Zusammenhang mit der
Finanzierung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe. Diese Aufgabe ist der
Region bzw. den regionsangehörigen Gemeinden, die sich zum örtlichen
Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben bestimmen lassen, als
Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis zugewiesen worden (§ 8 Abs. 6
Satz 1 RegHanG; § 160 Abs. 4 Satz 1 NKomVG). Da diese Zuweisung bereits
durch das RegHanG im Jahr 2001 erfolgt ist, fällt die Finanzierung noch unter
das Regelungsregime des Art. 58 NV.
Art. 58 NV verpflichtet das Land, den Kommunen die zur Erfüllung ihrer
Aufgaben erforderlichen Mittel entweder durch Erschließung eigener
Steuerquellen oder im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit durch
übergemeindlichen Finanzausgleich zur Verfügung zu stellen. Die
Aufgabenbezogenheit der Finanzgarantie des Art. 58 NV und das Ziel der
Aufgabengerechtigkeit des Finanzausgleichs verlangen, dass der
Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des vertikalen Finanzausgleichs zwischen
Land und Kommunen die Höhe der erforderlichen Finanzmittel und damit auch
Art und Umfang der zu erledigenden Aufgaben der Kommunen kennt und
nachvollziehbar einschätzt (Nds. StGH, Urteile vom 25. November 1997 -
StGH 14/95 u.a. -, NStGHE 3, 299, 315, und vom 16. Mai 2001 - StGH 6/99
u.a. -, NStGHE 4, 31, 57). Auch bei der horizontalen Verteilung der
Schlüsselmasse auf die einzelnen Kommunen bildet das Leitbild eines
aufgabengerechten Finanzausgleichs den verfassungsrechtlichen
Ausgangspunkt (Nds. StGH, Urteile vom 25. November 1997 - StGH 14/95 u.
a. -, NStGHE 3, 299, 319, und vom 16. Mai 2001 - StGH 6/99 u.a. -, NStGHE 4,
31, 60). Innerhalb dieser Grenzen steht dem Gesetzgeber ein weiter,
verfassungsgerichtlich nicht überprüfbarer Gestaltungsspielraum bei der
Auswahl der Kriterien für die Bestimmung des aufgabenbezogenen
Finanzbedarfs zu (Nds. StGH, Urteil vom 25. November 1997 - StGH 14/95 u.
a. -, NStGHE 3, 320).
Dieser weite Gestaltungsspielraum steht dem Gesetzgeber auch in Bezug auf
die angegriffene Norm des § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG zu, mit der er
eine Regelung über die Jugendhilfeumlage als Teil der Regionsumlage
getroffen hat. Die angegriffene Norm beinhaltet zwar lediglich eine Regelung
zur Finanzierung der Region Hannover durch die regionsangehörigen
Gemeinden im Rahmen der Regionsumlage. Sie ist somit keine Vorschrift des
horizontalen kommunalen Finanzausgleichs. Für die betroffenen Gemeinden
macht es jedoch keinen Unterschied, ob sie im Rahmen des horizontalen
Finanzausgleichs weniger Zuweisungen vom Land erhalten oder ob sie im
Rahmen der Finanzierung der Region eine Jugendhilfeumlage und damit
einen höheren Anteil an der Regions-umlage zu zahlen haben (siehe auch
Nds. StGH, Urteil vom 16. Mai 2001 - StGH 6/99 u.a. -, NStGHE 4, 31, 58 zur
Vergleichbarkeit des Finanzausgleichs mit der Erhebung einer Kreisumlage).
bb) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen haben alle
regionsangehörigen Gemeinden die Möglichkeit, die Aufgaben der öffentlichen
Jugendhilfe zu übernehmen und damit der Jugendhilfeumlage zu entgehen.
Einer solchen Übernahme stehen weder bundes- noch landesrechtliche
Bestimmungen entgegen.
Nach § 69 Abs. 1 SGB VIII in der seit dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung
werden die Träger der öffentlichen Jugendhilfe durch Landesrecht bestimmt.
Für die Wahrnehmung der Aufgaben nach diesem Buch errichtet jeder örtliche
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Träger ein Jugendamt, jeder überörtliche Träger ein Landesjugendamt (§ 69
Abs. 3 SGB VIII). Mehrere örtliche Träger und mehrere überörtliche Träger
können, auch wenn sie verschiedenen Ländern angehören, zur Durchführung
einzelner Aufgaben gemeinsame Einrichtungen und Dienste errichten.
Den Beschwerdeführerinnen ist zuzustimmen, dass § 69 Abs. 3 und 4 SGB
VIII keine rechtliche Grundlage für einen Zusammenschluss mehrerer
Gemeinden zur Errichtung eines Jugendamts beinhaltet (Kern, in:
Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, Kommentar zum SGB VIII, 4. Aufl. 2012, § 69
Rn. 23; Grube, in: Hauck, Kommentar zum SGB VIII, Losebl. 42. Lfg. IV/09, §
69 Rn. 8). Diese Vorschrift steht einem solchen Zusammenschluss aber auch
nicht entgegen. Die Schaffung einer solchen Möglichkeit liegt nach Art. 84 Abs.
1 Satz 1 GG i.V.m. § 69 Abs. 1 SGB VIII vielmehr in der Kompetenz des
Landesgesetzgebers und richtet sich demgemäß ausschließlich nach
Landesrecht.
Nach § 163 Abs. 4 Satz 1 können die nicht in § 1 Abs. 2 Satz 1 AGKJHG
genannten regionsangehörigen Gemeinden mit mehr als 30.000
Einwohnerinnen und Einwohnern zu Trägern der öffentlichen Jugendhilfe
bestimmt werden. Diese Möglichkeit ist auch kreisangehörigen Gemeinden
unterhalb einer Einwohnerzahl von 30.000 eröffnet, wenn sie die Übernahme
der öffentlichen Jugendhilfe mit anderen Gemeinden vereinbaren. Hängt
nämlich nach den Bestimmungen des 9. Teils des NKomVG die Übertragung
einer Aufgabe davon ab, ob eine regionsangehörige Gemeinde eine
bestimmte Einwohnerzahl hat, so gilt diese Voraussetzung für alle Beteiligten
als erfüllt, wenn die nach dem Recht der kommunalen Zusammenarbeit
vereinbarte gemeinsame Erfüllung dieser Aufgabe ein Gebiet betrifft, dessen
Einwohnerzahl die Mindestgrenze erreicht (§ 165 Abs. 5 Satz 2 NKomVG).
Nicht zu folgen ist der Auffassung der Beschwerdeführerinnen, ein
Zusammenschluss nach § 165 Abs. 5 Satz 2 NKomVG scheitere daran, dass
die Aufgabe den Kommunen bereits zugewiesen sein müsse, bevor sie sich
zur gemeinsamen Erfüllung der Aufgabe zusammenschlössen. § 165 Abs. 5
Satz 2 NKomVG verweist nur hinsichtlich der übrigen Umstände der
gemeinsamen Aufgabenerfüllung auf das Niedersächsische Gesetz über die
kommunale Zusammenarbeit. Von dieser Verweisung ist das
Tatbestandsmerkmal, dass die Aufgabe bereits vor dem Zusammenschluss
erfüllt werden muss, ausgenommen. Mit § 165 Abs. 5 Satz 2 NKomVG sollte
gerade die Möglichkeit geschaffen werden, dass Aufgaben auch an kleinere
Gemeinden übertragen werden können, wenn diese sich zusammenschließen
(vgl. Stein, in: Ipsen, Kommentar zum NKomVG, 2011, § 165, Rn. 10). Eine vor
Vereinbarung der Zusammenarbeit bestehende Aufgabenzuständigkeit ist
mithin nicht Tatbestandsmerkmal dieser gesetzlichen Regelung.
Folgerichtig haben alle regionsangehörigen Gemeinden die Möglichkeit, sich
zu örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bestimmen zu lassen und so
zu vermeiden, zu der Jugendhilfe herangezogen zu werden. Der Einwand der
Beschwerdeführerinnen, regionsangehörige Gemeinden mit weniger als
30.000 Einwohnern könnten sich der zusätzlichen Belastung durch die
Jugendhilfeumlage nicht entziehen, greift deshalb nicht durch. Allerdings
müssten sie sich im Wege der kommunalen Zusammenarbeit mit anderen
Gemeinden zusammenschließen, um die Mindestzahl von 30.000
Einwohnerinnen und Einwohnern nach § 163 Abs. 4 Satz 1 NKomVG zu
überschreiten.
b) Den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber
auch nicht durch die Einführung der Jugendhilfeumlage gem. § 166 Abs. 3
Sätze 4 und 5 NKomVG als Sonderumlage im Rahmen der Regionsumlage
verletzt.
aa) Unbegründet ist die Rüge, der Gesetzgeber habe seinem Entschluss zur
Einführung einer Jugendhilfeumlage unter Verletzung des Willkürverbots einen
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unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt, indem er von einer
Doppelbelastung der regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt
ausgegangen sei. Unabhängig von der Frage, ob das rechtsstaatliche
Willkürverbot und seine Ausprägungen in Art. 58 NV aufgehen oder einen
selbstständigen verfassungsrechtlichen Maßstab bilden (vgl. hierzu Nds.
StGH, Urteil vom 4. Juni 2010 - StGH 1/08 -, NdsVBl. 2010, 236, 241), erweist
sich eine gesetzgeberische Entscheidung nur dann als willkürfrei, wenn der
Gesetzgeber sie auf der Basis des richtigen Sachverhaltes getroffen hat.
Diesen Vorgaben hat der Gesetzgeber vorliegend im
Gesetzgebungsverfahren genügt. Er ist davon ausgegangen, dass die
regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt gegenüber den
regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt benachteiligt seien
(Schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur Zusammenfassung und
Modernisierung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts, Nds.
LT-Drs. 16/3147, S. 31). Diese Benachteiligung hat der Gesetzgeber darin
gesehen, dass die regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt
einerseits mindestens 20 % ihrer Kosten für das Jugendamt selbst tragen
müssen und andererseits über die Regions-umlage an den Kosten für das
Jugendamt der Region beteiligt sind (1. Nachtrag zur Vorlage 16 zu Nds. LT-
Drs. 16/2510, S. 2).
Die bei der Einführung der Jugendhilfeumlage in tatsächlicher Hinsicht zu
Grunde gelegten Annahmen des Gesetzgebers erweisen sich als zutreffend.
Die regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt waren vor
Einführung der Jugendhilfeumlage gegenüber den regionsangehörigen
Gemeinden ohne eigenes Jugendamt finanziell benachteiligt. Diese
Benachteiligung bestand darin, dass die regionsangehörigen Gemeinden mit
eigenem Jugendamt neben dem verbleibenden Eigenanteil in Höhe von
mindestens 20 % der Personal- und Sachkosten für die genannten Leistungen
über die Regionsumlage auch die gesamten Aufwendungen für das
Jugendamt der Region anteilig mitfinanziert haben, obwohl die vom
Jugendamt der Region erbrachten Leistungen ausschließlich den Einwohnern
der regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt zugutekamen.
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung wurde dieser Nachteil auch
nicht durch andere Vorteile, wie z.B. Synergieeffekte, kompensiert. Der nur
geringe Umfang der Synergieeffekte beruht nach den Angaben der in der
mündlichen Verhandlung gehörten Auskunftspersonen unter anderem darauf,
dass der überwiegende Anteil der Aufwendungen der regionsangehörigen
Gemeinden für ihre Jugendämter aus Sachkosten besteht. Dementsprechend
kommt es zu Synergieeffekten lediglich im Bereich des „Verwaltungs-
Overheads“. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen korrespondiert
die unvollständige Erstattung der Aufwendungen nicht mit dem Umstand, dass
die regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt nur einen Teil der
Aufgaben der Jugendhilfe übernähmen. Abgesehen von wenigen zentralen
Einrichtungen führen die Jugendämter der regionsangehörigen Gemeinden
alle Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe aus. Sie erhalten aber nur bis zu 80
% der Aufwendungen für die im Gesetz genannten Leistungen erstattet.
Zudem erhalten die Gemeinden mit eigenem Jugendamt nur für die in § 160
Abs. 4 Satz 5 NKomVG genannten Aufgaben nach dem SGB VIII eine
anteilige Kostenerstattung, nicht aber für die weiteren, von ihnen darüber
hinaus wahrgenommenen Aufgaben nach dem SGB VIII, die in § 160 Abs. 4
Satz 5 NKomVG nicht aufgeführt sind. Die verbleibende Eigenbelastung führt
im Zusammenhang mit der von allen Gemeinden über die Regionsumlage
aufzubringenden Finanzierung des Jugendamtes der Region zu der vom
Gesetzgeber angenommenen finanziellen Benachteiligung. Diese durfte der
Gesetzgeber zum Anlass für die Einführung der Jugendhilfeumlage nehmen.
bb) Die Rüge, der Gesetzgeber habe gegen die vom Staatsgerichtshof im
Göttingen-Urteil vom 16. Mai 2001 statuierte Begründungspflicht verstoßen, ist
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unbegründet.
Zwar hat der Staatsgerichtshof in seinem Urteil vom 16. Mai 2001 (- StGH 6/99
-, NStGHE 4, 31, 66 f.) ausgeführt, dass gerade Entscheidungen im Rahmen
des legislativen Gestaltungsspielraums einer plausiblen und
nachvollziehbaren Begründung bedürfen. Dieser Begründungspflicht ist der
Gesetzgeber jedoch vorliegend in ausreichender Weise nachgekommen.
Insoweit ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber die
von ihm erkannte Benachteiligung der regionsangehörigen Gemeinden mit
eigenem Jugendamt beseitigen wollte. Darüber hinaus sollte diese Beseitigung
der finanziellen Benachteiligung auch dazu führen, dass weitere
regionsangehörige Gemeinden den Antrag stellen, sich gemäß dem
ursprünglichen Konzept des Gesetzgebers zum örtlichen Träger der
öffentlichen Jugendhilfe bestimmen zu lassen (1. Nachtrag zur Vorlage 16 zu
Nds. LT-Drs. 16/2510, S. 2). Diese Begründung ist nachvollziehbar. Sie trägt
den Besonderheiten in der Region Hannover Rechnung und ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
cc) Unbegründet ist auch die Rüge, die Jugendhilfeumlage sei systemwidrig
und verstoße damit gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit.
Den Bedeutungsgehalt des vom BVerfG (Urteil vom 19.10.1982 - 1 BvL 39/80 -
, BVerfGE 61, 138, 148 f.; Beschluss vom 06.11.1984, - 2BvL 16/83 -, BVerfGE
68, 237, 253; Urteil vom 23.01.1990, - 1 BvL 44/86 -, - 1 BvL 48/87 -, BVerfGE
81, 156, 207) entwickelten Grundsatzes der Systemgerechtigkeit umschreibt
der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil
vom 11. Dezember 2007 (- VerfGH 10/06 -, NWVBl. 2008, 223 m.w.N.) wie
folgt:
„Nach welchem System der Gesetzgeber eine bestimmte Materie ordnen will,
obliegt seiner Entscheidung. Weicht er vom selbstbestimmten System ab,
kann das einen Gleichheitsverstoß indizieren. Ein solcher liegt nicht vor, wenn
es für die Abweichung plausible Gründe gibt.“
Diese Grundsätze hat der Staatsgerichtshof in seinem Urteil vom 4. Juni 2010
(- StGH 1/08 -, NdsVBl. 2010, 236, 241 f.) bei der Prüfung von Vorschriften im
Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs angewendet. Dabei hat er
offengelassen, ob bei der Prüfung eines Verstoßes gegen den Grundsatz der
Systemgerechtigkeit wegen dessen Verankerung im Rechtsstaatsprinzip ein
rein objektiver Maßstab anzuwenden (vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse vom 5.
Oktober 1993, 1 BvL 34/81, BVerfGE 89, 132, 141 und vom 18. Juli 2005, 2
BvF 2/01, BVerfGE 113, 167, 262; Nds. StGH, Urteil vom 14. Februar 1979 -
StGH 2/77 -, NStGHE 2, 1, 155) oder ob wegen des aus Art. 58 NV
abgeleiteten Grundsatzes der Aufgabengerechtigkeit des Finanzausgleichs
ausschließlich auf die dokumentierten Erwägungen des historischen
Gesetzgebers abzustellen sei.
Die vorstehend wiedergegebenen Maßstäbe sind auch bei der
verfassungsrechtlichen Prüfung der Frage zugrunde zu legen, ob es dem
Gebot der Systemgerechtigkeit widerspricht, dass die Jugendhilfeumlage als
Sonderumlage nur von den regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes
Jugendamt aufzubringen ist.
Der Grundsatz der Systemgerechtigkeit wird durch § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5
NKomVG nicht dadurch verletzt, dass die regionsangehörigen Gemeinden
ohne eigenes Jugendamt mit der Jugendhilfeumlage Aufwendungen der
Region für das Jugendamt der Region anteilig finanzieren. Zwar weisen die
Beschwerdeführerinnen zu Recht darauf hin, dass die Region nach § 160
Abs. 4 Satz 1 NKomVG der originäre örtliche Träger der öffentlichen
Jugendhilfe ist. Gleichwohl ist es nicht systemwidrig, dass die
regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt mit der
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Jugendhilfeumlage die im Gesetz genannten Aufwendungen der Region
anteilig finanzieren. Denn die vom Jugendamt der Region erbrachten
Leistungen, die als Bemessungsgrundlage für die Jugendhilfeumlage
herangezogen werden, kommen nur den Einwohnern der Gemeinden zugute,
die kein eigenes Jugendamt unterhalten. Die mit diesen Leistungen
verbundenen Aufwendungen der Region werden nunmehr zu mindestens
20 % von den regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt über
die Jugendhilfeumlage finanziert. Damit entspricht die Belastung der von der
Jugendhilfeumlage betroffenen Gemeinden im Ausgangspunkt dem damit
korrespondierenden Eigenanteil der regionsangehörigen Gemeinden mit
eigenem Jugendamt. Folglich werden im Ergebnis die regionsangehörigen
Gemeinden mit eigenem und ohne eigenes Jugendamt vergleichbar belastet.
Ergänzend zur Beseitigung der Benachteiligung der regionsangehörigen
Gemeinden mit eigenem Jugendamt wollte der Gesetzgeber – entsprechend
seinem ursprünglichen Konzept der ortsnahen Jugendhilfe in der Region –
auch einen Anreiz für regionsangehörige Gemeinden schaffen, ein eigenes
Jugendamt zu errichten bzw. beizubehalten. Diese auch hinsichtlich des
Förderzwecks zulässige und insgesamt nachvollziehbare Begründung hat
hinreichenden Eingang in die Gesetzesmaterialien gefunden (1. Nachtrag zur
Vorlage 16 zu Nds. LT-Drs. 16/2510, S. 2). Folglich kommt es nicht auf die vom
Staatsgerichtshof in seinem Urteil vom 4. Juni 2010 (- StGH 1/08 -, NdsVBl.
2010, 236, 242) aufgeworfene Frage an, ob ein rein objektiver Maßstab
anzuwenden oder ausschließlich auf die dokumentierten Erwägungen des
historischen Gesetzgebers abzustellen ist.
dd) Unbegründet ist auch die Rüge, § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG
verletze das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung.
Der Staatsgerichtshof und andere Landesverfassungsgerichte haben zur
Begründung der Schranken des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums
aus dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten objektiven Willkürverbot das
Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung entwickelt (Nds. StGH, Urteil
vom 4. Juni 2010 - StGH 1/08 -, NdsVBl. 2010, 236, 241 f. m.w.N.). Dieses
Gebot verbietet es nach einer vom Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg ständig verwandten und auch vom Staatsgerichtshof
übernommenen (Nds. StGH, Urteil vom 4. Juni 2010 - StGH 1/08 -, NdsVBl.
2010, 236, 241 f.) Umschreibung, bei der Ausgestaltung des kommunalen
Finanzausgleichs bestimmte Gemeinden oder Gemeindeverbände sachwidrig
zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Es verbietet willkürliche, sachlich nicht
vertretbare Differenzierungen und ist verletzt, wenn für die Regelung ein
sachlicher Grund fehlt. Das Verfassungsgericht hat demgegenüber nicht zu
prüfen, ob der Gesetzgeber die bestmögliche und gerechteste Lösung gewählt
hat (VerfGH NRW, Urteil vom 1. Dezember 1998 - VerfGH 5/97 -, DVBl. 1999,
391). In Respektierung der politischen Handlungs- und Gestaltungsfreiheit des
Gesetzgebers ist auch nicht zu prüfen, ob die Regelung notwendig oder gar
unabweisbar ist. Der Gesetzgeber darf innerhalb gewisser Grenzen im
Rahmen der Gemeindefinanzierung auch ihm zweckmäßig Erscheinendes
verfolgen. Ihm kommt insoweit ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum
zu, der gewahrt ist, wenn sich der „Gesetzgeber auf eine nachvollziehbare und
vertretbare Einschätzung stützt“ (vgl. VerfG Bbg, Urteile vom 18. Juni 1998, -
VfGBbg 27/97 -, LVerfGE 8, 97, 139, und vom 29. August 2002, - VfGBbg
34/01 -, LVerfGE 13, 159, 174; Beschluss vom 18. Mai 2006, - VfGBbg 39/04 -,
LVerfGE 17, 103).
Diese zum kommunalen Finanzausgleich entwickelten Grundsätze gelten
auch für die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Bestimmungen
über die Jugendhilfeumlage als Teil der Regionsumlage.
Die Beschwerdeführerinnen sind nicht dadurch gleichheitswidrig gegenüber
anderen niedersächsischen Gemeinden benachteiligt, dass sie als
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regionsangehörige Gemeinden Teil eines besonderen Regelungsregimes
sind, das sich im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe von dem der übrigen
niedersächsischen Landkreise unterscheidet. Unterschiedliche Regelungen
bestehen zwar hinsichtlich der Möglichkeit für regionsangehörige Gemeinden,
sich zum örtlichen Träger der Jugendhilfe bestimmen zu lassen und im Bereich
der Finanzierung der Jugendhilfeaufgaben. Der Gesetzgeber hat mit diesen
Sonderregelungen den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum jedoch nicht
überschritten. Er hat vielmehr die Sonderregelungen den Verhältnissen in der
Region Hannover, die sich erheblich von denen im übrigen Land
unterscheiden, angepasst. Aufgrund der erheblichen regionalen Unterschiede
ist eine landeseinheitliche Regelung nicht geboten.
Der Gesetzgeber hat bereits mit der Errichtung der Region Hannover als einer
neuartigen Gebietskörperschaft auf die erheblichen Besonderheiten im
Großraum Hannover reagiert. Diese bestehen zum einen in der
Ausnahmestellung der Landeshauptstadt Hannover, zum anderen in der
besonderen Verwaltungskraft der regionsangehörigen Gemeinden. An diese
besondere Verwaltungskraft anknüpfend wollte der Gesetzgeber im Bereich
der Region Hannover einen möglichst bürgernahen Verwaltungsvollzug
fördern (Nds. LT-Drs. 14/1880, S. 73). Um das politische Ziel einer dezentralen
Aufgabenwahrnehmung auf dem Gebiet der Jugendhilfe durchzusetzen, hat
der Gesetzgeber einen zusätzlichen finanziellen Anreiz gesetzt. Die Erstattung
von bis zu 80 % der im Gesetz genannten Aufwendungen sollte die
regionsangehörigen Gemeinden veranlassen, die Aufgaben der öffentlichen
Jugendhilfe selbst zu übernehmen. Diesen Ansatz hat der Gesetzgeber im
Rahmen der Beratung zum RegHanG nachvollziehbar begründet (Nds. LT-
Drs. 14/1880, S. 78 ff.) und mit der Jugendhilfeumlage ebenfalls
nachvollziehbar weiterentwickelt.
Die Einführung der Jugendhilfeumlage durch das NKomVG führt auch nicht zu
einer gleichheitswidrigen Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerinnen
gegenüber kreisangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt. Die
Jugendhilfeumlage stellt lediglich eine Ergänzung der bestehenden
Sonderregelungen zur Finanzierung der Aufwendungen im Bereich der
Jugendhilfe in der Region Hannover dar. Sie hält sich im Bereich der
speziellen Regelungen innerhalb der Region Hannover. Daraus folgt, dass
kreisangehörige Gemeinden nicht als Vergleichsgruppe für die Prüfung einer
verfassungswidrigen Ungleichbehandlung in Betracht kommen. Denn diese
unterliegen in zulässiger Weise einem anderen Regelungsregime.
Die Jugendhilfeumlage führt auch nicht zu einer gleichheitswidrigen
Benachteiligung der regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes
Jugendamt gegenüber den regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem
Jugendamt. Zwar sind die Beschwerdeführerinnen und die übrigen
regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt durch die
Einführung der Jugendhilfeumlage finanziell stärker belastet als zuvor; diese
stärkere Belastung findet ihren sachlichen Grund jedoch in dem
gesetzgeberischen Ziel, die zuvor bestehende Benachteiligung der
regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt zu beseitigen.
Insoweit hat sich der Gesetzgeber auf eine nachvollziehbare und vertretbare
Einschätzung gestützt (s.o. unter aa).
Ebensowenig greift die Rüge durch, der Gesetzgeber hätte sein Ziel, die
regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt vorrangig an der
Finanzierung der Aufwendungen der Region im Bereich der Jugendhilfe
heranzuziehen, dadurch besser erreicht, wenn er eine Regelung wie in § 56
KrO NRW getroffen hätte. Denn der Staatsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob
der Gesetzgeber die bestmögliche und gerechteste Lösung gewählt hat
(Landesverfassungsgericht Mecklenburg Vorpommern, Urteil vom 26. Januar
2012, - LVerfG 18/10 u. 33/10 -, NordÖR 2012, 229 m.w.N.).
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ee) Die Rüge, § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG verstoße gegen das
Verbot der Übernivellierung, greift ebenfalls nicht durch.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs sind dem
Gesetzgeber beim Erlass jeder finanzausgleichsrechtlichen Regelung
Grenzen gesetzt. Der Finanzausgleich soll die Finanzkraftunterschiede der
Gemeinden durch Angleichung mildern (sog. Harmonisierungsgebot); er soll
sie aber nicht vollständig abbauen oder gar im Ergebnis bewirken, dass die
tatsächliche Finanzkraftreihenfolge umgekehrt wird. Daher findet das
Ausgleichsgebot dort seine Grenze, wo es zur Nivellierung oder gar
Übernivellierung führt (Nds. StGH, Beschluss vom 15. August 1995 - StGH
2,3,6 bis 10/93 -, NStGHE 3, 136 164; Nds. StGH, Urteil vom 16. Mai 2001 -
StGH 6/99 u.a. -, NStGHE 4, 31, 58; Nds. StGH, Urteil vom 4. Juni 2010 - StGH
1/08 -, NdsVBl. 2010, 236, 239).
Der Staatsgerichtshof lässt insoweit offen, ob diese zum kommunalen
Finanzausgleich entwickelten Grundsätze auf die Jugendhilfeumlage
anwendbar sind. Gegen die Übertragung der Grundsätze spricht der Umstand,
dass die betroffenen Gemeinden die Wahl haben, sich zum örtlichen Träger
der öffentlichen Jugendhilfe bestimmen zu lassen und so zu vermeiden, zu der
Jugendhilfeumlage herangezogen zu werden. Jedenfalls sind die von den
beschwerdeführenden Gemeinden vorgelegten Unterlagen nicht geeignet,
eine Rangstellenverschiebung zu belegen. So basieren die in der Anlage K3
ausgewiesenen Rangstellenverschiebungen auf einem Vergleich der
Einnahme-/Ausgabesituation der regionsangehörigen Gemeinden vor und
nach der Berücksichtigung der neu eingeführten Jugendhilfeumlage. Eine
verfassungswidrige Übernivellierung würde jedoch nur dann eintreten, wenn
sich die Reihenfolge in der Finanzkraft der Gemeinden nach Durchführung des
Finanzausgleichs unter Heranziehung der Jugendhilfeumlage veränderte. Dies
ist jedoch weder von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen worden, noch
lässt es sich aus den vorgelegten Unterlagen entnehmen.
ff) Unbegründet ist auch die Rüge, die Bestimmungen über die
Jugendhilfeumlage verstießen insoweit gegen das Willkürverbot, als für die
Ermittlung ihrer Höhe die Daten des vorvergangenen Jahres zugrunde gelegt
würden.
Die vom Gesetzgeber bei der Berechnung der Jugendhilfeumlage gewählte
Anknüpfung an die Aufwendungen für das Jugendamt der Region im
vorvergangenen Jahr – und nicht an aktuelle Plandaten – ist nicht willkürlich.
Insoweit wollte der Gesetzgeber gewährleisten, dass „es mit der Neuverteilung
der Aufwendungen nicht zu einer Erhöhung der Regionsumlage“ insgesamt
kommt. Dazu sollte „ein fester, von der Region tatsächlich aufgewandter
Betrag von den Umlagegrundlagen abgezogen“ (1. Nachtrag zur Vorlage 16
zu Nds. LT-Drs. 16/2510, S. 2) und vorab von den Gemeinden ohne eigenes
Jugendamt entrichtet werden. Dabei sollte es sich nach der Vorstellung des
Gesetzgebers um eine „klar bezifferbare und verifizierbare Summe“ handeln
(1. Nachtrag zur Vorlage 16 zu Nds. LT-Drs. 16/2510, S. 2). Folglich hat der
Gesetzgeber zur Vermeidung von Unsicherheiten auf die Zugrundelegung von
Plandaten verzichtet. Allerdings können die Aufwendungen der Region für das
Jugendamt im vorvergangenen Jahr (Bezugsjahr) von den prognostizierten
Aufwendungen der Region für das Jugendamt der Region im übernächsten
Jahr, für das die Jugendhilfeumlage ermittelt wird (Festsetzungsjahr),
abweichen. Der Gesetzgeber hat jedoch eine nachvollziehbare und damit
verfassungsrechtlich ausreichende Begründung für die von ihm gewählte
Anknüpfung gegeben.
Ebensowenig ist es im Ergebnis verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass
der Gesetzgeber an die Aufwendungen der Region aus dem vorvergangenen
Jahr – und nicht aus dem vergangenem Jahr – anknüpft. Dies gilt jedenfalls,
soweit sich die Anzahl der regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem
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Jugendamt zwischen dem Bezugsjahr und dem Festsetzungsjahr nicht ändert.
In diesem Fall wird durch die Anknüpfung an das Vorvorjahr gewährleistet,
dass diese Daten bei der Berechnung der Regionsumlage (einschließlich der
Jugendhilfeumlage) tatsächlich vorliegen. Dies wäre bei einer Anknüpfung an
die Aufwendungen der Region für das Vorjahr nach den Angaben der
Auskunftspersonen in der mündlichen Verhandlung nicht gewährleistet. Dieses
Vorgehen hat der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zwar knapp, aber
noch ausreichend begründet (vgl. 1. Nachtrag zur Vorlage 16 zu Nds. LT-Drs.
16/2510, S. 2).
Die vom Gesetzgeber bei der Ermittlung der Jugendhilfeumlage gewählte
Anknüpfung an die Aufwendungen für das Jugendamt der Region im
vorvergangenen Jahr würde sich jedoch als sachwidrig erweisen, falls sich die
Zahl der Gemeinden ohne eigenes Jugendamt zwischen dem Bezugsjahr und
dem Festsetzungsjahr verringerte. Nach dem Wortlaut des § 166 Abs. 3
Sätze 4 und 5 NKomVG müssen diejenigen regionsangehörigen Gemeinden
die Jugendhilfeumlage aufbringen, die in dem Festsetzungsjahr kein eigenes
Jugendamt unterhalten. Die im Gesetz genannten Aufwendungen für das
Jugendamt der Region als Bemessungsgrundlage für die Jugendhilfeumlage
enthalten aber auch Aufwendungen, die noch den Einwohnern derjenigen
regionsangehörigen Gemeinden zugutegekommen sind, die erst zwischen
dem Bezugsjahr und dem Festsetzungsjahr ein Jugendamt eingerichtet
haben. Damit trügen die regionsangehörigen Gemeinden, die im
Festsetzungsjahr über kein eigenes Jugendamt verfügten, im Ergebnis
Aufwendungen, die wirtschaftlich einer größeren Zahl von regionsangehörigen
Gemeinden zugutegekommen sind, als nunmehr zur Aufbringung der
Jugendhilfeumlage herangezogen werden.
Diese erhöhte Belastung der verbleibenden regionsangehörigen Gemeinden
ohne eigenes Jugendamt wäre nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Es
wäre nicht zu begründen, warum im Falle der Errichtung weiterer Jugendämter
durch regionsangehörige Gemeinden die verbleibenden regionsangehörigen
Gemeinden ohne eigene Jugendämter die gesamte Jugendhilfeumlage
aufbringen sollten, deren Höhe auch dadurch beeinflusst ist, dass im
Bezugsjahr diejenigen regionsangehörigen Gemeinden, die in der
Zwischenzeit ein eigenes Jugendamt errichtet haben, noch kein eigenes
Jugendamt hatten. Insoweit würden die verbleibenden Gemeinden ohne
eigenes Jugendamt quasi den Anteil derjenigen regionsangehörigen
Gemeinden mit übernehmen, die zwischen dem Bezugsjahr und dem
Festsetzungsjahr ein eigenes Jugendamt errichtet haben. Ferner ist von
Bedeutung, dass sich die tatsächlichen Aufwendungen für das Jugendamt der
Region sich im Festsetzungsjahr im Verhältnis zum Bezugsjahr tendenziell
verringern dürften, falls nach dem Bezugsjahr weitere regionsangehörige
Gemeinden eigene Jugendämter errichteten.
Obwohl nach dem bloßen Wortlaut des § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG
in der geschilderten Konstellation eine sachwidrige Benachteiligung der
verbleibenden umlagepflichtigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt
vorläge, führt dies jedoch nicht zu einem Verfassungsverstoß, da eine
verfassungskonforme Auslegung der Bestimmung möglich ist. Nach
verfassungskonformer Auslegung sind nur die Gemeinden, die auch im
Festsetzungsjahr kein eigenes Jugendamt unterhalten, zur Jugendhilfeumlage
heranzuziehen. Die Jugendhilfeumlage wird jedoch um den Betrag gemindert,
der auf diejenigen regionsangehörigen Gemeinden entfällt, die zwischen
Bezugsjahr und Festsetzungsjahr ein eigenes Jugendamt errichtet haben.
Damit entspricht der tatsächlich von den verbleibenden regionsangehörigen
Gemeinden ohne eigenes Jugendamt aufzubringende Anteil nur demjenigen
Betrag, der auf sie entfallen wäre, wenn sich die Anzahl der
regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt nicht verändert hätte.
Als Folge hiervon würde die Jugendhilfeumlage in dieser Konstellation
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geringer ausfallen. Dies dürfte in der Praxis jedoch mit dem Umstand
korrespondieren, dass sich die Aufwendungen der Region für das Jugendamt
der Region tendenziell verminderten, falls weitere regionsangehörige
Gemeinden nach dem Bezugsjahr eigene Jugendämter errichteten. Die nach
Abzug der so verminderten Jugendhilfeumlage verbleibende Regionsumlage
wird dann – systemgerecht – von allen regionsangehörigen Gemeinden
aufgebracht.
gg) Unbegründet ist auch die Rüge, nach den Maßstäben des Urteils des
Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. Februar 2010 (- LVG
9/08 -, LKV 2010, 477) verstoße § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG gegen
den Bestimmtheitsgrundsatz; das NKomVG regele nicht, nach welchem
Maßstab die Jugendhilfeumlage von den betroffenen Gemeinden
aufzubringen sei. In der genannten Entscheidung führt das
Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt aus:
„Kernelement des Rechtsstaatsprinzips ist, dass alle materiellen
Rechtsnormen mit Regelungsanspruch dem Rechtsunterworfenen gegenüber
diesem die Möglichkeit einräumen, sein Verhalten auf die Rechtsnorm
einzurichten (BVerfG, Beschl. v. 07.04.1964 - 1 BvL 12/63 -, BVerfGE 17, 306
[314]). Schon nach allgemeinen rechtsstaatlichen Regeln verlangt der
Bestimmtheitsgrundsatz, gesetzliche Tatbestände so präzise zu formulieren,
dass ein Normadressat sein Handeln kalkulieren kann, weil die Folgen der
Regelung für ihn voraussehbar und berechenbar sind. Dies bedeutet zwar
nicht, dass die Norm überhaupt keine Auslegungsprobleme aufwerfen darf.
Dem Bestimmtheitserfordernis ist vielmehr genügt, wenn diese mit
herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können (BVerfG,
Beschl. v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87 -, BVerfGE 83, 130 [145]).“
Nach diesen Grundsätzen, denen sich der Staatsgerichtshof anschließt, liegt
kein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz vor. Zwar ist in § 166 Abs. 3
NKomVG nicht ausdrücklich geregelt, in welchem Verhältnis die
Jugendhilfeumlage von den betroffenen Gemeinden zu erbringen ist; dies ist
jedoch auch nicht erforderlich. Es reicht aus, dass entsprechende Regelungen
im NFAG getroffen worden sind. Da die Jugendhilfeumlage mit der
Regionsumlage erhoben wird, gelten mangels spezieller Regelungen die
allgemeinen Vorschriften über die Erhebung der Regionsumlage.
Maßgebende Parameter sind nach § 3 Abs. 3 NKomVG i.V.m. § 15 Abs. 2
NFAG demnach die Steuerkraftzahlen der betroffenen Gemeinden sowie die
auf sie entfallenden Schlüsselzuweisungen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass
die Höhe der Jugendhilfeumlage in der Weise von der Finanzkraft der
betroffenen Gemeinden abhängig ist, dass finanzstärkere Gemeinden einen
größeren Anteil als finanzschwächere Gemeinden zu tragen haben.
hh) Die Erhebung der Jugendhilfeumlage nach Maßgabe der Finanzkraft der
betroffenen Gemeinden ist auch nicht sachwidrig und verletzt deshalb nicht
das Willkürverbot.
Insoweit steht – wie ausgeführt – dem Gesetzgeber ein weiter
Gestaltungsspielraum zu. Die von den Beschwerdeführerinnen geforderte
Anknüpfung an die tatsächlichen Fallzahlen und damit an die in den
betroffenen Gemeinden verursachten Kosten wäre zwar in gleicher Weise
möglich gewesen; sie ist jedoch nicht zwingend. Hinsichtlich der Zuweisungen
an die Gemeinden im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs hat der
Staatsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass für die
Bestimmung der nach Art. 58 NV erforderlichen Mittel – anders als bei Art. 57
Abs. 4 NV – keine Kostenanalyse, sondern eine typisierende Bedarfsanalyse
vorzunehmen ist (Nds. StGH, Beschluss vom 15. August 1995 - StGH 2,3,6 bis
10/93 -, NStGHE 3, 136, 164, und Urteil vom 16.05.2001 - StGH 6/99 u.a. -,
NStGHE 4, 31, ). Dies bedeutet, dass es bei der Verteilung der Mittel im
Rahmen des Art. 58 NV nicht auf die tatsächlichen Kosten der einzelnen
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Gemeinden ankommt. Diese Wertung ist auf die vorliegende Konstellation zu
übertragen.
Der Gesetzgeber hat sich in Kenntnis anderer Möglichkeiten für die
Aufbringung der Jugendhilfeumlage nach Maßgabe der Finanzkraft der
betroffenen Gemeinden entschieden. Er hat dies mit den Gesichtspunkten der
Praktikabilität und mit der Gewährleistung der Ausgleichsfunktion der Region
begründet (1. Nachtrag zur Vorlage 16 zu Nds. LT-Drs. 16/2510, S. 2). Diese
Begründung ist nachvollziehbar und verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden. Die Verteilung der Aufwendungen nach Fallzahlen bzw. den
tatsächlichen Kosten hätte einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand
nach sich gezogen. Die insoweit wirksame Ausgleichsfunktion der Region hat
zur Folge, dass dem vom Staatsgerichtshof aufgestellten Gebot der
Harmonisierung Rechnung getragen wird (vgl. Nds. StGH, Beschluss vom 15.
August 1995 - StGH 2,3,6 bis 10/93 -, NStGHE 3, 136, 164; Nds. StGH, Urteil
vom 16. Mai 2001 - StGH 6/99 u.a. -, NStGHE 4, 31, 56 und Nds. StGH, Urteil
vom 4. Juni 2010 - StGH 1/08 -, NdsVBl. 2010, 236, 240 jeweils zum
übergemeindlichen Finanzausgleich). Dieses Harmonisierungsgebot ist auch
bei der Festlegung der Maßstäbe für die Regionsumlage zu beachten.
II.
Soweit sich die Verfassungsbeschwerden gegen § 160 Abs. 4 Satz 7
NKomVG richten, könnten bereits Zweifel an deren Zulässigkeit bestehen.
Sie sind jedenfalls unbegründet.
Die Rüge, die der Region durch § 160 Abs. 4 Satz 7 NKomVG eingeräumte
Befugnis, die Erstattungsmöglichkeit nach § 160 Abs. 4 Sätze 5 und 6
NKomVG auf weitere Leistungen nach dem SGB VIII auszuweiten, erhöhe die
Belastung der Gemeinden durch die Jugendhilfeumlage in
verfassungswidriger Weise, greift nicht durch.
Nach § 160 Abs. 4 Satz 7 NKomVG in der Fassung des Änderungsgesetzes
vom 12. Dezember 2012 kann die Region Hannover die Anwendung der Sätze
5 und 6 auf weitere Aufgaben und Leistungen nach dem SGB VIII erstrecken.
Als solche Leistungen kommen beispielsweise die Beratung in Fragen der
Partnerschaft, Trennung und Scheidung (§ 17), die Beratung und
Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts
(§ 18), die Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen (§ 20), die
Unterstützung selbst organisierter Förderung von Kindern (§ 25), die Hilfe zur
Erziehung (§ 27), die Erziehungsberatung (§ 28), die Krankenhilfe (§ 40), die
Mitwirkung im Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50), die Beratung und
Unterstützung bei Vaterfeststellung (§ 52a), die Förderung der freien
Jugendhilfe (§ 74) und die Finanzierung von Tageseinrichtungen für Kinder
(§ 74a) in Betracht.
Sofern die Region von dieser Erweiterungsmöglichkeit Gebrauch machen
würde, führte dies zunächst zu einem erhöhten Erstattungsanspruch der
Gemeinden mit eigenem Jugendamt gegenüber der Region. Die Erweiterung
hätte spiegelbildlich zur Folge, dass sich die Bemessungsgrundlage für die
Jugendhilfeumlage veränderte und die Gemeinden ohne eigenes Jugendamt
eine höhere Umlage zu tragen hätten. Allein der Hinweis der
Beschwerdeführerinnen auf die mit der Erweiterungsmöglichkeit
einhergehende höhere finanzielle Belastung reicht jedoch nicht aus, um eine
Verletzung des Selbstverwaltungsrechts zu begründen.
III.
Soweit die Beschwerdeführerinnen hilfsweise die Feststellung beantragen,
dass § 160 Abs. 4 Satz 7 und § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG mit Art. 57
Abs. 1 NV nicht vereinbar seien, sind die Kommunalverfassungsbeschwerden
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unzulässig.
Der Hilfsantrag enthält gegenüber den Hauptanträgen zu 1 und 2 keine
weitergehende Rechtsfolge. Die mit dem Hilfsantrag begehrte Rechtsfolge ist
vielmehr vollumfänglich in den Hauptanträgen enthalten.